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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.07.2009
Aktenzeichen: 4 K 1400/09 Z
Rechtsgebiete: GVG


Vorschriften:

GVG § 95 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 25.03.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Am 25.03.2009 beantragte die Klägerin beim Zollamt des Beklagten (Zollstelle) die Überführung einer aus 64 Kartons bestehenden Sendung Kosmetiktaschen aus Spinnstoffen in den zollrechtlich freien Verkehr. Die Kosmetiktaschen waren auf einem Anhänger mit ihrer Marke versehen, die aus einer Verbindung der Großbuchstaben ... und ... in einer Schriftart mit ausgeprägten Serifen bestand. Unter der Buchstabenverbindung befand sich in deutlich kleinerer Schrift die Angabe "...".

Die Zollstelle setzte am 25.03.2009 die Überlassung der Waren nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22.07.2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (ABl. EU Nr. L 196/7) - VO 1383/2003 - aus. Dazu führte die Zollstelle aus, es bestehe der Verdacht, dass die Marke "A" verletzt sei. Zugleich unterrichtete die Zollstelle die Rechteinhaberin, die A, durch ihre Rechtsvertreter in Deutschland, die Rechtsanwälte M in X. Die Rechteinhaberin hatte bereits zuvor einen Antrag nach Art. 5 Abs. 1 VO 1383/2003 auf Tätigwerden der Zollbehörden gestellt.

An 26.03.2009 übersandte die Zollstelle den Vertretern der Rechteinhaberin eine Kosmetiktasche der Sendung als Warenmuster.

Dagegen legte die Klägerin am 01.04.2009 Einspruch ein und erklärte zugleich, der Vernichtung der Waren unter zollamtlicher Überwachung ausdrücklich zu widersprechen. Weiter führte sie aus, sie verfüge über eine eigene Marke, gegen deren Eintragung am ... 2008 durch das Deutsche Patent- und Markenamt die Rechteinhaberin keine Einwände erhoben habe.

Am 03.04.2009 teilte die Rechteinhaberin der Zollstelle mit, dass sie die vereinfachte Vernichtung nach Art. 11 VO 1383/2003 beantrage, die deswegen angeschriebene Klägerin aber nicht reagiert habe. Zugleich gab die Rechteinhaberin das Warenmuster zurück.

Mit Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen eines Tätigwerdens nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 VO 1383/2003 vorlägen. Die angemeldeten Waren stünden im Verdacht, ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen, da das von der Klägerin verwendete Logo dem von der Rechteinhaberin zum Verwechseln ähnlich sehe.

Am 08.04.2009 beantragte die Rechteinhaberin beim Landgericht X (LG) eine einstweilige Verfügung, mit der der Klägerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt werden sollte, ihre Marke u.a. zur Kennzeichnung von Kosmetiktaschen zu benutzen und insbesondere unter diesem Zeichen einzuführen. Am 15.04.2009 erließ das LG einen stattgebenden Beschluss, 18 O 104/09. Auf den Widerspruch der Klägerin hob das LG mit Urteil vom 15.05.2009, 3-12 O 65/09, die einstweilige Verfügung auf. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Wortlaut des rechtskräftig gewordenen Urteils verwiesen.

Sodann übersandte die Rechteinhaberin dem Beklagten die Ablichtung einer Klageschrift vom 03.07.2009 für ein Hauptsacheverfahren vor dem LG, in dem der Klägerin u.a. die Nutzung ihrer Marke untersagt werden sollte. Diese Klage wurde der Klägerin nach ihren Angaben bis zur mündlichen Verhandlung noch nicht zugestellt.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 25.03.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 25.03.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009 ist nach § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung FGO aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

Selbst wenn zugunsten des Beklagten davon ausgegangen wird, dass seine Zollstelle nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 VO 1383/2003 festgestellt hat, die von der Klägerin zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldeten Waren stünden im Verdacht, ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen, durfte deren Überlassung nach Art. 73 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK im Streitfall nicht mehr ausgesetzt werden.

Die Aussetzung der Überlassung ist nach Art. 13 Abs. 1 VO 1383/2003 von der zeitnahen Einleitung eines Verfahrens nach Art. 10 VO 1383/2003 abhängig, in dem festgestellt werden soll, ob ein Recht geistigen Eigentums verletzt ist. Das einzuleitende Verfahren richtet sich nach den einschlägigen nationalen, hier deutschen Rechtsvorschriften, Art. 10 Absatz 1 VO 1383/2003. Demnach musste die Rechteinhaberin die ihr aus ihren Marken zustehenden Rechte gegenüber etwaigen Verletzern dieser Rechte als bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor den Zivilgerichten geltend machen, wobei diese Rechtsstreitigkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c des Gerichtsverfassungsgesetzes GVG zur Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen beim Landgericht gehörte. Zu diesen Verfahren gehören auch Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes wie nach den §§ 935, 940 der Zivilprozessordnung - ZPO , da Art. 10 VO 1383/2003 die Art der Verfahren nicht beschränkt, insbesondere nicht die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens verlangt.

In diesem Rahmen hatte die Rechteinhaberin zwar den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim LG beantragt und damit das nach Art. 10 VO 1383/2003 erforderliche Verfahren eingeleitet. Dieses Verfahren ist aber zwischenzeitlich beendet worden und hat nicht zu einer Bestätigung der geltend gemachten Rechte der Rechteinhaberin geführt. Auf den Widerspruch (§§ 936, 924 ZPO) der Klägerin hat das LG nämlich die einstweilige Verfügung mit rechtskräftig gewordenem Endurteil aufgehoben (§§ 936, 925 ZPO).

Damit ist zugleich der Grund für die Aussetzung der Überlassung entfallen, denn die Befugnisse der Zollbehörden zur Aussetzung der Überlassung sind an die unmittelbare und erfolgreiche Geltendmachung der Rechte geistigen Eigentums durch den jeweiligen Rechteinhaber geknüpft. Fehlt es daran, ist die angemeldete Ware - vorbehaltlich aller weiteren, im Streitfall allerdings bestehenden Voraussetzungen - der Klägerin als Zollanmelderin nach Art. 73 ZK zu überlassen.

Aus dem Umstand, dass die Rechteinhaberin in einem Hauptsacheverfahren ihre Rechte geistigen Eigentums geltend machen will - sie hat zwar dem Beklagten ihre Klageschrift übersandt, eine Zustellung an die Klägerin aber noch nicht erreichen können - folgt nichts anderes, da dieses Verfahren nicht innerhalb der Frist des Art. 13 VO 1383/2003 eingeleitet worden ist.

Die Pflicht des Beklagten zur Überlassung der Waren folgt aus der entsprechenden Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 VO 1383/2003, denn danach hat die Zollstelle die Überlassung der Waren zu bewilligen, wenn ihr die Einleitung des Verfahrens nach Art. 10 VO 1383/2003 nicht binnen zehn Tagen nach der Aussetzung der Überlassung mitgeteilt worden ist. Etwas anderes kann nicht gelten, wenn das eingeleitete Verfahren nach Art. 10 VO 1383/2003 erfolglos geblieben ist. In diesem Fall steht nämlich für die Zollstelle fest, dass dem Rechteinhaber der Nachweis einer Rechtsverletzung nicht möglich war.

Dabei spielt es keine Rolle, aus welchem Grund das eingeleitete Verfahren erfolglos geblieben ist, wenn etwa wie im Streitfall die beantragte einstweilige Verfügung mangels Verfügungsgrundes aufgehoben wurde. Allein die Erfolglosigkeit des eingeleiteten Verfahrens ist für die Zollstelle maßgebend. Die selbst nicht sachkundige Zollstelle prüft die Verletzung des Rechts geistigen Eigentums nicht. Vielmehr genügt für ihre grundsätzlich vorläufigen Maßnahmen (s. 5. Erwägungsgrund der VO 1383/2003) lediglich ein Verdacht der Rechtsverletzung, Art. 9 Abs. 1 VO 1383/2003. Nur dazu und bis zur vom Rechteinhaber umgehend zu betreibenden Feststellung, ob eine Rechtsverletzung vorliegt, darf sie die Überlassung aussetzen. Andernfalls hat sie die Ware zu überlassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung einer Revision nach § 115 Abs. 2 FGO sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar geworden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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