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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.07.2007
Aktenzeichen: 4 K 2880/03 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG, BewG


Vorschriften:

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 12 Abs. 1
ErbStG § 20 Abs. 1 S. 1 Var. 2
BewG § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 2880/03 Erb

Tenor:

Der Schenkungsteuerbescheid des Beklagten vom 21. August 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2003 wird dahingehend geändert, daß die Werte der Nießbrauchsrechte an den der Klägerin verbliebenen Anteilen an der A GmbH mit 616.605,75 DM, an der B GmbH mit 547,46 DM und an der C GmbH mit 109.483,29 DM anzusetzen sind.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen zu 70 v. H. der Beklagte und zu 30 v. H. die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Wert des von der Klägerin ihrer Tochter eingeräumten Nießbrauchs an Gesellschaftsanteilen der A GmbH, der B GmbH und der C GmbH.

Dem Streitfall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war an dem Stammkapital der A GmbH von 24 Mio. DM mit 6 Mio. DM (=25 %) und am Stammkapital der C GmbH von 2,5 Mio. DM mit 625.000 DM (= 25 %) beteiligt. Die übrigen Anteile an diesen Gesellschaften hielten ihr Bruder, der Zeuge X, (25 %) und Y (50 %).

Weiter war die Klägerin ebenfalls mit je 25 % an weiteren Unternehmen der gleichen Branche beteiligt.

In den Jahren 1991 bis 1993 hatten A und C nach Darstellung der Klägerseite folgende Betriebsergebnisse erzielt:

 A1991/921992/931993/94
 -1.769.000 DM- 691.000 DM1.878.000 DM
    
C1991/921992/931993/94
 613.000 DM257.000 DM352.000 DM

Ausschüttungen an die Gesellschafter waren in diesen Jahren nicht vorgenommen worden.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 3. März 1994 schenkte die Klägerin ihrer Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihren Anteilen an der A GmbH 4,8 Mio. DM (= 20 % des Stammkapitals) und von den Anteilen an der C GmbH 500.000 DM (= 20 % des Stammkapitals) sowie von ihren Anteilen an den weiteren Gesellschaften auch jeweils 20 % des Stammkapitals/der Einlage (§ 2 des Vertrages).

Die Tochter bot der Klägerin an, ihr an den ihr übertragenen Anteilen ein Nießbrauchsrecht zu bestellen (§ 3 des Vertrages). Dieses Angebot hat die Klägerin nach Angaben der Klägerseite im Rahmen der mündlichen Verhandlung in der Folgezeit nicht angenommen.

An den nicht übertragenen Anteilen räumte die Klägerin ihrer Tochter einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch ein (§ 4 des Vertrages). Im Falle der Auflösung der Gesellschaften oder des Ausscheidens der Schenkerin soll sich der Nießbrauch auf das Auseinandersetzungsguthaben der Schenkerin erstrecken. Im Falle der Umwandlung der Gesellschaften soll der Nießbrauch an der Beteiligung der Schenkerin an der neuen Gesellschaft fortbestehen. Der Wert dieses Nießbrauchsrechts ist bezüglich der Anteile an der A GmbH und der C GmbH zwischen den Beteiligten streitig.

Nach § 6 des Vertrages stehen das Stimmrecht und die sonstigen Verwaltungsrechte aus den geschenkten Anteilen der Beschenkten als Gesellschafterin zu. Die Beschenkte bevollmächtigte die Schenkerin aber unwiderruflich, die Stimm- und Mitverwaltungsrechte in den Gesellschaften auszuüben. Wenn und soweit die Beschenkte das Stimmrecht selbst ausübt, ist sie an die Weisungen der Schenkerin gebunden. ...

Das Stimmrecht und die sonstigen Verwaltungsrechte aus den der Schenkerin verbliebenen Gesellschaftsanteilen steht der Schenkerin als Gesellschafterin zu. Die Schenkerin ist in der Ausübung ihrer Stimm- und Mitverwaltungsrechte frei und an Weisungen der Beschenkten insoweit nicht gebunden.

Die Klägerin übernahm die Schenkungsteuer (§ 9 des Vertrages).

Am 7. November 1994 fanden für das Wirtschaftsjahr 1994/95 Gesellschafterversammlungen der A GmbH und der C GmbH statt, die u. a. zu folgenden protokollierten Beschlüssen führten:

A "... Die Bilanz zum 31.03.1994 weist übereinstimmend mit der Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 1993/1994 einen Jahresüberschuß von 3.669.946,07 DM aus. Zusammen mit dem Verlustvortrag von 719.752,94 DM ergibt sich ein Bilanzgewinn von 2.950.193,13 DM. Es wurde einstimmig beschlossen, den Bilanzgewinn auf neue Rechnung vorzutragen. ... "

C "... Die Bilanz zum 31.03.1994 weist übereinstimmend mit der Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 1993/1994 einen Jahresüberschuß von 688.393,67 DM aus. Zusammen mit dem Gewinnvortrag von 4.041.694,45 DM ergibt sich ein Bilanzgewinn von 4.730.088,12 DM. Die Gesellschafterversammlung beschloß einstimmig, den ausgewiesenen Bilanzgewinn auf neue Rechnung vorzutragen. ... "

In ihrer vorläufigen Schenkungsteuererklärung vom 2. Juni 1995 gab die Klägerin die Nießbrauchsrechte insgesamt mit 340.458 DM an, im einzelnen:

 Gemeiner Wert Höchstwert § 16 BewG tats. Wert = Dividenden Ansatz
A1.224.000 DM65.806 DM0 DM0 DM
C750.000 DM40.322 DM20.000 DM20.000 DM
übrige Gesellschaften110.000 DM5.914 DM-5.914 DM
Summe   25.914 DM

 Kapitalisierungsfaktor13,138
Wert340.458 DM

Am 6./7. November 1995 fanden für das Wirtschaftsjahr 1995/96 Gesellschafterversammlungen der A GmbH und der C GmbH statt, die u. a. zu folgenden protokollierten Beschlüssen führten:

A "... Die Bilanz zum 31.03.1995 weist übereinstimmend mit der Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 einen Jahresüberschuß von 2.950.193,13 DM aus. Zusammen mit dem Gewinnvortrag von 719.752,94 DM ergibt sich ein Bilanzgewinn von 3.769.491,78 DM. Es wurde einstimmig beschlossen, eine Ausschüttung in Höhe von 300.000 DM vorzunehmen. ... "

C "... Die Bilanz zum 31.03.1994 weist übereinstimmend mit der Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 einen Jahresfehlbetrag von 64.648,85 DM aus. Zusammen mit dem Gewinnvortrag von 4.730.088,12 DM ergibt sich ein Bilanzgewinn von 4.665.439,27 DM. Die Gesellschafterversammlung beschloß einstimmig, den ausgewiesenen Bilanzgewinn auf neue Rechnung vorzutragen. ... "

Unter dem 10. September 1996 erließ das damals noch organisatorisch zuständige Finanzamt einen vorläufigen und unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Schenkungsteuerbescheid über 3.391.524 DM, in dem der Wert der streitigen Nießbrauchsrechte wie erklärt mit 340.458 DM berücksichtigt worden war.

Ein hiergegen gerichtetes Einspruchsverfahren mit nachfolgendem Klageverfahren hat sich in der Folgezeit erledigt.

In ihren Erklärungen zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile machten die A GmbH und die C GmbH u. a. folgende Angaben:

  31.12.1990 31.12.1991 31.12.1992 31.12.1993 31.12.1994 31.12.1995
A      
Erklärungsdatum16.12.199104.11.199220.09.199403.01.199507.05.1996 
Betriebsergebnisse2.700.725-233.233-8.451.234-4.328.119keine Angabe 
Durchschnittserträge3.551.9881.278.410000 
       
In Zukunft erzielbareDurchschnittserträgekeine Angabekeine Angabekeine Angabekeine Angabe2.105.948  
       
C      
Erklärungsdatum?04.11.199216.09.199428.02.199606.05.199630.01.1997
Betriebsergebnisse3.293.8004.070.6052.136.087799.5241.223.299-1.081.612
Durchschnittserträge 3.531.0013.187.8222.356.3971.195.914219.393
In Zukunft erzielbareDurchschnittserträge keine Angabekeine Angabe500.000 500.000 keine Angabe

In den Jahren 1998 bis 2000 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung - Bp - statt. Hinsichtlich der hier streitigen Nießbrauchsrechte ist in dem Bericht vom 11. April 2000 u. a. folgendes ausgeführt (Tz. 10):

"... Nach § 15 Abs. 3 BewG ist bei Nutzungen und Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiß sind oder schwanken, als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird.

Bei der Berechnung der Nießbrauchsbelastung wurden die zum Schenkungsstichtag zu erwartenden Betriebsergebnisse geschätzt. Diese Schätzung erfolgte auf der Grundlage der drei dem Schenkungsstichtag vorangegangenen Wirtschaftsjahre.

Der auf den Nießbrauch entfallende Gewinnanteil beträgt 5 % am Gesamtgewinn.

Im Rahmen der Prüfung beantragte die Steuerpflichtige, die Bewertung des Nießbrauchsrechtes in Anlehnung an Abschn. 9 (2) BewR durchzuführen. Die Bewertung sollte an Hand der tatsächlich in den letzten drei Jahren vor dem Bewertungsstichtag ausgeschütteten Dividenden zuzüglich der nach §§ 36 ff. EStG anzurechnenden oder zu vergütenden Körperschaftsteuer erfolgen.

Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung konnte diesem Antrag nicht folgen, weil die Stimmrechte für die nießbrauchsbehafteten Anteile der gleichen Person wie die Stimmrechte für die übrigen Anteile zustehen. Im Ergebnis können die Stimmrechte für das Anteilspaket von 25 % (20 % Anteile zzgl. 5 % Nießbrauch) von einer Person nur einheitlich ausgeübt werden.

Es besteht daher keine Veranlassung, hier analog die Regelung für die Besteuerung von Minderheitsgesellschaftern im Rahmen der Bewertung nicht notierter Anteile anzuwenden, da die Stpfl. Stimmrechte für 25 % ausüben kann, somit also auf keinen Fall als Minderheitsgesellschafterin (weniger als 10 % der Anteile) angesehen werden kann.

Als Höchstbetrag wurde der 18,6-fache Teil des Einheitswertes bzw. des gemeinen Wertes nach § 16 BewG angesetzt (soweit dieser Höchstbetrag von den zu erwartenden Gewinnen überschritten wurde)."

In der Anlage 4 haben die Prüfer den gemeinen Wert der übertragenen Anteile der A GmbH mit 13.104.000 DM berechnet.

Die Anlagen 5 und 7 zum Bp-Bericht haben auch eine Schenkung von Anteilen an einer B GmbH zum Gegenstand, die in dem Übertragungsvertrag vom 3. März 1994 nicht namentlich erwähnt wird.

In der Anlage 5 (Berechnung der übertragenen Anteile der B GmbH) heißt es hierzu einleitend:

"Die A GmbH ist 100 %-ige Anteilseignerin der B GmbH. Im bisher festgestellten gemeinen Wert der A GmbH ist der gemeine Wert der B GmbH nicht enthalten, weil es sich um einen Betrieb in den neuen Bundesländern handelt und dieser Wert weder der Vermögensteuer noch der Gewerbekapitalsteuer unterlag. Da die Schenkung nicht befreit ist, wird der gemeine Wert der verschenkten Anteile der B GmbH separat in die Bemessungsgrundlage einbezogen."

Den gemeinen Wert der demnach mitübertragenen Anteile an der B GmbH berechneten die Prüfer wie folgt:

 Stammkapital B GmbH100%50.000 DM
Anteil Claudia Wüsthof25%12.500 DM
Schenkung in Höhe von 80 des eigenen Anteils 10.000 DM
Gemeiner Wert auf den 31.12.1994 lt. Bp93%9.300 DM

In der Anlage 6ermittelten die Prüfer den gemeinen Wert der übertragenen Anteile an der C GmbH mit 561 % = 2.805.000 DM. In der Anlage 7 führten die Prüfer folgende Bewertung der Nießbrauchsrechte für die nicht auf die Tochter übertragenen Anteile durch:

Berechnung des zu erwartenden Durchschnittsertrages nach Bp

 Durchschnittsertrag lt. gemeinem Wertvoraussichtl. Ertragsanteil des Nießbrauchs (5%)
A2.815.992 DM140.799,60 DM
B155.265 DM7.763,25 DM
C500.000 DM25.000,00 DM

Berechnung des Höchstbetrages

 Anteil der Klägerin vor Schenkung Schenkung an Tochter verbleibende Anteile § 16 BewG : 18,6 =
 gemeiner Wert abzüglich Nießbrauch Höchstwert
A16.380.000 DM13.104.000 DM3.276.000 DM176.129,03 DM
B11.625 DM9.300 DM2.325 DM125,00 DM
C3.506.250 DM2.805.000 DM701.250 DM37.701,61 DM

Wertansatz lt. Bp

 Durchschnittsertrag Höchstwert Wertansatz x Kapitalisierungsfaktor 13,138
A140.799,60 176.129,03140.799,60 1.849.825,14
B7.763,25125,00 125,00 1.642,25
C25.000 37.701,6125.000,00 328.450,00

Gegen den Prüfungsbericht ließ die Klägerin unter dem 16. Juni 2000 folgende Einwendungen vortragen:

Isoliert zu bewerten sei der Zuwendungsnießbrauch bezüglich der nicht geschenkten Anteile, an denen der Klägerin das Stimmrecht und die sonstigen Verwaltungsrechte als Gesellschafterin uneingeschränkt zustünden.

A und C hätten weder in den drei der Schenkung vorangegangenen Geschäftsjahren noch in dem folgenden Geschäftsjahr Ausschüttungen vorgenommen. ...

Bei einem Ansatz der als nachhaltig anzusetzenden [anzusehenden] Dividenden für den Nießbrauchsberechtigten in Höhe von 1/3 der maximalen Gewinnausschüttung betrage der Zuwendungsnießbrauch für A GmbH und C GmbH: (140.800+25.000) : 3 = 55,267 x 13,138 = 726.100 DM

Bei dieser Bewertung mache der Zuwendungsnießbrauch (das isolierte Dividendenbezugsrecht) rd. 20% des Wertes der Anteile aus. Diese Größenordnung stelle die Obergrenze eines wirtschaftlich gerechtfertigten Wertansatzes für das ausschließliche, weder mit Stimm- und Verwaltungsrechten noch mit Wertsteigerungspotential versehene Dividendenbezugsrecht (=Zuwendungsnießbrauch) dar.

Nachdem Ende 2000 ein geänderter teilweise vorläufiger Schenkungsteuerbescheid ergangen war, erließ das beklagte Finanzamt unter dem 21. August 2002 einen weiteren geänderten, nunmehr endgültigen Schenkungsteuerbescheid über 5.053.420 DM (=2.583.772,82 EUR), in dem der Wert des Erwerbs mit 23.294.968 DM und der steuerpflichtige Erwerb (incl. Vorschenkungen) mit 25.179.000 DM zugrundegelegt und die Ergebnisse der Betriebsprüfung und die dagegen erhobenen Einwendungen berücksichtigt wurden. Als voraussichtlicher Ertragsanteil des Nießbrauchs i. H. v. 5% des Durchschnittsertrags wurden dabei zugrunde gelegt für A GmbH 140.799,60 DM und für C GmbH 25.000 DM.

Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin nunmehr in Abweichung von ihrem Scheiben vom 16. Juni 2000 geltend:

Für die Bewertung des Nießbrauchsrechtes seien die tatsächlich gezahlten Dividenden in den drei Jahren vor der Schenkung des Nießbrauchsrechtes anzusetzen. In diesen Jahren habe [aber] weder A GmbH noch C GmbH eine Dividende ausgeschüttet. A GmbH habe nämlich in den Jahren 1991 bis 1994 insgesamt einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 584.000 EUR [=1.142.204,70 DM] und im Zeitraum 1991 bis 2000 insgesamt einen solchen von 2.126.000 EUR [=4.158.094,50 DM] erlitten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 25. April 2003 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt führte aus:

Der Kapitalwert von Nutzungen und Leistungen werde nach § 15 des Bewertungsgesetzes - BewG - berechnet. Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiß seien oder schwankten, sei als Jahresbetrag der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden könne. Maßgeblich für die Ermittlung des erwarteten zukünftigen Durchschnittsbetrages seien die Verhältnisse am Bewertungsstichtag. Aus dessen Sicht sei eine Prognose anzustellen. Später eintretende Umstände, die sich auf den Jahreswert auswirkten, könnten nicht berücksichtigt werden, wenn sie am Stichtag noch nicht voraussehbar gewesen seien.

Es sei nicht vorgetragen worden, daß solche Ereignisse stattgefunden hätten und auf die Betriebsergebnisse Einfluß genommen hätten.

Am Stichtag seien den Gesellschaftern die in den letzten beiden Jahren erlittenen Jahresfehlbeträge bekannt gewesen. Trotzdem seien sie von einer zukünftigen besseren Entwicklung überzeugt gewesen, denn sie hätten Angaben über die Gewinnerwartung in den zukünftigen Jahren für die Anteilsbewertung gemacht.

Deshalb sei zutreffend der von allen Gesellschaftern für die Ermittlung der nicht streitbefangenen Anteilsbewertung angegebene Betrag von anteilig 140.800 DM und 25.000 DM Gewinnerwartungen als Jahreswert für die Berechnung des Nießbrauches übernommen worden. Die Ertragsaussichten könnten [nämlich] nur einheitlich von allen Gesellschaftern beurteilt werden.

Im allgemeinen werde bei der Ermittlung des künftigen Durchschnittsertrages der Ertrag der dem Stichtag vorangehenden drei Jahre zugrunde gelegt. Der Jahreswert des Nießbrauchs an GmbH-Anteilen betrage 1/18,6 tel des gemeinen Wertes, auch wenn in der Vergangenheit kein Gewinn entstanden sei bzw. keine Gewinnausschüttungen erfolgt seien (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 19.06.1980 II R 41/76, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1980, 631).

Es sei mindestens von dem Ertrag auszugehen, der auch bei der Anteilsbewertung zugrunde gelegt worden sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Klage und bringt vor:

Der Beklagte verkenne bei der Bewertung der Nießbrauchsrechte den gegenüber der Bewertung der Anteile bestehenden Unterschied: Thesaurierte Gewinne erhöhten den Wert der Anteile, bedeuteten aber für den Nießbrauchsberechtigten keinen Zufluß und damit keine Bereicherung.

Zu bewerten sei isoliert der Zuwendungsnießbrauch ohne Berücksichtigung der bereits geschenkten Anteile (ErbStR R 101 Abs. 4). Soweit sich der Beklagte dafür, daß der Jahreswert des Nießbrauchs an GmbH-Anteilen auch dann ein 18,6 tel des gemeinen Wertes betrage, wenn in der Vergangenheit Gewinn nicht entstanden bzw. nicht ausgeschüttet worden sei, auf das BFH-Urteil II R 41/76 berufe, sei dies dem angeführten Urteil nicht zu entnehmen.

In einer früheren Entscheidung habe der BFH (Urteil vom 03.11.1976 II R 65/67, BStBl. II 1977, 397) entschieden, daß bei GmbH-Anteilen dann von den mutmaßlichen Ausschüttungen in der Zukunft auszugehen sei, wenn eine in der Vergangenheit mögliche Ausschüttung aus subjektiven Gründen ganz oder teilweise unterblieben sei und der Nießbraucher in der Zukunft eine angemessene oder angemessenere Ausschüttung erzwingen könne. Da hier [im vorliegenden Fall] aus den Nießbrauchsrechten keine Stimmrechte erwüchsen, könne die Nießbraucherin die vom BFH geforderte Bedingung - Erzwingung von Gewinnausschüttungen - nicht erfüllen. Selbst wenn man unzutreffender Weise die von der Nießbrauchsberechtigten gehaltenen Anteile an den Gesellschaften A GmbH und C GmbH mit einbeziehe, sei bei der gegebenen Beteiligungsstruktur ein Anteil von 20% nicht geeignet, Gewinnausschüttungen zu erzwingen.

Der alleinige und ausschließliche Wert der Nießbrauchsrechte werde aber durch Gewinnausschüttungen repräsentiert. Der Nießbraucher könne entsprechend seiner Quote nur das beanspruchen, was der Gewinnverwendungsbeschluß als ausschüttungsfähigen Gewinn vorsehe. An die gesellschaftsvertraglich getroffenen Regelungen hierzu sei er gebunden.

Die vom Beklagten unterstellte jährliche Vollausschüttung sei weder im Zeitraum vor der Schenkung noch in der Zeit nach der Schenkung realisiert worden. Sie widerspreche eindeutig den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Selbst börsennotierte Gesellschaften betrieben keine Vollausschüttung. Erhebungen zufolge schütteten im DAX notierte Aktiengesellschaften durchschnittlich 48,2 % und im M-DAX notierte Aktengesellschaften durchschnittlich 51,2 % des erzielten Jahresüberschusses aus.

Die Klägerin beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid des Beklagten vom 21. August 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2003 dahingehend zu ändern, daß hinsichtlich der Nießbrauchsrechte an den der Klägerin verbliebenen Anteilen an der A GmbH und der C GmbH jeweils von einem Wert von 0,00 DM ausgegangen wird;

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und verweist auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

Das Gericht hat die Feststellungsakten zur Feststellung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile der A GmbH und der C GmbH beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, ferner die Klägerin zum Geschehenshergang angehört und zum Zustandekommen von Gesellschafterbeschlüssen Beweis erhoben durch Vernehmung des Mitgesellschafters X als Zeugen. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber nur teilweise begründet.

Soweit das beklagte Finanzamt bei der Ermittlung des Wertes der der Tochter der Klägerin eingeräumten Nießbrauchsrechte an den der Klägerin verbliebenen Anteilen an der A GmbH (einschließlich der B GmbH) und an der C GmbH von einer Vollausschüttung des ermittelten Durchschnittsertrages ausgegangen ist, ist die angefochtene Steuerfestsetzung rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Ansonsten sind die angefochtenen Verwaltungsakte rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Schenkungsteuer gegen die Klägerin sind §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 und 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes - ErbStG - i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 2. Variante ErbStG und § 9 des Übertragungsvertrages vom 3. März 1994. Danach unterliegt der Schenkungsteuer jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Zugewendet hat die Klägerin ihrer Tochter den Nießbrauch an denjenigen Gesellschaftsanteilen, die sie im Rahmen des Übertragungsvertrages vom 3. März 1994 nicht mitübertragen, sondern zurückbehalten hat (jeweils 5% des Stammkapitals).

Die Zuwendung der Nießbrauchsrechte war freigebig, denn sie war nicht von einer Gegenleistung abhängig, sondern erfolgte ausdrücklich unentgeltlich (§ 4 des Übertragungsvertrages vom 3. März 1994).

Durch die Einräumung der Nießbrauchsrechte wurde die Tochter der Klägerin bereichert, denn das Vermögen der Tochter wurde um diese Nießbrauchsrechte vermehrt. Entgegen der von der Klägerseite vertretenen Auffassung waren die von der Klägerin zugewendeten Nießbrauchsrechte auch hinsichtlich der A GmbH, der B GmbH und der C GmbH nicht wertlos, sondern hatten am Stichtag (§ 11 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) Geldwert.

Die Bewertung der Nießbrauchsrechte hat nach § 12 Abs. 1 ErbStG nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes zu erfolgen, denn die folgenden Absätze der Vorschrift sind nicht einschlägig; insbesondere liegt kein Fall von § 12 Abs. 1 a) ErbStG (in der zum Stichtag gültigen Fassung) vor, weil nicht die den Nießbrauchsrechten unterliegenden Anteile selbst, sondern die Nießbrauchsrechte als solche zu bewerten sind. Der Nießbrauch vermittelt dem Berechtigten (Nießbraucher) das Recht, die Nutzungen aus dem Nießbrauchsgegenstand zu ziehen (§§ 1030 Abs. 1 und 1068 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -). Maßgebend für die Ermittlung des Jahreswertes von Nutzungen oder Leistungen ist § 15 BewG.

Einschlägig ist hier Absatz 3 dieser Vorschrift, denn der Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen vermittelt die Teilhabe an den Ausschüttungen der Gesellschaften, die in ihrem Betrag ungewiß sind (insbesondere, wenn die Gesellschaften in den betroffenen Geschäftsjahren keine Gewinne erzielt haben und deshalb oder aus anderen Gründen auf Ausschüttungen verzichten) oder schwanken (in Abhängigkeit von den Betriebsergebnissen). Abzustellen ist demnach auf den Betrag (Jahreswert), der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Dabei soll es regelmäßig nicht zu beanstanden sein, wenn der zukünftige Durchschnittsertrag auf der Grundlage des Ertrags der dem Stichtag vorangegangenen drei Jahre ermittelt wird (BFH, Urteil vom 11. Februar 1972 III R 129/70, BStBl. II 1972, 448 m. w. N.; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 12 Rdnr. 914; Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 12 Rdnr. 239; Eisele in Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, § 15 Rdnr. 5).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an und orientiert sich ausschließlich an den tatsächlichen Nutzungen, die der Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen zum Gegenstand hat, nämlich an den Ausschüttungen der GmbHs, so ergibt sich, daß die Gesellschaften in den drei Jahren vor Einräumung der Nießbrauchsrechte, also in den Geschäftsjahren 1991/92, 1992/93 und 1993/94 jeweils keine Ausschüttungen vorgenommen haben, folglich - allein auf die tatsächlichen Nutzungen der Nießbrauchsrechte bezogen - der Durchschnittsertrag der vergangenen Jahre null war und dementsprechend eine schematische Hochrechnung auch für die Folgejahre einen durchschnittlichen jährlichen Nutzen von null ergäbe. Diese schematische Betrachtung hätte weiter zur Folge, daß die der Tochter der Klägerin eingeräumten Nießbrauchsrechte mit 0,- DM zu bewerten, also wertlos wären.

Daß ein solches Ergebnis offensichtlich unzutreffend wäre, liegt auf der Hand und ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Der Erwerb eines Nießbrauchsrechtes wirkt sich für den Berechtigten naturgemäß nutzbringend erst in der Zukunft aus. Bestehen Aussichten, daß die Gesellschaften in der Zukunft Erträge erwirtschaften, kann auch der Nießbraucher regelmäßig damit rechnen, an diesen Erträgen - über Ausschüttungen - zu partizipieren. Haben die Gesellschaften in der Vergangenheit ständig Gewinne erzielt, sind die Aussichten auf Gewinnausschüttungen und damit auf Teilhabe des Nießbrauchers hieran in den Folgejahren größer, als wenn bislang etwa ausschließlich oder jedenfalls in erheblichem Umfang Verluste erwirtschaftet wurden. D. h. hinsichtlich der berechtigten Erwartungen des Nießbrauchers auf den Zufluß von Nutzungen aus seinem Recht besteht naturgemäß eine Abhängigkeit vom Betriebsergebnis der Gesellschaften. D. h. weiter, daß sich der Nießbraucher bei seinen Erwartungen an der Ertragslage der Gesellschaften orientiert: bei guter Ertragslage kann er mit entsprechender Beteiligung am Ergebnis rechnen. Weniger von Bedeutung ist dabei für den Nießbraucher, welche Ausschüttungen die Gesellschaften in der Vergangenheit vorgenommen haben. U. U. kann er sogar bei in der Vergangenheit trotz positiver Ertragslage unterlassenen Ausschüttungen für die Zukunft um so mehr mit Ausschüttungen rechnen (Gesichtspunkt des "Nachholbedarfs"; vgl. auch Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 14. Aufl. 2004, § 12 Rdnr. 103). Der Schluß, daß dann, wenn in den Vorjahren Ausschüttungen nicht erfolgt sind, auch in den Folgejahren mit Ausschüttungen nicht zu rechnen ist, ist also keineswegs zwingend (vgl. BFH II R 65/67, a. a. O. S. 398 r. Sp., 399 r. Sp.).

Dies bedeutet, daß sich ein schematisches Abstellen auf die in den letzten drei Vorjahren vorgenommenen Ausschüttungen für die Ermittlung des Wertes des Nießbrauchsrechts verbietet.

Gerade bei Familiengesellschaften, hier repräsentiert durch die zwei Stämme Y und X, kann für die Bewertung nicht auf den Umstand abgestellt werden, daß trotz mindestens zeitweise positiver Ertragslage Ausschüttungen nicht (u. U. sogar niemals) vorgenommen wurden (vgl. hierzu bereits die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs - RFH -, vom 28. Januar 1937 - III A 5/37 - Reichssteuerblatt - RStBl. - 1937, 349 f. und vom 24. Januar 1938 - III 257/37 - RStBl. 1938, 539 f.). Würde man die nicht ausgeschütteten Gewinne bei Ermittlung des Jahreswertes außer Ansatz lassen, würden die Anteile - im vorliegenden Fall die Nutzungsrechte - an den zumindest zeitweise ertragreichen Gesellschaften genauso (mit null) bewertet werden wie bei einer völlig ertraglosen Gesellschaft (RFH III 257/37, a. a. O. S. 549 r. Sp.).

Die tatsächliche Verwendung des Betriebsergebnisses in den Vorjahren durch die Gesellschaften kann vielmehr nur ein (erster) Anhaltspunkt für die voraussichtliche Entwicklung in der Zukunft sein. Wesentlicher ist in jedem Fall, ob für die Zukunft mit Betriebsergebnissen zu rechnen ist, die es den Gesellschaften (überhaupt) ermöglichen, Ausschüttungen vorzunehmen, und den Nießbraucher in den Stand versetzen, eine Teilhabe daran geltend zu machen und zu beanspruchen. Denn nur wenn Erträge zu erwarten sind, kann der Nießbraucher mit dem Zufluß von Nutzungen ernsthaft und konkret rechnen (dies schließt Ausschüttungen trotz negativer Betriebsergebnisse im Einzelfall allerdings nicht aus, wie z. B. auch bei der A GmbH nach Angaben der Klägerin im Geschäftsjahr 1999/2000 geschehen: Ausschüttung an die Gesellschafter von 409.000 EUR trotz Jahresfehlbetrages von 10.904.000 EUR - Schriftsatz vom 23. Mai 2006).

Im übrigen ist auch die Klägerin selbst davon ausgegangen, daß sie ihrer Tochter werthaltige Nießbrauchsrechte zugewendet hat. Im Rahmen ihrer Anhörung durch den Senat hat die Klägerin hierzu angegeben, an sich habe sie ihrer Tochter ihre gesamten Anteile an den Gesellschaften übertragen wollen. Da sie aber in dem Gesamtunternehmen Stimmrechte habe behalten wollen, habe sie ihrer Tochter bei den zurückbehaltenen Anteilen zumindest Nießbrauchsrechte bestellt. Davon habe die Tochter zwar anfangs fast nichts gehabt, weil es Ausschüttungen nicht gegeben habe. Die Nießbrauchsbestellung habe aber auf die Zukunft abgezielt ; in Zukunft habe ihrer Tochter aus ihrem Nießbrauch zufließen sollen, was ausgeschüttet werden würde. Auch zu den Gründen des Unterlassens von Ausschüttungen haben die Klägerin und der Zeuge X Angaben gemacht. Während die Klägerin hierzu in Erfahrung gebracht hatte, daß es dem Stamm Y bei seinem Verhalten (Herunterwirtschaften der Gesellschaften; keine Ausschüttungen) darum gegangen sei, im Falle des Ablebens von Y - der noch der Vorgeneration angehörte - zukünftige Erbschaftsteuern zu sparen, hat der Zeuge X bekundet, Y habe Ausschüttungen im Hinblick auf eine diesbezügliche Vereinbarung unter den Vätern verweigert, wonach stattdessen Gewinne der Kapitalgesellschaften hätten thesauriert werden sollen. Andererseits bestand zum Stichtag bereits für den Stamm X ein akutes Bedürfnis nach Ausschüttungen auch seitens der Kapitalgesellschaften angesichts der beträchtlichen Erbschaftsteuerlast nach dem Ableben des Vaters der Klägerin und des Zeugen X. Weiter durfte am Stichtag erwartet werden, daß mit dem Tode von Y auch auf den Stamm Y derartige Belastungen zukommen würden, die voraussichtlich ebenfalls zu einem Bedürfnis nach Ausschüttungen der Kapitalgesellschaften führen würden. Diese Hintergründe ließen schon zum hier maßgeblichen Stichtag (Bestellung der Nießbrauchsrechte durch die Klägerin) erwarten, daß sich das Verhalten des Stammes Y in näherer Zukunft (spätestens nach dem Ableben des betagten Y) ändern werden würde (vgl. dazu, daß zur Ermittlung des Jahreswertes ungewisser Nutzungen auch nach dem Stichtag eingetretene, am Stichtag aber bereits voraussehbare Umstände berücksichtigt werden können, Kapp-Ebeling, a. a. O., § 12 Rdnr. 240 und die dort angeführte BFH-Rechtsprechung; ferner Christoffel in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 15 BewG Rdnr. 14 und Eisele in Rössler/Troll, a.a. O., § 15 Rdnr. 5). Dementsprechend hat es in der Folgezeit dann auch teilweise Ausschüttungen bei den Kapitalgesellschaften gegeben (lt. Schriftsatz der Klägerseite vom 23. Mai 2006 - Bl. 22 der Akten - bei der C GmbH ab 1997/98 und bei der A GmbH seit 1995 ständig, wobei teilweise die Ausschüttungsbeträge die Betriebsergebnisse deutlich übersteigen).

Soweit der BFH im Urteil II R 65/67 (a. a. O. Seite 400 l. Sp.) ausgeführt hat, der Nießbrauchswert sei danach zu bemessen, was der Berechtigte aufgrund dieser Position rechtens geltend machen und durchsetzen konnte, bedeutet dies für den vorliegenden Fall, in dem eine Prognose für die nähere Zukunft zum Ausschüttungsverhalten der Kapitalgesellschaften anzustellen ist, nach den vorstehenden Ausführungen, nach denen am Stichtag mit zukünftigen Ausschüttungen zu rechnen war, daß damit auch die Klägerin als Gesellschafterin und ihre Tochter als Nießbraucherin die Beteiligung an den Gewinnen der Unternehmen aufgrund ihrer rechtlichen Positionen werden geltend machen und durchsetzen können.

Es kommt hinzu, daß - worauf der Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat - den von der Klägerin für ihre Tochter bestellten Nießbrauchsrechten in jedem Fall unabhängig vom Ausschüttungsverhalten der Gesellschaften und von der Einstellung des Stammes Y auch dadurch ein Wert zukommt, daß sich nach § 4 Abs. 3 des Übertragungsvertrages im Fall der Auflösung der Gesellschaften oder des Ausscheidens der Schenkerin (Klägerin) der Nießbrauch auf deren Auseinandersetzungsguthaben erstreckt. Der Hinweis der Klägerseite im Rahmen der mündlichen Verhandlung, daß der Nießbrauchswert null betrage, wenn der Verpflichtete vorzeitig versterbe, ist demgegenüber ohne Belang; er gibt letztlich nur die Gesetzeslage zur Beendigung des Nießbrauchs wieder (§ 1061 BGB).

Ist demgemäß davon auszugehen, daß im vorliegenden Fall die der Tochter der Klägerin zugewendeten Nießbrauchsrechte Wert haben, ist für die Wertberechnung der Nießbrauchsrechte nicht der Wert der in den Vorjahren tatsächlich erfolgten (oder nicht erfolgten) Ausschüttungen, sondern der Wert derjenigen Nutzungen anzusetzen, die angesichts der wirtschaftlichen und rechtlichen Situation der Gesellschaften

bei einer ordnungsmäßigen Verwaltung der betreffenden Geschäftsanteile hätten gezogen werden können (BFH II R 65/67, a. a. O. S. 400 r. Sp.; ähnlich auch schon RFH, Urteil vom 9. Dezember 1920 - III A 66/20 - RStBl. 1922, 101: Der Jahreswert ist nicht der Betrag, den der Nutzungsinhaber nach seinen persönlichen Verhältnissen erzielen könnte, sondern der Betrag, der durchschnittlich bei gemeingewöhnlicher Bewirtschaftung voraussichtlich erzielt werden wird). Nach Auffassung des erkennenden Senats läßt die ordnungsgemäße Verwaltung von GmbH-Anteilen erwarten, daß dann, wenn die Geschäftslage es zuläßt und nicht ein konkreter Bedarf zur vollständigen Thesaurierung der Gewinne besteht, zumindest ein Teil der Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet wird.

Auszugehen ist vom gemeinen Wert der Anteile, der unter den Beteiligten, so wie er durch die Bp ermittelt wurde, unstreitig ist. Zutreffend wurde auch die Begrenzung nach § 16 BewG berücksichtigt. Auf die im Tatbestand wiedergegebene Ermittlung durch die Bp wird insoweit verwiesen.

Streitig und hier zu entscheiden ist die Frage, ob die Unterstellung der Bp - und ihr folgend des Beklagten - einer vollständigen Ausschüttung des so ermittelten voraussichtlichen Jahresdurchschnittsbetrages zutreffend und zulässig ist. Dies ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht der Fall.

Auszugehen ist - wie allgemein im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht - von der bestehenden zivilrechtlichen Lage (Grundsatz der zivilrechtlichen Prägung, vgl. z. B. BFH-Urteil vom 26. November 1986 II R 190/81, BStBl II 1987, 175; ständige Rechtsprechung).

Nach §§ 1068, 1030 Abs. 1 BGB vermittelt der Nießbrauch das Recht, die Nutzungen eines Rechts zu ziehen. Nutzungen eines Rechts sind die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt (§§ 100, 99 Abs. 2 BGB), bei einem Unternehmen also dessen Gewinne (Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 3. November 1955 II ZR 261/54, Der Betrieb 1956, 63).

In welchem Umfang dem Nießbraucher an einem Geschäftsanteil der Anspruch auf den Gewinn des Unternehmens/der Gesellschaft zusteht, ist streitig.

Stürner (in Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 1989, § 1068 Rdnr. 8) ist der Auffassung, der Anspruch auf den Gewinn stehe dem Nießbraucher in der Höhe zu, wie er sich aus der festgestellten Jahresbilanz ergebe, und führt zur Begründung an, der Gewinnanspruch entstehe nicht erst mit dem Beschluß der Gesellschafter über die Feststellung der Bilanz.

Nicht ganz eindeutig äußert sich hierzu Rothe (in Reichsgerichtsrätekommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl. 1996, § 1068 Rdnr. 11), wenn er nach der Feststellung, der auf die Beteiligung entfallende Gewinn gebühre dem Nießbraucher, folgert, der Nießbraucher habe also Anspruch auf den jährlichen Gewinnanteil bzw. die Dividende "seines" Gesellschafters. Unklar bleibt hier, ob sich dies auf den gesellschaftsvertraglichen quotalen Anteil oder lediglich auf den entsprechend einem Gesellschafterbeschluß ausgeschütteten Teil beziehen soll.

Demgegenüber geht die Rechtsprechung und die überwiegende Auffassung in der zivilrechtlichen Literatur davon aus, daß der Nießbraucher an einem Geschäftsanteil einen Anspruch nur auf die nach dem Gewinnverwendungsbeschluß ausschüttungsfähige Quote hat. Der BGH hat dies in dem einen Nießbrauch an einem Kommanditanteil betreffendenUrteil vom 20. April 1972 II ZR 143/69, Neue Juristische Wochenschrift 1972, 1755 wie folgt begründet:

Da der Nießbrauch nicht unmittelbar am Gesellschaftsvermögen, sondern an einer gesellschaftlichen Beteiligung bestehe, gebührten dem Nießbraucher die Erträge dieses Rechts, nicht die Gewinne des Unternehmens schlechthin. Hierbei kämen nur diejenigen Gewinnanteile in Betracht, die der Gesellschafter im Rahmen von Gesetz, Gesellschaftsvertrag und festgestelltem Jahresabschluß zu entnehmen berechtigt sei; insofern könne der Nießbraucher kein weitergehendes Nutzungsrecht als der Gesellschafter selbst haben.

Dieser Auffassung hat sich auch der BFH angeschlossen(Urteil vom 1. März 1994 VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241). Ihr folgen u. a. auch Frank in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bearb. 2002, Anh. zu § 1068 Rdnr. 103 und Pohlmann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl. 2004, § 1068 Rdnr. 50; weitere Nachweise im BFH-Urteil VIII R 35/92, a. a. O.). Der erkennende Senat hält diese weit überwiegend vertretene Auffassung aus den vom BGH angeführten Gründen für zutreffend.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß auf den Stichtag eine Prognose hinsichtlich zukünftiger Ausschüttungen der drei Kapitalgesellschaften aufzustellen ist.

Von einer vollständigen Ausschüttung des jeweiligen Jahresüberschusses wäre auszugehen, wenn festgestellt worden wäre, daß die betr. Gesellschaften auch in der Vergangenheit stets die erzielten Gewinne insgesamt an ihre Gesellschafter ausgeschüttet hatten, oder wenn ein Erfahrungssatz derart bestünde, daß generell Kapitalgesellschaften ihre Gewinne vollständig auszuschütten pflegen. Im vorliegenden Fall ist aber zum einen gerade festgestellt worden, daß hier die Kapitalgesellschaften in den dem Stichtag vorangegangenen Jahren Ausschüttungen an ihre Gesellschafter überhaupt nicht vorgenommen hatten. Aus zahlreichen Verfahren ist zudem gerichtsbekannt, daß gewöhnlich Kapitalgesellschaften ihre Gewinne gerade nicht vollständig ausschütten, sondern aus diversen betriebswirtschaftlichen oder unternehmerischen, teilweise auch steuerlichen Gründen nur Teile davon an ihre Gesellschafter weitergeben. Dies hat für den vorliegenden Fall zur Folge, daß die Unterstellung der vollständigen Ausschüttung der für die dem Stichtag folgenden Jahre erwarteten Gewinne (vgl. hierzu die im Tatbestand wiedergegebenen Angaben in den Erklärungen der beiden Gesellschaften zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile zum 31. Dezember 1994) unberechtigt ist. Im Hinblick auf das vom Zeugen X geschilderte traditionell zurückhaltende Ausschüttungsverhalten der beiden Kapitalgesellschaften und unter Berücksichtigung der von der Klägerseite dargelegten üblichen Ausschüttungsquoten von börsennotierten Kapitalgesellschaften (48 bis 51 %) hält es der Senat für angemessen, wenn im vorliegenden Fall für die dem Stichtag nachfolgenden Jahre davon ausgegangen wird, daß bei ordnungsgemäßer Verwaltung der Geschäftsanteile (BFH II R 65/67, a. a. O.) jeweils etwa ein Drittel des Jahresergebnisses zur Ausschüttung gelangt. Diese Entscheidung entspricht dem Vorschlag, den die Klägerseite im außergerichtlichen Verfahren zur Vermeidung eines Rechtsstreits unterbreitet hatte (Schreiben vom 16. Juni 2000).

Auch der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 ErbStG ist erfüllt. Die Klägerin handelte nicht nur hinsichtlich der von ihr auf ihre Tochter übertragenen Anteile an den Gesellschaften, sondern auch bezüglich der Bestellung der hier streitigen Nießbrauchsrechte mit dem nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlichen Willen zur Freigebigkeit/Unentgeltlichkeit (vgl. BFH, Urteile vom 14. Juli 1982 II R 125/79, BStBl. II 1982, 714 undvom 29. Oktober 1997 II R 60/94, BStBl. II 1997, 842; ständige Rechtsprechung). Wie die bereits wiedergegebenen Angaben der Klägerin bei ihrer Anhörung durch den Senat belegen, ist sie selbst davon ausgegangen, daß den von ihr zugewendeten Nießbrauchsrechten ein Geldwert zukommt.

Für die Steuerberechnung, die gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, dem beklagten Finanzamt übertragen wird, sind nach den vorstehenden Ausführungen die von der Bp ermittelten und unter den Beteiligten auf der Basis einer unterstellten Vollausschüttung rechnerisch unstreitigen Werte der zugewendeten Nießbrauchsrechte hinsichtlich der drei betroffenen Kapitalgesellschaften auf jeweils ein Drittel abzusenken. Sie betragen demnach für

 bisheriger Ausgangswert lt. Bpdavon 1/3KapitalisierungsfaktorNießbrauchswert lt. Urteil
A GmbH140.799 DM46.933 DM13,138616.605,75 DM
B GmbH125 DM41,67 DM13,138547,46 DM
C GmbH25.000 DM8.333,33 DM13,138109.483,29 DM

Mit dieser Entscheidung geht der Senat nicht über den Klageantrag hinaus, der ausdrücklich nur die Gesellschaften A und C nennt. Da die A GmbH unstreitig zu 100 % Anteileignerin der weiteren Kapitalgesellschaft B GmbH ist, werden von der Klägerseite diese beiden Gesellschaften nach Angaben in der mündlichen Verhandlung als Einheit angesehen und behandelt. Wie auch schon die Bp (Anlage 5 zum Bp-Bericht) bezieht der Senat die rechtlich selbständige B GmbH separat in die Bemessungsgrundlage ein.

Der Senat läßt gegen diese Entscheidung die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO zu, um eine höchstrichterliche Klärung bestehender Streitfragen zu ermöglichen.

Ende der Entscheidung

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