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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.08.2008
Aktenzeichen: 4 K 2975/05 VZr
Rechtsgebiete: VO Nr. 1775/2004/EG, VO Nr. 1260/2001/EG


Vorschriften:

VO Nr. 1775/2004/EG Art. 1 Buchst. a
VO Nr. 1775/2004/EG Art. 1 Buchst. b
VO Nr. 1260/2001/EG Art. 15 Abs. 1 Buchst. c
VO Nr. 1260/2001/EG Art. 15 Abs. 1 Buchst. d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 2975/05 VZr

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 22. Oktober 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 wird aufgehoben, soweit damit die B-Abgabe höher als 4.341.429,20 EUR festgesetzt worden ist.

Bis zum 8. Juli 2008 trägt die Klägerin zwei Drittel und der Beklagte ein Drittel der Kosten des Verfahrens. Ab dem 8. Juli 2008 trägt der Beklagte die Kosten des Verfahrens allein.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin erzeugt Zucker. Das beklagte Hauptzollamt setzte gegen sie mit Bescheid vom 22. Oktober 2004 die Produktionsabgaben für das Wirtschaftsjahr 2003/04 endgültig fest. Dabei legte es der Festsetzung der Grundproduktionsabgabe von 1.792.625,74 EUR den Abgabensatz nach Art. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1775/2004 (VO Nr. 1775/2004) der Kommission vom 14. Oktober 2004 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2003/04 (ABl EU Nr. L 316/64) und der Festsetzung der B-Abgabe von 5.500.392,66 EUR den Abgabensatz nach Art. 1 Buchst. b VO Nr. 1775/2004 zugrunde.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie geltend machte, die Kommission habe die Produktionsabgaben fehlerhaft berechnet, weil diese über die zur Deckung der mit den Ausfuhren verbundenen Verluste hinausgingen. Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 13. Juni 2005 zurück.

Die Klägerin hat Klage erhoben, mit der sie beantragt hat, den Bescheid des beklagten Hauptzollamts vom 22. Oktober 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 aufzuheben, soweit die B-Abgabe höher als 1.978.514 EUR, hilfsweise höher als 4.321.010 EUR festgesetzt worden ist (Seite 13, 32 f. sowie Anlage K 8 ihres Schriftsatzes vom 2. September 2005; Bl. 81, 100f., 143 der Gerichtsakte). Sie hat vorgetragen: Die VO Nr. 1775/2004 sei ungültig, weil die Kommission die Produktionsabgaben fehlerhaft berechnet habe. Bei der Ermittlung des ausführbaren Überschusses hätte die Kommission nicht den Zucker einbeziehen dürfen, der aus der Gemeinschaft in Form von Verarbeitungserzeugnissen ausgeführt worden sei und für den keine Erstattungen gewährt worden seien. Die Kommission hätte zumindest bei der Ermittlung des durchschnittlichen Verlusts je Tonne Zucker auch die Menge von 504.205 t einbeziehen müssen, für die keine Erstattungen gewährt worden seien.

Der Senat hat mit Beschluss vom 2. Januar 2006 das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) um eine Vorabentscheidung zu folgenden Fragen ersucht:

1. Ist Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 (VO Nr. 1260/2001) über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl EG Nr. L 178/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 39/2004 der Kommission vom 9. Januar 2004 (ABl EU Nr. L 6/16), dahin auszulegen, dass bei der Ermittlung des ausführbaren Überschusses nur die Ausfuhrmengen an Zucker, Isoglucose und Inulinsirup angesetzt werden dürfen, für die tatsächlich Ausfuhrerstattungen gewährt worden sind?

2. Für den Fall, dass die Frage 1 zu bejahen ist: Ist Art. 6 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 314/2002 (VO Nr. 314/2002) der Kommission vom 20. Februar 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Quotenregelung im Zuckersektor (ABl EG Nr. L 50/40) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1140/2003 der Kommission vom 27. Juni 2003 (ABl EU Nr. L 160/33) ungültig?

3. Für den Fall, dass die Frage 1 zu verneinen ist: Ist Art. 15 VO Nr. 1260/2001 dahin auszulegen, dass sowohl bei der Ermittlung des ausführbaren Überschusses als auch bei der Ermittlung des durchschnittlichen Verlusts je Tonne Zucker sämtliche Ausfuhren anzusetzen sind, auch wenn für einen Teil dieser Ausfuhren im betreffenden Wirtschaftsjahr keine Ausfuhrerstattungen gewährt worden sind?

4. Für den Fall, dass die Frage 1, 2 oder 3 zu bejahen ist: Ist die VO Nr. 1775/2004 ungültig?

Der EuGH hat in der Rechtssache C-5/06 mit Urteil vom 8. Mai 2008 unter anderem entschieden:

1. Nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c VO Nr. 1260/2001 sind bei der Berechnung des ausführbaren Überschusses alle unter diesen Artikel fallenden ausgeführten Erzeugnismengen, gleich ob Erstattungen tatsächlich gewährt wurden oder nicht, vom Verbrauch abzuziehen.

2. Art. 15 Abs. 1 Buchst. d VO Nr. 1260/2001 ist dahin auszulegen, dass bei der Ermittlung des ausführbaren Überschusses und des voraussichtlichen durchschnittlichen Verlusts je Tonne Erzeugnis alle unter diesen Artikel fallenden ausgeführten Erzeugnismengen zu berücksichtigen sind, gleich ob Erstattungen tatsächlich gewährt wurden oder nicht.

3. Die VO Nr. 1775/2004 ist ungültig.

Die Klägerin trägt vor: Auf Grund des Urteils des EuGH vom 8. Mai 2008 in der Rechtssache C-5/06 stünden die rechtlichen Vorgaben für die Berechnung der Produktionsabgaben für das Zuckerwirtschaftsjahr 2003/2004 fest, ohne dass es noch des Erlasses einer erneuten Verordnung zur Festsetzung der Produktionsabgaben bedürfe. Die Daten, die für die Berechnung der Produktionsabgaben erforderlich seien, ergäben sich aus der von der Kommission dem Verwaltungsausschuss am 25. Januar 2007 vorgelegten Statistik. Damit sei eine Neuberechnung der Ausfuhrverpflichtungen und des Gesamtverlusts sowie der Gesamtproduktionsabgabe möglich. Dies habe für sie zur Folge, dass eine B-Abgabe von lediglich 4.341.429,20 EUR festzusetzen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid des beklagten Hauptzollamts vom 22. Oktober 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 aufzuheben, soweit damit die B-Abgabe höher als 4.341.429,20 EUR festgesetzt worden ist.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Der Abgabenbescheid könne erst geändert werden, wenn eine neue Verordnung der Kommission zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2003/04 vorliege.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist mit dem nunmehr eingeschränkten Klageantrag begründet. Der Bescheid des beklagten Hauptzollamts vom 22. Oktober 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit damit die B-Abgabe höher als 4.341.429,20 EUR festgesetzt worden ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Da die Klägerin die Höhe der festgesetzten Grundproduktionsabgabe von 1.792.625,74 EUR nicht angreift, ist der angefochtene Bescheid nur hinsichtlich der festgesetzten B-Abgabe teilweise aufzuheben.

Der EuGH hat in der Rechtssache C-5/06 die vom Senat an ihn gerichtete Frage zu 1. verneint (Randnr. 45 des EuGH-Urteils vom 8. Mai 2008). Demgegenüber hat er die vom Senat aufgeworfene Frage zu 3. bejaht (Randnr. 61 des EuGH-Urteils). Zwar hat der EuGH die VO Nr. 1775/2004 (insgesamt) für ungültig erklärt (Randnr. 65 des EuGH-Urteils). Aus Randnr. 64 des EuGH-Urteils geht jedoch hinreichend deutlich hervor, dass sich die Ungültigkeitserklärung nur auf die unter Randnr. 61 des Urteils dargestellten Gründe bezieht. Der EuGH ist damit dem Hilfsvorbringen der Klägerin gefolgt, so dass entsprechend der von ihr mit Schriftsatz vom 8. Juli 2008 vorgelegten Berechnung die B-Abgabe auf 4.341.429,20 EUR (anstatt 5.500.392,66 EUR) festzusetzen ist. Das beklagte Hauptzollamt ist dieser Berechnung nicht entgegengetreten. Die für die Berechnung der B-Abgabe erforderlichen Daten hat die Klägerin der von der Kommission dem Verwaltungsausschuss am 25. Januar 2007 vorgelegten Statistik entnommen. Überdies hat ein zuständiger Bediensteter des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz dem Berichterstatter des Senats auf telefonische Nachfrage vom 08.07.2008 mitgeteilt, dass die von der Klägerin ihrer Berechnung zugrunde gelegten Zahlen dort vorgelegen hätten und als zutreffend erachtet worden seien.

Soweit die Klägerin schriftsätzlich beantragt hat, das beklagte Hauptzollamt zu verpflichten, ihr den überzahlten Betrag zuzüglich Zinsen von 0,5 % für jeden vollen Monat seit Rechtshängigkeit zu erstatten, ist ein solcher Leistungsantrag mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig (Gräber/von Groll, FGO, 6. Aufl., § 100 Randnr. 53 und 66 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der bis zum 8. Juli 2008 angefallenen Kosten beruht auf § 138 Abs. 1 FGO. Dabei war bezüglich des von der Klägerin nicht mehr verfolgten "Hauptantrags" zu berücksichtigen, dass der Streitwert bei Klageerhebung 3.521.878 EUR (5.500.392 EUR ./. 1.978.514 EUR) betrug (§ 40 des Gerichtskostengesetzes - GKG -). Der ursprünglich gestellte "Hilfsantrag" führte gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts. Der Streitwert hat sich ab dem 8. Juli 2008 auf 1.158.963 EUR vermindert (5.500.392 EUR ./. 4.341.429 EUR), was einer Einschränkung des Klageantrags von 2.362.915 EUR (3.521.878 EUR ./. 1.158.963 EUR) entspricht. Die Einschränkung des Klageantrags um 2.362.915 EUR entspricht etwa zwei Drittel des ursprünglichen Streitwerts von 3.521.878 EUR. Hinsichtlich der ab dem 8. Juli 2008 angefallenen Kosten trägt das beklagte Hauptzollamt nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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