Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.03.2008
Aktenzeichen: 4 K 4134/07 Z,EU
Rechtsgebiete: TrZG


Vorschriften:

TrZG § 4 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 4134/07 Z,EU

Tenor:

Die Bescheide des Beklagten vom 16. August 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 1. Oktober 2007 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und Angehöriger der italienischen Streitkräfte. Er war beim NATO .... Verband in A/Deutschland stationiert und erwarb im März 2003 in den Niederlanden einen PKW der Marke ......, den er abgabenfrei in die Bundesrepublik Deutschland verbrachte. Der PKW wurde am 3. April 2003 vom Straßenverkehrsamt des Kreises B unter dem Kennzeichen __-__ ___ zugelassen. Im Dezember 2003 erwarb der Kläger in Belgien einen weiteren PKW der Marke ......, den er gleichfalls abgabenfrei in die Bundesrepublik Deutschland verbrachte. Der PKW wurde am 27. Januar 2004 vom Straßenverkehrsamt des Kreises B unter dem Kennzeichen __-__ ___ zugelassen. Der Kläger meldete beide Fahrzeuge am 8. Januar 2007 ab, nachdem er aus Anlass seiner Versetzung nach Italien seinen Wohnsitz wieder dort genommen hatte.

Das beklagte Hauptzollamt setzte gegen den Kläger mit zwei Steuerbescheiden vom 16. August 2007 insgesamt 5.855,42 EUR Zoll und Einfuhrumsatzsteuer fest. Dabei ging es davon aus, dass die beiden PKW aus der Zollgutverwendung der ausländischen Streitkräfte oder ihrer Mitglieder in den freien Verkehr entnommen worden seien. Hierdurch sei nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Truppenzollgesetzes (TrZG) eine Abgabenschuld entstanden. Der Kläger sei als Mitglied der ausländischen Streitkräfte nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TrZG Abgabenschuldner geworden.

Mit seinen hiergegen eingelegten Einsprüchen machte der Kläger geltend: Durch das Verbringen der PKW nach Italien seien diese nicht in der Bundesrepublik Deutschland in den freien Verkehr übergeführt worden. Der Vorgang habe in Italien und damit außerhalb des Geltungsbereichs des TrZG stattgefunden.

Das beklagte Hauptzollamt wies die Einsprüche mit Entscheidungen vom 1. Oktober 2007 zurück und führte aus: Die Abgabenschuld sei nach § 4 Abs. 1 TrZG i.V.m. Art. 204 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl EG Nr. L 302/1) dadurch entstanden, dass der Kläger seine Dienstzeit bei dem NATO-Hauptquartier in der Bundesrepublik Deutschland beendet und die Fahrzeuge nach Italien verbracht habe. Mit der Rückkehr in sein Heimatland habe er seine Rechtsstellung als privilegiertes Mitglied einer in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppe verloren. Eine weitere abgabenbegünstigte Verwendung sei nicht mehr möglich gewesen. Der Kläger sei nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b TrZG Abgabenschuldner geworden, weil er im Zeitpunkt der Entnahme der Fahrzeuge in den freien Verkehr unmittelbarer Besitzer gewesen sei. Die Abgaben seien in dem Mitgliedstaat zu erheben, in dem die Fahrzeuge in die nicht vorübergehende Verwendung übergeführt worden seien. Dies sei die Bundesrepublik Deutschland gewesen.

Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Eine Abgabenschuld könne nicht allein dadurch entstehen, dass ein Mitglied der ausländischen Streitkräfte eine Ware, die sich in der nicht vorübergehenden Zollgutverwendung befinde, in seinem Heimatland weiternutze. Nach den Bestimmungen des TrZG sei nicht auf die Fortdauer einer Stationierung, sondern auf die Zugehörigkeit zu einer ausländischen Truppe abzustellen. Er verwende die Fahrzeuge weiterhin als Mitglied der italienischen Streitkräfte, wenn auch in Italien. Sollte ein Verlust seiner Rechtsstellung als Mitglied der italienischen Streitkräfte anzunehmen sein, seien die Fahrzeuge jedenfalls gemäß § 6 TrZG nach den Vorschriften über die Abgabenbefreiung von Übersiedlungsgut zu behandeln.

Der Kläger beantragt,

die Steuerbescheide vom 16. August 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 1. Oktober 2007 aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Nach seiner Versetzung nach Italien sei der Kläger nicht mehr berechtigt gewesen, Waren zu verwenden, die auf Grund truppenzollrechtlicher Bestimmungen abgabenbefreit seien. Da er die Fahrzeuge nicht zur Überführung in ein anderes Zollverfahren gestellt habe, seien sie aus der Truppenzollgutverwendung entnommen worden. Gemäß § 4 TrZG entstehe eine Abgabenschuld auch dann, wenn eine Ware zu anderen als zu begünstigten Zwecken verwendet werde. Der Kläger sei als ehemaliges Mitglied der ausländischen Streitkräfte Abgabenschuldner geworden. Auf § 6 TrZG könne er sich nicht berufen, weil er seinen Wohnsitz nicht von einem Drittland in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegt habe.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Steuerbescheide vom 16. August 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 1. Oktober 2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Hauptzollamt hat die Einfuhrabgaben zu Unrecht gegen den Kläger festgesetzt.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG entsteht mit der Entnahme von Zollgut aus der Zollgutverwendung der ausländischen Streitkräfte oder ihrer Mitglieder in den freien Verkehr eine Abgabenschuld, wie sie bei der Einfuhr entstehen würde. Eine Entnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG liegt vor, wenn eine Ware aus dem Besitz der ausländischen Streitkräfte in den Besitz eines Nichtberechtigten übergeht und dadurch die für die Abgabenbegünstigung maßgebliche Zweckbestimmung der ausschließlichen Verwendung als Truppenzollgut aufgehoben wird, was bei einvernehmlichem Besitzübergang anzunehmen ist, wenn dem Nichtberechtigten - Nichtmitglied der ausländischen Streitkräfte - das Eigentum verschafft oder Gebrauch oder Verbrauch gestattet wird (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 3. Mai 1994 VII B 49/94, BFH/NV 1994, 755). Ein derartiger einvernehmlicher Besitzübergang hat im Streitfall nicht stattgefunden. Der Kläger war als Mitglied der italienischen Streitkräfte bis zu seiner Versetzung nach Italien Besitzer der beiden in Rede stehenden PKW und ist dies auch bislang geblieben. Anders als das beklagte Hauptzollamt offenbar meint, entsteht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG eine Abgabenschuld nur bei einer Entnahme von Zollgut aus der Zollgutverwendung der ausländischen Streitkräfte und nicht schon dadurch, dass die Stationierung eines Mitglieds der ausländischen Streitkräfte, das eine abgabenfrei erworbene Ware im Besitz hat, in der Bundesrepublik Deutschland endet. Ob im Streitfall überhaupt eine Verwendung der PKW zu anderen als zu begünstigten Zwecken stattgefunden hat, kann dahinstehen. Dies allein könnte in Ermangelung des erforderlichen Besitzübergangs auf eine andere Person nicht die Annahme rechtfertigen, die beiden Fahrzeuge seien aus der Zollgutverwendung der ausländischen Streitkräfte i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG entnommen worden.

Es kann im Streitfall auch nicht auf die Art. 202 Abs. 1, 203 Abs. 1 und Art. 204 Abs. 1 ZK zurückgegriffen werden. Denn die Frage, ob für die in Rede stehenden PKW eine Abgabenschuld entstanden ist, kann nur auf der Grundlage der nach wie vor geltenden sondergesetzlichen Vorschriften des TrZG beurteilt werden (BFH-Beschluss vom 17. August 2000 VII B 45/00, BFHE 192, 149). Die Regelung der den Hauptquartieren und ihrem Personal zu gewährenden Vergünstigungen ist gemeinschaftsrechtlich den Mitgliedstaaten vorbehalten (BFH-Beschluss in BFHE 192, 149). Das ergibt sich zollrechtlich für die bei Ergehen der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 (VO Nr. 918/83) des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl EG Nr. L 105/1) bereits bestehenden Abkommen mit internationalen Organisationen aus Art. 133 Abs. 1 Buchst. b und 136 Abs. 1 VO Nr. 918/83 sowie hinsichtlich der Umsatzsteuer aus Art. 143 Buchst. g und Art. 151 Abs. 1 Buchst. b der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl EU Nr. L 347/1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück