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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.01.2007
Aktenzeichen: 5 K 3659/04 U
Rechtsgebiete: UStG, RL 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 9a Nr. 1
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
UStG § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
RL 77/388/EWG Art. 6 Abs. 2 Buchst. a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

5 K 3659/04 U

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Klägerin ist eine Ehegattengrundstücksgemeinschaft, der das Grundstück in "S-Stadt", "F-Straße 1", gehört. Sie bebaute dieses Grundstück in den Jahren 1996 und 1997 mit einem Wohn-Praxis-Gebäude. In der Praxis ist der Ehemann als Arzt selbstständig tätig. Die Klägerin hat die Praxisräume an den Ehemann vermietet. Im Übrigen wird das Gebäude für private Wohnzwecke von den Ehegatten genutzt.

Im Dezember 2001 gab die Klägerin für die Streitjahre Umsatzsteuererklärungen ab, in denen sie keine Umsätze, sondern ausschließlich Vorsteuerbeträge in Höhe von 70.956,40 DM (für 1996) bzw. 26.830,21 DM (für 1997) erklärte, die nicht die Praxis, sondern die privat genutzte Wohnung betreffen. Mit Bescheid vom 20.12.2001 lehnte der Beklagte die Durchführung der Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1996 und 1997 ab. Nachdem der hiergegen eingelegte Einspruch erfolglos geblieben ist (vgl. Einspruchsentscheidung vom 02.06.2004), hat die Klägerin Klage erhoben.

Die Klägerin macht geltend, dass sie durch die Vermietung der Praxisräume zweifelsfrei als Unternehmerin auftrete. Durch die Abgabe der Steuererklärungen habe sie dokumentiert, dass auch die private Wohnung dem Unternehmen zugeordnet werde. Gemäß § 3 Abs. 9 a Nr. 1 Umsatzsteuergesetz - UStG - sei die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke steuerbar. Diese Nutzung für außerunternehmerische Zwecke könne nicht einer steuerfreien Grundstücksvermietung i. S. d. § 4 Nr. 12 a UStG gleichgestellt werden. Der Vorsteuerabzug sei deshalb nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UStG ausgeschlossen (Hinweis auf Europäischen Gerichtshof -EuGH-, Urteil vom 08.05.2003, Rs. C-269/00 -Seeling-, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2004, 378, und Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 24.07.2003, V R 39/99, BStBl. II 2004, 371). Die Lösung der Finanzverwaltung, wonach der Vorsteuerabzug betreffend den außerunternehmerisch genutzten Gebäudeteil davon abhängig gemacht werde, ob im Übrigen eine steuerpflichtige unternehmerische Tätigkeit gegeben sei, sei nicht sachgerecht. Die Beurteilung der für außerunternehmerische Zwecke genutzten Gebäudeteile werde in unzulässiger Weise von der weiteren Gebäudenutzung abhängig gemacht; eine "Abhängigkeitstheorie" dieser Art existiere jedoch nicht. Die unentgeltliche Wertabgabe sei umsatzsteuerbar auf Grund der Zuordnung zum Unternehmensvermögen. Daraus resultiere eine umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe, welche dann auch zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtige. Die insoweit eindeutige Rechtsprechung des EuGH und des BFH werde von der Verwaltung missachtet.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 17.12.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 02.06.2004 bezüglich der Festsetzung der Umsatzsteuer 1996 und 1997 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für die Jahre 1996 und 1997 erklärungsgemäß festgesetzt wird,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten verkenne die Klägerin, dass nach der geänderten Rechtsprechung (Folgeurteil des BFH vom 24.07.2003, V R 39/99, a. a. O., zum EuGH-Urteil vom 08.05.2003 Rs. C-269/00 -Seeling-, a. a. O.) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstücks/Gebäudeteils für Zwecke außerhalb des Unternehmens nicht in jedem Fall eine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe sei. Gemäß § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG sei die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke nur steuerbar, wenn der Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt habe. Da die Ehegattengemeinschaft durch die Vermietung der Praxisräume an den Ehemann ausschließlich steuerfreie Umsätze erziele, sei eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht gegeben, so dass gemäß § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG die Nutzung des Gebäudes für außerunternehmerische Zwecke nicht steuerbar sei. Im Übrigen verweist der Beklagte auf die Einspruchsentscheidung vom 02.06.2004.

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht die Durchführung einer (erklärungsgemäßen) Umsatzsteuerveranlagung und damit die Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuerbeträge abgelehnt. Denn der geltend gemachte Vorsteueranspruch steht der Klägerin nicht zu.

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer u.a. für die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

Durch die Vermietung der Praxisräume an den Ehemann erbringt die Klägerin steuerbare sonstige Leistungen, die gemäß § 4 Nr. 12a UStG umsatzsteuerfrei sind. Da die durch den Ehemann angemieteten Räumlichkeiten ausschließlich zur Ausführung umsatzsteuerfreier Umsätze verwendet werden, besteht insoweit keine Optionsmöglichkeit gemäß § 9 UStG. Da die Klägerin daher ausschließlich steuerfreie Vermietungsleistungen erbringt, ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG vollumfänglich ausgeschlossen. Bei einem Unternehmer, der im Rahmen seiner gewerblichen beziehungsweise beruflichen Tätigkeit ausschließlich Lieferungen und sonstige Leistungen ausführt, die den Vorsteuerabzug ausschließen, kann es grundsätzlich keinen Vorsteuerabzug geben (vgl. hierzu auch Finanzgericht -FG- des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 07.04.2006, 3 K 253/05, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2006, 1711).

Ein steuerpflichtiger Umsatz ergibt sich im Streitfall auch nicht aus der Vorschrift des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG. Nach dieser Vorschrift wird einer sonstigen Leistung gleichgestellt u. a. die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen. Im Streitfall hat die Klägerin zwar von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, den nicht unternehmerisch genutzten Gebäudeteil dem Unternehmensvermögen zuzuordnen (Unternehmer, die ein Gebäude teilweise zu unternehmerischen und teilweise zu nicht unternehmerischen Zwecken nutzen, haben die Wahl, ob der nicht unternehmerisch genutzte Teil zu dem Unternehmen gehören soll oder nicht, vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 08.03.2001, Rs. C-415/98 -Bakcsi-, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2001, 149; BFH, Urteil vom 31.01.2002, V R 61/96, BFHE 197, 372, BStBl. II 2003, 813). Obwohl die Klägerin damit einen dem Unternehmen zugeordneten Gegenstand auch für private Zwecke nutzt, scheidet eine Besteuerung dieser privaten Verwendung gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG aus. Denn § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG, der wörtlich mit Art. 6 Abs. 2 lit. a der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) übereinstimmt, ist als reine Vorsteuerberichtigungsvorschrift anzusehen (Nieskens, UR 2005, 57; Birkenfeld, UR 2004, 265; Klenk, UR 2004, 145). Eine Anwendung dieser Vorschrift kommt damit nur dann in Betracht, wenn der zuvor verwendete Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Ohne einen vorherigen Vorsteuerabzug, der auf Grund der nachfolgenden außerunternehmerischen Verwendung teilweise zu Unrecht in Anspruch genommen worden ist, besteht kein Korrekturbedürfnis. Die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin ist damit logisch vorrangig zu prüfen.

Ausgangsumsätze, die das Recht zum Vorsteuerabzug eröffnen, werden von der Klägerin nicht getätigt. Denn die Klägerin erbringt mit den fraglichen Eingangsleistungen, aus denen sie den Vorsteuerabzug begehrt, keine besteuerten Ausgangsumsätze (s.o.). Andere Ausgangsumsätze als die - steuerfreien und den Vorsteuerabzug ausschließenden - Vermietungsleistungen hat die Klägerin nicht erbracht. Ein Erfordernis, die Inanspruchnahme von Vorsteuern über § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG zu korrigieren, besteht damit nicht. Die private Verwendung der Wohnung durch die Klägerin ist wegen der o.g. logischen Nachrangigkeit von § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG nicht als - das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnender - Ausgangsumsatz anzusehen (vgl. hierzu auch FG Köln, Urteil vom 25.10.2006, 7 K 4695/04, EFG 2007, 228).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil vom 08.05.2003, Rs. C-269/00 -Seeling-, a. a. O. Der entscheidende Unterschied des Streitfalls zu dem durch den EuGH entschiedenen Fall besteht darin, dass der Unternehmer Seeling nicht ausschließlich steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende, Umsätze erbrachte. Vielmehr tätigte er grundsätzlich steuerbare und steuerpflichtige Umsätze (im Zusammenhang mit einem Baumpflege- und Gartenbaubetrieb). Damit stand dem Unternehmer Seeling aus den an sein Unternehmen ausgeführten Leistungen grundsätzlich ein Vorsteuerabzug zu. Dies betraf auch die Errichtung des streitgegenständlichen Gebäudes. Auf Grund der Zuordnung des privat genutzten Gebäudeteils zum Unternehmensvermögen und des hieraus folgenden Vorsteuerabzugs bedurfte es damit - anders als bei der Klägerin - einer Korrektur der Vorsteuer hinsichtlich der außerunternehmerischen Verwendung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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