Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.01.2006
Aktenzeichen: 6 K 2154/04 K,G,F
Rechtsgebiete: KStG, EStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

6 K 2154/04 K,G,F

Tenor:

Unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23.03.2004 und Abänderung der Bescheide über Körperschaftsteuer 2000, zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2000 sowie über Gewerbesteuermessbetrag 2000 und gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000 werden

die Körperschaftsteuer 2000 unter Ansatz eines um EUR 74.041,20 (DM 144.812) reduzierten Einkommens - unter Korrektur der Gewerbesteuerrückstellung - festgesetzt

der Einkommensbetrag und die Tarifbelastung entsprechend festgestellt;

der Gewerbesteuermessbetrag 2000 wird entsprechend festgesetzt.

Der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2000 und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2000 werden entsprechend festgestellt.

Die Berechnung der geänderten Steuer- und Feststellungsbeträge wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 2/10, die Klägerin zu 8/10.

Gründe:

Alleinige Anteilseignerin der Klägerin ist seit dem 19.06.2000 die "J-AG". Diese gewährte der Klägerin am 21.06.2000 ein Darlehen über 450.000 Schweizer Franken sowie am 28.09.2000 ein weiteres Darlehen über 150.000 DM, jeweils befristet bis zum 31.03.2001. Konkrete Rückzahlungsmodalitäten wurden nicht vereinbart. Mit Beschluss vom 20.12. bzw. 21.12.2000 verzichtete die "J-AG" auf die Rückzahlung der Darlehen. Die Klägerin behandelte den Darlehensverzicht als Einlage in Höhe des Nennwerts der Darlehen. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung durch den Beklagten für die Jahre 1998 bis 2000 stellte der Prüfer fest, dass im Zeitpunkt des Darlehensverzichtes der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag rund 570.000 DM betrug. Bei einem Eigenkapital von 300.000 DM wies die Bilanz der Klägerin zum 31.12.2000 einen Verlustvortrag von 375.757,92 DM und einen Jahresfehlbetrag von 494.854,20 DM aus. Nach Ansicht des Prüfers war die eingelegte Darlehensforderung wegen bilanzieller Unterdeckung bei der Klägerin ohne Wert. Er vertrat daher die Auffassung, die durch den Darlehensverzicht verursachte Gewinnerhöhung von 715.425 DM würde durch die Einlage im Wert vom 0 DM steuerlich nicht kompensiert. Der Beklagte änderte der Auffassung des Prüfers folgend die angefochtenen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - stehenden, Bescheide. Den Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.03.2004 als unbegründet zurück.

Mit der dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin im wesentlichen geltend, die der Auffassung des Beklagten zugrunde liegende Bundesfinanzhof - BFH -Rechtsprechung sei unzutreffend, weil dieser ein Denkfehler zugrunde liege. Eine Verbindlichkeit sei im Gegensatz zu einer Forderung immer werthaltig. Die Werthaltigkeit des Passivposten werde durch die steuerliche Erfassung einer entsprechenden Vermögensmehrung im Verzichtsfalle dokumentiert. Im Gegensatz zu den bisher entschiedenen Fällen, in denen eine Forderung seit vielen Jahren bestanden habe, lägen im Streitfall die Darlehensgewährung und der Forderungsverzicht zeitlich sehr eng beieinander. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs sei die Darlehensgewährung mit anschließendem Forderungsverzicht als wirtschaftlich einheitliche Kapitalmaßnahme anzusehen. Zu einer unmittelbaren Zuführung von Mitteln in eine Kapitalrücklage bestehe wirtschaftlich im vorliegenden Fall kein Unterschied. Die BFHRechtsprechung werde dem Streitfall bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht gerecht und dürfe vorliegend nicht angewendet werden. Des weiteren sei die Forderung nicht wertlos gewesen. Zwar habe die Klägerin in der Vergangenheit erhebliche Verluste erlitten. Mit dem Eintritt der neuen Gesellschafterin habe sich jedoch das Umfeld für die Klägerin gravierend geändert. Aufgrund einer deshalb verbesserten Ertrags und Finanzprognose sei eine Darlehensrückzahlung keinesfalls aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen gewesen.

In der mündlichen Verhandlung am 17.01.2006 ist u.a. die Gewinnentwicklung bei der Klägerin Gegenstand der Erörterung gewesen. Der Geschäftsführer der Klägerin hat angegeben, die "J-AG" habe für sämtliche Anteile einen Kaufpreis von 1 DM entrichtet.

Die Klägerin beantragt,

die Körperschaftsteuerveranlagung 2000, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2000, den Gewerbesteuermessbetrag 2000 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.03.2004 dahingehend abzuändern, dass die Änderung gemäß Punkt 2.2 des Betriebsprüfungsberichts vom 28.03.2003 aufzuheben sind und die Gewinnerhöhung von 715.425 DM nicht angesetzt wird,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Berücksichtigung einer Werthaltigkeit der Darlehensforderung mit 144.812 DM abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die BFH-Rechtsprechung sei auch dann anzuwenden, wenn die Darlehensforderung des Gesellschafters von Anfang an im Wert gemindert war. Auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Darlehensgewährung und Forderungsverzicht führe nicht dazu, eine wirtschaftlich einheitliche Kapitalmaßnahme der Gesellschafterin anzunehmen. Die vorzunehmende Besteuerung sei letztlich nur die Folge einer Gestaltung, die die Gesellschafterin und die Klägerin selbst gewählt hätten. Die Entscheidung der Gesellschafterin, die Klägerin zunächst mit einem Darlehen und nicht mit Eigenkapital auszustatten, sei vom Steuerrecht anzuerkennen. Maßgeblich für die Bewertung der Forderung können schließlich nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Forderungsverzichts sein.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Soweit der Beklagte den Wert der Einlage mit weniger als DM 144.812 angesetzt hat, sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und ist die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Klägerin hat als Kapitalgesellschaft ihren Gewinn gemäß § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz - KStG - i.V.m. §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Einkommensteuergesetz - EStG - zu ermitteln. Verzichtet ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Hinblick auf das Gesellschaftsverhältnis auf eine Forderung, die er dieser gegenüber hat, so ist die dadurch bei der Kapitalgesellschaft entstandene Vermögensmehrung als Einlage des Gesellschafters mit dem Teilwert der Forderung, auf die verzichtet wurde, zu bewerten (BFH Beschluß vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1998, 307; Beschluss vom 16. Mai 2001 I B 143/00, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter BFH-Entscheidungen - BFH/NV - 2001, 1353). Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind Einlagen mit dem Teilwert des eingelegten Wirtschaftsguts - hier also der Forderung der Gesellschafterin - für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen. Für die Bewertung der Forderung sind die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Forderungsverzichts maßgeblich. Teilwert ist der Betrag, den ein gedachter Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut hätte aufwenden müssen, wobei davon auszugehen ist, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Der Teilwert einer Forderung wird durch die Zahlungsfähigkeit und die Zahlungswilligkeit des Schuldners sowie durch ihre Verzinslichkeit beeinflusst (vgl. Schmidt/Glanegger, EStG 24. Aufl. 2005, § 6 Rz. 369). Ist die Erfüllung der Forderung nach den am Bewertungsstichtag vorliegenden Umständen (Vermögensverhältnisse, Zahlungsfähigkeit des Schuldners) zweifelhaft, bestimmt sich ihr Teilwert danach, in welchem Umfang der Ausfall der Forderung mit einiger Wahrscheinlichkeit droht (Blümich/Ehmcke, EStG § 6 Rz. 901 m.N.).

Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Wert der Forderung der Gesellschafterin zum Zeitpunkt des Verzichtes nicht mehr dem Nennwert entsprach. Im Dezember 2000 hatte die Klägerin bereits einen ihr Eigenkapital übersteigenden Verlust erzielt, der nicht durch stille Reserven oder durch künftige Ertragserwartungen kompensiert werden konnte. Das Eigenkapital von DM 300.000 war bereits durch den zum 31.12. des Vorjahres erwirtschafteten Verlustvortrag von DM 375.757,92 aufgebraucht. Hinzu kam zum 31.12.2000 ein weiterer Fehlbetrag von 494.854,20, so dass die Bilanz der Klägerin, was im Verzichtszeitpunkt Ende Dezember 2000 bereits absehbar war, einen nicht durch das Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von DM 570.612,19 aufwies. Mittel, die diesen Fehlbetrag hätten kompensieren können, konnte die Klägerin weder durch Realisation von stillen Reserven noch durch künftige Erträge beschaffen. Stille Reserven in nennenswertem Umfang wies das Vermögen der Klägerin, die laut Bilanz über keinen eigenen Grund und Boden oder immaterielle Anlagegüter verfügt und deren wesentliches Aktivvermögen die zur Produktion notwendigen und der Abnutzung unterliegenden technischen Anlagen darstellten, nicht aus. Anders als die Klägerin meint, war auch nicht wegen des Gesellschafterwechsels künftig mit einem höheren Ertrag zu rechnen. Davon, dass die Klägerin künftig höhere Erträge und gar Gewinne würde erzielen könne, ging auch die neue Gesellschafterin nicht aus. Diese hatte den Wert der Anteile, welcher regelmäßig maßgeblich durch künftige Ertragserwartungen begründet wird, vielmehr mit dem eher symbolischen Kaufpreis von DM 1, mithin also als wertlos, angesehen. Diese Auffassung wird durch die Ertragslage der Klägerin bestätigt, die in den Folgejahren regelmäßig weitere Fehlbeträge erwirtschaftete (2000: 494.854,20 DM, 2001: ca. 155.000 Euro, 2002: ca. - 68.000 Euro, 2003: ca. 199.000 EUR).

Entgegen der noch in der Einspruchsentscheidung vertretenen Ansicht des Beklagten, war die Forderung der Anteilseignerin im Dezember 2000 jedoch nicht vollständig uneinbringlich und wertlos. Vielmehr bestand im Zeitpunkt des Verzichtes auf die Darlehensforderung von DM 715.425 ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von lediglich DM 570.612. Der darüberhinausgehende Teil der Darlehensforderungen von DM 144.812 (715.425 ./. 570.612) war, wie auch der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, im Verzichtszeitpunkt folglich werthaltig. Inwieweit spätere - nach der Verzichtserklärung erlittene - Verluste die Befriedigungschancen der Gläubigerin weiter verringerten, kann dahinstehen, weil für die Wertbestimmung der Verzichtszeitpunkt entscheidend ist.

Unzutreffenderweise macht die Klägerin geltend, wegen wirtschaftlicher Betrachtung müsse eine einheitliche Kapitalmaßnahme angenommen werden. Zwar würde die Klägerin im Ergebnis steuerlich günstiger behandelt, wenn ihr an Stelle der Darlehen sogleich zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung gestellt worden wäre. Doch ist die jetzt vorzunehmende Besteuerung nur die Folge einer Gestaltung, die die Klägerin und ihre Anteilseignerin selbst wählten. Das Steuerrecht erkennt die Entscheidung des Gesellschafters, die Gesellschaft statt mit Eigenkapital mit Darlehen zu finanzieren, grundsätzlich an; was sich z.B. im Zusammenhang mit dem Abzug von Darlehenszinsen durch die Gesellschaft zeigt (vgl. hierzu BFH Urteil vom 5. Februar 1992 I R 127/90, BStBl II 1992, 532). Dann aber wäre es nicht gerechtfertigt, im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Vergabe eines Darlehens als Zuführung von Eigenkapital zu werten, wenn sich dies später als steuerlich günstiger erweist. Vielmehr müssen sich die Klägerin und ihr Gesellschafter an ihrer seinerzeit getroffenen Entscheidung festhalten lassen, was bedeutet, dass der Forderungsverzicht der Anteilseignerin die oben aufgezeigten Rechtsfolgen auslöst. Der Zeitraum zwischen Darlehenshingabe und Verzicht spielt bei der rechtlichen Bewertung der Vorgänge keine Rolle, was sich bereits aus dem Urteil des BFH vom 28.11.2001 (I R 20/01, BFH/NV 2002, 677) ergibt, wonach es unerheblich ist, ob das Darlehen bereits bei Hingabe oder aber - wann auch immer - erst später an Wert verloren hat.

Die Berechnung der festgesetzten bzw. festgestellten Beträge wird dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 FGO übertragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).



Ende der Entscheidung

Zurück