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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.02.2008
Aktenzeichen: 4 K 1561/05 Z
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 234

Entscheidung wurde am 10.06.2008 korrigiert: das Verkündungsdatum wurde korrigiert
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 1561/05 Z

Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage nach Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur in der Fassung der VOen (EG) Nrn. 2263/2000 und 2031/2001 gültig?

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Zoll für von ihr eingeführte Apfelsaftkonzentrate, die nur durch den Entzug von Wasser hergestellt worden waren.

Nach den Feststellungen des beklagten Hauptzollamts (HZA) ließ die Klägerin in der Zeit vom 13.11.2001 bis zum 11.10.2002 insgesamt 22 Sendungen Apfelsaftkonzentrat mit Zuckergehalt von 65,0 Grad Brix aus Polen in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Dabei meldete sie im Jahr 2001 die Ware unter der Unterposition 2009 70 30 der Kombinierten Nomenklatur (KN) und im Jahr 2002 unter der Unterposition 2009 79 19 KN an und entrichtete den für diese Unterpositionen der KN vorgesehenen Zoll.

Die Prüfungsbeamten des HZA waren hingegen der Ansicht, dass die eingeführten Apfelsaftkonzentrate nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 zu Kapitel 20 den Charakter eines Fruchtsafts der Position 2009 verloren hätten und der Unterposition 2106 90 98 KN zuzuweisen seien.

Dementsprechend erhob das HZA von der Klägerin für das eingeführte Apfelsaftkonzentrat mit Bescheid vom 14.08.2003 insgesamt 146.765,78 EUR Zoll nach.

Den dagegen eingelegten Einspruch wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 15.03.2005 als unbegründet zurück, da der Zuckergehalt der eingeführten Waren über 50 GHT liege. Fruchtsäfte seien als Zubereitungen von Früchten vom Kapitel 20 der KN und dort von der Position 2009 erfasst. Diesen Fruchtsäften könne auch Zucker zugesetzt sein. Der Begriff "zugesetzter Zucker" sei in der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 festgelegt. Danach gelte als "zugesetzter Zucker" jeder Zucker, der nach Anwendung der Zusätzlichen Anmerkung 2 a) zu Kapitel 20 und nach Abzug des in der Zusätzlichen Anmerkung 5a zu Kapitel 20 genannten Wertes, der für Apfelsaft 11 beträgt, erhalten werde. Die Herstellung der Ware durch Wasserentzug ohne jeglichen Zusatz von Fremdzucker sei insoweit ohne Bedeutung. Daraus folge im Ergebnis für Apfelsaftkonzentrate, dass jeder den Wert 11 überschreitende Zuckergehalt als zugesetzt anzusehen sei.

Mit der am 28.09.2001 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1776/2001, mit der inhaltlich die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 eingeführt worden sei, verlören Fruchtsäften ihre ursprünglichen Charakter als Fruchtsaft der Position 2009, wenn ihr Gehalt weniger als 50 GHT Fruchtsaft betrage, wobei das Erzeugnis eine Dichte von weniger als 1.33g/cm³ bei 20 °C aufweisen müsse.

Da bestimmte Apfelsaftkonzentrate durch Einführung der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 von der Position 2009 der KN ausgeschlossen worden seien, habe die Kommission zum 12.08.2004 die Zusätzliche Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 geändert. Diese Änderung wirke aber nicht zurück und sei deshalb hier unbeachtlich.

Zur Begründung ihrer fristgerecht erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, das eingeführte Apfelsaftkonzentrat habe seinen ursprünglichen Charakter als Fruchtsaft nicht verloren, da ihm kein Zucker zugesetzt worden sei. Die Ware sei aus Früchten und nur durch Wasserentzug hergestellt worden.

Aufgrund der Erwägungsgründe der Verordnung (EG) Nr. 1776/2001 gehe es bei der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 um die Abgrenzung zwischen Fruchtsäften einerseits und Zubereitungen zur Herstellung von Getränken, insbesondere aromatisierten Sirupen andererseits, wobei der Zuckerzusatz bei Fruchtsäften keineswegs ausgeschlossen werde. Insoweit sei 50 GHT nur eine Mindestgrenze, die dann, wenn die Waren wie hier ausschließlich aus Fruchtsaft bestünden, keine Rolle spiele. Die Einfuhrwaren seien nämlich keine Sirupe, sondern Fruchtsäfte.

Der Begriff "Herstellung aus Früchten" in der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 sei im Hinblick auf die Gleichsetzung mit der "Herstellung durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft" eng auszulegen und bezeichne nur den unmittelbar aus Früchten gewonnenen Saft, um den es im Streitfall nicht gehe. Diese Auslegung werde auch durch die Erläuterungen zur KN (ABl. der EG Nr. C 316 v. 10.11.2001, S.12) bestätigt.

Schließlich führe die vom HZA vertretene Auslegung dazu, dass ein höher konzentrierter Fruchtsaft (über 67 Brix oder mit einer Dichte von mehr als 1.33g/cm³ bei 20 °C) Fruchtsaft bleibe.

In Italien und den Niederlanden würden gleichartige Fruchtsäfte nach Informationen ihrer Geschäftspartner nicht aus der Position 2009 ausgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des HZA vom 14.08.2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2003 aufzuheben,

hilfsweise

dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen,

und verweist zur Begründung insbesondere auf seine Prüfung und seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt es aus, der Gehalt an zugesetztem Zucker sei nur rechnerisch zu ermitteln.

Mit dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 08.11.2007, 4 K 1248/06 Z, hat das Gericht dem EuGH nach Art. 234 EG in dessen Verfahren C-522/07 für eine Einfuhr im Jahr 2005 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur dahingehend zu verstehen, dass mit dem Begriff Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker auch Fruchtsäfte gemeint sind, denen zwar tatsächlich kein Zucker zugesetzt wurde, deren jeweiliger Gehalt an zugesetztem Zucker aber rechnerisch nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur ermittelt wurde?

2. Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur dahingehend zu verstehen, dass der dort genannte "Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand" durch die Formulierung "hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft" nur näher erläutert wird, tatsächlich aber auf alle Arten von Fruchtsäften (nicht gegoren und ohne Zusatz von Alkohol) im jeweiligen Zustand ihrer Gestellung Anwendung findet?

3. Bei Bejahung der beiden vorgenannten Fragen: Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur gültig?

Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur dahingehend zu verstehen, dass mit dem Begriff Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker auch Fruchtsäfte gemeint sind, denen zwar tatsächlich kein Zucker zugesetzt wurde, deren jeweiliger Gehalt an zugesetztem Zucker aber rechnerisch nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur ermittelt wurde?

Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur dahingehend zu verstehen, dass der dort genannte "Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand" durch die Formulierung "hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft" nur näher erläutert wird, tatsächlich aber auf alle Arten von Fruchtsäften (nicht gegoren und ohne Zusatz von Alkohol) im jeweiligen Zustand ihrer Gestellung Anwendung findet?

Bei Bejahung der beiden vorgenannten Fragen: Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur gültig?

II.

1. In diesem Rechtsstreit gelten für die Jahre 2001 und 2002 sachlich unterschiedliche zolltarifliche Bestimmungen.

In beiden Jahren erfasst die Position 2009 des Harmonisierten Systems in dem hier interessierenden Zusammenhang Fruchtsäfte, auch mit Zusatz von Zucker.

a) Für das Jahr 2001 ist Apfelsaft innerhalb der Position 2009 in der Unterposition 2009 70 namentlich genannt.

Diese Unterposition wird durch die KN, die hier in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2263/2000 der Kommission vom 13.10.2000 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur und den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. EG Nr. L 264/1, VO (EG) Nr. 2263/2000, anzuwenden ist, weiter unterteilt: In Apfelsäfte mit einer Dichte von mehr als 1,33 g/cm³ (Unterposition 2009 70 1) und in Apfelsäfte mit einer geringeren Dichte (Unterposition 2009 70 9). Bei konzentrierten Apfelsäften entspricht die Dichte von 1,33 g/cm³ dem Brixwert 67.

b) Nach der seit 2002 angewandten Fassung des Harmonisierten Systems, das auf der Empfehlung des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens vom 25.06.1999 beruht (s. 4. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 2031/2001 der Kommission vom 06.08.2001 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. EG Nr. L 279/1, - VO Nr. 2031/2001 ), ist Apfelsaft innerhalb der Position 2009 in der Unterposition 2009 7 genannt, und zwar in der Unterposition 2009 71 als Apfelsaft mit einem Brixwert von 20 oder weniger und in der Unterposition 2009 79 für anderen Apfelsaft.

Der Brixwert, d.h. die Angabe in Grad Brix, ist nach dem in der Unterpositions-Anmerkung 3 zu Kapitel 20 genannten Verfahren zu ermitteln. Grad Brix bezeichnet die Dichte einer Flüssigkeit verglichen mit einer entsprechenden, definierten Saccharoselösung.

Die KN, die für 2002 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2031/2001 anzuwenden ist, unterteilt die Unterposition 2009 79 in Waren mit einem Brixwert von mehr als 67 (Unterpositionen 2009 79 1 KN) und in Waren mit einem Brixwert von mehr als 20, jedoch nicht mehr als 67 (Unterpositionen 2009 79 30 bis 2009 79 99 KN). Diese Unterpositionen der KN unterscheiden nach dem Warenwert und dem Gehalt an zugesetztem Zucker.

c) Ausgangspunkt für die Feststellung des zugesetzten Zuckers für die Einfuhren beider Jahre ist der Brixwert, der nach der in der Zusätzlichen Anmerkung 2 b) zu Kapitel 20 genannten Methode zu ermitteln ist.

Der Zuckergehalt für Apfelsaft ist nach der Zusätzlichen Anmerkung 2 a) zu Kapitel 20 festzustellen. Dazu ist der zuvor ermittelte Brixwert mit dem Faktor 0,95 zu multiplizieren.

Der Umfang des zugesetzten Zuckers ergibt sich weiter aus der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20. Danach sind von dem für den Zuckergehalt ermittelten Wert je nach Art des Saftes bestimmte Werte abzuziehen. Bei Apfelsaft ist aufgrund der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 in der seinerzeit geltenden Fassung der VOen (EG) Nrn. 2263/2000 und 2031/2001 ein Wert von 11 abzuziehen.

Ausgehend vom Brixwert von 65,0 ergibt sich für den Streitfall nach der Zusätzlichen Anmerkung 2 a) zu Kapitel 20 ein Zuckergehalt von 61,75 Gewichtshundertteilen (GHT). Hieraus ist nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 der Gehalt an zugesetztem Zucker zu errechnen, indem der Zuckergehalt um den Wert 11 gekürzt wird, so dass 50,75 GHT als zugesetzter Zucker anzusehen ist.

d) Nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20, die mit der Verordnung (EG) Nr. 1776/2001 der Kommission vom 07.09.2001 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. EG Nr. L 240/3, VO (EG) Nr. 1776/2001, eingeführt worden ist, verlieren bestimmte Waren ihren Charakter als Fruchtsaft und fallen damit nicht mehr in die Position 2009. Träfe dies auf das eingeführte Apfelsaftkonzentrat zu, würde es im Streitfall in die Position 2106 einzureihen sein und innerhalb dieser Position in die vom HZA im angefochtenen Bescheid genannte Unterposition.

Geschieht dies in der vom HZA vorgenommenen rechnerischen Weise nach den Zusätzlichen Anmerkungen 2 a) und 5 a) zu Kapitel 20 in der Auslegung durch das HZA, hat dies folgende Konsequenzen: Weist ein konzentrierter Apfelsaft einen Brixwert zwischen 64,3 und 67 auf, übersteigt der ermittelte Gehalt an zugesetztem Zucker immer 50 GHT mit der weiteren Folge, dass nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 dieser konzentrierte Apfelsaft seinen ursprünglichen Charakter als Fruchtsaft verliert und als Ware der Position 2106 einzureihen ist. Dem gegenüber verbleibt höher konzentrierter Apfelsaft mit einem Brixwert über 67 oder einer Dichte über 1,33 g/cm³ in der Position 2009.

2. Auch im Streitfall ist das Verfahren auszusetzen und dem EuGH die o. a. Frage vorzulegen.

a) Der vorliegende Rechtsstreit entspricht im Sachverhalt, in dem die Einreihung von Apfelsaftkonzentrat "mittleren" Zuckergehalts streitig ist, das nach Auffassung des HZA und der deutschen Zollverwaltung aus der Position 2009 hinausfällt und in die Position 2106 einzureihen ist, bis auf die nachbenannten Ausnahmen dem bereits beim EuGH anhängigen Vorlageverfahren C-522/07, das eine Einfuhr des Jahres 2005 zum Gegenstand hat.

Hinsichtlich der Einfuhren 2002 ist nur der Umstand, dass der nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) abzuziehende Wert für Apfelsaft nur 11 und nicht nach der Änderung dieser Vorschrift durch die Verordnung (EG) Nr. 1340/2004 der Kommission vom 22.07.2004 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. EU Nr. L 249/5) 13 betrug, zu beachten.

Hinsichtlich der Einfuhren in 2001, die im Streitfall sämtlich nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1776/2001 stattfanden, wurde das Apfelsaftkonzentrat in der KN nicht nach Grad Brix, sondern aufgrund seiner Dichte in g/cm³ unterschieden. Dieses andere Maß führte aber nicht zu einer materiellen Rechtsänderung, denn eine Dichte von 1,33 g/cm³ entspricht einem Brixwert von 67.

Zudem war in der KN in der Fassung der VO (EG) Nr. 2263/2000 die Änderung des Harmonisierten Systems aufgrund der Empfehlung des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens vom 25.06.1999 noch nicht aufgenommen worden, so dass sich die widersprüchliche Behandlung von Apfelsaftkonzentrat mit "mittlerem" Zuckergehalt (Brixwerte von 64,3 bis 67,0) zu Apfelsaftkonzentrat mit einem höherem Zuckergehalt (Brixwerte über 67,0 oder Dichten von mehr als 1,33 g/cm³) ausschließlich aus der KN und nicht aus dem Harmonisierten System, wie es in der KN umgesetzt wurde, ergibt.

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kommt es für die Auslegung seiner ersten beiden Fragen im Verfahren C- 522/07 nicht auf die geringfügig abweichenden Vorschriften an. Vielmehr geht es nur um die davon unberührte Auslegung der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20, die auch für dieses Verfahren durch das beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-522/07 anhängige Verfahren erreicht wird.

3. Mit der dritten Frage 3 in dem beim EuGH anhängigen Verfahren C- 522/07 wird aber nach der Gültigkeit der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 gefragt. Für den Fall, dass der EuGH im Verfahren C-522/07 diese Vorschrift für ungültig erklären sollte, käme seiner Entscheidung eine Wirkung für alle zu. Da der dem Beschluss vom 08.11.2007 zugrunde liegenden Sachverhalt nur eine Einfuhr im Jahr 2005 und damit nur den Anhang I der KN in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1810/2004 der Kommission vom 07.09.2004 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif - VO (EG) Nr. 1810/2004 - zum Gegenstand hat, bestehen Zweifel, ob eine Entscheidung des EuGH auch die Beteiligten des Streitfalls bindet, in denen Einfuhren anderer Jahre streitig sind und für die damit andere Fassungen des Anhangs I der KN, hier der VOen (EG) Nrn. 2263/2000 und 2031/2001, anzuwenden sind.

Diese Zweifel bestehen um so mehr, soweit Einfuhren aus 2001 streitbefangen sind, weil die VO (EG) Nr. 2263/2000 sowohl hinsichtlich der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 als auch in der Apfelsaft betreffenden Unterposition der Position 2009 einen von der VO (EG) Nr. 1810/2004 abweichenden Wortlaut aufweist.

Zudem lag der VO (EG) Nr. 2263/2000 eine andere Fassung des Harmonisierten Systems zu Grunde.

Aus Gründen der Rechtssicherheit im Hinblick auf die Frage der Gültigkeit der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 in der Fassung der VOen (EG) Nrn. 2263/2000 und 2031/2001 erscheint es daher angebracht, auch in diesem Rechtsstreit das Verfahren auszusetzen und dem EuGH die o. a. Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

4. Die Beantwortung der Vorlagefrage dieses Verfahrens wie auch die Beantwortung der Vorlagefrage 3 im Verfahren C-522/07 hängt von der vorrangigen Beantwortung der Vorlagefragen 1 und 2 des Verfahrens C-522/07 ab. Sollten diese Fragen zu bejahen sein, ist auch die Vorlagefrage dieses Verfahrens zu prüfen.

a) Zur Begründung der Vorlagefrage wird für die Einfuhren des Jahres 2002 in vollem Umfang auf die Begründung der Vorlagefrage 3 des Beschlusses vom 08.11.2007, 4 K 1248/06 Z, der beim EuGH unter dem Aktenzeichen C522/07 anhängig ist, verwiesen.

Dass anders als im Verfahren C-522/07 durch den nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) abzuziehenden Wert für Apfelsaft von nur 11 und nicht von 13 aufgrund der Regelung der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 noch mehr Apfelsaftkonzentrate aus der Position 2009 ausgewiesen werden, nämlich Apfelsaftkonzentrate mit Brixwerten von 64,3 bis 67, statt von 66,4 bis 67, stellt nur eine Frage des Umfangs der Ausweisung, nicht aber einen rechtlich erheblichen Umstand dar.

b) Auch hinsichtlich der Einfuhren im Jahr 2001 bestehen Zweifel an der Gültigkeit der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 KN.

Die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 KN ist von der Kommission nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a, b, d oder e VO (EWG) Nr. 2658/87 erlassen worden. Bei einer derartigen Maßnahme hat die Kommission nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein weites Ermessen bei der näheren Angabe des Inhalts der Tarifpositionen, die für die Einreihung einer bestimmten Ware in Frage kommen. Die Kommission hat jedoch aufgrund dieser Befugnis zum Erlass bestimmter Maßnahmen nicht das Recht, den Inhalt der Tarifpositionen zu ändern, die auf der Grundlage des durch das Übereinkommen eingeführten HS geschaffen worden sind, denn die Gemeinschaft hat sich gemäß Art. 3 dieses Übereinkommens verpflichtet, die Tragweite dieser Tarifpositionen nicht zu verändern (EuGH Urteil v. 18.07.2006 C-310/06, Rz. 21 m.w.N.).

Die Position 2009 erfasst Fruchtsäfte auch mit dem Zusatz von Zucker und führt in der Unterposition 2009 70 Apfelsaft namentlich auf. Zu dieser Unterposition 2009 79 gehören auch konzentrierte Säfte, denen in großem Umfang Wasser entzogen worden ist, so dass sie hohe Brixwerte erreichen. Selbst der Zusatz von Zucker - auch rein rechnerisch - ist solange unschädlich, wie der ursprüngliche Charakter der Säfte erhalten bleibt (s. Erläuterungen zum HS zu Position 2009 Rzn. 12.0 und 13.0). Der ursprüngliche Charakter wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass bei der Saftgewinnung Stoffe verloren gehen oder geschädigt werden, denn derartige Stoffe können ohne weiteres ersetzt werden (s. Erläuterungen zum HS zu Position 2009 Rzn. 16.0).

Hiervon geht auch die KN aus, denn sie teilt die Unterposition nach ihrer Dichte in weitere Unterpositionen auf, nämlich u. a. die Unterposition 2009 70 1 für Apfelsäfte mit einer Dichte von mehr als 1,33 g/cm³ . Derartige Apfelsäfte bleiben - solange ihr ursprünglicher Charakter erhalten bleibt - in der Position 2009. Im Hinblick auf die Unterpositionen 2009 70 30 KN bis 2009 70 91 KN ist bei konzentriertem Apfelsaft, der mehr als 67 Grad Brix aufweist, schon aufgrund der dadurch zu Tage tretenden Systematik der Unterposition 2009 70 nicht davon auszugehen, dass diese Säfte ihren Charakter als Apfelsaft verloren haben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Urteil des EUGH vom 18.04.1991 C-324/89, Rzn. 8 f., entnommen werden kann, dass jede Konzentration eines Fruchtsafts dessen ursprünglichen Charakter unberührt lässt, denn allein die Existenz der Unterpositionen 2009 7911 KN und 2009 79 99 KN legt nahe, dass Apfelsäfte mit Brixwerten einer Dichte von mehr als 1,33 g/cm³ diesen Charakter noch nicht verloren haben.

Damit stehen alle Regelungen, die Apfelsäfte mit einer Dichte von 1,33 g/cm³ oder mehr in der Position 2009 belassen, in Widerspruch zur Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 KN, denn diese weist, wie oben dargelegt, konzentrierte Apfelsäfte mit geringerer Dichte, der Brixwerte von 64,3 bis 67 aus der Position 2009 aus und - wie vom Beklagten angenommen - der Position 2106 zu.

Aufgrund dieses Widerspruchs muss entweder die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 oder aber die Unterteilung der Unterposition 2009 70 des HS in die weiteren Unterpositionen 2009 70 30 KN und 2009 70 91 KN ungültig sein. Im Hinblick darauf, dass sich aus den Erläuterungen zum HS zu Position 2009 keine Grenzen für den Zuckergehalt, der eine Ausweisung aus dieser Position zur Folge hätte, finden, spricht mehr dafür, dass mit der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 die Tarifposition 2009 70 des HS in rechtswidriger Weise geändert wurde.

Ende der Entscheidung

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