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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.10.2006
Aktenzeichen: 7 K 2887/05 G
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 716
HGB § 233
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

7 K 2887/05 G

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, das Halten und die Veräußerung von Beteiligungen an sowie die Beratung von anderen Unternehmen.

Die Klägerin beteiligte sich gemäß "Vertrag über die Leistung einer stillen Beteiligung" vom 18. Dezember 1996 mit 500.000 DM an der Fa. R Gesellschaft für Daten- und Kommunikationssysteme mbH in G-Stadt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich um eine stille oder eine atypisch stille Beteiligung handelt.

Der schriftliche Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen:

Vorbemerkung:

Der stille Gesellschafter hält einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 100.000 an dem insgesamt DM 350.000 betragenden Stammkapital der Inhaberin...

§ 1

Der stille Gesellschafter beteiligt sich still an der Inhaberin...

§ 4

Die Geschäftsführung der stillen Gesellschaft obliegt ausschließlich der Inhaberin...

§ 5

Die Inhaberin darf Maßnahmen und Rechtsgeschäfte gemäß § 11 ihrer Satzung (zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte) sowie die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen und Rechtsgeschäfte nur mit schriftlicher Einwilligung des stillen Gesellschafters vornehmen:

a) Eingehung, Änderung und Aufhebung von Kooperationsverträgen von grundsätzlicher oder erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, Lizenz- und Franchiseverträgen,

b) Abschluß, Änderung und Aufhebung von Verträgen mit Gesellschaftern,

c) Tätigkeitsvergütungen für Beiratsmitglieder,

d) Alle Verträge mit einem Mitglied der S-Gruppe, soweit die Verträge nicht zu marktgerechten Konditionen abgeschlossen werden;

Ferner bedarf die Inhaberin folgende Rechtsgeschäfte und Maßnahmen nur nach vorheriger schriftlicher Einwilligung des stillen Gesellschafters vornehmen:

a) Kapitalerhöhung oder -herabsetzung,

b) Aufnahme weiterer stiller Gesellschafter oder partiarischer Darlehnsgeber,

c) Abschluß, Änderung und Aufhebung von Beratungsverträgen, insbesondere mit Steuerberatern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern oder Unternehmensberatern....

§ 6

1. Dem stillen Gesellschafter stehen die gesetzlichen Informations- und Kontrollrechte gem. § 233 HGB zu. Darüber hinaus stehen dem stillen Gesellschafter zusätzlich auch die Rechte gem. § 118 HGB und § 51 a GmbHG zu.

4. Dem stillen Gesellschafter steht ein Vetorecht gegen die Beschlußfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses zu...

§ 9

1. Der stille Gesellschafter erhält auf sein stilles Beteiligungskapital eine garantierte Mindestverzinsung in Höhe von 15 % p.a. Diese erhält er auch, wenn die Inhaberin keinen Gewinn erwirtschaftet...

2. Der stille Gesellschafter ist ferner an dem Gewinn und Verlust der Inhaberin beteiligt.

4. ... Höchstens ist der stille Gesellschafter an dem Verlust bis zur Höhe seiner Einlage beteiligt.

§ 14

1. Bei Auflösung der stillen Gesellschaft hat der stille Gesellschafter Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens...

2. Bemessungsgrundlage für die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens ist eine auf den Stichtag durchgeführte Unternehmensbewertung. Die Bewertung des Unternehmens erfolgt nach dem Ertragswertverfahren...

§ 17

3. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; dies gilt auch für eine Änderung der Schriftformklausel.

Wegen des Wortlautes im einzelnen wird auf den Vertrag vom 18. Dezember 1996 Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin ihren Prozessvertretern den Vertragsentwurf zur Stellungnahme überreicht hatte, wiesen die Prozessvertreter mit Schreiben vom 9. Dezember 1996 darauf hin, es sei wünschenswert, den Vertrag in manchen Passagen eindeutiger und klarer zu formulieren, um klarzumachen, dass es sich um einen typischen stillen Beteiligungsvertrag handle. Insoweit formulierten sie einen Sideletter zur Konkretisierung der Auslegung des Vertragsentwurfs mit der Anregung, die vorgeschlagenen klarstellenden Formulierungen in den Vertrag aufzunehmen. Der Sideletter enthielt weiterhin folgenden Passus: "Soweit Sie, wovon wir ausgehen, keine Einwendungen gegen die Ausführungen unserer Anwälte haben, werten wir Ihr Schweigen auf diese Ausführungen insbesondere im Hinblick auf die Auslegungshilfe zu der Frage des Ausschließens der Beteiligung unseres Hauses an stillen Reserven und/oder am Firmenwert ... als Zustimmung zu dieser Auslegung, was uns ggf. auch reichen würde." Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Prozessvertreters und den Sideletter vom 9. Dezember 1996 Bezug genommen.

Eine Stellungnahme der R-GmbH bzw. der S-Gruppe erfolgte darauf nicht. Am 18. Dezember 1996 wurde der schriftliche Vertrag unterzeichnet.

Durch notarielle Urkunde vom 19. 12. 1996 erwarb die Klägerin eine Beteiligung am Stammkapital der R-GmbH in Höhe von 100.000 DM.

Der Gesellschaftsvertrag der R-GmbH enthält in § 10.2 folgende Regelung:

Der Gesellschafter H. hat, solange ein Vertragsverhältnis zwischen ihm und der Gesellschaft über eine stille Beteiligung besteht, kraft Sonderrecht das Recht, von den Gesellschaftern die Bestellung bzw. Abberufung eines von ihm bestimmten alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers zu verlangen...

Im übrigen wird auf den zu den Akten gereichten Vertrag verwiesen.

Die Eröffnung des Konkursverfahrens über die R GmbH wurde durch Beschluss des AG G-Stadt vom 4. September 1998 mangels Masse abgelehnt.

Laut der dem Finanzamt G-Stadt eingereichten Bilanz der R-mbH für 1996 (Tz. 14) wurde durch den Vertrag mit der H. vom 18. Dezember 1996 ein atypisch stilles Beteiligungsverhältnis begründet.

Der Beklagte vertrat im Anschluss an die Feststellungen einer bei der Klägerin durchgeführten steuerlichen Außenprüfung die Auffassung, es handle sich um einen atypisch stillen Beteiligungsvertrag. Der zunächst für 1997 festgestellte Verlustanteil von 600.000 DM wurde dem gewerblichen Gewinn wieder hinzugerechnet mit der Folge, dass sich ein positiver Gewerbeertrag ergab und ein Verlustvortrag auf 1998 bis 2002 entfiel.

Gegen die entsprechenden Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte zurückwies.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin trägt vor:

Dem Abschluss des stillen Beteiligungsvertrages seien langwierige Verhandlungen vorausgegangen. Kurz vor Unterzeichnung des Vertrages sei ihr ein Vertragsentwurf zugestellt worden, der aus ihrer Sicht nicht stringent formuliert gewesen sei. Ihr sei aber deutlich gemacht worden, dass der Entwurf inhaltlich und formell nicht mehr verhandelbar sei, wenn nicht der Vertragsabschluss scheitern solle. Daher sei man übereingekommen, der R-GmbH einen Sideletter zukommen zu lassen, der die Klarstellungen der aus Sicht der Vertragsbeteiligten zu unscharf formulierten Teile des Vertrages betroffen habe. Es sei verabredet gewesen, dass, soweit keine Erwiderungen auf den Sideletter, sonstige Erklärungen oder Formulierungen des Vertrages erfolgten, das Schweigen auf den Sideletter als Zustimmung zu dessen Inhalt sowie zu dem Inhalt der Stellungnahme der Anwälte der Klägerin, die diesem beigefügt war, zu gelten habe. Der Vertrag vom 18. Dezember 1996 sei dann unterschrieben worden, ohne dass ein Widerspruch erfolgt sei. Damit sei eindeutig ein typischer stiller Beteiligungsvertrag zustande gekommen. Durch die Regelung in § 5 des Vertrages entfalte der stille Gesellschafter keine unternehmerischen Initiativen. Er könne nicht aktiv Abläufe der Gesellschaft initiieren; es handle sich nur um passive Mitwirkungsrechte, die durch § 5 Abs. 4 des Vertrages in ihrer Wirkung reduziert würden. Nach § 17 des Vertrages könne die Klägerin jederzeit ihre Position ohne Zustimmung der R-GmbH auf einen Dritten übertragen. Die Klägerin als stille Gesellschafterin sei damit jederzeit auswechselbar gewesen. Sie sei lediglich als Finanzanleger betrachtet worden. Auch habe sie selbst kein Interesse gehabt, an unternehmerischen Aktivitäten der GmbH mitzuwirken. Nach § 10 des Vertrages habe die Klägerin nur beratend ohne Entscheidungsbefugnisse tätig sein können. Die verabredeten Auskunfts- und Einsichtsrechte begründeten ebenfalls keine Mitunternehmerschaft. Aus dem Sideletter werde deutlich, dass die Klägerin weder am Firmenwert noch an den stillen Reserven beteiligt sein sollte. Dies habe auch den mündlichen Vereinbarungen entsprochen. Die typische stille Beteiligung sei von der Gewährung eines Darlehens zu unterscheiden. Auch der typisch stille Beteiligte sei in der Regel am Verlust beteiligt. Die vereinbarte garantierte Mindestverzinsung von 15 % sei eindeutiges Indiz einer typisch stillen Beteiligung. Bis zur Beendigung der stillen Beteiligung sollte die Klägerin nicht an den Vermögenswerten der GmbH beteiligt sein. Nach § 10 des Vertrages sollte das der Klägerin zu zahlende Beratungshonorar auf die Garantieverzinsung anzurechnen sein. Das Honorar habe 72.000 EUR pro Jahr betragen. Die Mindestverzinsung habe im ersten Jahr weniger als 72.000 EUR betragen, danach 75.000 EUR. Die Beratung sollte nicht durch die Klägerin selbst, sondern eine externe Unternehmensberatungsgesellschaft erfolgen; die Honorare seien an diese weitergereicht worden. Die formal vereinbarte Mindestverzinsung sei damit durch die Zahlung von Beratungsleistungen neutralisiert worden. Im Ergebnis sei der Klägerin nur eine ergebnisabhängige Gewinnbeteiligung von 10 % bezogen auf ihre stille Einlage geblieben. Für 1996 und 1997 seien Verluste für die GmbH prognostiziert worden, für 1998 ein Gewinn von 765.000 DM. Zu dem Zeitpunkt hätte die GmbH über 350.000 DM Stammkapital und 500.000 DM stilles Kapital verfügt. Die stille Beteiligung der Klägerin hätte 58 % betragen. Ihre Gewinnbeteiligung wäre dagegen überproportional niedrig im Verhältnis zu anderen Gesellschaftern gewesen. Auch dies spreche gegen eine atypisch stille Beteiligung. Demgegenüber hätten der Klägerin auch keine übermäßig umfassenden operativen Mitwirkungsrechte zugestanden. Der Abfindungsanspruch richte sich laut § 14.2 des Vertrages nach einer Bewertung des Unternehmens im Ertragswertverfahren. Eine Beteiligung am Geschäftswert und den stillen Reserven der GmbH sei nicht vorgesehen. Die stillen Reserven würden nur bei einer Unternehmensbewertung im Substanzwertverfahren erfasst. Auch ein etwaiger Firmenwert werde vom Ertragswertverfahren nicht erfasst. Diesem komme aber bei einem Dienstleistungsunternehmen wie der GmbH eine erhebliche Bedeutung zu. Die GmbH verfüge nicht über wesentliches werthaltiges Anlagevermögen. Die Vertragspartner hätten die vermögensrechtlichen Interessen der Klägerin durch die 15%ige Garantieverzinsung als ausreichend und gut abgesichert angesehen. Die GmbH sei zudem vor Aufstockung ihres Kapitals und vor Leistung der stillen Einlage der Klägerin nahezu insolvent gewesen. Ein Jahr später sei Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Es seien ausschließlich Verluste produziert worden. Die Klägerin habe die Einlage überwiegend geleistet, um Verlustzuweisungen zu erhalten. Auch dies spreche für eine typische stille Beteiligung. Das zuständige Finanzamt der GmbH habe zu keiner Zeit eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung in Bezug auf die stille Beteiligung vorgenommen. Die Festsetzungsfrist sei insoweit abgelaufen. Dadurch sei auch der Beklagte an einer abweichenden rechtlichen Beurteilung gehindert.

Die Klägerin beantragt,

die einheitlichen Gewerbesteuermessbescheide für 1997 - 2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Der vorgetragene Sideletter sei nicht bekannt gewesen. Nach §§ 5 und 6 des Vertrages könne die Klägerin nicht unerheblichen Einfluss auf das Schicksal des Unternehmens nehmen und Mitunternehmerinitiative entfalten. Die Klägerin sei am Verlust und an den stillen Reserven beteiligt. In der Bilanz der GmbH sei ausdrücklich ausgeführt, dass ein atypisch stilles Beteiligungsverhältnis bestehe. Seitens der Feststellungen des Finanzamts G-Stadt bestünden keine Bindungswirkungen für die Festsetzungen der Gewerbesteuermessbeträge der Klägerin. So sei nach § 8 Nr. 3 GewStG eine gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung nicht Voraussetzung für eine Hinzurechnung.

Der Beklagte hat die Gewerbesteuermessbescheide 2000-2002 im Klageverfahren geändert.

Der Senat hat Beweis erhoben über die Einzelheiten des Abschlusses des Beteiligungsvertrages durch Vernehmung des Zeugen Dr. J.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 25. Oktober 2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Zu Recht ist der Beklagte vom Bestehen eines atypisch stillen Beteiligungsverhältnisses zwischen der Klägerin und der R-GmbH ausgegangen.

Die Frage, ob eine atypische oder eine typische stille Gesellschaft vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auf Grund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BFH Urteile vom 5.Juli 1978 I R 22/75, BFHE 125, 545, BStBl II 1978, 644; vom 22.Januar 1981 IV B 41/80, BFHE 132, 542, BStBl II 1981, 424). Entscheidend ist danach, welche Regelungen der Gesellschaftsvertrag im einzelnen enthält und welche rechtlichen und wirtschaftlichen Wirkungen diese Regelungen im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe seiner Besonderheiten haben (BFH Beschluss vom 2.September 1985 IV B 51/85, BFHE 144, 432, BStBl II 1986, 10; BFH Urteil vom 12.November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311; vom 5. Juni 1986 IV R 272/84, BFHE 147, 146, BStBl II 1986, 802; vom 22.Oktober 1987 IV R 17/84, BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62). Für die Auslegung eines Gesellschaftsvertrages gelten §§ 133, 157 BGB. Abzustellen ist danach nicht nur auf den Wortlaut, sondern auch auf den Sinn und Zweck des Vertrages und seine tatsächliche Handhabung durch die Gesellschafter (BFH vom 16. Dezember 2003 VIII R 6/93 BFH/NV 2004,1080).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Vertrag als atypisch stiller Beteiligungsvertrag auszulegen.

Eine atypisch stille Beteiligung liegt vor, wenn sich aus der gebotenen Gesamtwürdigung ergibt, dass der stille Gesellschafter auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages als Mitunternehmer anzusehen ist (BFH vom 18. Februar 1993 IV R 132/91 BFH/NV 1993,647). Dies ist hier der Fall.

Voraussetzung für eine Mitunternehmerschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil vom 22. August 2002 IV R 6/01 BFH/NV 2003,36 m.w.N.), dass der Beteiligte Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Mitunternehmerinitiative bedeutet dabei Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen zumindest in dem Umfang der Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines Kommanditisten nach den Regelungen des Handelsgesetzbuches (HGB). Die Informations- und Kontrollrechte müssen über die des typischen stillen Gesellschafters nach § 233 HGB hinausgehen. Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswerts vermittelt.

Erfüllt der stille Gesellschafter diese Voraussetzungen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse (sog. atypische stille Gesellschaft), besteht zwischen ihm und dem Inhaber des Handelsgewerbes eine Mitunternehmerschaft (BFH vom 22. August 2002 aaO.).

Im Streitfall standen der Klägerin nach dem Vertrag vom 18. Dezember 1996 weitreichende Mitwirkungsrechte zu, die es ihr ermöglichten, Mitunternehmerinitiative zu entfalten. Nach § 6 waren ihr über die gesetzlichen Informations- und Kontrollrechte gemäß § 233 HGB hinaus zusätzlich die Rechte nach § 118 HGB und § 51 a GmbHG eingeräumt. § 118 HGB entspricht der Regelung des § 716 BGB. Die durch § 716 BGB gewährten Rechte reichen nach der Rechtsprechung des BFH bereits aus, um eine Mitunternehmerinitiative bejahen zu können (BFH vom 5. Oktober 1989 IV R 120/87 BFH/NV 1991,319; vom 31. August 1999 VIII R 21/98 BFH/NV 2000,293; vom 22. August 2002 IV R 6/01 BFH/NV 2003,36). In § 5 des Vertrages war zudem ein Zustimmungsvorbehalt zu bestimmten Maßnahmen und Rechtsgeschäften zu Gunsten der Klägerin vereinbart. Der Klägerin stand nach § 6 Ziff. 4 ein Vetorecht bezüglich der Beschlussfassung über den Jahresabschluss zu. Darüber hinaus ist bei der Beurteilung des Ausmaßes der Mitunternehmerinitiative nicht ausschließlich auf die dem Gesellschafter unmittelbar durch den Gesellschaftsvertrag zustehenden Rechte abzustellen; vielmehr sind auch sonstige Umstände einzubeziehen (BFH vom 31. August 1999 VIII R 21/98 BFH/NV 2000,555 w.w.N.). Einen insoweit erheblichen Umstand sieht die Rechtsprechung des BFH darin, dass der (stille) Gesellschafter als alleiniger Geschäftsführer der GmbH aufgrund dieser Stellung in besonders großem Umfang Mitunternehmerinitiative entfalten kann (BFH vom 31. August 1999 aaO.; vom 16. Dezember 1997 VIII R 32/90 BFHE 185,190 BStBl II 1998,480). Im hier zu beurteilenden Fall war die Klägerin zwar nicht Geschäftsführerin der R-GmbH. Sie hatte sich aber durch Vertrag vom 19. Dezember 1996 als Gesellschafterin an dieser beteiligt und nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH (§ 10.2) "kraft Sonderrecht das Recht, von den Gesellschaftern die Bestellung bzw. Abberufung" eines von ihr bestimmten alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers zu verlangen. Kraft dieser Vereinbarung stand der Klägerin damit die Befugnis zu, unmittelbar auf die Geschäftsführung der GmbH Einfluss zu nehmen und deren unternehmerische Entscheidungen zu lenken.

Der Klägerin traf darüber hinaus auch ein Mitunternehmerrisiko. Sie war nach § 9 des Beteiligungsvertrages am Gewinn und Verlust beteiligt und hatte nach § 14 bei Auflösung der stillen Gesellschaft einen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Eine Beschränkung der Verlustbeteiligung auf die Einlage ist dabei unschädlich (BFH vom 22. August 2002 IV R 6/01 BFH/NV 2003,36). Allerdings ist der Gewinn nach § 9.3 begrenzt auf 25 % der stillen Einlage, wobei die Mindestverzinsung nach § 9.1 von 15 % anzurechnen ist. Insoweit ist das Mitunternehmerrisiko eher schwächer ausgeprägt (vgl. FG Düsseldorf vom 14. Dezember 1998 3 K 1269/91 G n.v.). Anders als in dem dort entschiedenen Fall stand hier der Klägerin allerdings ein Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben zu, wobei Bemessungsgrundlage eine auf den Stichtag durchgeführte Unternehmensbewertung nach dem Ertragswertverfahren sein sollte. Nach Auffassung des Senats kann dahinstehen, ob die Berechnung nach dem Ertragswertverfahren für die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien zur Beurteilung des Mitunternehmerrisikos ausreicht. Denn die Kompensation eines schwach ausgebildeten Unternehmerrisikos durch eine besonders stark ausgeprägte Unternehmerinitiative ist durch die Rechtsprechung des BFH anerkannt (vgl. BFH vom 31. August 1999 VIII R 21/98 BFH/NV 2000,555 m.w.N.). Ein damit vergleichbarer Fall liegt hier vor. Die Klägerin war zwar nicht selbst Geschäftsführerin der R-GmbH. Durch ihre unmittelbare Beteiligung an der GmbH und das ihr in deren Gesellschaftsvertrag eingeräumte "Sonderrecht" - welches offenbar nur der Klägerin, nicht den anderen Gesellschaftern der GmbH zugestanden war - , die Bestellung oder Abberufung eines von ihr bestimmten alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers zu verlangen, stand der Klägerin eine derart weitreichende Unternehmerinitiative zu, dass das schwach ausgeprägte Unternehmerrisiko nicht entscheidungsrelevant ist.

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das Schreiben ihrer Prozessvertreter vom 9. Dezember 1996 und den Sideletter vom gleichen Tag die Ansicht vertritt, es sei von der Vereinbarung einer typisch stillen Beteiligung auszugehen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar können auch außerhalb der eigentlichen Vertragsurkunde liegende Umstände in deren Auslegung einbezogen werden. Die Umstände des Vertragsabschlusses, die der Zeuge Dr. J. geschildert hat, und der Sideletter selbst geben aber keinen Anlass, die in dem schriftlichen Vertrag niedergelegten Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit - anders als oben ausgeführt - als Vertrag über eine typisch stille Gesellschaft zu werten. Nach der Aussage des Zeugen hatte die R-GmbH den von ihm übersandten Vertragsentwurf in einigen Punkten geändert und darauf hingewiesen, dass dieser Vertrag nicht mehr verhandelbar sei, er könne nur so und nicht anders abgeschlossen werden. Der Prozessvertreter der Klägerin bezeichnete in der mündlichen Verhandlung selbst den Vertragstext als misslungen und sah - was der Zeuge bestätigt hat - aus Zeitgründen jedoch keine andere Möglichkeit als die der Formulierung des Sideletters, um die von ihm vorhergesehenen Probleme bei der Auslegung des Vertrages in steuerrechtlicher Hinsicht zu vermeiden. Weder aus dem Inhalt dieses Sideletters noch dem nachfolgenden Geschehen ergibt sich indes, dass ein Vertrag über eine typisch stille Beteiligung abgeschlossen wurde. Der Sideletter regt zum einen an (Seite 3 Absatz 3), eine inhaltliche Klarstellung vorzunehmen, "zumindest beide Vertragsparteien sich auch nochmals klar darüber werden sollten, daß ein typisch stiller Beteiligungsvertrag gewollt ist". Zum anderen führt er aus: "Wir hielten es für besser, wenn die entsprechenden, durch unsere Anwälte empfohlenen Passagen in den Vertrag explizit hineingeschrieben würden, um ein für allemal jegliche Auslegungsprobleme zwischen uns zu vermeiden". Daraus kann nicht entnommen werden, dass es dem beiderseitigen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien entsprach, einen Vertrag über eine typische stille Beteiligung abzuschließen, zumal der Wortlaut des daraufhin am 18. Dezember 1996 unterzeichneten Vertrages für eine atypisch stille Beteiligung spricht. Der Sideletter ist auch nicht etwa an die Vertragsurkunde angeheftet oder von beiden Vertragsparteien abgezeichnet worden. Er hat damit nicht zur Folge, dass die darin enthaltenen einseitigen Vorstellungen der Klägerin Vertragsinhalt geworden sind. Diese, von der Klägerin behauptete, Rechtsfolge ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (§ 362 HGB). Denn nur wenn die im Bestätigungsschreiben enthaltene Ergänzung konsensfähig ist, wird sie durch das Schweigen des Empfängers verbindlich (K. Schmidt Handelsrecht 5. Aufl. S. 575). Dafür liegen hier aber gerade keine Anhaltspunkte vor. Die Gegenseite, die R-GmbH, drängte auf Abschluss des Vertrages in der von ihr redigierten Fassung und war zu weiteren Verhandlungen - aus welchen Gründen auch immer - nach Bekundung des Zeugen nicht bereit.

Auch aus den zivilrechtlichen Grundsätzen zum sog. letter of intent ergibt sich keine Verbindlichkeit des Sideletters. Als die bloße Bekräftigung der Absicht eines späteren Vertragsabschlusses gibt ein solches Dokument in der Regel lediglich einen bestimmten Verhandlungsstand wieder und bildet die Grundlage für weitere Verhandlungen. Dies bedeutet, dass die Verhandlungen - wie für die Annahme einer Einigung erforderlich - gerade noch nicht abgeschlossen sind (vgl. auch FG München vom 17. Februar 1998 7 V 3338/97 EFG 1998,990).

Vom Inhalt des schriftlichen Vertrags abweichende mündliche Vereinbarungen sind vorliegend zudem auch deshalb unerheblich, weil nach § 17.3 des Vertrages Änderungen und Ergänzungen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen; dies soll auch für Änderungen der Schriftformklausel gelten. Die Klausel bezweckt, eine Aushöhlung der Schriftformvereinbarung durch Bindung der Vertragspartner an abweichende mündliche Erklärungen zu verhindern. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH Urteil vom 2. Juni 1976 VIII ZR 97/74 BGHZ 66,378 MDR 1976,925) bestehen rechtliche Bedenken gegen eine solche Regelung dann nicht, wenn sie - wie hier - unter Kaufleuten in einem Individualvertrag getroffen wird. Aus dem Schriftformerfordernis ergibt sich (vgl. § 126 BGB), dass bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen muss; eine einseitige - auch schriftliche - Erklärung einer Vertragspartei reicht gerade nicht aus.

Maßgeblich für die Beurteilung des vereinbarten Beteiligungsverhältnisses ist daher ausschließlich der schriftlich abgeschlossene Vertrag vom 18. Dezember 1996 in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag der R-GmbH. Danach liegt im Streitfall - wie oben ausgeführt - eine atypisch stille Beteiligung vor. Dementsprechend ist auch in der Bilanz der R-GmbH für 1996 die Beteiligung als atypisch still bezeichnet. Die Tatsache, dass das Finanzamt G-Stadt keine einheitliche und gesonderte Feststellung für die atypisch stille Gesellschaft durchgeführt hat, ist für die hier vorzunehmende Beurteilung der Gewerbesteuerpflicht irrelevant.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.



Ende der Entscheidung

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