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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: 9 K 6438/03 G, F
Rechtsgebiete: EStG, AO, HGB


Vorschriften:

EStG § 5 Abs.1 Satz 1
EStG § 5 Abs. 5
AO § 39
HGB § 249 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

21.09.2004

9 K 6438/03 G, F

Tatbestand:

Streitig ist die steuerliche Behandlung von am Ende eines Wirtschaftsjahres nicht verbrauchter Zahlungen von Franchisenehmern auf ein beim Franchisegeber geführtes gemeinsames Werbekonto.

Der Kläger betreibt ein Franchise-Unternehmen. Die Franchiseverträge enthalten im Wesentlichen gleich lautende Vereinbarungen über Aufwendungen für Werbemaßnahmen. Hiernach konzipiert der Kläger die überregionale Werbung die Produkte, während die Franchisenehmer auf ihre Kosten die lokale Werbung im jeweiligen Vertragsgebiet betreiben. Die Werbekosten für die überregionale Werbung werden aus einem gemeinsamen Werbeetat bestritten, über dessen Höhe und Nutzung der Kläger die Franchisenehmer jährlich zu unterrichten hat. Die Franchisenehmer sind vertraglich verpflichtet, monatlich einen bestimmten Betrag auf das Konto des gemeinsamen Werbeetats einzuzahlen. Einen weiteren Betrag haben sie für die regionale Werbung aufzubringen. Die Franchiseverträge enthalten keine Vereinbarungen darüber, wie mit den am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres übrig gebliebenen Beträgen auf dem gemeinsamen Werbekonto zu verfahren ist.

Der Kläger erfasste die Zahlungen der Franchisenehmer in seiner laufenden Buchhaltung auf einem separaten Werbekonto, von dem die Kosten für überregionale Werbung entrichtet wurden. Neben diesem laufenden Konto führte der Kläger für nicht verbrauchte Beträge zusätzlich ein Festgeldkonto. Die auf die Zinserträge einbehaltenen Steuerabzugsbeträge machte der Kläger im Rahmen seiner gesonderten Gewinnfeststellung geltend.

Der Kläger wurde in Fachfragen bezüglich der Werbemaßnahmen und hinsichtlich der Marketing-Politik durch einen so genannten Werbebeirat beraten, der in den Streitjahren aus zwei Franchisenehmern und zwei Vertretern der Geschäftsführung der Systemzentrale bestand. Beschlüsse des Werbebeirates waren dabei nach dessen Satzung mit einfacher Mehrheit zu fassen. Einmal jährlich fand eine Jahrestagung statt, bei dem durch einen gewählten Kassenprüfer ein Bericht über die auf das Werbekonto eingegangenen Einnahmen und die hierüber getätigten Ausgaben abgegeben wurde. Der Bericht bezog sich jeweils nur auf das laufende Werbekonto, nicht auch auf das Festgeldkonto.

Im Rahmen seiner Jahresabschlüsse behandelte der Kläger die auf dem Werbekonto eingegangenen Zahlungen, die nicht in demselben Wirtschaftsjahr für Werbung ausgegeben wurden, gewinnneutral als passive Rechnungsabgrenzungsposten.

Der Beklagte folgte zunächst der Ansicht des Klägers und erließ für die Streitjahre jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Bescheide.

Nach einer Betriebsprüfung für die Streitjahre erkannte der Beklagte die durch den Kläger vorgenommene Bildung von passiven Rechnungsabgrenzungsposten nicht mehr an und erhöhte den Gewinn entsprechend.

Gegen die geänderten Bescheide legte der Kläger Einsprüche ein. Er vertrat im Wesentlichen die Ansicht, die auf dem Werbekonto eingegangenen und zum Abschlussstichtag nicht ausgegebenen Beträge seien nicht als Ertrag zu erfassen, sondern vielmehr als Rechnungsabgrenzungsposten zu behandeln, da sie, insoweit Einnahmen für zukünftig für Werbemaßnahmen zu verwendende Aufwendungen darstellten. Jedenfalls verwalte er die auf dem Konto verbleibenden Beträge treuhänderisch. Mit Einspruchsentscheidung wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er führte aus, dass mangels einer entsprechenden Vereinbarung ein Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und den Franchisenehmern nicht bestanden habe. Insbesondere fehle es an der für eine Vereinbarungstreuhand notwendigen Weisungsbefugnis der Franchisenehmer als Treugeber gegenüber dem Franchisegeber als Treuhänder. Auf Grund der von der Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen habe der Kläger die Entscheidungsbefugnis über die Verwendung der Gelder. Die Franchisenehmer beherrschten die Verfügungsbefugnis über die Gelder nicht. Auch die Bildung passiver Rechnungsabgrenzungsposten scheide aus. Solche Abgrenzungsposten seien nach § 5 Abs. 5 EStG nur zulässig für Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellten. Die auf dem Werbekonto vereinnahmten Beträge stellten keine Vorauszahlungen für Zeiträume nach dem jeweiligen Abschlussstichtag dar. Ebenso komme eine Bildung von Rückstellungen für künftige Werbemaßnahmen nicht in Betracht. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten seien nur zulässig, wenn mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen sei. Es müsse eine konkrete Verpflichtung gegenüber einem anderen Gläubiger bestehen. Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reiche zur Bildung einer Rückstellung nicht aus. Der Einspruchsführer habe nicht nachgewiesen, dass eine Inanspruchnahme am jeweiligen Abschlussstichtag hinreichend konkret sei.

Mit seiner erhobenen Klage wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, als Franchisegeber sei er verpflichtet, die auf dem Werbekonto eingegangenen Beträge allein für Werbung auszugeben. Würde er die Werbegelder nicht für Werbemaßnahmen einsetzen, mache er sich wegen Untreue strafbar und verstoße grob gegen seine Vertragspflicht. Würde er überregionale Werbemaßnahmen verweigern, könne er unmittelbar von jedem Franchisenehmer in Anspruch genommen werden. Er habe eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden müssen. Auf Grund der Zweckgebundenheit der Werbegebühren müsse ein ordentlicher Kaufmann davon ausgehen, von den Franchisenehmern in Anspruch genommen zu werden. Hilfsweise bestünden jedenfalls in entsprechender Höhe gewisse Verbindlichkeiten, da er den Werbeetat zweckgebunden ausgeben müsse. Im Übrigen sei auch ein Treuhandverhältnis anzunehmen. Es sei für die Annahme eines Treuhandverhältnisses nicht schädlich, sondern gerade typisch, dass das Werbekonto auf seinen Namen laufe und er nicht verbrauchte Beträge im Interesse der Franchisenehmer zeitweise auf einem Festgeldkonto anlege. Die Zinsen würden allein dem Werbekonto gutgeschrieben.

Der Kläger beantragt,

1. die festgestellten Gewinne herabzusetzen,

2. die festgestellten Gewerbesteuermessbeträge herabzusetzen,

3. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen,

und bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten Bezug genommen; alle Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe:

Die Klagen sind nicht begründet, da die Gewinnfeststellungsbescheide und die Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte hat die auf dem Werbekonto jährlich verbleibenden Beträge zu Recht gewinnerhöhend bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt.

Die Bildung passiver Rechnungsabgrenzungsposten war nicht zulässig. Nach § 5 Abs. 5 EStG sind Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite nur anzusetzen für solche Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Zahlungen durch die Franchisenehmer unstreitig auf ihre vor den Abschlussstichtagen fällig gewordenen Verpflichtungen erfolgt sind, und keine Vorauszahlungen für erst nach diesem Stichtag fällig werdende Verpflichtungen darstellen. Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, die Zulässigkeit der Bildung von passiven Rechnungsabgrenzungsposten ergäbe sich daraus, dass die Zahlungen Ertrag vor dem Abschlussstichtag für Aufwand danach bedeuteten, verkennt er, dass passive Rechnungsabgrenzungsposten immer nur den Ertrag periodisieren und nicht Ertrag und Aufwand gegeneinander verrechnen sollen.

Der Kläger hat die Gelder auf dem Werbekonto auch nicht treuhänderisch verwaltet. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, ist einem Treuhandverhältnis die steuerrechtliche Anerkennung grundsätzlich bereits dann zu versagen, wenn das Treuhandvermögen in der Bilanz des Treuhänders nicht als solches dargestellt worden ist (Urteil vom 28. Februar 2001, I R 12/00, BFHE 194, 320, BStBl II 2001, 468, m.w.N.). Der Kläger hat die von den Franchisenehmern erfolgten Zahlungen in seiner laufenden Buchhaltung als Ertrag gebucht und, soweit sie am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres noch nicht aufgebraucht waren, in seiner Bilanz nicht als Treuvermögen kenntlich gemacht, sondern durch die Verbuchung als passive Rechnungsabgrenzungsposten als zu seinem eigenen Vermögen gehörenden Ertrag erfasst. Es fehlen auch sämtliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die auf die jeweiligen Franchisenehmer entfallenden verbliebenen Beträge diesen mitgeteilt hat, damit sie das Vermögen als eigenen Ertrag in ihren Jahresabschlüssen behandeln können.

Im Übrigen konnten die Franchisenehmer keinen maßgeblichen Einfluss auf die Verwendung der Gelder nehmen; insbesondere war der Kläger ihnen gegenüber bei der Verwendung nicht weisungsabhängig und auch nicht jederzeit zur Herausgabe verpflichtet. Ein wesentliches Kriterium für eine gem. § 39 AO von der Zivilrechtslage abweichende Zurechnung eines Wirtschaftsguts, wozu grundsätzlich auch die Bildung von Treuhandvermögen gehört, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, welcher der Senat folgt, die Weisungsbefugnis eines Treugebers gegenüber dem Treuhänder sowie dessen grundsätzliche Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treuhandvermögens (BFH Urteile vom 20. Januar 1999, I R 69/97, DStR 1999, 973, 975 und vom 15. Juli 1997, VII R 56/93, BStBl. II 1998, 152, 156; Kruse in: Tipke/Kruse, AO, FGO, 16. Aufl. § 39 Rn. 33). Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass die Franchisenehmer ihm Weisungen erteilen durften oder tatsächlich erteilt haben, wie konkret mit den nicht verbrauchten Werbegeldern zu verfahren ist. Eine solche Weisungsabhängigkeit ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Vereinbarungen. Nach der tatsächlichen Handhabung hat der Kläger die Gelder mit Billigung der Franchisenehmer für eine Verwendung zu Werbezwecken in späteren Jahren zurückgelegt. Es bestand daher auch kein Anspruch auf Herausgabe der Gelder nach Ablauf des Wirtschaftsjahres an die Franchisenehmer. Ein etwaiger Anspruch, der sich aus einer ergänzenden Anwendung des § 667 BGB ergeben könnte, war zumindest konkludent ausgeschlossen. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass ein Franchisenehmer den auf ihn entfallenden Anteil seiner Beiträge, die am Ende des Jahres noch nicht aufgebraucht waren, tatsächlich jemals herausverlangt hat. Darüber hinaus waren die Franchisenehmer dem Kläger gegenüber auch nicht indirekt über den Werbebeirat weisungsbefugt, da dieser nur beratende Funktion hatte und die Vertreter der Franchisenehmer auch nach der bestehenden Stimmenverteilung bei der Beschlussfassung im Werbebeirat nicht in der Lage waren, gegen die Vertreter des Klägers Beschlüsse zu fassen.

Schließlich durfte der Kläger in Höhe der nicht verausgabten Beträge keine Rückstellungen bilden. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB setzen das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde und/oder der Höhe nach voraus, wobei die wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag liegen muss. Darüber hinaus muss der Schuldner mit einer Inanspruchnahme ernsthaft rechnen; die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht zur Bildung einer Rückstellung nicht aus (BFH Urteile vom 11. Dezember 2001, VIII R 34/99, BFH/NV 2002, 486, 487, vom 12. Dezember 1990, I R 153/86, BStBl. II 1991, 479 und vom 22. November 1988, VIII R 62/85, BStBl. II 1989, 359 jeweils m.w.N.). Eine derart über die bloß abstrakte Möglichkeit hinausgehende ungewisse Verpflichtung des Klägers oder eine konkrete Wahrscheinlichkeit deren künftigen Entstehens liegt nicht vor. Sie ergibt sich insbesondere weder aus den jeweiligen Franchiseverträgen noch aus der Zweckgebundenheit der vereinnahmten Beträge. Die bloße Möglichkeit, dass der Kläger bei nicht zweckgerichteter Verwendung von einem oder mehreren Franchisenehmern in Anspruch genommen werden könnte reicht für die Rechtfertigung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Ende der Entscheidung

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