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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.08.2008
Aktenzeichen: 5 K 915/06 U
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 169 Abs. 1
AO § 169 Abs. 2
AO § 171 Abs. 4
AO § 171 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist, inwieweit der Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist einer Änderung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide entgegen steht.

Die Klägerin betrieb im Streitjahr diverse Spielhallen, in denen Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeiten sowie so genannte Unterhaltungsautomaten aufgestellt waren. Der weit überwiegende Teil der Einnahmen entfiel auf die Geldspielautomaten.

Mit Prüfungsauftrag vom 08.02.2000 des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung "X-Stadt" wurde gegen den Geschäftsführer einer "V-GmbH" ("V-GmbH"), Herrn "F", ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Hinblick auf die "V-GmbH", die ebenfalls ein Spielhallenunternehmen betreibt, wird auf das Parallelverfahren mit dem Az. 5 K 914/06 U verwiesen. Per Durchsuchungsbeschluss aus Juni 2000 (der genaue Tag ist aufgrund der schlechten Qualität der Kopie des Beschlusses nicht erkennbar) hat das Amtsgericht "X-Stadt" "in dem Strafverfahren gegen Herrn "F"" wegen des Verdachts der "Umsatz-, Körperschafts-, und Gewerbesteuerhinterziehung 1995-1997 als Verantwortlicher der "V-GmbH"" die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen angeordnet. Der Beschuldigte "F" sei - so die Gründe des Beschlusses - nach dem Tode von "V" im Februar 1995, den bis dahin alleinigen Gesellschaftern der "V-GmbH", am 01.03.1995 zum Notgeschäftsführer bestellt worden. In dieser Funktion solle er Aufzeichnungen über Einnahmen aus dem Betrieb von Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten manipuliert und dadurch unvollständige Erlösbuchungen veranlasst haben. Wegen der Einzelheiten wird auf den in Kopie in den Steuerakten befindlichen Beschluss verwiesen. Nach Auskunft der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2008 ist der Durchsuchungsbeschluss am 24.07.2000 vollzogen worden.

Am 04.04.2003 wurde im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung Einigung über die Höhe der hinzuzuschätzenden Umsätze erzielt. Da sich ein Teil der Spielhallen im Jahre 1995 noch im Eigentum der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Einzelfirma "V" befand, waren entsprechend der tatsächlichen Verständigung von den hinzugeschätzten Bruttoumsätzen des Jahres 1995 i. H. v. insgesamt 200.000,- DM 80.000,- DM der Klägerin und 120.000,- DM der "V-GmbH" zuzurechnen. Die hinzugeschätzten Bruttoumsätze des Jahres 1996 i. H. v. insgesamt 400.000,- DM wurden in vollem Umfang der "V-GmbH" zugerechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über die tatsächliche Verständigung vom 04.04.2003 Bezug genommen.

Der Beklagte erließ daraufhin u. a. betreffend die Klägerin unter dem 05.01.2004 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr (1995).

Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid unter dem 06.01.2004 Einspruch eingelegt. Unter Hinweis auf ein anhängiges Verfahren vor dem Bundesfinanzhof -BFH- mit dem Az. V R 7/02 machte sie geltend, die Einnahmen aus den Geldspielgeräten seien in vollem Umfang nicht umsatzsteuerpflichtig. Der BFH hat mit Urteil vom 12.05.2005, V R 7/02, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2005, 617, - der Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil vom 17.02.2005, Rs. C-453/02 (Edith Linneweber) und C-462/02 (Savvas Akritidis), Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 2005,194, folgend- entschieden, ein Aufsteller von Geldspielautomaten könne sich auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27.01.2006 hat der Beklagte die Umsatzsteuer 1995 auf 114.460,66 EUR herabgesetzt und den Einspruch im Übrigen abgewiesen. Die Höhe des - laut Einspruchsentscheidung - festgesetzten Betrags entspricht damit der auf Grundlage der für die Klägerin abgegebenen Umsatzsteuererklärung festgesetzten Umsatzsteuer. Eine weitere Umsatzsteuerminderung unter Gewährung der Umsatzsteuerfreiheit bezüglich der bereits in der Umsatzsteuererklärung - als umsatzsteuerpflichtig - angesetzten Geldspielautomatenumsätze gewährte der Beklagte nicht. Begründet wurde dies damit, dass die Steuerfestsetzungen - mit Ausnahme der aufgrund des Bescheids vom 05.01.2004 festgesetzten zusätzlichen Beträge - bestandskräftig seien. Eine Ablaufhemmung der Steuerfestsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 AO komme nicht in Betracht, da sich die Ermittlungshandlungen der Steuerfahndung nicht gegen die Klägerin, sondern die "V-GmbH" gerichtet hätten. Darüber hinaus habe sich der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts "X-Stadt" gegen Herrn "F" als Verantwortlichen der "V-GmbH" und nicht als Vertreter der Klägerin gerichtet. Außerdem liege ein Steuerfahndungsbericht nur für die "V-GmbH" (Bericht vom 15.10.2003), nicht aber für die Klägerin vor. Im Übrigen reiche die Ablaufhemmung nur insoweit, als aufgrund der Steuerfahndungsprüfung bislang nicht erklärte Erlöse u. a. aus Geldspielgeräten aufgedeckt und mit dem angefochtenen Änderungsbescheid vom 05.01.2004 eine höhere Steuer festgesetzt worden sei. Darüber hinaus gehend könne dem Änderungsantrag nicht entsprochen werden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 27.01.2006 Bezug genommen.

Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben.

Für die Klägerin wird zunächst auf die Vorschrift des § 171 Abs. 5 der Abgabenordnung - AO - verwiesen. Beginne die Steuerfahndung vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so laufe die Festsetzungsfrist nach dieser Vorschrift insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden seien. Aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndung sei der Steuerbescheid vom 05.01.2004 erlassen worden. Diesen habe die Klägerin rechtzeitig angefochten.

Die Auffassung des Beklagten, dass durch die Steuerfahndungsprüfung die Festsetzungsfrist nur insoweit unterbrochen werde, als mit dem Änderungsbescheid eine höhere Steuer festgesetzt worden sei, sei unrichtig und mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren. Aus der Formulierung der Vorschrift, wonach die Festsetzungsfrist "insoweit" nicht ablaufe, folge allein, dass die durch eine Steuerfahndungsprüfung ausgelöste Unterbrechungswirkung keine umfassende sei. Vielmehr beziehe sich diese Unterbrechungswirkung nur auf den Zeitraum und die Sachverhalte, auf die sich die Prüfung konkret erstrecke. Diese bedeute jedoch nicht, dass die Unterbrechungswirkung nur hinsichtlich der nach Abschluss der Prüfung festgesetzten Mehrsteuern eintrete. Maßgebend sei vielmehr der konkrete Prüfungsgegenstand. Prüfungsgegenstand seien hier die Einnahmen aus den Geldspielgeräten des Jahres 1995 insgesamt gewesen.

Der Umfang der Ablaufhemmung, die mit der Einleitung der Ermittlungen einsetze, könne nicht von dem unter Umständen Jahre später feststehenden Ergebnis der Prüfung abhängen. Die Ablaufhemmung trete für diejenigen Steuern ein, die sich aus den Sachverhalten ergeben könnten, die Gegenstand der Ermittlungen gewesen seien. Nur auf diese Sachverhalte, aber hinsichtlich dieser Sachverhalte auch insgesamt, erstrecke sich die Ablaufhemmung. Die gegenteilige Auffassung des Beklagten hätte zur Folge, dass erst am Ende eines sich unter Umständen über Jahre hinziehenden Verfahrens mit Rechtskraft der aufgrund der Fahndungsprüfung erlassenen Steuerbescheide feststehe, in welchem Umfang zu Beginn der Prüfung eine Ablaufhemmung eingetreten sei. Dies sei mit dem auf Rechtssicherheit ausgerichteten Rechtsinstitut der Verjährung unvereinbar. Der Umfang der Ablaufhemmung könne nur aus der ex-ante- und nicht aus der ex-post-Sicht bestimmt werden.

Die Rechtsprechung habe wiederholt betont, dass die Ablaufhemmung für diejenigen Steuern eintrete, die sich aus den Sachverhalten ergäben, die Gegenstand der Ermittlung gewesen seien (Hinweis auf BFH, Urteil v. 13.02.2003, X R 62/00, Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2003, 740). Welche das seien, folge aus dem Einleitungsvermerk oder sonstigen förmlichen Verfahrensentscheidungen, den gerichtlichen Beschlüssen oder der Mitteilung über die Verfahrenseröffnung gegenüber dem Beschuldigten. Mache die Steuerfahndung allerdings im Rahmen einer Fahndungsprüfung darüber hinaus Zufallsfunde oder entstehe der Verdacht auf weitere Steuerstraftaten, könne im Regelfall ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sich die Prüfung ab dem Zeitpunkt der zufälligen Entdeckung bzw. Entstehung des weiteren Tatverdachts auch auf diesen Sachverhalt erstrecken solle. Voraussetzung für den Eintritt der Ablaufhemmung sei insoweit nur, dass die formlose Ausweitung der Fahndungsprüfung für den Steuerpflichtigen vor Verjährungseintritt erkennbar sei. Die Ablaufhemmung trete also zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Ermittlungen der Steuerfahndung eingeleitet bzw. auf bestimmte Sachverhalte erstreckt würden und dies für den Steuerpflichtigen ersichtlich sei. Zu diesem Zeitpunkt stehe aber naturgemäß nicht fest, welche Steueransprüche unter Umständen Jahre später nach Abschluss der Ermittlungen aufgrund der Fahndungsprüfung geltend gemacht würden. Da aber der Umfang der mit Einleitung der Prüfung ausgelösten Ablaufhemmung nicht von dem Ergebnis eben dieser Prüfung abhängig gemacht werden könne, müsse sich die Ablaufhemmung auf den Steueranspruch insgesamt erstrecken, soweit der zugrunde liegende Sachverhalt Gegenstand der Ermittlungen gewesen sei.

Die von dem Beklagten vertretende Auffassung, wonach die Ablaufhemmung nur in dem Umfang der im Anschluss an die Fahndungsprüfung festgesetzten Mehrsteuern eintreten solle, hätte zur Folge, dass überhaupt keine Ablaufhemmung einträte, wenn die Prüfung zu keinen steuerlich erheblichen Feststellungen geführt habe und daher im Anschluss hieran keine Änderungsbescheide erlassen würden. Dies sei aber mit der Rechtsprechung des BFH unvereinbar (Hinweis auf BFH, Urteil vom 24.04.2002, I R 25/01, BStBl II 2002, 586).

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 05.01.2004 sowie die Einspruchsentscheidung vom 27.01.2006 insoweit aufzuheben, als für die Einnahmen aus Geldspielgeräten Umsatzsteuer festgesetzt worden ist, mit der Maßgabe, dass die Einnahmen aus Geldspielgeräten entsprechend der Aufstellung wie Blatt 20 der Finanzgerichts(FG)-Akte angesetzt werden und die in dieser Aufstellung aufgeführten Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit den Geldspielgeräten nicht angesetzt werden sowie noch zu beziffernde Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG zusätzlich berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist darauf, dass nicht die gesamten Einnahmen aus Geldspielgeräten Gegenstand der steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gewesen seien, sondern allein die nicht erklärten Einnahmen. Bereits hieraus folge, dass die durch diese Ermittlungen ausgelöste Ablaufhemmung sich nicht auf die bereits erklärten und bestandskräftig veranlagten Einnahmen erstrecken könne.

Aus dem von der Klägerin angeführten Urteil des BFH vom 24.04.2002 (I R 25/01, BStBl II 2002, 586) ergebe sich nichts anderes. Laut BFH ergebe sich aus der Formulierung des Gesetzes, dass "die Ablaufhemmung nur die Umsetzung derjenigen Erkenntnisse ermöglicht, die sich im Zuge der Ermittlungen ergeben haben". Die Ablaufhemmung sei auf die Umsetzung der Fahndungsergebnisse beschränkt. Ergebe sich aufgrund einer Fahndungsprüfung keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen, so laufe die Ablaufhemmung ins Leere. Der Umfang der durch die Steuerfahndungsprüfung ausgelösten Ablaufhemmung erstrecke sich damit nicht auf die Frage der Steuerpflicht der bereits vor Beginn der Fahndungsmaßnahme erklärten und bestandskräftig der Besteuerung unterworfenen Erlöse. Im Übrigen verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung vom 27.01.2006.

Die Klage ist unbegründet.

Eine Ausdehnung der Umsatzsteuerfreiheit auf die Geldspielautomatenumsätze, die bereits in den erklärten steuerpflichtigen Umsätzen enthalten sind und die damit Gegenstand der ursprünglichen Umsatzsteuerfestsetzung - vor Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens - sind, kommt wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist insoweit nicht in Betracht. Eine Abänderbarkeit der Umsatzsteuerfestsetzung ist diesbezüglich nicht möglich.

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung -AO- ist u.a. die Änderung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt für die hier in Rede stehende Umsatzsteuer vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), sofern die Steuer nicht hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden ist (§ 169 Abs. 1 Satz 2 AO).

Ist - wie bei der Umsatzsteuer - eine Steuererklärung einzureichen, so beginnt die Festsetzungsfrist grds. - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die Umsatzsteuererklärung des Streitjahres 1995 ist in 1996 abgegeben worden. Die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO war damit mit Ablauf des Jahres 2000 abgelaufen. Mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist entfiel z. B. gem. § 164 Abs. 4 Satz 1 AO der Vorbehalt der Nachprüfung und damit die Möglichkeit einer Änderung der Steuerfestsetzung auf Grundlage von § 164 Abs. 2 AO.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Ablauf der Festsetzungsfrist bezüglich der bereits vor Beginn der Fahndungsprüfung berücksichtigten Geldspielautomatenumsätze auch nicht nach § 171 Abs. 5 AO gehemmt worden.

Beginnen die Steuerfahndungsstellen vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, so läuft gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden ist, § 171 Abs. 5 Satz 2 AO.

Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ist nach dem Gesetzeswortlaut, dass Ermittlungshandlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächlich vorgenommen worden sind. Darüber hinaus muss für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird (BFH, Urteil vom 16.04.1997, XI R 61/94, BStBl II 1997, 595).

Vor Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist wurde gegen Herrn "F" in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der "V-GmbH" mit einer Fahndungsprüfung begonnen. Auch die Durchsuchungsmaßnahmen am 24.07.2000 wurden nach dem Wortlaut des Beschlusses des Amtsgerichts "X-Stadt" im Rahmen des Strafverfahrens gegen Herrn "F" als Verantwortlicher der "V-GmbH" durchgeführt. Dies und der Umstand, dass ein Steuerfahndungsbericht ausschließlich für die "V-GmbH" existiert, ließe den Schluss zu, dass die Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung ausschließlich die "V-GmbH" und nicht die Klägerin betrafen. Andererseits sind als Ergebnis der Steuerfahndungsprüfung entsprechend der am 04.04.2003 getroffenen tatsächlichen Verständigung auch Mehr-Steuern betreffend die Klägerin festgesetzt worden. Aus dem Protokoll der tatsächlichen Verständigung ergibt sich außerdem, dass - bis auf drei Spielhallen - sämtliche in dem Durchsuchungsbeschluss aufgeführten Spielhallen/Geschäftsräume 1995 noch "im Eigentum" der Klägerin standen und erst im Jahre 1996 vollständig der "V-GmbH" zuzurechnen waren. Dies ließe auch den Schluss zu, dass spätestens mit Durchführung der Durchsuchungsmaßnahmen am 24.07.2000 klar war, dass auch in den Steuerangelegenheiten der Klägerin ermittelt wurde.

Letztlich kommt es auf diese Problematik nicht an. Selbst wenn man davon ausgeht, dass in Steuerangelegenheiten der Klägerin ermittelt wurde und dies für sie auch vor Ablauf der regulären, vierjährigen Festsetzungsfrist erkennbar war, ließe die hierdurch ausgelöste Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 5 AO zwar eine Berücksichtigung der aufgrund der Fahndungsprüfung festgestellten "Mehr-Umsätze" und eine spätere Berichtigung insoweit zu, aber nicht eine Abänderbarkeit der bereits vor Durchführung der Prüfung angesetzten - umsatzsteuerpflichtigen - Umsätze.

Für die Bestimmung des Umfangs der Ablaufhemmung gelten folgende grundsätzliche Erwägungen:

Aus der Formulierung des Gesetzes, wonach die Festsetzungsfrist nicht abläuft, bis die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind, ergibt sich einerseits, dass die Ablaufhemmung nur die Umsetzung derjenigen Erkenntnisse ermöglicht, die sich im Zuge der Ermittlungen ergeben haben (BFH, Urteil vom 14.04.1999, XI R 30/96, BFHE 188, 286, BStBl II 1999, 478). Andererseits folgt aus der Anknüpfung an die "auf Grund dieser Ermittlungen" zu erlassenden Steuerbescheide, dass die Ablaufhemmung hinsichtlich aller Steueransprüche eintritt, auf die sich die Prüfung tatsächlich erstreckt hat (BFH, Urteile vom 02. 07.1998, IV R 39/97, BFHE 186, 299, BStBl II 1999, 28, 32; vom 09.03.1999, VIII R 19/97, BFH/NV 1999, 1186). Im Ergebnis erlaubt § 171 Abs. 5 Satz 1 AO mithin der Finanzbehörde, sämtliche durch eine Fahndungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen, wenn und soweit die Prüfung vor Ablauf der Festsetzungsfrist begonnen hat (BFH, Urteil vom 24.04.2002, I R 25/01, BFHE 198, 303, BStBl II 2002, 586 ).

Für die Beurteilung des Umfangs der Ablaufhemmung ist dabei auf die konkreten Besteuerungsgrundlagen abzustellen, die Gegenstand der Ermittlungen waren. Der Fristablauf wird nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nur insoweit gehemmt, als sich die Ergebnisse der Ermittlungen auf die Besteuerungsgrundlagen auswirken; anders als im Fall des § 171 Abs. 4 AO umfasst die Ablaufhemmung nicht den gesamten Steueranspruch, wenn sich die Ermittlungen lediglich auf bestimmte Sachverhaltsmerkmale beschränken (Urteile des BFH vom 14.04.1999, XI R 30/96, BFHE 188, 286, BStBl II 1999, 478; vom 13.02.2003, X R 62/00, BFH/NV 2003, 740). Die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 AO richtet sich nicht auf eine bestimmte Steuerart oder einen bestimmten Veranlagungszeitraum, sondern nur auf die Besteuerungsgrundlagen, die durch die Ermittlungen aufgedeckt werden (BFH, Urteil vom 14.04.2005, XI R 83/03, BFH/NV 2005, 1961).

Die ersten nach dem Akteninhalt für die Klägerin bzw. Herrn "F" erkennbaren Ermittlungsmaßnahmen waren die am 24.07.2000 auf Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts X-Stadt" durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen. Nach den Gründen des Durchsuchungsbeschlusses bestand der Verdacht, dass Aufzeichnungen über Einnahmen "aus dem Betrieb von Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten manipuliert ... und dadurch unvollständige Erlösbuchungen veranlasst" worden waren. Gegenstand der Ermittlungen war damit die Überprüfung der Vollständigkeit der erklärten Umsätze aus Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten. Dies betraf auch u. a. die Umsätze des Streitjahres. So bezeichnet der Durchsuchungsbeschluss die Veranlagungszeiträume 1995 bis 1997 ("wegen des Verdachts der Umsatz-,...-steuerhinterziehung 1995 bis 1997...").

Unabhängig davon, ob man als Prüfungsgegenstand der steuerstrafrechtlichen Ermittlungen nicht die gesamten Umsätze aus Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten, sondern alleine die nicht erklärten Einnahmen ansieht - so die Auffassung des Beklagten - oder - entsprechend der Auffassung der Klägerin - die Umsätze aus Geldspiel- und Unterhaltungsgeräten insgesamt, erstreckt sich die Ablaufhemmung nur auf die festgestellten Mehr-Umsätze. Nach Auffassung des Senats wurden nur insoweit Besteuerungsgrundlagen im Sinne der oben zitierten BFH-Rechtsprechung aufgedeckt.

Der eingeschränkte Umfang der Ablaufhemmung ergibt sich aus der besonderen Zielsetzung und dem speziellen Aufgabenbereich der Fahndungsermittlungen (vgl. § 208 AO). Im Gegensatz zur allgemeinen Außenprüfung, die den Erlass einer Prüfungsanordnung voraussetzt und einer umfassenden Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen dient, hat die Steuerfahndung die Aufgabe, bestimmte straf- oder bußgeldrechtlich relevante Vorgänge sowie unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln (vgl. § 208 Abs. 1 Satz 1 AO); § 171 Abs. 5 AO lässt "insoweit" die Festsetzungsfrist nicht ablaufen, "bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind". Der Fristablauf soll danach erkennbar nur gehemmt werden, soweit und damit die Ergebnisse der Ermittlungen der Festsetzung der betreffenden Steuern zugrunde gelegt werden können. Zwar können sich "auf Grund der Ermittlungen" auch Erkenntnisse ergeben, die sich zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirken und auch insoweit möglicherweise eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist auslösen können (bejahend Kruse in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 171 AO Rz. 72; Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 12.04.2005, 1 K 224/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2005, 1582). Maßgeblich ist aber, dass auf Grund der Ermittlungen Besteuerungsgrundlagen aufgedeckt werden, die der Steuerfestsetzung zuvor noch nicht zugrunde gelegt worden sind. Nur auf die Erfassung dieser Besteuerungsgrundlagen zielt § 171 Abs. 5 AO ab.

Soweit die Umsätze aus den Geldspielautomaten bereits in den vor Beginn der Steuerfahndungsprüfung ergangenen Steuerbescheiden erfasst waren, handelt es sich um bereits bekannte und nicht aufklärungsbedürftige Sachverhalte. Die Möglichkeit, auf diese Umsätze nach Ablauf der regulären Steuerfestsetzungsfrist eine abweichende rechtliche Beurteilung anzuwenden, ist mit der Zielsetzung des § 171 Abs. 5 AO nicht vereinbar.

Die Argumentation der Klägerin, der Umfang der Ablaufhemmung könne nicht von dem unter Umständen Jahre später feststehenden Ergebnis der Ermittlungen abhängen, weil dies mit dem auf Rechtssicherheit ausgerichteten Rechtsinstitut der Verjährung unvereinbar sei und der Umfang der Ablaufhemmung daher nur aus einer ex-ante-Sicht bestimmt werden könne, greift nicht. Für den Steuerpflichtigen ist klar erkennbar, dass nur bislang unbekannte, sich aus den Ermittlungen der Steuerfahndung ergebende, Erkenntnisse zu einer Abänderung der Steuerfestsetzung führen können, im Übrigen die Steuerfestsetzung aber nicht mehr abänderbar ist. Insoweit besteht aus Sicht des Steuerpflichtigen ein gewisses Maß an Rechtssicherheit.

Die Klägerin hätte im Übrigen die Möglichkeit gehabt, bereits vor Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist gegen die Beurteilung der bereits angesetzten Umsätze als umsatzsteuerpflichtig vorzugehen. Dies hat sie unterlassen. Die Möglichkeit der Steuerfreistellung der bereits vor Beginn der Fahndungsprüfung - als umsatzsteuerpflichtig - angesetzten Umsätze hätte zur Folge, dass die Klägerin besser gestellt wäre als Personen, die sich nicht einer Steuerstraftat verdächtig gemacht haben und daher keiner Steuerfahndungsprüfung ausgesetzt waren. Solche Personen hätten nach Ablauf der Festsetzungsfrist keine Korrekturmöglichkeit mehr, die sich - in Abweichung vom deutschen Umsatzsteuergesetz - aus der aktuellen EuGH- und BFH-Rechtsprechung ergebende umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Geldspielautomatenumsätzen umzusetzen. Ähnlich wie die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO dem Steuergläubiger ermöglichen soll, ihm vorenthaltene Steuerbeträge auch nach Ablauf von vier Jahren einzufordern und nicht den Steuerhinterzieher in die Lage versetzen soll, Erstattungsansprüche über die reguläre Verjährungsfrist hinaus zu realisieren (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 26.02.2008, VIII R 1/07, BStBl II 2008, 659), wäre eine derartige Besserstellung der Klägerin nicht gerechtfertigt und ist auch mit dem Sinn und Zweck des § 171 Abs. 5 AO nicht zu vereinbaren.

Die Sichtweise der Klägerin hätte im Übrigen zur Folge, dass Steuerbescheide, wie hier im Hinblick auf die Umsätze aus den Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten, unbegrenzt änderbar wären, wenn z. B. die Steuerfahndungsprüfung zu keinen neuen Erkenntnissen geführt hat. Denn § 171 Abs. 5 AO enthält keine der Vorschrift des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO entsprechende zeitliche Begrenzung der Ablaufhemmung. Gerade dies wäre mit dem Rechtsinstitut der Verjährung unvereinbar und würde - im Hinblick auf Steuerpflichtige, die nicht von der Steuerfahndung geprüft wurden - zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen. Zwar ist der Hinweis des Vertreters der Klägerin zutreffend, wonach der BFH in seinem Urteil vom 24.04.2002, I R 25/01, BStBl II 2002, 586, ausführt, die durch § 171 Abs. 5 AO bewirkte Ablaufhemmung wirke fort, wenn die Fahndungsprüfung nicht zu steuerlich erheblichen Festsetzungen geführt hat und deshalb im Anschluss an die Prüfung keine Änderungsbescheide erlassen werden. Eine Änderungsmöglichkeit über die Ergebnisse der Ermittlungen hinaus lässt sich hieraus aber nicht ableiten. In der Entscheidung des BFH vom 24.04.2002 ging es um die zeitliche Reichweite der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO. Die Ablaufhemmung endet - so der BFH in dieser Entscheidung - nur dann, wenn aufgrund der Prüfung Steuerbescheide ergangen und diese unanfechtbar geworden sind; im Übrigen könne nur das Institut der Verwirkung zu einer (zeitlichen) Begrenzung führen. Darüber hinaus stellt der BFH in seiner Entscheidung aber explizit klar, dass die Ablaufhemmung ins Leere läuft, wenn sich aufgrund der Fahndungsprüfung keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen ergibt. Formell wirkt damit die Ablaufhemmung aufgrund der durchgeführten Ermittlungen der Steuerfahndung fort, eine Änderungsmöglichkeit der bereits vor Beginn der Prüfung festgestellten Besteuerungsgrundlagen besteht aber nicht.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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