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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.12.2005
Aktenzeichen: 6 K 3284/02 K
Rechtsgebiete: EStG, KStG, UmwStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1
KStG § 8 Abs. 1
UmwStG § 12 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist die Anwendbarkeit des so genannten "steuerlichen Wertaufholungsgebotes" nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz - EStG - i.V.m. § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz - KStG -.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand unter anderem das "...". Zur Durchführung dieser Tätigkeiten bedient sich die Klägerin verschiedener Betriebsführungsgesellschaften. Auf die 100 %-ige Beteiligung der Klägerin an der in den USA ansässigen "T-Corporation" nahm die Klägerin in den Jahren 1981 bis 1985 Wertberichtigungen i.H.v. 200.054.143 DM vor. Der Buchwert der Beteiligung belief sich danach auf 165.993.155 DM. Nachdem die "T-Corporation" zunächst auf den unterschiedlichsten Sektoren der industriellen Fertigung und Verarbeitung tätig war, wurden diese Aktivitäten bis Mitte 1985 durch Veräußerung bzw. Liquidation der entsprechenden Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten vollständig eingestellt. Seit diesem Zeitpunkt beschränkt sich die Tätigkeit der "T-Corporation" auf die Arbeitsfelder "...".

Mit Wirkung zum 01.01.1993 brachte die Klägerin ihre Beteiligung an der "T-Corporation" gegen Gewährung neuer Anteile im Umfang von 10,4 % in die "W-Corporation" ein. Infolge einer entsprechenden verbindlichen Auskunft des Beklagten führte die Klägerin den Buchwert unter Anwendung des so genannten "Tauschgutachtens" fort.

Im Jahr 1998 gründete die Klägerin die "Ti-Corporation" als 100 %-ige Tochtergesellschaft. Zum 30.09.1998 wurde die 10,4 %-ige Beteiligung der Klägerin an der "W-Corporation" - wiederum auf der Grundlage einer entsprechenden verbindlichen Auskunft unter Anwendung des Tauschgutachtens - zu Buchwerten in die "Ti-Corporation" eingebracht. Im Rahmen eines so genannten "Splitt-Off" übertrug die "W-Corporation" die von ihr gehaltene 100 %-ige Beteiligung an der "T-Corporation" auf die "Ti-Corporation", die ihrerseits die 10,4 %-ige Beteiligung an der "W-Corporation" auf diese übertrug. Auch dieser Anteilstausch erfolgte nach einer entsprechenden verbindlichen Auskunft durch den Beklagten unter Fortführung der Buchwerte. Im Streitjahr hielt folglich die "Ti-Corporation" als 100 %-ige Tochtergesellschaft der Klägerin ihrerseits die 100 %-ige Beteiligung an der "T-Corporation".

Trotz eines - zwischen den Beteiligten unstreitigen - Verkehrswertes der "T-Corporation" zum 31.12.1999 i.H.v. 307.962.600 DM behielt die Klägerin den niedrigeren Wertansatz i.H.v. 165.993.155 DM in ihrer Handelsbilanz bei (Artikel 24 Abs. 1 EGHGB). Im Hinblick auf die zu erstellende Steuerbilanz stellte die Klägerin am 13.12.1999 den Antrag, den niedrigeren Beteiligungsbuchwert nach § 163 AO auf Dauer auch in der Steuerbilanz beibehalten zu dürfen. Dieser Antrag wurde am 11.12.2000 bestandskräftig abgelehnt. Am 24.07.2001 erließ der Beklagte den Körperschaftsteuerbescheid 1999, wobei er die Aufstockung des Buchwertes i.H.v. 28.393.889 DM (1/5 von 141.969.445 DM) einkommenserhöhend berücksichtigte.

Nachdem das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren erfolglos geblieben war (Einspruchsentscheidung vom 15.06.2002), macht die Klägerin mit ihrer am 20.06.2002 erhobenen Klage geltend, der Beklagte habe zu Unrecht den Beteiligungsbuchwert um den Betrag von 28.393.889 DM erhöht.

Dieses folge zunächst aus dem Umstand, dass das Objekt der früheren Teilwertabschreibung ("T-Corporation") mit dem aktuellen Zuschreibungsobjekt ("Ti-Corporation") nicht identisch sei. Auch sei mit der Wertaufholung kein Zuwachs an Leistungsfähigkeit verbunden, weshalb die Erhebung eines entsprechenden Steueranspruchs sachlich unbillig sei. Hinzu komme weiterhin, dass das durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführte Wertaufholungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 4, Nr. 2 Satz 3 EStG verfassungswidrig sei, da Tatbestände, die in der Vergangenheit begründet worden seien, nunmehr eine andere steuerliche Behandlung erfahren würden.

Die Klägerin beantragt,

die Körperschaftsteuer 1999 unter Berücksichtigung eines um 28.393.889 DM geminderten Steuerbilanzgewinns (unter Berücksichtigung des Änderungsbescheides vom 02.01.2003) festzusetzen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er ist der Auffassung, dass das Wertaufholungsgebot nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG im Streitfall Anwendung finde, da zwischen der "T-Corporation" und der "Ti-Corporation" eine rechtliche und wirtschaftliche Identität bestehe. Beleg hierfür sei die Anwendung des so genannten "Tauschgutachtens" auf sämtliche Einbringungsvorgänge. Folglich repräsentiere der Buchwert der "Ti-Corporation" auch den ursprünglichen Beteiligungsansatz der "T-Corporation", für die die Klägerin in der Vergangenheit Teilwertabschreibungen vorgenommen habe. Die wirtschaftliche Identität beider Beteiligungen folge zudem aus dem Umstand, dass die "T-Corporation" ursprünglich auf die Klägerin zurück übertragen werden sollte und die Zwischenschaltung der "Ti-Corporation" als Zwischengesellschaft nur gewählt worden sei, um für die Abspaltung der Anteile der "T-Corporation" in den USA steuerliche Erleichterungen zu erhalten (insoweit werde auf den Antrag der "W-AG" auf verbindliche Auskunft zur Anwendung des Tauschgutachtens bei der Einbringung der von der Klägerin gehaltenen Anteile an der "W-Corporation" in die US-Tochtergesellschaften und die Behandlung der damit zusammenhängenden Strukturmaßnahmen vom 27.09.1998, sowie die Stellungnahme des Beklagten vom 22.09.2002 verwiesen).

Auch sei die Erhebung der entsprechenden Steuern nicht sachlich unbillig, da die seinerzeit vorgenommenen Teilwertabschreibungen zu einer entsprechenden Gewinnminderung geführt hätten, die jetzt lediglich wieder rückgängig gemacht würde.

Soweit die Klägerin verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG geltend mache, seien diese nicht durchgreifend.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte hat zu Unrecht angenommen, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 3 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG seien im Streitfall erfüllt.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 EStG sind Wirtschaftsgüter, die bereits am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehört haben, in den folgenden Wirtschaftsjahren mit den - ggf. um Abschreibungsbeträge verminderten - Anschaffungskosten anzusetzen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass ein niedrigerer Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 EStG angesetzt werden kann. Voraussetzung für den Ansatz eines wieder gestiegenen Teilwertes ist folglich, dass das Wirtschaftsgut bereits zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehört hat. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht (ein dem entgegenstehender tatsächlicher Wille des Gesetzgebers lässt sich auch den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen, vgl. BT-Drucks. 14/265, Seite 128 und 171 f.), dass das auf den niedrigeren Teilwert abgeschriebene Wirtschaftsgut mit demjenigen Wirtschaftsgut, welches nunmehr in der Bilanz - höher - zu bewerten ist, identisch sein muss. Folglich muss es sich bei dem Wirtschaftsgut, das mit einem niedrigeren Teilwert in der Bilanz angesetzt wurde und dem Wirtschaftsgut, dessen Bilanzansatz unter Berücksichtigung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG mit einem höheren Teilwert angesetzt werden soll, um das rechtlich identische Wirtschaftsgut handeln. Dieses ist im Streitfall nicht gegeben, denn die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert wurde auf das Wirtschaftsgut ""T-Corporation"" vorgenommen, während die Teilwertsteigerung bei dem Wirtschaftsgut ""Ti-Corporation"" eingetreten ist. Da folglich beide Anteile die Beteiligungen an unterschiedlichen Körperschaften vermitteln, handelt es sich nicht um identische Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG. Dieses gilt unabhängig davon, ob bei Anwendung der Grundsätze des sog. "Tauschgutachtens" (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - vom 16. Dezember 1958, I D 1/57 S, Bundessteuerblatt - BStBl - III 1959, 30) überhaupt ein tauschähnlicher Vorgang anzunehmen ist (vgl. zum Meinungsstand: K. Ebling in Festschrift für Klein, Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpoltik, Seite 801).

Soweit der Beklagte auf Grund der Besonderheiten des Streitfalles von dem Erfordernis der Identität der Wirtschaftsgüter eine Ausnahme machen will, ist dieses nicht gerechtfertigt. Dieses gilt sowohl im Hinblick auf den Umstand, dass infolge der vom Beklagten akzeptierten Buchwertfortführungen das Wirtschaftsgut ""Ti-Corporation"" mit dem Buchwert des ursprünglichen Wirtschaftsgutes ""T-Corporation"" anzusetzen war, als auch hinsichtlich der Tatsache, dass sich die Tätigkeit der "Ti-Corporation" auf das Halten der 100 %-igen Beteiligung an der "T-Corporation" mit der Folge beschränkt, dass der Wert der Anteile an der "Ti-Corporation" mit dem Wert der Anteile an der "T-Corporation" identisch ist.

Soweit der Beklagte darauf verweist, dass infolge der Buchwertfortführung der bilanzielle Wertansatz der "Ti-Corporation" mit dem der "T-Corporation" identisch sei, rechtfertigt dieses keine Ausnahme von der Voraussetzung der rechtlichen Identität. Zwar regelt § 6 EStG die Bewertung von Wirtschaftsgütern, und bei der Buchwertfortführung auf der Grundlage des Tauschgutachtens des Bundesfinanzhofs handelt es sich um eine Sonderregelung zur Bewertung von Wirtschaftsgütern. Da somit der Reglungsgegenstand identisch ist, wäre es nicht ausgeschlossen, im Falle einer tatsächlich gewählten Buchwertfortführung eine Wertaufholung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG zuzulassen. Gegen ein derartiges Auslegungsergebnis spricht jedoch der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG, wonach "Wirtschaftsgüter, die bereits am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehört haben", betroffen sind. Durch diese Formulierung wird die Identität der Wirtschaftsgüter in jedem Fall gefordert. Eine Auslegung gegen den insoweit klaren Wortlaut der Norm ist nach Auffassung des Senats nicht möglich.

Für dieses Ergebnis spricht auch die ausdrückliche Regelung in § 12 Abs. 3 Satz 1 Umwandlungsteuergesetz - UmwStG -, wonach die übernehmende Körperschaft bzgl. der Bewertung nach § 6 EStG in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintritt. Denn eine § 12 Abs. 3 UmwStG entsprechende Regelung enthält § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG nicht.

Auf Grund der klaren Wortlautgrenze ist es auch unerheblich, dass die Beteiligung an der "T-Corporation" ursprünglich von der "W-Corporation" auf die Klägerin übertragen werden sollte. Denn für die Übertragung auf die "Ti-Corporation" als Zwischengesellschaft bestanden infolge der damit verbundenen steuerlichen Vergünstigungen in den Vereinigten Staaten von Amerika steuerlich beachtliche Gründe (vgl. dazu BFH vom 07. September 2005, I R 118/04, Sammlung von Entscheidungen des BFH 2006, 152), weshalb auch keine missbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 Abgabenordnung vorlag. Dies gilt selbst unter der Voraussetzung, dass die spätere Übertragung der Beteiligung an der "T-Corporation" auf die Klägerin weiterhin beabsichtigt war.

Es kann damit im Streitfall dahinstehen, ob die Klägerin im Streitfall zu Recht die Grundsätze des Tauschgutachtens, insbesondere bei dem Tausch der 100 %-igen Beteiligung an der "T-Corporation" gegen die 10,4 %-ige Minderheitsbeteiligung an der "W-Corporation" (für den Bereich des Privatvermögens verneinend: BFH vom 28. März 1979 I R 194/78, BStBl II 1979, 774) angewendet hat. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt (vgl. dazu Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 20. August 2003, 3 K 2970/00; Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1681).

Die Übertragung der Berechnung des Steuerbetrages und des Einkommens nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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