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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.09.2008
Aktenzeichen: 6 K 1161/04 K,F
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 5 Abs. 4 Buchst. a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

6 K 1161/04 K,F

Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26.01.2004 und Abänderung der Bescheide zur Körperschaftsteuer 1998, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1998 und zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG zum 30.09.1998, jeweils vom 03.12.2003, werden

1. die Körperschaftsteuer 1998 ohne Berücksichtigung einer Gewinnerhöhung von 819.015,00 DM (Tz. 21 des Betriebsprüfungsberichts vom 29.01.2001) festgesetzt, das Einkommen und die Tarifbelastung werden entsprechend festgestellt;

2. der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1998 unter Berücksichtigung des geänderten Einkommens zu 1. festgestellt und

3. das verwendbare Eigenkapital gem. § 47 Abs. 1 KStG zum 30.09.1998 unter Berücksichtigung der Änderungen zu 1. festgestellt.

Die Berechnung des geänderten Steuerbetrages und der geänderten Feststellungsbeträge wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren ein Unternehmen zur Erbringung von interaktiven multimedialen Diensten.

Im Rahmen einer Außenprüfung für das Jahr 1998 durch das Finanzamt für "BP" stellte der Prüfer u. a. fest, dass die Klägerin durch Kauf- und Übertragungsvertrag vom "September" 1998 sämtliche dem Bereich "X" zuzuordnenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter zu einem Kaufpreis von 3.060.528,00 DM von der Firma "N-GmbH", "E-Stadt" ("N-GmbH"), erworben hatte. Im Rahmen dieses Erwerbes habe die Klägerin auch zwei Verträge zur Anmietung eines "S" sowie einer "B" von der "N-GmbH" übernommen. Da beide Mietverträge bereits für die "N-GmbH" keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr versprachen, habe diese eine entsprechende Drohverlustrückstellung in Höhe von 819.015,00 DM gebildet. Mit der Übernahme des Geschäftsbereichs "X" durch die Klägerin, habe diese die entsprechenden Drohverlustrückstellungen im Erwerbszeitpunkt (30.09.1998 0 Uhr) passiviert und zum 30.09.1998 (Bilanzstichtag) beibehalten.

Der Prüfer war dagegen der Auffassung, dass die Klägerin zwar verpflichtet gewesen sei, die entsprechende Drohverlustrückstellung im Zeitpunkt des Erwerbes zu bilden, der Ansatz einer Drohverlustrückstellung in der Schlussbilanz zum 30.09.1998 jedoch nach § 5 Abs. 4 a Einkommensteuergesetz (EStG) nicht mehr zulässig sei. Der Prüfer schlug daher vor, die Rückstellung zum 30.09.1998 aufzulösen und den Gewinn der Klägerin um 819.015,00 DM zu erhöhen.

Der Beklagte folgte den Vorschlägen des Außenprüfers und erließ entsprechend geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer 1998, zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1998 und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG zum 30.09.1998, jeweils vom 03.12.2003. Die dagegen erhobenen Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26.01.2004 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage vom 27.02.2004 macht die Klägerin geltend, dass der Beklagte den Gewinn zu Unrecht um 819.015,00 DM erhöht habe. Sowohl nach Handels- als auch nach Steuerrecht sei der Anschaffungsvorgang des Bereichs "X" bei der Klägerin als Erwerberin erfolgsneutral zu erfassen. Folglich ergäbe sich für die bei der "N-GmbH" als Verkäuferin bilanzierten Drohverlustrückstellungen Anschaffungskosten für die Klägerin zum 30.09.1998 in Höhe von 819.015,00 DM. Denn die Übernahme der Verpflichtung aus den streitigen Mietverträgen stelle eine Gegenleistung des Käufers dar und führe folglich zu Anschaffungskosten. § 5 Abs. 4 a EStG finde auf den Anschaffungsvorgang jedoch keine Anwendung.

Hinzu komme, dass die Übernahme der Verpflichtung in Rahmen des Kaufes und damit im Innenverhältnis zum Verkäufer erfolge. Es handele sich daher tatsächlich bei der gebildeten Rückstellung um eine solche für ungewisse Verbindlichkeiten und nicht um eine solche für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.

In der Schlussbilanz der Klägerin zum 30.09.1998 seien die erworbenen "Rückstellungen" nach allgemeinen Bewertungsvorschriften fortzuführen. § 5 Abs. 4 a EStG finde keine Anwendung, da Drohverlustrückstellungen in der Bilanz zum 30.09.1998 nicht gebildet, sondern zuvor erworben worden seien. Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, die Drohverlustrückstellung sei zum Erwerbszeitpunkt in der Buchführung zu berücksichtigen, in der Bilanz zum 30.09.1998 jedoch aufzulösen, sei dieses widersprüchlich. Sollte § 5 Abs. 4 a EStG überhaupt eingreifen, müsse das Verbot zur Bildung von Drohverlustrückstellungen auch für den Erwerbszeitpunkt gelten, da zu diesem Zeitpunkt die entsprechende Rückstellung "gebildet" worden sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der angefochtenen Bescheide den Gewinn um 819.015,00 DM zu vermindern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die von ihm vorgenommene Behandlung der Rückstellung sei nicht widersprüchlich, da Ansatz und Bewertung zu unterschiedlichen Zeiten eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würden. Hierbei resultiere der unterschiedliche Wertansatz daraus, dass für den Zeitpunkt des Erwerbs die Rückstellungen entsprechend den handelsrechtlichen Werten anzusetzen seien, während zum Bilanzstichtag die Auflösung vorzunehmen sei, da § 5 Abs. 4 a EStG i. V. m. § 52 Abs. 6 a EStG den Ansatz einer zulässig gebildeten Drohverlustrückstellung einschränke.

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte hat zu Unrecht eine Einkommenserhöhung von 819.015,00 DM vorgenommen, da eine gewinnerhöhende Auflösung der von der Klägerin gebildeten Rückstellung zum 30.09.1998 nicht vorzunehmen war.

Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass § 5 Abs. 4 a EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Bereichs "X" zu berücksichtigen gewesen sei (anders möglicherweise Bundesfinanzhof -BFH- vom 26. April 2006 I R 49,50/04, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2006, 656), mit der Folge, dass eine später aufzulösende Rückstellung nicht vorhanden sei, kann dahin stehen, ob dieses zutrifft. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob mit dem Übergang der Mietverträge im Rahmen des Anschaffungsgeschäfts zwischen der Klägerin und der "N-GmbH" aufgrund des mit dem Anschaffungsgeschäft verbundenen Realisierungsaktes nicht eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten zu bilden war, die vom Anwendungsbereich des § 5 Abs. 4a EStG nicht erfasst wird.

Zwar neigt der Senat zu der Auffassung, dass es sich infolge des Anschaffungsgeschäfts und den von Anfang an wertlosen Mietverträgen tatsächlich um eine Verbindlichkeit der Klägerin gehandelt hat, auf die § 5 Abs. 4a EStG keine Anwendung findet. Jedoch bedarf auch dieses im Streitfall keiner Entscheidung.

Denn sollte im Zeitpunkt des Erwerbs tatsächlich eine Drohverlustrückstellung anzusetzen gewesen sein, ist diese nicht nach § 5 Abs. 4 a EStG zum Bilanzstichtag 30.09.1998 gewinnerhöhend aufzulösen (ebenso: Ley, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2007, 589, 591) .

Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 4a EStG darf eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften nicht gebildet werden. Nach dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 4a EStG setzt die "Bildung" einer Rückstellung voraus, dass mit der Aufnahme der Rückstellung in die Bilanz ein entsprechender Aufwand verbunden ist. Denn der Gesetzgeber wollte mit dem Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen vermeiden, dass Verluste, die zwar wahrscheinlich sind, sich aber erst in den folgenden Veranlagungszeiträumen realisieren, bereits in früheren Veranlagungszeiträumen steuermindernd gebildet werden dürfen (vgl. BFH vom 17. Oktober 2007 I R 61/06, BStBl II 2008, 555; zum Wesen der Rückstellung im Rahmen des Vorsichtsprinzips vgl. Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Anm. D1).

Diese Voraussetzung ist jedoch im Streitfall nicht gegeben. Die Auflösung der zuvor steuerneutral gebildeten Rückstellung verhindert nicht das "Vorziehen" eines sich erst später realisierenden Verlustes, sondern führt zu einem entsprechenden - sich in den folgenden Veranlagungszeiträumen ausgleichenden - Gewinn. Da diesem Gewinn zudem keine reale Vermögensmehrung gegenübersteht, würden Scheingewinne ausgewiesen, was dem Realisationsprinzip widerspricht (so auch Ley, DStR 2007, 589, 591).

Auch aus der Übergangsregelung des § 52 Abs. 6a EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung folgt nichts anderes, da auch dort auf das "Bilden" der Rückstellung abgestellt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.



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