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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.03.2008
Aktenzeichen: 5 V 3351/07 A(U)
Rechtsgebiete: UStG, RL 77/388/EWG, FGO


Vorschriften:

UStG § 13b
RL 77/388/EWG Art. 9 Abs. 1
RL 77/388/EWG Art. 9 Abs. 2 Buchst. e
RL 77/388/EWG Art. 9 Abs. 4
FGO § 69 Abs. 2 S. 3
FGO § 69 Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

5 V 3351/07 A(U)

Aussetzung der Vollziehung (Umsatzsteuer-Vorauszahlung II.- IV./2006)

In dem Verfahren

...

hat der 5. Senat

in der Besetzung:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht

Richter am Finanzgericht

Richter am Finanzgericht

am 14.03.2008

beschlossen:

Tenor:

Die Bescheide über Umsatzsteuervorauszahlungen II., III. und IV. Kalendervierteiljahr 2006, jeweils vom 24.05.2007 werden in Höhe von 197.256 EUR (II/2006), 116.832 EUR (III/2006) und 110.776 EUR (IV/2006) ohne Sicherheitsleistung bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung von der Vollziehung ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

Die Antragstellerin betreibt eine ambulante Hals-Nasen-Ohren-Klinik, insbesondere die Therapie schlafbezogener Atemstörungen.

Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum 14.02. bis 30.09.2006 trafen die Prüfer folgende Feststellungen:

Die Antragstellerin habe auf dem Konto "..." Fremdleistungen als Aufwand verbucht. Dazu seien Eingangsrechungen einer Firma "B" mit Sitz in "U-Stadt", Estland, vorgelegt worden. Bei den von der Firma "B" bezogenen Leistungen handele es sich um sog. Vorleistungen zu den medizinischen Leistungen der Antragstellerin. Mit der Firma "B" sei im Februar 2006 ein entsprechender Dienstleistungsvertrag geschlossen worden, der sich in drei Großbereiche, nämlich die Neukundengewinnung, die Vermittlung eines Termins zur medizinischen Voruntersuchung und die Vermittlung eines Termins zur Operation, mit Pauschalentgelten in Höhe von 150 EUR, 250 EUR und 4.000 EUR gliedere. Es handele sich dabei um verschiedene eigenständige Leistungen, nämlich Kundenwerbung, Erstbesuch und Operationsabmachungen, über die auch entsprechend aufgeteilt abgerechnet worden sei.

Für diese Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers schulde die Antragstellerin die Steuer nach § 13 b Abs. 2 Umsatzsteuergesetz -UStG-. Die Leistungen seien gemäß § 3 a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UStG im Inland erbracht worden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 16.02.2007 verwiesen.

Der Antragsgegner erließ jeweils unter dem 24.05.2007 entsprechende Bescheide über Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für dass II. bis IV. Kalendervierteljahr 2006, in denen folgende Umsätze nach § 13 b Abs. 2 UStG berücksichtigt sind:

 UmsätzeUSt (= Zahlungsbetrag)
II/20061.232.850 EUR197.256 EUR
III/2006730.200 EUR116.832 EUR
IV/2006692.350 EUR110.776 EUR

Über den hiergegen eingelegten Einspruch hat der Antragsgegner noch nicht entschieden. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat er zuletzt mit Einspruchsentscheidung vom 10.08.2007 abgelehnt.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht. Sie trägt vor:

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners handele es sich um eine einheitliche Gesamtleistung der "B", die im Inland nicht steuerbar sei. Der Leistungsort bestimme sich nach § 3 a Abs. 1 UStG und befinde sich danach in Estland.

Außerdem greife für die als medizinische Vorleistung zu wertende Gesamtleistung die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG.

Die vom Antragsgegner vorgenommene Trennung in Einzelleistungen widerspreche dem vertraglich Vereinbarten und Gewollten. Darüber hinaus habe der Antragsgegner keine genügend bestimmte Zuordnung der Einzelleistungen zu den Katalogbestimmungen des § 3 Abs. 4 UStG vorgenommen. Der Leistungsinhalt lasse sich - selbst bei Annahme von Einzelleistungen - nicht den Katalogleistungen zuordnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung aus den Umsatzsteuerbescheiden II. bis IV. Quartal 2006, jeweils vom 24.05.2007 in Höhe der festgesetzten Nachzahlungsbeträge, also 197.256 EUR für das II. Quartal 2006, 116.832 EUR für das III. Quartal 2006 und 110.776 EUR für das IV. Quartal 2006, insgesamt 424.864 EUR bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen vorgenannte Bescheide eingelegten Rechtsbehelfe auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen,

hilfsweise,

Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.

Er trägt vor:

Es sei nach der Vertragsgestaltung und der Abrechnungspraxis weiterhin von Einzelleistungen auszugehen, die entsprechend der im Bericht vorgenommenen Zuordnung jeweils unter verschiedene Katalogleistungen des § 3 a Abs. 4 UStG fielen. Medizinische Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG seien nicht ersichtlich.

Im Erörterungstermin vom 07.03.2008 hat der Vertreter des Antragsgegners nach dem Hinweis des Berichterstatters, dass nach Auffassung des Senats gewichtige Anhaltspunkte für eine Ansässigkeit der "B" im Inland sprächen (§ 13 b Abs. 4 Satz 1 UStG), eingeräumt, dass auch er nach intensiver Prüfung im Rahmen der Terminsvorbereitung zu dem Ergebnis gelangt sei, dass sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der "B" im Inland befinde. Im Rahmen des § 13 b UStG sei jedoch allein auf den statuarischen Sitz - im Streitfall also in Estland - abzustellen. Danach sei von einer Auslandsansässigkeit der "B" mit der Folge der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 13 b UStG auszugehen. Bei der nachfolgenden Bestimmung des Leistungsorts im Rahmen des § 3 a UStG (im Inland steuerbare Leistung) brauche nicht (mehr) auf § 3 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 UStG abgestellt werden. Denn der Leistungsort liege bereits nach § 3 a Abs. 1 UStG im Inland, da im Rahmen des § 3 a Abs. 1 UStG wieder auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit abzustellen sei.

Für den Fall einer Aussetzung der Vollziehung sei jedenfalls eine Sicherheitsleistung geboten. Die Gefährdung des Steueranspruchs ergebe sich schon aus dem eigenen außergerichtlichen Vortrag der Antragstellerin zum Vorliegen einer unbilligen Härte.

Der Vertreter der Antragstellerin hat noch darauf hingewiesen, dass die "B" seit dem Veranlagungszeitraum 2007 im Inland steuerlich geführt werde.

Der Antrag ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen. Die Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Sachverhaltsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 17.05.1978 I R 50/77, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1978, 579; Gräber-Koch, Kommentar zur FGO, § 69 Anm. 77 f. m.w.N.).

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Vorauszahlungsbescheide.

Denn es bestehen im Streitfall erhebliche Bedenken, ob die Voraussetzungen des § 13 b UStG für einen Übergang der Steuerschuldnerschaft von der "B" auf die Antragstellerin vorgelegen haben.

Gemäß § 13 b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13 b Abs. 1 Satz Nr. 1 UStG schuldet bei sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist.

Der Übergang der Steuerschuldnerschaft nach § 13 b UStG setzt dabei nicht nur voraus, dass der ausländische Unternehmer die Dienstleistung steuerbar (Leistungsort nach § 3 a UStG im Inland) und steuerpflichtig (kein Eingreifen eines Steuerbefreiungstatbestandes) erbringt. Vielmehr ist auch und in erster Linie erforderlich, dass der Unternehmer, der im Inland die in § 13 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bezeichneten Umsätze erbringt, im Ausland ansässig ist. Daran dürfte es im Streitfall fehlen. Ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist nach der Legaldefinition des § 13 b Abs. 4 Satz 1 UStG ein Unternehmer, der weder im Inland, noch auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hat. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Leistung ausgeführt wird, § 13 b Abs. 4 Satz 2 UStG.

Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG), jetzt Art. 194 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), der durch § 13 b Abs. 1-4 UStG in nationales Recht umgesetzt worden und insoweit gemeinschaftskonform auszulegen ist (vgl. BFH, Urteil vom 10.02.2005 V R 56/03, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2005, 1208), erlaubt nur dann den Leistungsempfänger als Steuerschuldner heranzuziehen, wenn der leistende Unternehmer nicht im Inland "ansässig" ist. Da der Begriff "ansässig" somit ein solcher des Gemeinschaftsrechts ist, ist seine Auslegung am Gemeinschaftsrecht auszurichten (vgl. BFH, Beschluss vom 26.07.2006 V B 151/05, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2007, 113 m.w.N.). Die Ansässigkeitskriterien ergeben sich aus Art. 9 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG und aus Art. 1 Abs. 1 der 8. EG-Richtlinie 79/1072/EWG vom 06. Dezember 1979, wonach der nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige als derjenige bezeichnet wird, der in diesem Land weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind. Darüber hinaus ist darin festgeschrieben, dass nur in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer festen Niederlassung auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort zurückzugreifen ist (Stadie in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 13 b Anm. 17; vgl. auch Europäischer Gerichtshof -EuGH-, Urteil vom 28.06.2007 C - 73/06, HFR 2007, 924; FG München, Urteile vom 13.09.2007 14 K 3679/05, [...]Datenbank; vom 28.06.2006 3 K 4109/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2006, 1545).

Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung sind demnach die Begriffe des § 13 b Abs. 4 Satz 1 UStG nicht nach den innerstaatlichen Vorschriften der Abgabenordnung, sondern gemeinschaftsrechtlich zu bestimmen, d.h. es ist auf die Begriffe "Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit" bzw. "feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt werden", abzustellen. Diese für die Bestimmung der Ansässigkeit eines Steuerpflichtigen wesentlichen Anknüpfungspunkte hat der EuGH (Urteil vom 28.06.2007, C - 73/06, a.a.O.) wie folgt ausgelegt:

"Nach einer auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer gefestigten Rechtsprechung verlangt der Niederlassungsbegriff einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand. Daher setzt er einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht.

...

Wenn es sich im Ausgangsverfahren um eine Gesellschaft handelt, bezieht sich der Begriff "Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit" im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der 13. Richtlinie auf den Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung dieser Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden. Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, und zwar in erster Linie der statuarische Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der - gewöhnlich mit diesem übereinstimmende - Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt wird. Andere Elemente, wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte, der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, der Ort, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt werden und der Ort, an dem die Finanz- und insbesondere die Bankgeschäfte hauptsächlich wahrgenommen werden, können ebenfalls in Betracht gezogen werden. Demgemäß ließe sich eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder für eine "Strohfirma" charakteristisch ist, nicht als Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der 13. Richtlinie einstufen."

Gerade aus dieser Entscheidung des EuGH, insbesondere auch vor dem Hintergrund, der insoweit ausdrücklichen Vorlagefrage des FG Köln, ergibt sich, dass es für die Bestimmung des Sitzes - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - nicht allein auf den statuarischen Sitz ankommt (so auch ausdrücklich Stadie in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 13 b Anm. 39; Birkenfeld, USt-Handbuch, Bd. II, § 156 Rdnr. 117).

Im Streitfall sprechen auch gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die "B" ihren Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit nach den vorstehenden Kriterien im streitigen Zeitraum im Inland gehabt hat, so dass jedenfalls für das Aussetzungsverfahren davon ausgegangen werden kann, dass sie ein im Inland ansässiger Unternehmer gewesen ist.

Nach den vom Antragsgegner eingeholten Auskünften (IZA, SCAC) konnten in Estland keine oder nur sehr geringe Geschäftsaktivitäten festgestellt werden, blieben schriftliche Kontaktversuche ohne Erfolg und waren auf den Firmennamen keine Kommunikationsnummern registriert. Der einzige vertretungsberechtigte Vorstand, Herr "I", der im Übrigen auch Gesellschafter-Geschäftsführer der Antragstellerin ist, hält sich in Deutschland auf und hat auch hier seinen Wohnsitz. D.h. der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung der Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen wurden, dürfte sich in Deutschland befinden.

Auch hinsichtlich eines Großteils der nach dem Dienstleistungsvertrag aus Februar 2006 zwischen der Antragstellerin und der "B" geschuldeten Leistungen ist nicht nachvollziehbar, wie diese vom statuarischen Sitz in Estland erbracht bzw. zumindest gesteuert worden sein sollen.

Dementsprechend hat auch der Vertreter des Antragsgegners im Erörterungstermin ausgeführt, dass nach seinen vorherigen intensiven Überprüfungen auch er davon ausgehe, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der "B" im Inland liege. Er war lediglich der - nach den obigen Ausführungen unzutreffenden - Rechtsauffassung, dass im Rahmen des § 13 b UStG allein auf den statuarischen Sitz abzustellen sei.

Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang noch zu berücksichtigen, dass die "B" nach dem Vortrag des Vertreters der Antragstellerin im Erörterungstermin ab dem Veranlagungszeitraum 2007 im Inland steuerlich geführt wird.

Ist deshalb für das Aussetzungsverfahren davon auszugehen, dass es sich bei der "B" um einen (objektiv) im Inland ansässigen Unternehmer handelt, kommt es auch nicht mehr darauf an, ob die Antragstellerin möglicherweise Zweifel im Sinne des § 13 b Abs. 4 Satz 3 UStG hinsichtlich der Ansässigkeit der "B" im Inland hätte haben müssen. § 13 b Abs. 4 Satz 3 UStG gilt nur für den Fall, dass zweifelhaft ist, ob ein (objektiv) nicht im Inland ansässiger Unternehmer im Inland ansässig ist. Denn letztlich soll nach dem insoweit eindeutigen Wortsinn der Vorschrift der Leistungsempfänger nur Steuerschuldner für die Steuer werden, die auf die Umsätze eines (objektiv) nicht im Inland ansässigen Unternehmers entfällt (vgl. BFH, Beschluss vom 31.01.1985 - V B 57/84 - , HFR 1985, 280; FG München, Urteil vom 28.06.2006 3 K 4109/04, a.a.O.).

Da es nach den vorstehenden Ausführungen bereits am Tatbestandsmerkmal der Auslandsansässigkeit des leistenden Unternehmers fehlen dürfte, kommt es vorliegend nicht mehr darauf an, wie - eine Auslandsansässigkeit einmal unterstellt - die bisher von den Beteiligten streitig diskutierten Fragen zur Steuerbarkeit (Zuordnung zu einzelnen Katalogleistungen) und dem möglichen Eingreifen der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG zu entscheiden gewesen wären. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass er auch insoweit Bedenken gehabt hätte, ob die bisherigen Feststellungen bzw. Ausführungen des Antragsgegners insbesondere zur Zuordnung einzelner Leistungselemente zu den Katalogleistungen des § 3 a Abs. 4 UStG, ausreichen, jedenfalls in der Gesamtheit eine steuerbare Leistung anzunehmen.

Entgegen dem Hilfsantrag des Antragsgegners sieht der Senat auch von der Anordnung einer Sicherheitsleistung ab. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO kann auch die finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Durch die Anordnung zur Stellung von Sicherheiten sollen Steuerausfälle bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden. In der Regel kann Sicherheit verlangt werden, wenn die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen die Realisierung der Steuerforderung bei Rechtskraft gefährdet erscheinen lässt. Andererseits ist es ermessensfehlerhaft, eine Sicherheitsleistung zu fordern, wenn ohnehin in absehbarer Zeit eine Realisierung der Steuerforderung ausgeschlossen erscheint oder der Steuerpflichtige trotz zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten. Es ist nicht Sinn des § 69 FGO, dem Steuerpflichtigen, dessen wirtschaftlichen Verhältnisse eine Sicherheitsleistung nicht zulassen, den Rechtsvorteil der Aussetzung der Vollziehung trotz ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides prinzipiell zu versagen.

Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen entfällt auch, wenn ein mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH, Beschluss vom 31.01.1997 X S 11/96, BFH/NV 1997, 512; Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur FGO, § 69 Rdrn. 108 ff.).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe hält der Senat im Streitfall eine Sicherheitsleistung nicht für geboten. Angesichts von der Antragstellerin in ihren außergerichtlichen Schriftsätzen dargestellten wirtschaftlichen Verhältnisse und angesichts der Höhe der Steuerforderungen geht der Senat zwar auch von einer Gefährdung des Steueranspruchs aus. Dem Vortrag der Antragstellerin ist jedoch umgekehrt auch zu entnehmen, dass sie ebenso wenig in der Lage sein dürfte, entsprechende Sicherheit zu leisten. Entscheidend ist jedoch, dass nach dem bisherigen Verfahrensstand ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist; zumal der Antragsgegner selbst zur zunächst -entscheidungserheblichen- Frage der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers davon ausgeht, dass sich dessen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit im Inland befindet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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