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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.04.2007
Aktenzeichen: 7 K 4756/06 AO
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 93 Abs. 7
AO § 93b Abs. 1
AO § 93b Abs. 2
FGO § 40 Abs. 1
FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

7 K 4756/06 AO

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger betreibt eine Handelsvertretung. Mit einer Prüfungsanordnung vom 25.1.2006 ordnete der Beklagte eine Außenprüfung für Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 2001 - 2003 an. Dem Beklagten war bekannt geworden, dass der Kläger bei der Volksbank L-Stadt ein Sparkonto unterhielt, auf dem seit dem Jahr 2002 Auslandschecks eingereicht wurden. Die Prüfung wurde am 10. April 2006 begonnen. Der Prüferin wurde das Konto Nr. 12345678 bei der Sparkasse L-Stadt vorgelegt. Sie stellte fest, dass die auf dem Konto bei der Volksbank eingegangenen Beträge nicht in der Buchführung des Klägers erfasst waren. Am 13. April 2006 wurde gegen den Kläger ein Strafverfahren eröffnet. Am gleichen Tag leitete der Beklagte ein Kontenabrufersuchen nach § 93 Abs. 7 i.V.m. § 93 b AO ein. Es wurde mit Schreiben des Bundeszentralamtes für Steuern vom 9. Mai 2006 beantwortet, in dem mehrere Konten des Klägers aufgeführt sind. Dem Kläger wurde unter dem 19. Juni 2006 mitgeteilt, dass ein Kontenabrufverfahren durchgeführt worden sei. Er legte hiergegen Beschwerde ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 7. November 2006 als unbegründet zurückwies.

Der Kläger hat am 6. Dezember 2006 Klage erhoben.

Er trägt vor, der Beklagte habe das Auskunftsersuchen durchgeführt, ohne die gesetzlichen Voraussetzungen zu beachten. Hierzu gehöre insbesondere ein Anfrage an den Steuerpflichtigen, die nicht zum Ziel geführt habe oder keinen Erfolg verspreche. Dieses Erfordernis sei nach dem Stand vom 19. Juni 2006 nicht gegeben gewesen. Er beantrage die Vertagung der Sache. Da ihm erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung in einem Telefonat mit dem Berichterstatter mitgeteilt worden sei, die Klage sei möglicherweise unzulässig, habe ihm die Zeit für einen substantiierten Sachvortrag gefehlt.

Der Kläger beantragt,

die Sache zu vertagen,

hilfsweise,

die Unzulässigkeit des Kontenabrufverfahrens festzustellen.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Er trägt vor, die Klage sei bereits unzulässig. Ihr fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger und der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätten vor Durchführung des Kontenabrufverfahrens erklärt, alle Konten vorgelegt zu haben, auf denen Betriebseinnahmen vereinnahmt worden seien. Gegenständlich sei allein ein Kontenabruf der Stufe 1, also der Kontenstammdaten. Dieser eigne sich nicht zu einer Auswertung in einem Steuerbescheid, weil weitere Maßnahmen erforderlich seien, etwa ein weiteres Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen oder ein Kontenabruf der zweiten Stufe. Letztere Maßnahmen stellten Verwaltungsakte dar, die ihrerseits angefochten werden könnten. Die Klage sei zudem unbegründet. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 7 AO seien erfüllt. Der Kläger habe trotz Anfrage der Prüferin nicht alle Konten vorgelegt, auf denen betriebliche Einkünfte vereinnahmt worden waren.

Entscheidungsgründe:

Gründe für eine Vertagung der mündlichen Verhandlung bestehen nicht. Der Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung vom 11. Januar 2007 ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Dem Kläger blieb daher ausreichend Zeit, zu dieser Rechtsfrage Stellung zu nehmen.

Die Klage ist unzulässig.

Gegen den Kontenabruf gemäß § 93 Abs. 7 AO kommt im Streitfall eine auf dessen Aufhebung gerichtete Anfechtungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kontenabruf bereits erfolgt ist und sich damit erledigt hat. Aus diesem Grund kann hier auch dahinstehen, ob der Steuerpflichtige sich gegen einen bevorstehenden Kontenabruf mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage wenden kann (vgl. AEAO § 93 Nr. 2.9).

Nach Erledigung eines Verwaltungsaktes kommt lediglich eine sog. Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht, die darauf gerichtet ist, dass das Gericht nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes feststellt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage scheidet jedoch gegen einen Kontenabruf aus. Denn dieser stellt keinen Verwaltungsakt dar. Das Vorliegen eines Verwaltungsaktes setzt eine Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen voraus. Zweifelhaft ist bereits, ob der Abruf Regelungscharakter hat. Denn eine Regelung liegt nur vor, wenn durch die Maßnahme eine Rechtsfolge angeordnet wird. Der Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO beinhaltet lediglich einen automatisierten Datenabruf der Kontenstammdaten des Steuerpflichtigen über das Bundeszentralamt für Steuern (§ 93 b Abs. 2 AO). Die Führung der entsprechenden Dateien durch die Kreditinstitute wird in § 93 b Abs. 1 AO vorgeschrieben, der Inhalt dieser Dateien ist in § 24 c Abs. 1 KWG geregelt. Das Ersuchen der zuständigen Finanzbehörde an das Bundeszentralamt für Steuern stellt damit einen Vorgang dar, der keine Rechtsfolge anordnet. Darüber hinaus fehlt es an der für einen Verwaltungsakt erforderlichen unmittelbaren Rechtswirkung nach außen. Die Verpflichtung der Kreditinstitute zur Führung der entsprechenden Dateien ist gesetzlich geregelt und ergibt sich nicht aus dem jeweiligen Kontenabruf als solchem. Der Datenabruf bei dem Bundeszentralamt für Steuern ist ein bloßer verwaltungsinterner Vorgang. Gegenüber dem Steuerpflichtigen selbst führt der Kontenabruf keinerlei Rechtswirkung herbei. Erst aufgrund der mitgeteilten Stammdaten wird das Finanzamt in die Lage versetzt, gezielt Ermittlungen bezüglich der jeweiligen Konten anzustellen; hierzu hat es sich nach § 93 Abs. 1 AO an den Steuerpflichtigen zu wenden. Dass dieses Auskunftsersuchen - auf der "zweiten Stufe" - einen Verwaltungsakt darstellt, ist unstreitig (vgl. AEAO § 93 Nr. 1.9; Tipke/Kruse § 93 AO Tz. 34).

Eine Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1, 1. Alt. FGO kommt gegen den Kontenabruf ebenfalls nicht in Betracht. Denn nach § 41 Abs. 2 FGO ist die Feststellungsklage subsidiär, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Dies ist vorliegend der Fall. Sowohl das dem Kontenabruf erster Stufe nachfolgende Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen ( zweite Stufe des Abrufverfahrens ) als auch die Steuerbescheide, die die Erkenntnisse des Kontenabrufs umsetzen, stellen Verwaltungsakte dar. Gegen diese kann der Steuerpflichtige sich mit Einspruch und Anfechtungsklage wenden und ein Verwertungsverbot bezüglich der im Kontenabruf der ersten Stufe gewonnenen Erkenntnisse geltend machen. Soweit im Einzelfall ein Verwertungsverbot gegenüber den geänderten Bescheiden nicht gerügt werden kann, wenn die Änderung auf § 164 Abs. 2 AO beruht, weil die geänderten Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, ist der Steuerpflichtige jedenfalls deshalb nicht rechtsschutzlos, weil er bereits gegenüber dem an ihn gerichteten Auskunftsersuchen die Rechtswidrigkeit des diesem Ersuchen zugrunde liegenden Kontenabrufs einwenden kann. Diese Möglichkeit der Anfechtungsklage schließt eine Feststellungsklage nach § 41 FGO hier aus. Zudem fehlt es an dem für die Erhebung der Feststellungsklage erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse. Denn, wie oben ausgeführt, stellt der Kontenabruf auf der ersten Stufe keine den Steuerpflichtigen unmittelbar belastende Maßnahme des Finanzamtes dar.

Im Streitfall ist es auch weder von Verfassungs wegen geboten noch unbillig, dass dem Kläger gegen den erfolgten Kontenabruf keine Klagemöglichkeit zusteht.

Soweit der AEAO § 93 Nr. 2.9 auf die Entscheidung des BVerfG (4. 2. 2005 2 BvR 308/04) verweist, folgt hieraus nicht, dass gegen den Kontenabruf im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG Rechtsschutz durch eine (Anfechtungs- oder Feststellungs-)klage gewährt werden muss.

Das BVerfG führt aus, dass schwerwiegende Grundrechtseingriffe gerichtlich geklärt werden können, wenn deren direkte Belastung sich auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in dem von der maßgeblichen Prozessordnung vorgesehenen Verfahren kaum erlangen kann; auf diese Weise ist die nachträgliche gerichtliche und verfassungsgerichtliche Überprüfung eröffnet gegenüber Anordnungen einer Wohnungsdurchsuchung (Art. 13 Abs. 1 und 2 GG) (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>) und einer Freiheitsentziehung (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 2 und 3 GG) (vgl. BVerfGE 104, 220 <233>), gegenüber der besonders einschneidenden Art und Weise der Durchführung einer Freiheitsentziehung, wenn eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) oder objektive Willkür in Frage stehen (Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 -, NJW 2002, S. 2699 <2700> , vom 13. März 2002 - 2 BvR 261/01 -, NJW 2002, S. 2700 <2701> undvom 8. April 2004 - 2 BvR 1811/03 -, NStZ-RR 2004, S. 252 <253> ) und auch gegenüber der Anordnung einer Auskunft über die Telekommunikation. Im Streitfall sind die aufgeführten Grundrechte nicht betroffen. Unmittelbare Auswirkungen auf die Besteuerung des Klägers und damit auf seine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG hat der Kontenabruf als solcher nicht; Folgerungen aus dem Kontenabruf können erst durch das Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen und die sich eventuell anschließenden Steuerbescheide ergeben, gegen die der Kläger jeweils mit Rechtsbehelfen vorgehen kann. Zudem stehen sowohl Art. 2 Abs. 1 GG als auch Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze und enthalten - anders als die vom BVerfG angegebenen Grundrechte - keine weiteren Eingriffsschranken.

Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, ob eine Klage zulässig ist, mit der die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Kontenabrufsersuchens begehrt wird, grundsätzliche Bedeutung hat, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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