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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 4 K 4817/06 VTa
Rechtsgebiete: TabStG, RL 95/59/EG


Vorschriften:

TabStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
TabStG § 4 Abs. 2
RL 95/59/EG Art. 4 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 4817/06 VTa

Tenor:

Der Beklagte wird unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheids vom 28. September 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2006 verpflichtet, die Tabaksteuerzeichenschuld entsprechend der Steueranmeldung vom 15. September 2006 festzusetzen und 200 Bogen Steuerzeichen für einen Packungspreis von ..,.. EUR für 20 Zigaretten je Packung auszuliefern.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Klägerin stellt unter der Bezeichnung "A-Zigaretten" Tabakwaren her. Hierbei handelt es sich um mit einem porösen Zellulosestreifen umhüllte Tabakstränge mit einer Länge von etwa 177 mm, die in handelsübliche Zigarettenpapierhülsen geschoben werden. Diese Tabakwaren vertreibt die Klägerin in Kleinverkaufspackungen mit jeweils zehn Tabaksträngen zu einem Preis von ..,.. EUR. Auf der Innenseite der Packungen weist sie durch schematische Darstellungen darauf hin, wie die Tabakstränge in drei gleiche Teile geschnitten und anschließend in "A-Filterhülsen" geschoben werden können.

Das beklagte Hauptzollamt vertrat in einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 30. August 2006 die Auffassung, dass sie für die "A-Zigaretten" Steuerzeichen für 30 Zigaretten je Kleinverkaufspackung beziehen müsse. Grundsätzlich könne zwar der Verbraucher entscheiden, wie viele Zigaretten er mit Zigarettenpapierhülsen herstelle. Bestimme jedoch der Hersteller die Anzahl der zu fertigenden Zigaretten, müsse auf diese Menge für die Versteuerung abgestellt werden. So habe auch die Klägerin auf der Innenseite der Kleinverkaufspackungen eine Mengenvorgabe gemacht, die von den Angaben auf den Steuerzeichen für 20 Zigaretten je Kleinverkaufspackung abweiche.

Mit Steueranmeldung vom 15. September 2006 bestellte die Klägerin beim beklagten Hauptzollamt - Zentrale Steuerzeichenstelle - für die "A-Zigaretten" 200 Bogen Steuerzeichen für 20 Zigaretten je Kleinverkaufspackung. Das beklagte Hauptzollamt lehnte mit Bescheid vom 28. September 2006 eine Auslieferung der bestellten Steuerzeichen unter Hinweis auf sein Schreiben vom 30. August 2006 ab.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie vorbrachte: Der Gesetzgeber habe den Steuertarif für Zigaretten in Abhängigkeit von der Länge der Tabakstränge abschließend in § 4 Abs. 2 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) festgelegt. Der Steuertarif sei hiernach nicht davon abhängig, wie die Tabakwaren oder mit diesen kombinierte Waren verpackt seien oder wie die Werbung für die Tabakwaren gestaltet sei.

Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 8. November 2006 zurück und führte aus: § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG unterstelle, dass es sich um Tabakstränge normaler Länge handele, die ohne weitere Behandlung in eine Zigarettenpapierhülse geschoben würden. Auch nach § 4 Abs. 2 TabStG sei davon auszugehen, dass es sich um eine Zigarette handele, die vom Verbraucher als eine Zigarette angesehen und konsumiert werde. Gebe jedoch der Hersteller durch die Gestaltung der Verpackung und Werbung dem Verbraucher vor, wie viele Zigaretten mit Zigarettenpapierhülsen erzeugt werden sollten, müsse diese Anzahl mit der Berechnung des stückbezogenen Steueranteils übereinstimmen.

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Da der Gesetzgeber die Länge eines Tabakstrangs in § 4 Abs. 2 TabStG als maßgebend für die Bestimmung des Steuertarifs festgelegt habe, habe er die Möglichkeit der Herstellung eines überlangen Tabakstrangs nicht nur gesehen, sondern dessen steuerliche Behandlung geregelt. Der Gesetzeswortlaut biete keine Grundlage für die steuerliche Einstufung von Tabakwaren auf der Grundlage des Stückempfindens eines durchschnittlichen und verständigen Verbrauchers. Die Verwaltung sei nach dem Gesetz nicht zur Erhebung einer höheren stückbezogenen Steuer auf Grund von missliebigen Verpackungsgestaltungen, bestimmten Abbildungen auf der Innenseite der Packungen oder der Werbung befugt. Mittlerweile hätten Konkurrenzunternehmen eine Vielzahl von Tabakstrangprodukten auf den Markt gebracht, wobei auf den Packungen Hinweise enthalten seien, wie die Tabakstränge in Zigarettenpapierhülsen geschoben würden und abzuschneiden seien. Da es auf dem deutschen Markt keine Zigarettenpapierhülsen mit einer Länge von 90 mm oder mehr gebe, müsse die Anleitung auf den Packungen der Konkurrenzprodukte dazu führen, dass mehr als zwei Filterzigaretten entstünden. Dennoch erhielten ihre Wettbewerber für die Konkurrenzprodukte, die mit den von ihr hergestellten Produkten zu vergleichen seien, Steuerzeichen für zwei Zigaretten pro Tabakstrang.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheids vom 28. September 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2006 zu verpflichten, die Tabaksteuerzeichenschuld entsprechend ihrer Steueranmeldung vom 15. September 2006 festzusetzen und 200 Bogen Steuerzeichen für einen Packungspreis von ..,.. EUR für 20 Zigaretten je Packung auszuliefern.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Bei einem Packungsinhalt von zehn unfertigen Tabaksträngen, aus denen nach den Angaben des Herstellers jeweils drei Zigaretten hergestellt werden sollten, seien Steuerzeichen für insgesamt 30 Zigaretten je Packung zu beziehen. Aus der Gesamtschau tabaksteuerrechtlicher Vorschriften ergebe sich, dass nicht auf die Gesamtlänge des vom Hersteller angebotenen Tabakstrangs, sondern auf die einzelne rauchfertige Zigarette abzustellen sei. Die Darstellung auf der Verpackung der von der Klägerin hergestellten Tabakstränge zeige, dass es sich nicht um ein Produkt handele, das dazu bestimmt sei, in eine Zigarettenpapierhülse geschoben zu werden. Die Klägerin leite den Verbraucher vielmehr an, den Tabakstrang zu dritteln und die entstehenden Tabakstränge in jeweils eine Zigarettenpapierhülse zu schieben. Im Streitfall greife weder § 4 Abs. 2 TabStG noch Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG (Richtlinie 95/59/EG) des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl EG Nr. L 291/40) ein. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG setze voraus, dass der Tabakstrang vollständig in einer Zigarette geraucht werden solle und länger als 9 cm sei. Nach den Vorgaben der Klägerin solle der Verbraucher jedoch drei Zigaretten von etwa 6 cm Länge aus einem Tabakstrang anfertigen. Durch die Bezugnahme in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG auf Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 95/59/EG werde deutlich, dass Absatz 2 der Bestimmung nur eingreifen könne, wenn der Tabakstrang als Ganzes geraucht werden solle. Der Vorwurf der Ungleichbehandlung Klägerin sei unbegründet, weil ein sachlicher Differenzierungsgrund vorliege. Das von der Klägerin benannte Konkurrenzunternehmen stelle weder auf den Verpackungen seiner Produkte noch in seiner sonstigen Werbung auf eine bestimmte Stückzahl herzustellender Zigaretten ab.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Regelmäßig erfolgt die Festsetzung einer von einer Steueranmeldung abweichenden Steuerzeichenschuld gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 TabStG i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) durch Festsetzung der nach Ansicht der Behörde geschuldeten Steuerzeichenschuld. Diese Festsetzung kann der Anmelder sodann mit einer Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) anfechten (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 14. November 1995 VII R 22/95, BFHE 178, 500). Versagt die Behörde - wie im Streitfall - die Zustimmung zu einer eingereichten Steueranmeldung, kann der Anmelder sein Begehren auf Festsetzung der seiner Meinung nach geschuldeten Steuerzeichenschuld auch mit einer Verpflichtungsklage verfolgen (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 168 Rdnr. 22; Cöster in Pahlke/Koenig, AO § 168 Rdnr. 28).

Die Klage ist auch begründet. Der ablehnende Bescheid vom 28. September 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Festsetzung der Steuerzeichenschuld entsprechend der von ihr eingereichten Steueranmeldung und Auslieferung von Steuerzeichen für 20 Zigaretten je Packung.

Nach § 4 Abs. 2 TabStG, das hier in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 9. Dezember 2006 (BGBl I, 2830) anzuwenden ist, wird für Zigaretten der stückbezogene Steueranteil je begonnene 9 cm Länge des Tabakstrangs erhoben. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, handelt es sich bei den Tabakwaren, welche die Klägerin unter der Bezeichnung "A-Zigaretten" herstellt, um Zigaretten i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG. Da die Länge der einzelnen Tabakstränge etwa 177 mm beträgt, sind nach § 4 Abs. 2 TabStG nur 20 Zigaretten je Packung mit zehn Tabaksträngen zu versteuern.

Dieses Ergebnis steht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang. Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 92/79/EWG (Richtlinie 92/79/EWG) des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten (ABl EG Nr. L 316/8) wird die spezifische Verbrauchsteuer "je Einheit" erhoben. Eine derartige "Einheit" ist nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG ein Tabakstrang, der eine Länge von nicht mehr als 9 cm hat. Bei einer Länge des Tabakstrangs von mehr als 9 cm, aber nicht mehr als 18 cm sind daher zwei Zigaretten als Einheiten für die Erhebung der spezifischen Verbrauchsteuer anzunehmen. Weder das TabStG, noch die Richtlinie 95/59/EG, noch die Richtlinie 92/79/EWG stellen auf die Verpackung der Tabakstränge und auf den Inhalt der Werbung für die Tabakwaren ab. Die Formulierung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG, nach der Zigaretten auch Tabakstränge sind, die durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in "eine Zigarettenpapierhülse" geschoben werden, ist nicht dahin zu verstehen, dass nur dann eine Zigarette i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG vorliegt, wenn die Tabakstränge nur in "eine" Zigarettenpapierhülse geschoben werden können. Das Tatbestandsmerkmal "eine Zigarettenpapierhülse" beschreibt lediglich die bestimmungsmäßige Verwendung der Tabakstränge. Anders als das beklagte Hauptzollamt meint, geht § 4 Abs. 2 TabStG auch nicht davon aus, dass es sich um eine Zigarette handeln muss, die vom Verbraucher als eine Zigarette angesehen und konsumiert wird. Durch die Regelungen des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG und des § 4 Abs. 2 TabStG sollen vielmehr Steuervorteile vermieden werden, die durch die Herstellung besonders langer Tabakstränge entstehen können (Bongartz in Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, Rdnr. K 38). Demgemäß stellen Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG und § 4 Abs. 2 TabStG nicht auf die nach Einschätzung des Verbrauchers vorhandene Stückzahl der Zigaretten, sondern auf die objektiv feststellbare Länge der Tabakstränge ab. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG und § 4 Abs. 2 TabStG beziehen sich zudem auf sämtliche in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 95/59/EG und in § 2 Abs. 2 TabStG als Zigaretten definierten Tabakstränge und damit auch auf die noch nicht unmittelbar zum Rauchen geeigneten Tabakstränge i.S. des Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 95/59/EG und des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 TabStG. Daher kann nicht auf die einzelne "rauchfertige" Zigarette abgestellt werden. Das beklagte Hauptzollamt übersieht insoweit, dass die Steuer bereits durch das Entfernen der Tabakwaren aus dem Steuerlager entsteht (§ 11 Abs. 1 Satz 1 TabStG) und deshalb die zu diesem Zeitpunkt objektiv vorhandenen Beschaffenheitsmerkmale eines unter § 2 Abs. 2 TabStG fallenden Tabakstrangs maßgebend dafür sind, welcher stückbezogene Steueranteil nach § 4 Abs. 2 TabStG zu erheben ist. Unerheblich ist mithin, ob der Verbraucher nach der Entstehung der Steuer aus Tabaksträngen i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG zwei, drei oder noch mehr Zigaretten herstellt. Entscheidend ist vielmehr, dass zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 11 Abs. 1 Satz 1 TabStG) ein Tabakstrang i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG vorliegt, dessen Länge mehr als 9 cm, aber nicht mehr als 18 cm beträgt. Deshalb geht auch der Hinweis des beklagten Hauptzollamts ins Leere, Besteuerungsgegenstand sei die Zigarette und nicht der Tabakstrang. Nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 95/59/EG und § 2 Abs. 2 TabStG gelten sämtliche dort aufgeführten Tabakstränge als Zigaretten. An diese Legaldefinition wird in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 95/59/EG und in § 4 Abs. 2 TabStG angeknüpft, ohne dass es darauf ankommt, ob eine unmittelbar zum Rauchen geeignete Zigarette vorliegt oder vom Verbraucher erst noch herzustellen ist.

Der Hinweis der Vertreterinnen des beklagten Hauptzollamts in der mündlichen Verhandlung auf die Bestimmung des Kleinverkaufshöchstpreises durch den Hersteller (Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/59) kann an der steuerrechtlichen Beurteilung der an die Klägerin auszuliefernden Steuerzeichen nichts ändern. Der Kleinverkaufspreis ist vorliegend für die Bestimmung des Steuertarifs nicht von Bedeutung, weil es im Streitfall nicht um den nach dem Kleinverkaufshöchstpreis berechneten proportionalen Verbrauchsteuersatz (Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 92/79), sondern um den spezifischen Verbrauchsteuersatz je Einheit (Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 92/79) geht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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