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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: 7 K 6425/04 G
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 18 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

7 K 6425/04 G

Tenor:

Die Gewerbesteuermessbescheide 1995 - 1999 vom 26.09.2003 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2004 werden aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin eröffnete 1981 in L-Stadt ein Tanzatelier unter der Firmierung "ABC". 1998 wurde die Firmenbezeichnung in "ABC-Fitness" umgeändert. In dem Tanzatelier werden verschiedene Tanz- und Fitnesskurse angeboten. Die Kurse fanden montags bis freitags von 9.15 Uhr bis 11.45 Uhr und von 14.45 Uhr bis 21.45 Uhr statt. Das Studio hat zwei Tanzräume, zwei Umkleiden, einen Aufenthalts-/Thekenbereich und ein Büro. Das Kursangebot umfasste in den Jahren 1995 bis 1999 Ballett, Jazztanz, Kindertanz, Aerobic und Steptanz, ab 1997 zusätzlich Callanetics, ab 1998 zusätzlich Spinning und Pump. Mitte 1998 wurde ein Tanzraum in zwei kleinere Räume aufgeteilt, der abgeteilte Raum wurde mit Spinning-Rädern belegt. Die Klägerin verfügt über eigene Fachkenntnisse in allen angebotenen Kursen. Zur Durchführung der Kurse bedient sie sich fachlich vorgebildeter Mitarbeiter (Arbeitnehmer im festen Anstellungsverhältnis, Aushilfen und freie Mitarbeiter). Die Kursdauer beträgt jeweils 60 Minuten, die Pausen zwischen den Kursen betragen 15 Minuten. Ausweislich des eingereichten Kursprogramms für die Zeit ab Dezember 2002 werden vormittags nacheinander zwei Kurse abgehalten, ab 15 Uhr idR 2-3 Kurse parallel.

Die Klägerin hat Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erklärt. Aufgrund der Feststellungen einer steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 1995 bis 1999 (Prüfungsanordnung für 1997-1999 aus dem Jahr 2001, für 1995-1996 aus dem Jahr 2002) vertrat der Beklagte die Ansicht, die Klägerin sei gewerblich tätig.

Der Beklagte erließ am 26. 10. 2003 erstmalig entsprechende Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre, gegen die die Klägerin Einspruch einlegte. Zur Begründung trug sie vor, die nicht von ihr persönlich geleiteten Kurse würden von ihr regelmäßig überwacht, und zwar pro Kurs 20 Minuten lang. In den Pausen bleibe Zeit für Besprechungen. Bei gleichzeitig stattfindenden Kursen werde der Übungsstand durch gegenseitiges Vortanzen überprüft, wobei notwendige Korrekturen vorgenommen würden. Vor den Kursen erfolgten klare Absprachen mit den Mitarbeitern über Kursinhalt und Lehrplan. Die Zeit zwischen 11.30 Uhr und 15 Uhr werde für organisatorische Arbeiten und Trainerbesprechungen genutzt. Jeder neue Teilnehmer erhalte eine persönliche Beratung durch die Klägerin. Sie sei über vorhandene Vorkenntnisse oder körperliche Beeinträchtigungen informiert. Die Kurse würden von den Teilnehmern ca. 1-2 mal wöchentlich besucht. Die Theke sei immer besetzt, damit die Klägerin im Unterricht präsent sein könne. Sie kenne die Stärken und Schwächen der Lehrer und setze sie dementsprechend ein.

Der Beklagte wies den Einspruch zurück und führte aus, es fehle an einer eigenverantwortlichen Tätigkeit. Im Jahr 2002 - für die Vorjahre fehle es an genauen Angaben - habe die Klägerin nur 10,5 % der Kurse selbst unterrichtet. Bei der Anzahl der Kunden von über 700 Personen könne von einer für die unterrichtende Tätigkeit charakteristischen Beziehung zum Schüler nicht ausgegangen werden.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin trägt vor:

Es seien im Durchschnitt in 1995 45-55 Kursstunden angeboten worden, 1996 40-51 Stunden, 1997 44-55 Stunden, 1998 44-54 Stunden und 1999 44-54 Stunden, wobei je nach Nachfrage Schwerpunkte gebildet würden. Die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer habe unter 40 Stunden gelegen. Die Aushilfen seien teilweise nur für 1-3 Stunden wöchentlich eingeteilt. Auch die freiberuflichen Mitarbeiter seien nur zu bestimmten Zeiten beschäftigt gewesen. Einige Mitarbeiter seien nur für die Theke, die Kinderbetreuung, Bürotätigkeit zuständig gewesen. Im Durchschnitt seien 1995 25-30 Stunden von Mitarbeitern und 20-25 Stunden von der Klägerin abgehalten worden, 199616-20 von der Klägerin und 24-31 von Mitarbeitern, 1997 15-20 von der Klägerin und 29-35 von Mitarbeitern, 1998 12-16 von der Klägerin und 32-38 von Mitarbeitern und 1999 10-12 von der Klägerin und 37-40 von Mitarbeitern. Das Programm für 2002 sei nur bedingt mit dem der Vorjahre vergleichbar. Das Abhalten von drei gleichzeitigen Kursen habe sich erst durch den Umbau 1998 ergeben. Die überwiegende Zahl der Schüler sei Stammkunden. Die Klägerin könne auf Schulung und Entwicklung jedes Schülers eingehen. Bei Minderjährigen werde zunächst durch die Klägerin ein Gespräch mit den Eltern geführt, um Ziele und Fähigkeiten des Kindes herauszufinden. Nach einer Probestunden werde der Schüler aufgenommen. Bei kleineren Kindern folge idR eine Tanzausbildung, die bis in das Erwachsenenalter andauere. Mit neun Jahren werde die Entscheidung getroffen, ob die weitere Ausbildung im klassischen oder modernen Tanz erfolge.

Die Klägerin beantragt,

die Gewerbesteuermessbescheide 1995 - 1999 vom 26. 9. 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 22. 10. 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor,

Ein Nachweis der tatsächlich gegebenen Stunden fehle, die Angaben hierzu differierten. Im übrigen bezieht sich der Beklagte auf die Einspruchsentscheidung.

Auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen über die Beschäftigungszeiten der Mitarbeiter wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Die Klägerin hat in den Streitjahren keinen Gewerbebetrieb unterhalten.

Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als andere selbständige Arbeit anzusehen ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Denn die Klägerin war freiberuflich i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig.

Der Betrieb des Tanz- und Fitnessstudios stellte in den Streitjahren eine unterrichtende Tätigkeit dar, nämlich die Vermittlung von Fähigkeiten durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form (BFH Urteil vom 11. Juni 1997 XI R 2/95, BFHE 183,450, BStBl II 1997,687; Schmidt/Wacker § 18 EStG Rz. 83). Diese Voraussetzung ist im Streitfall zunächst für den Bereich des Tanzunterrichtes (klassisches Ballett und Jazztanz für Erwachsene und Kinder) erfüllt. Im klassischen Ballett wird mit Mitteln aus Musik, Tanz, Körpersprache, Mimik und Kostümen eine Geschichte erzählt. Die Vermittlung der verschiedenen Tanzpositionen und Figuren des klassischen Balletts setzt unzweifelhaft eine fachliche Anleitung voraus; die Fähigkeit, einmal bei einer Ballett-Tanzvorstellung mitzuwirken, verlangt ständiges Training unter der Aufsicht und Weisung des Lehrers. Jazztanz ist eine Form des zeitgenössischen Gesellschafts- und Kunsttanzes, wobei hier Elemente des Balletts, des Modern Dance und des Step-Tanzes integriert sind. In der Tanzschule der Klägerin werden diese Fähigkeiten an Anfänger und Fortgeschrittene mit jeweils entsprechenden Schwierigkeitsgraden vermittelt; Tanzgruppen des Studios treten bei unterschiedlichen Anlässen auch öffentlich auf (vgl. Westdeutsche Zeitung aus 2006).

Bei einem "Fitnessstudio" liegt eine unterrichtende Tätigkeit dann vor, wenn der Studioinhaber für jeden Kursteilnehmer ein individuelles Trainingsprogramm entwirft, dieses mit dem Teilnehmer bespricht, die zu trainierenden Muskeln und Muskelgruppen erklärt, Anleitungen zur richtigen Körperhaltung bei den Übungen gibt, das Training während der gesamten Vertragsdauer überwacht und durch kritische Äußerungen und Anregungen begleitet sowie nötigenfalls Übungen ändert. Dagegen fehlt es an einer unterrichtenden Tätigkeit dann, wenn sich die persönliche Betreuung der Kunden im wesentlichen auf die Einweisung in die Handhabung der Geräte und die Überwachung des Trainings in Einzelfällen beschränkt (BFH vom 13. Januar 1994 IV R 79/92 BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362). Im hier zu beurteilenden Fall steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im Betrieb der Klägerin in den Streitjahren die Voraussetzungen für eine unterrichtende Tätigkeit gegeben waren. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass sie mit jedem Kursteilnehmer ein individuell angepasstes Trainingsprogramm besprochen und in der Folgezeit kontrolliert hat, ob dieses Programm für ihn geeignet oder ggf. durch anderes Training zu ersetzen war. In den Streitjahren bis 1997 hat sie - neben dem Tanzunterricht - zunächst nur Aerobic angeboten, dessen einzelne Übungen eine Mischung aus klassischer Gymnastik und freiem Tanz darstellen, je nach Leistungsstand der Zielgruppe sind aber auch komplizierte Bewegungsmuster mit variierenden Raumwegen und Drehungen möglich. Geräte werden hierbei nicht eingesetzt; das Training setzt die ständige Anleitung und Überwachung eines Lehrers und Fehlerkorrektur voraus. Ab 1997 wurde zusätzlich Callanetics angeboten, ein Gymnastik-Programm, das vor allem die Tiefenmuskulatur stärken soll. Auch diese Übungen bedürfen, um wirksam und richtig ausgeführt zu werden, der genauen Anleitung und ständigen Kontrolle. Sogenannte Fitnessgeräte werden auch hierbei nicht eingesetzt. Erst Ende 1998 wurde ein dritter Raum abgeteilt und mit Spinning-Rädern ausgestattet. Beim Spinning wird auf speziellen Fahrrädern mit Musik auf gelenkschonende Weise trainiert, wobei es mehrere Grundtechniken gibt. Der Trainer gibt die Gestaltung der jeweiligen Einheiten - i.d.R. bestehend aus Einfahren, eigentlichem Training, Ausfahren und Stretching - je nach Leistungsstand des Kunden vor, unterweist ihn in der Technik und kontrolliert die Umsetzung. Maßgeblich für das Training ist hierbei nicht in erster Linie die mechanische Betätigung eines Gerätes zum Zweck des Kraft- oder Ausdauertrainings, die nach einmaliger Einweisung in die Handhabung des Gerätes auch ohne Aufsicht vom jeweiligen Kunden durchgeführt werden kann, sondern der für die jeweilige Trainingseinheit vom Trainer ausgearbeitete Parcours und dessen Bewältigung durch Anfänger bzw. Fortgeschrittene unter kontrollierter Anleitung. Bei dem weiterhin angebotenen "Pump" handelt es sich um Gymnastikübungen, deren Wirkung durch den Einsatz von Gewichten verstärkt werden soll. Hier ist, wie die Klägerin glaubhaft ausgeführt hat, auf Grund der Gefahr fehlerhafter Muskelbelastung und dadurch bedingter Verletzungen ebenfalls eine individuelle Anleitung und Überwachung notwendig.

Die unterrichtende Tätigkeit hat die Klägerin auch leitend und eigenverantwortlich durchgeführt. Nach § 18 Abs. 1 Satz 3 EStG ist ein Angehöriger eines freien Berufes auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eine leitende Tätigkeit liegt vor, wenn der Berufsträger die Grundzüge für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und für die Durchführung der Tätigkeiten festlegt, die Durchführung der Tätigkeiten unter Beachtung der aufgestellten Grundsätze überwacht und grundsätzliche Fragen selbst entscheidet; eigenverantwortlich ist die Tätigkeit dann, wenn er seine Arbeitskraft in einer Weise einsetzt, die es ihm ermöglicht, uneingeschränkt die fachliche Verantwortung auch für die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen zu übernehmen; dabei muss die persönliche Teilnahme an der praktischen Arbeit in ausreichendem Maße gewährleistet sein (Schmidt/Wacker § 18 EStG Rz. 24, 25; BFH vom 5. Juni 1997 IV R 43/96 BFHE 183,424, BStBl II 1997,681). Die Anforderungen an eine eigenverantwortliche Tätigkeit sind unterschiedlich je nach der Art der Betätigung zu bestimmen. Die Arbeitsleistung muss den "Stempel der Persönlichkeit" des Steuerpflichtigen tragen (vgl. BFH vom 1. Februar 1990 IV R 140/88, BFHE 159, 535, BStBl II 1990, 507).

Unter Beachtung dieser Grundsätze war die Klägerin zumindest in den Streitjahren leitend und eigenverantwortlich tätig. Dem steht nicht entgegen, dass sie sich mehrerer Mitarbeiter bedient hat. Nach der im Termin eingereichten Aufstellung beschäftigte sie 1995 15, 1996 21 und danach 24 Mitarbeiter; hiervon waren 6-7 Mitarbeiter für Büro, Organisation, Theke, Empfang, Kinderbetreuung zuständig, also nicht in die eigentlich unterrichtende Tätigkeit eingebunden, im Jahr 1999 waren 5 Mitarbeiter nur vertretungsweise gelegentlich eingesetzt, wenn andere feste Mitarbeiter ausfielen. Der Anteil der von der Klägerin selbst erteilten Kurse lag 1995 bei rund 45 %, danach bei durchschnittlich 30 %. Nach ihrer Schilderung der Arbeitsabläufe, die das Gericht auf Grund des persönlichen Eindrucks von der Klägerin für glaubhaft und überzeugend hält, hat sie den Inhalt der jeweiligen Kurse selbst bestimmt und in regelmäßig stattfindenden Mitarbeiterbesprechungen festgelegt. Sie verfügte auf Grund ständiger Fortbildung über eigene Fachkenntnisse in sämtlichen angebotenen Kursen. Sie hat die Kunden bei der Wahl der Kurse beraten und ihre Fortschritte beobachtet. Die Durchführung der Kurse und das Training bestimmter, von ihr vorgegebener Übungen durch die Mitarbeiter hat sie überwacht, und zwar sowohl während der Kurse selbst als auch durch Videoaufzeichnungen. Angesichts dessen wäre eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Klägerin gar nicht möglich gewesen, wenn sie selbst mehr als die von ihr durchgeführten Kurse persönlich übernommen hätte, denn sie benötigte ihre Arbeitszeit im übrigen zur individuellen Beratung der Kunden sowie zur regelmäßigen Anleitung und Überwachung der Mitarbeiter.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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