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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 8 K 3089/05 Verk
Rechtsgebiete: KraftStG, InsO


Vorschriften:

KraftStG § 7
InsO § 35
InsO § 80 Abs. 1
InsO § 103 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn "H" (Schuldner). Der Schuldner war Inhaber einer Spedition in "O-Stadt". Mit Beschluss vom 01. Dezember 2003 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren vier Lkw-Anhänger für den Schuldner zum Verkehr zugelassen, die dieser aufgrund von mit der Fa. "D" abgeschlossenen Mietkaufverträgen nutzen konnte. Die Lkw-Anhänger wurden am 29. März 2004 auf einen anderen Halter umgemeldet. Mit vier Bescheiden vom 21. April 2004 setzte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) für die Zeit vom 01. Dezember 2003 bis 29. März 2004 gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter Kraftfahrzeugsteuern für die Anhänger fest. Die festgesetzten Steuern für die vier Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen "X-XX 1", "X-XX 2", "X-XX 3" und "X-XX 4" betrugen 290 € ("X-XX 1"), 247 € ("X-XX 2" und "X-XX 3") sowie 290,60 € ("X-XX 4").

Gegen die vier Steuerbescheide legte der Kläger Einsprüche ein, zu deren Begründung er ausführte, die Fahrzeuge stünden im Eigentum der "D", die auch seit langer Zeit Besitzerin sei. Eine Nutzung der Fahrzeuge während des Insolvenzverfahrens sei nicht erfolgt. Mangels Nutzung könnten Masseansprüche nicht geltend gemacht werden. Insbesondere reiche der Umstand der zunächst noch nicht beendeten Zulassung nicht aus. Mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2005 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Steuerpflicht für Fahrzeuge bestehe, solange sie für den Verkehr zugelassen seien. Die entstandenen Masseverbindlichkeiten hätten durch rechtzeitige Abmeldung der Fahrzeuge vermieden werden können.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer sei für alle vier Fahrzeuge rechtswidrig, weil eine Masseverbindlichkeit nicht bestehe. Keine der in § 55 der Insolvenzordnung (InsO) geregelten Tatbestandsalternativen sei erfüllt. Es werde nicht bestritten, dass Kraftfahrzeugsteuern zu den Kosten der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse gehörten und somit sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 zweite Altern. InsO darstellten. Voraussetzung sei jedoch, dass das Fahrzeug zur "Insolvenzmasse" gehöre. Gerade daran fehle es im Streitfall. Der Schuldner sei im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 01. Dezember 2003 weder Eigentümer noch Besitzer der Fahrzeuge gewesen. Diese hätten sich bereits im Besitz der "N-GmbH" befunden.

Er - der Kläger - habe als vorläufiger Insolvenzverwalter im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens seit dem 22. August 2003 mit der "D" in Kontakt gestanden. Diese habe ihm auf die Frage, in welcher Form bei einer Übertragung der bestehenden Mietkaufverträge auf die Fa. "N-GmbH" die vom Schuldner geleistete Mietsonderzahlung berechnet werden solle, am 25. September 2003 mitgeteilt, dass eine Verrechnung der Mietsonderzahlung bei einer Umschreibung nicht stattfinde. Mit Schreiben vom 04. Dezember 2003, also unmittelbar nach Insolvenzeröffnung, habe er der "D" den Nichteintritt in die Mietkaufverträge gem. § 103 InsO erklärt. Ob und mit welchem Inhalt Absprachen zwischen der "D" und der "N-GmbH" bestanden hätten, auf Grund derer die "N-GmbH" bereits bei Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung im unmittelbaren Besitz der vier Fahrzeuge gewesen sei, sei ihm nicht bekannt. Der noch im Schreiben vom 25. August 2003 seitens der "D" in den Raum gestellte Aussonderungsanspruch für den Fall, dass die Verträge von ihm nicht fortgeführt würden, sei im Schreiben vom 14. Januar 2004 nicht wiederholt worden. Dort habe die "D" mitgeteilt, dass er eine korrigierte Forderungsanmeldung erhalte, sobald die Objekte veräußert seien. Am 29. März 2004 seien sie auf die "N-GmbH" umgemeldet worden.

Der Kläger beantragt,

die Kraftfahrzeugsteuerbescheide für die Fahrzeuge mit den amtl. Kennzeichen "X-XX 1", "X-XX 2", "X-XX 3" und "X-XX 4" vom 21. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2005 aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe bislang keinen Beweis für seine Behauptung erbracht, die Fahrzeuge hätten sich bei Insolvenzeröffnung nicht mehr im Besitz des Schuldners befunden. Unabhängig davon schulde der Insolvenzverwalter jedoch ab Insolvenzeröffnung die Kraftfahrzeugsteuer für die für den Schuldner zugelassenen Fahrzeuge solange, bis diese verkehrsrechtlich ab- oder umgemeldet seien.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Zu Recht hat das FA die Kraftfahrzeugsteuer für die vier Fahrzeuge für die Zeit ab dem Tag der Insolvenzeröffnung am 01. Dezember 2003 bis zum 29. März 2004, einen Tag, bevor sie nicht mehr für den Schuldner zum Verkehr zugelassen waren, gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter festgesetzt. Zwar ist Steuerschuldner bei einem inländischen Fahrzeug grundsätzlich die Person, für die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KraftStG). Dies gilt jedoch nicht für die Zeit nach Insolvenzeröffnung. Denn die Vorschriften des Kraftfahrzeugsteuergesetzes sind durch die Vorschriften des Insolvenzrechts überlagert (BFH-Urteil vom 16. November 2004 VII R 62/03, BStBl II 2005, 309 m.w.N.). Demzufolge entspricht es der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vor und nach der Insolvenzeröffnung ungeachtet des laufenden Entrichtungszeitraums aufzuteilen ist und dass für die Zeit von der Insolvenzeröffnung an bis zum Tag einer etwaigen Abmeldung des Fahrzeugs entstehende Kraftfahrzeugsteuer gegen den Insolvenzverwalter durch Kraftfahrzeugsteuerbescheid festgesetzt wird (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1953 II 190/52 U, BStBl III 1954, 49 zum Konkursverfahren; BFH-Beschluss vom 08. Juli 1997 VII B 89/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH 1998, 86 zum Konkursverfahren; BFH in BStBl II 2005, 309 zum Insolvenzverfahren m.w.N. aus der Literatur).

Im Urteil vom 16. November 2004 (BStBl II 2005, 309) hat der BFH ausgeführt, dass die Kraftfahrzeugsteuer nicht vom Insolvenzverwalter, sondern vom Schuldner aus dem insolvenzfreien Vermögen oder Erwerb zu tragen sei, sofern das Kraftfahrzeug nach Verfahrenseröffnung nicht im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse vom Insolvenzverwalter genutzt, sondern dem Schuldner freigegeben wird oder wegen Unpfändbarkeit kraft Gesetzes nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens ist. Vorliegend sind die vier in Rede stehenden Lkw-Anhänger jedoch weder dem Schuldner freigegeben worden noch waren sie unpfändbar (§ 36 Abs. 1 InsO). Ein der Freigabe oder Unpfändbarkeit vergleichbarer Fall liegt nicht vor. Die vom Kläger nach Insolvenzeröffnung gegenüber der Fa. "D" abgegebene Erklärung, nicht in die bestehenden Verträge einzutreten, rechtfertigt es nicht, die Steuer für die Zeit nach Insolvenzeröffnung vom Schuldner aus dessen insolvenzfreiem Vermögen oder Erwerb tragen zu lassen und ihm gegenüber festzusetzen. Denn der Schuldner hatte nach Insolvenzeröffnung nicht mehr die Befugnis, das zur Masse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO).

Darüber hinaus hat der BFH entschieden, dass es auch dann zur Pflicht des Konkursverwalters gehöre, ein Fahrzeug außer Betrieb zu setzen oder eine Anzeige über den Übergang des Fahrzeugs bei der Zulassungsstelle zu erstatten, wenn das Fahrzeug bei Konkurseröffnung nicht mehr Eigentum des Schuldners sei und er weder im Besitz des Fahrzeugs sei noch ein Recht zum Besitz habe, das Fahrzeug aber auf Grund der Zulassung für den Schuldner als vom Schuldner gehalten gelte. Komme er dieser Pflicht nicht nach, entstünde die Steuerschuld zu Lasten der Konkursmasse (BFH in BStBl III 1954, 49, ebenso zum Insolvenzverfahren: Finanzgericht München, Urteil vom 31. März 2006 4 K 2665/05, Juris-Datei). Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Senat dem uneingeschränkt anschließen könnte. Denn entgegen der Ansicht des Klägers gehörten die vier Lkw-Anhänger im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01. Dezember 2003 zur Insolvenzmasse.

Zur Masse gehört nach § 35 InsO u.a. das Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Verfahrenseröffnung gehörte. Dazu zählt auch die vertraglich eingeräumte Nutzungsbefugnis von Gegenständen. Auf Grund der ungekündigten Mietkaufverträge über die vier Fahrzeuge stand dem Schuldner im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 01. Dezember 2003 die Befugnis zur Nutzung der Fahrzeuge zu. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Anhänger sich zu diesem Zeitpunkt nach dem Vortrag des Klägers nicht mehr im (unmittelbaren) Besitz des Schuldners befunden haben sollen. Dementsprechend hat die "D" im Schreiben vom 25. August 2003 an den Kläger als vorläufigen Insolvenzverwalter auf ihren Herausgabeanspruch hingewiesen, sollten die Mietkaufverträge nicht fortgeführt werden. Erst nach Insolvenzeröffnung sind die Ansprüche aus den Verträgen über die Fahrzeuge aus der Masse ausgeschieden, da der Kläger der "D" im Schreiben vom 04. Dezember 2003 mitgeteilt hat, dass er in die Mietkaufverträge nicht eintrete und hinsichtlich der angestrebten Vertragsübernahme keine Bedenken bestünden. Unter diesen Umständen hätte er auf eine Beendigung der verkehrsrechtlichen Zulassung der Fahrzeuge für den Schuldner hinwirken können und müssen, wenn er das Entstehen einer weiteren Steuerschuld zu Lasten der Insolvenzmasse hätte vermeiden wollen.

Die Revision wird zugelassen, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 erste Altern. der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Urteil vom 18. Dezember 1953 (BStBl III 1954, 49) hatte der BFH entschieden, dass die Kraftfahrzeugsteuer für ein nicht zur Konkursmasse gehörendes, aber noch für den Gemeinschuldner zum Verkehr zugelassenes Fahrzeug gegenüber dem Konkursverwalter festzusetzen sei. In der Entscheidung vom 16. November 2004 (BStBl II 2005, 309) hat er ausgeführt, dass die Festsetzung gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht erfolge, "sofern" das Kraftfahrzeug nach Verfahrenseröffnung nicht im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse vom Verwalter genutzt, sondern freigegeben werde oder unpfändbar sei. Höchstrichterlich nicht geklärt ist in diesem Zusammenhang, ob der Insolvenzverwalter die Kraftfahrzeugsteuer für ein Fahrzeug, das nach wenigen Tagen aus der Insolvenzmasse ausscheidet und fortan nicht mehr für die Masse genutzt wird, bis zur verkehrsrechtlichen Ab- oder Ummeldung des Fahrzeugs schuldet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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