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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 4 K 965/08 Z
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 2913/92, VO (EG) Nr. 1214/2007


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 2913/92 Abschnitt 12 Abs. 1
VO (EG) Nr. 1214/2007
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft vom 16. Mai 2007, mit der sie sog. "A-Implantate" aus Titan des Typs ... und ... mit einer Länge von 40 mm und 50 mm in die Unterpos. 8108 90 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN) einreihte. Die Waren weisen einen spitz zulaufenden Schaft auf, der am anderen Ende mit einem Kopf mit Innensechskant und einem gegenläufigen, selbstschneidenden Außengewinde versehen ist. Der Schaft und der Kopf sind über ihre gesamte Länge durchbohrt. Die Erzeugnisse werden zur Fixierung von Weichteiltransplantaten bei einem Kreuzbandriss im menschlichen Knie verwendet.

Mit ihrem gegen die verbindliche Zolltarifauskunft eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend: Bei den Erzeugnissen handele es sich nicht um Waren mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit. Sie dienten der Behebung von Funktionsschäden im menschlichen Knie und würden ausschließlich sowie dauerhaft im menschlichen Körper implantiert. Diese Verwendung sei der Grund für ihre besondere Form.

Die Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 20. Februar 2008 zurück und führte aus: Die Erzeugnisse könnten nach Anm. 1 Buchst. f zu Kap. 90 nicht in die Pos. 9021 KN eingereiht werden, weil sie als Verbindungselemente aus Titan Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit im Sinne der Anm. 2 Buchst. a zu Abschnitt XV seien. Die speziell konstruierte Form und der Einsatz für einen ganz bestimmten Verwendungszweck stünden dem nicht entgegen.

Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Die Erzeugnisse seien als Vorrichtungen zum Implantieren in den Körper in die Pos. 9021 KN einzureihen. Der tariflich maßgebliche Verwendungszweck sei anhand der sterilen Verpackung und der Produktbeschreibung erkennbar. Die Waren seien speziell für die Behebung von Funktionsschäden zur Wiederherstellung der Stabilität des Kniegelenks entwickelt worden und allein für diese Anwendung bestimmt. Es handele sich nicht um Nägel mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit im Sinne der Anm. 2 Buchst. a zu Abschnitt XV KN. Das stumpf zulaufende Ende und die sterile Verpackung stünden der Annahme einer allgemeinen Verwendungsmöglichkeit entgegen. Auf Grund ihrer stumpfen und kanülierten Spitze seien die Waren nicht geeignet, in ein dichtes Material eingeschlagen zu werden. Die Erzeugnisse würden vielmehr mit Hilfe eines Drahtes von außen in einen zuvor gebohrten und durch den ganzen Gelenkknochen laufenden Kanal eingezogen. Erst dann würden sie fixiert.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung ihrer verbindlichen Zolltarifauskunft vom 16. März 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2008 zu verpflichten, die Erzeugnisse "A- Implantate" ... und ... in die Pos. 9021 KN einzureihen;

2. hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor: Bei den Erzeugnissen handele es sich um Verbindungselemente in der Form von Schrauben. Sie würden eine Verbindung zwischen einem Weichteiltransplantat und einem Knochen herstellen. Einer Einreihung in die Pos. 9021 KN stehe Anm. 1 Buchst. f zu Kap. 90 KN entgegen. Dabei komme es nicht auf die konkrete Verwendung der Waren an.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die verbindliche Zolltarifauskunft vom 16. März 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten ( § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klägerin hat nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl EG Nr. L 302/1) keinen Anspruch darauf, dass die sog. "A- Implantate" aus Titan des Typs ... und ... in die Pos. 9021 KN in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1214/2007 der Kommission vom 20. September 2007 (ABl EU Nr. L 286/1) eingereiht werden. Die Waren sind vielmehr der Unterpos. 8108 90 90 KN zuzuweisen.

Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - , Urteile vom 7. Februar 2002 Rs. C-276/00, Slg. 2002, I-1389 Randnr. 21 sowie vom 4. März 2004 Rs. C-130/02, Slg. 2004, I-2121 Randnr. 28). Die Erläuterungen (Erl) des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens zum Harmonisierten System (HS) sowie die Erläuterungen der Kommission zur Kombinierten Nomenklatur stellen ein wichtiges, wenn auch ein nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen dar (EuGH-Urteile in Slg. 2002, I-1389 Randnr. 22 sowie in Slg. 2004, I-2121 Randnr. 28).

Von der Unterpos. 8108 90 90 KN werden andere als die in Pos. 8108 KN ausdrücklich aufgeführten Waren aus Titan erfasst. Die in Rede stehenden Erzeugnisse sind derartige "andere" Waren aus Titan. Einer Einreihung der "A- Implantate" des Typs ... und ... in die Pos. 9021 KN steht Anm. 1 Buchst. f zu Kap. 90 KN entgegen. Danach gehören zu Kap. 90 KN nicht Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit im Sinne der Anm. 2 zu Abschnitt XV aus unedlen Metallen. Die von dieser Ausweisungsvorschrift erfassten Waren gelten als Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit, ohne dass es auf ihre konkrete Verwendung im Einzelfall ankommt (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 7. Mai 2002 VII B 189/01, BFH/NV 2002, 1187).

Bei den sog. "A- Implantaten" des Typs ... und ... handelt es sich um den Schrauben der Pos. 7318 gleichartige Waren aus einem unedlen Metall (Anm. 3 zu Abschnitt XV KN). Sie gelten daher nach Anm. 2 Buchst. a zu Abschnitt XV KN als Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit. Zu Pos. 7318 gehören Schrauben aller Art ohne Rücksicht auf ihren Verwendungszweck (ErlHS Pos. 7318 Randnr. 04.1). Daher werden von Anm. 2 Buchst. a zu Abschnitt XV KN auch Spezialschrauben erfasst, die konkret nur für einen ganz bestimmten Verwendungszweck eingesetzt werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1187).

Wie eine Inaugenscheinnahme der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Warenmuster ergeben hat, weisen die Erzeugnisse das für eine Schraube typische Gewinde auf (vgl. ErlHS Pos. 7318 Randnr. 02.1). Die Klägerin hat mit ihrem Antrag auf Erteilung der verbindlichen Zolltarifauskunft zudem eine Warenbeschreibung übersandt, aus der sich ergibt, dass die "A--Implantate" eingeschlagen und auf Grund ihres "gegenläufigen Schnittgewindes wieder ausgeschraubt" werden (Bl. 5 der Verwaltungsakte der Beklagten). In dieser Warenbeschreibung ist ferner ausgeführt: "Die A--Schraube wird zur sicheren Fixierung des Transplantats eingeschraubt. Selbstschneidende Schraubengewinde vereinfachen das Einbringen und Entfernen während Revisionseingriffen". Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, die "A--Implantate" könnten entgegen der von ihr übersandten Warenbeschreibung nicht ohne weiteres wieder ausgeschraubt werden, entspricht dies nicht dem Inhalt der Warenbeschreibung, die Gegenstand der angefochtenen verbindlichen Zolltarifauskunft geworden ist. Der Senat kann nur von der Ware ausgehen, die Gegenstand der streitigen verbindlichen Zolltarifauskunft ist ( BFH-Urteil vom 4. Juni 1998 VII R 46/97, BFH/NV 1999, 55). Unbeschadet dessen wären die in Rede stehenden Waren jedenfalls als den Stiften oder Nägeln i.S. der Pos. 7317 KN gleichartige Waren anzusehen, wenn man dem unzweifelhaft vorhandenen Gewinde eine einem Schraubengewinde ähnliche Funktion absprechen würde. Auch dann wären die Erzeugnisse nach Anm. 2 Buchst. a zu Abschnitt XV KN als Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit anzusehen. Wie sich aus der von der Klägerin übersandten Warenbeschreibung ergibt, können die "A--Implantate" vergleichbar einem Nagel oder Stift "eingeschlagen" werden (Bl. 5 der Verwaltungsakte der Beklagten). Entgegen der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht scheidet im Hinblick auf die Kanülierung der Ware die Annahme eine Locheisens aus. Denn Zweck der Kanülierung ist es nicht, Löcher herzustellen. Die Bohrkanäle werden vielmehr mit anderen Gerätschaften hergestellt.

Die Klägerin kann sich für die von ihr vertretene Auffassung nicht auf die ErlHS Pos. 9021 Randnr. 27.0 berufen. Diese Erläuterungen gelten nur vorbehaltlich der Ausweisungsvorschrift Anm. 1 Buchst. f zu Kap. 90, deren Bedeutung sie nicht verändern dürfen ( EuGH-Urteile vom 9. Februar 1999 Rs. C-280/97, Slg. 1999, I-689 Randnr. 23 sowie vom 8. Dezember 2005 Rs. C-445/04, Slg. 2005, I-10721 Randnr. 20).

Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung überreichten verbindlichen Zolltarifauskünfte betreffen andere Waren und sind nicht geeignet, die sich aus Anm. 1 Buchst. f zu Kap. 90 KN ergebende Rechtslage zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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