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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.09.2009
Aktenzeichen: 6 K 308/04 K
Rechtsgebiete: KStG, DBA F, DBA IT


Vorschriften:

KStG § 14 Abs. 1
DBA F Art. 2 Abs. 1
DBA F Art. 4 Abs. 1
DBA IT Art. 5
DBA IT Art. 7 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine deutsche Holding innerhalb des schwedischen "B" Konzerns, die u. a. eine hundertprozentige Beteiligung an der "J-GmbH" hält, mit der ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen ist. Die "J-GmbH" ist auf dem Gebiet der Herstellung und dem Vertrieb von "E-Maschinen" tätig. In den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 unterhielt diese jeweils eine rechtlich unselbständige Betriebsstätte in Frankreich und in Italien. Die Betriebsstätten erfüllten die Voraussetzungen des § 12 Abgabenordnung und Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA Deutschland-Frankreich), bzw. Art. 5 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung (DBA Deutschland-Italien). Die im Veranlagungszeitraum 1999 erwirtschafteten Betriebsstättenverluste machte die Klägerin im Rahmen des ihr zugerechneten Einkommens der "J-GmbH" in ihrer Steuererklärung geltend.

Aufgrund einer steuerlichen Außenprüfung durch das Finanzamt für Konzernbetriebsprüfung "C-Stadt" für den Zeitraum 1996 bis 1999 erließ der Beklagte einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1999, in dem er die Verluste aus ausländischen Betriebsstätten nicht einkommensmindernd berücksichtigte. Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, dass zwar eine Berücksichtigung der Verluste nach § 2 a Abs. 3 Sätze 1 und 2 Einkommensteuergesetz nach der Gesetzesänderung weggefallen sei, die Nichtberücksichtigung der Verluste aus ausländischen Betriebsstätten jedoch die Verletzung EG-vertraglicher Grundrechte auf freier Niederlassungswahl darstelle. Es handle sich um eine Schlechterstellung gegenüber Mitbewerbern, die im Inland tätig seien. Mit Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2003 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der dagegen gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Berücksichtigung der Verluste aus der französischen Betriebsstätte von 18.214,00 DM und aus der italienischen Betriebsstätte von 135.274,00 DM. Sie macht geltend, aus den Regelungen der DBA Deutschland-Frankreich bzw. Deutschland-Italien ergebe sich kein Verlustabzug bzw. Verrechnungsverbot. Zwar seien nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - von den DBA-Regeln sowohl Positiv- als auch Negativeinkünfte umfasst. Dies sei jedoch aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH vom 13. November 2002 (I R 13/02, BFHE 201, 73, BStBl II 2003, 795, DStR 2003, 685) fraglich geworden.

Die Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste im Inland sei nicht EG-rechtskonform. Wegen der weiteren Begründung wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.

Mit Beschluss vom 27. Dezember 2005 hat das Gericht im Einvernehmen mit den Beteiligten das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren I R 84/04 (zur Frage, ob die Abschaffung des unbeschränkten Verlustabzuges aus ausländischen Betriebsstätten durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 europarechtswidrig ist) angeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens des BFH (I R 84/04; BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630) ist mit Verfügung vom 14. Januar 2000 das Verfahren fortgeführt worden.

Die Klägerin macht nunmehr geltend, dass ein Verlust aus der französischen Betriebsstätte in Höhe von 87.899,50 EUR definitiv geworden sei. Aufgrund des Urteils des BFH vom 17. Juli 2008 (I R 84/04) sei davon auszugehen, dass auch Verluste ausländischer Betriebsstätten wie entsprechende Gewinne von der inländischen Besteuerungsgrundlage ausgenommen seien. Es komme aber ein phasengleicher Verlustabzug in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweise, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar seien.

Die französische Betriebsstätte habe im Streitjahr 1999 einen Verlust nach französischem Recht in Höhe von 57.359,40 Euro erwirtschaftet. Nach Art. 4 Abs. 1 DBA Deutschland/Frankreich stehe allein der französischen Republik das Besteuerungsrecht für Betriebsstättengewinne zu. Entsprechend der vom BFH bestätigten Symmetriethese minderten Verluste aus dieser Betriebsstätte nicht die steuerliche Bemessungsgrundlage des deutschen Stammhauses. Allerdings seien die in der französischen Betriebsstätte entstandenen Verluste definitiv geworden. Definitive Verluste lägen vor, wenn keine Verrechnung durch Verlustrücktrag oder gegebenenfalls durch Übertragung auf einen Dritten in Betracht kämen und keine Möglichkeit bestehe, die Verluste in zukünftigen Zeiträumen selbst oder durch Dritte zu nutzen. Die Frage der Verwertbarkeit sei ausschließlich nach dem Recht des Quellenstaates zu bestimmen. Jedenfalls lägen definitive Verluste vor, wenn die Tätigkeit in einer Betriebsstätte aufgegeben werde und es nicht beabsichtigt sei, die Tätigkeit künftig wieder aufzunehmen. Darüber hinaus seien definitive Verluste anzunehmen, wenn ein vorgesehener Zeitraum für die Nutzung eines Verlustvor- oder Rücktrages ablaufe. Zwar habe der BFH in seinem Urteil vom 17. Juli 2008 keine Aussage darüber getroffen, wann der definitive Verlust zu verrechnen sei. Aufgrund der mehrfach verwendeten Begrifflichkeit des "phasengleichen Verlustabzuges" liege der Schluss jedoch nahe, dass ein definitiver Betriebsstättenverlust im Jahre seiner Entstehung zu berücksichtigen sei.

Lediglich im Veranlagungszeitraum 2004 seien nach französischem Steuerrecht ermittelte Verluste vergangener Perioden in Höhe von 12.078,00 EUR verrechnet worden. In den Jahren 2000 bis 2003 hätten keine Verluste verrechnet werden können. Nach französischem Steuerrecht seien indessen Verluste nur für einen Zeitraum von fünf Jahren vortragsfähig. Daher seien im Veranlagungszeitraum 2004 Verlustvorträge in Höhe von 338.835,78 EUR untergegangen. Der zum Ende des Veranlagungszeitraums 2005 bestehende Verlustvortrag in Höhe von 182.058,00 EUR sei mit Beendigung der Tätigkeit der französischen Betriebsstätte untergegangen. Mithin seien Verluste nach Maßgabe des französischen Steuerrechts in Höhe von 45.281,40 EUR (57.359,40 EUR abzüglich 12.078,00 EUR) aus dem Jahr 1999 nicht verrechnet worden. Die Höhe der zu berücksichtigenden Definitivverluste bestimme sich allerdings ausschließlich auf Grundlage der deutschen Gewinnermittlungsvorschriften. Im Streitjahr 1999 sei der nach deutschen Vorschriften ermittelte Verlust mit DM 135.274,00 (EUR 69.164,50) zu beziffern. Die Höhe der nach deutschem Steuerrecht ermittelten Betriebsstättenverluste für die Jahre 1999 bis 2005 seien durch die zwischenzeitlich durchgeführten Betriebsprüfungen nicht beanstandet worden. Im Jahre 2004 sei nach deutschen Regelungen ein positives Einkommen von 11.265,00 EUR erzielt worden. Dementsprechend betrage der im Jahr 1999 erwirtschaftete und letztlich nicht mehr verrechenbare oder übertragbare Verluste aus der französischen Betriebsstätte 57.899,50 EUR.

Hinsichtlich der italienischen Betriebsstätte lägen nach diesen Grundsätzen für das Streitjahr 1999 keine definitiven Verluste vor. Im Streitjahr sei ein positives Einkommen erzielt worden. Zudem seien sämtliche Verlustvorträge mit positiven Einkommen in den Jahren 2001 bis 2003 verrechnet worden. Erst danach seien Verluste entstanden, die durch Aufgabe der Betriebsstätte in 2005 definitiv geworden seien. Diese Verluste seien im Veranlagungsverfahren (außerhalb dieses Rechtstreites) in den Jahren 2004 und 2005 zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt,

die mit Bescheiden vom 22. November 2002 und 11. März 2003 festgesetzte Körperschaftsteuer 1999 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2003 auf EUR "XXX" (DM "YYY") mit der Maßgabe, dass der Betriebsstättenverlust 57.899 EUR beträgt, festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die in der französischen Betriebsstätte erwirtschafteten Verluste dürften die Bemessungsgrundlage des deutschen Stammhauses nicht minderten. Es komme allein auf die grundsätzliche Möglichkeit der Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat an. Unerheblich sei, ob sich die Betriebsstättenverluste tatsächlich im Rahmen einer Veranlagung auswirkten, oder ob aufgrund der Besonderheiten des Steuerrechts des Betriebsstättenstaates (wie im vorliegenden Fall die zeitliche Begrenzung der Verlustverrechnung auf fünf Jahre) Verlustüberhänge verblieben. Ein Staat sei nicht verpflichtet, eventuell ungünstige Auswirkungen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates in der Gestaltung seines eigenen Steuerrechtes zu berücksichtigen um jede Ungleichheit zu beseitigen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Zwar ist der Klägerin im Streitjahr als Organträgerin, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, aufgrund eines wirksamen Ergebnisabführungsvertrages das Einkommen ihrer 100%igen Tochter und Organgesellschaft "J-GmbH" gemäß § 14 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz zuzurechnen. Im Rahmen dieser Einkommensermittlung hat der Beklagte indessen zu Recht die Verluste aus den italienischen und französischen Betriebsstätten der "J-GmbH" nicht berücksichtigt. Diese ausländischen Betriebsstättenverluste sind, was nunmehr zwischen den Beteiligten gleichfalls unstreitig ist, aufgrund der Art. 2 Abs. 1 Nr. 7, Art. 4 Abs. 1 DBA Deutschland-Frankreich bzw. Art. 5 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 DBA Deutschland-Italien wie entsprechende Gewinne von der inländischen Besteuerungsgrundlage ausgenommen (Symmetriethese, vgl. hierzu inbesondere BFH Urteil vom 17. Juli 2008 I R 84/04, BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630).

Wie der BFH in seinem Urteil vom 17. Juli 2008 unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 15. Mai 2008 (C-414/06, DStR 2008, 1030) ausführt, verstößt eine so verstandene Abkommensregelung im Grundsatz dann nicht gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Grundfreiheit des Niederlassungsrechts (Art. 43 EG) sowie des Kapitalverkehrs (Art. 56 EG), wenn die Verluste der in dem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte bei der Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte in jenem Mitgliedstaat für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt werden können. Nach Ansicht des BFH, dem sich der Senat anschließt, kommt ein phasengleicher Abzug der (nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts ermittelten) ausländischen Betriebsstättenverluste im Streitjahr nur dann in Betracht, wenn für den betreffenden Besteuerungszeitraum sowie für frühere Besteuerungszeiträume vorgesehene Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten tatsächlich ausgeschöpft wurden, ggf. durch Übertragung dieser Verluste auf einen Dritten oder ihre Verrechnung mit Gewinnen, die die Betriebsstätte in früheren Zeiträumen erwirtschaftet hat, und wenn im Streitjahr keine Möglichkeit besteht, dass die Verluste der ausländischen Betriebsstätte für künftige Zeiträume von der Steuerpflichtigen selbst oder von einem Dritten berücksichtigt werden.

Auf dieser Grundlage kommt eine Berücksichtigung der Verluste aus der italienischen Betriebsstätte, wie die Klägerin unter entsprechender Einschränkung ihrer Klage zutreffend einräumt, schon deshalb nicht in Betracht, weil im Streitjahr kein Verlust entstanden ist und sämtliche Verlustvorträge in den Jahren bis 2003 im Betriebsstättenstaat verrechnet worden sind.

Aber auch die Verluste aus der französischen Betriebsstätte sind nicht zu berücksichtigen. Denn diese sind nicht bereits im Streitjahr definitiv geworden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann aus der Verwendung des Begriffes "phasengleich" im Urteil des BFH nicht geschlossen werden, dass, sofern ein Verlust nicht in nachfolgenden Zeiträumen verrechnet werden kann, dieser bereits im Entstehungsjahr "phasengleich" berücksichtigt werden muss. Eine Berücksichtigung im Inland bereits im Verlustentstehungsjahr kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich des ausländischen Betriebsstättenverlust bereits im Verlustentstehungsjahr ausgeschlossen ist, dass es künftig zu einer Verrechnung im Betriebsstättenstaat kommen kann (vgl. Gosch Anm. zu I R 84/04 in BFH-PR 2009, 491).

Wie der BFH in seinem o.g. Urteil ausführt, ist Voraussetzung der Verrechnung ausländischer Betriebsstätten im Inland, dass "im Streitjahr keine Möglichkeit besteht", die Verluste der ausländischen Betriebsstätte im Betriebsstättenstaat für künftige Zeiträume von der Steuerpflichtigen selbst oder von einem Dritten zu nutzen. Daraus schließt der Senat, dass, sofern aus der Perspektive des Streitjahres eine Verlustnutzung im Betriebsstättenstaat nicht ausgeschlossen ist, ein ausländischer Betriebsstättenverlust für das Streitjahr nicht als definitiv anzusehen ist.

Für einen solchen Abzug erst im "Finalitätsjahr" spricht zudem die bei Weitem leichtere Handhabung und der Umstand, dass die Verluste ohne die Finalität im Quellenstaat dort auch nicht früher abzugsfähig gewesen wären (Gosch a.a.O).

Zum Bilanzstichtag des Streitjahres und Verlustentstehungsjahres 1999 war noch nicht abzusehen, dass die grundsätzlich- wenn auch zeitlich begrenzt - im Betriebsstättenstaat vortragsfähigen Verluste aus 1999 in den Folgejahren nicht würden verrechnet werden können, so dass die Möglichkeit der Verlustverrechnung im Streitjahr durchaus bestand. Denn dem Vortrag der Klägerin zufolge ist eine Berücksichtigung des Verlustes aus 1999 im Betriebsstättenstaat erst mit Ablauf des fünfjährigen Vortragszeitraums in 2004 bzw. mit Einstellung der Betriebsstättentätigkeit in 2005 ausgeschlossen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Die Revision wird zugelassen, weil die Sache wegen der bislang nicht höchstrichterlich entschiedenen Frage, in welchem Zeitraum definitiv gewordenen Verluste aus ausländischen Betriebsstätten abzuziehen sind, grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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