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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 22.01.2007
Aktenzeichen: 1 K 217/06
Rechtsgebiete: FGO, EStG, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 60 Abs. 3 S. 1
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 64 Abs. 2 S. 1
AO 1977 § 37 Abs. 2
AO 1977 § 174 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

1 K 217/06

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte (-Bekl-) zurecht von dem Kläger (-Kl-) die Erstattung von Kindergeld fordert.

Der Kl ist der Vater des am ...1992 geborenen Kindes A. Am 02.10.1992 stellte er einen Antrag auf Kindergeld. Der Antrag wurde von der Kindesmutter, mit der er verheiratet war und zusammenlebte, unterzeichnet. Die Bekl setzte durch Bescheid vom 28.10.1992 zu Gunsten des Kl laufend Kindergeld in gesetzlicher Höhe fest und zahlte dies auf das Konto des Kl aus.

Der Kl und die Kindesmutter leben seit dem 27.06.2001 getrennt. Das Kind blieb mit der Kindesmutter unter der ursprünglichen Anschrift wohnhaft. Der Kl lebt seither unter der im Aktivrubrum ausgewiesenen Adresse.

Am 24.07.2003 stellte die Kindesmutter - ebenfalls bei der auch für sie als Familienkasse sachlich und örtlich zuständigen Bekl - einen eigenen Antrag auf Kindergeld für das Kind A. Bei dieser Gelegenheit erhielt die beklagte Familienkasse Kenntnis von dem Auszug des Kl aus der gemeinsamen Familienwohnung und setzte die Zahlung des Kindergeldes an den Kl mit Wirkung von August 2003 aus. Durch Schreiben vom 18.08.2003 teilte sie dem Kl mit, seit dem 27.06.2001 habe die Kindesmutter den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld. Er, der Kl, habe für den Zeitraum Juli 2001 bis Juli 2003 Kindergeld erhalten, obwohl kein Anspruch bestanden habe. Die Bekl kündigte die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den genannten Zeitraum und die Rückforderung des zuviel gezahlten Kindergeldes an. Vor einer abschließenden Entscheidung, ob der Kl den Rückforderungsbetrag erstatteten müsse, solle eine möglicherweise erfolgte Weiterleitung des Kindergeldes an die Kindesmutter geprüft werden. Hierzu sei erforderlich, dass der Kl eine solche Weiterleitung erkläre und die Kindesmutter eine gleichlautende schriftliche Erklärung auf dem, dem Schreiben beigefügten amtlichen Vordruck (KG 14) abgebe.

Der Kl erklärte mit Schreiben vom 17.09.2003, er habe das Kindergeld in voller Höhe an die Kindesmutter weitergeleitet. Für die Einreichung der schriftlichen Erklärung der Kindesmutter bat er nachfolgend mehrfach um Fristverlängerung, die ihm gewährt wurde. Mit Schreiben vom 08.10.2003 und 23.10.2003 teilte er der Bekl mit, die Kindesmutter habe den Vordruck aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen noch nicht ausgefüllt und zurückgesandt. Ergänzend trug er vor, er habe das Kindergeld nicht für sich behalten, sondern für das Kind verwandt und ihm zukommen lassen; zum Teil auch in der Weise, dass er Versicherungen des Kindes und die Miete für die von der Kindesmutter und dem Kind nach der Trennung beibehaltenen Wohnung bezahlt habe.

Die Bekl setzte zugunsten der Kindesmutter auf deren Antrag durch Bescheid vom 04.08.2003 Kindergeld mit Wirkung ab August 2003 fest und teilte mit, dass die Sachverhaltsfeststellungen für die Zeit von Juli 2001 bis Juli 2003 noch nicht abgeschlossen seien. Mit Schreiben vom 20.10.2003 übersandte die Bekl der Kindesmutter einen Vordruck über die Bestätigung der Weiterleitung und bat um Antwort. In der Folge beantragte die Kindesmutter wiederholt Fristverlängerungen und teilte der Bekl mit, sie führe Verhandlungen mit dem Kl ob und ggf. für welchen Zeitraum eine Weiterleitung des Kindergeldes erfolgt sei. Sie gehe davon aus, dass es zu einer Verständigung und entsprechend einer Bestätigung der Weiterleitung durch sie kommen werde. Hierzu kam es indes nicht.

Mit Schreiben vom 03.04.2006 an die Bekl erklärte die Kindesmutter, der Kl habe das für die Monate Juli 2001 bis Juli 2003 an ihn ausgezahlte Kindergeld nicht an sie weitergeleitet und bat für diesen Zeitraum um Entscheidung über ihren Antrag. Mit weiterem Schreiben vom 07.08.2006 mahnte sie die Entscheidung an und erklärte, sie werde keine Weiterleitungsanzeige abgeben. Über den Antrag der Kindesmutter ist - soweit für das Gericht ersichtlich - bislang nicht entschieden.

Durch Bescheid vom 25.04.2006 an den Kl hob die Bekl die Kindergeldfestsetzung zugunsten des Kindes mit Wirkung ab Juli 2001 auf und wies ihn auf seine Erstattungspflicht nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (-AO-) hin. Zugleich forderte sie den Kl zur Erstattung des überzahlten Betrages für den Zeitraum Juli 2001 bis Juli 2003 in Höhe von EUR 3.754,29 auf.

Der Kl wandte sich hiergegen mit Einspruch vom 19.05.2006 und verwies im Kern auf seinen bisherigen Vortrag. Er habe das Kindergeld durch verschiedene - den monatlichen Kindergeldbetrag übersteigende - Zahlungen mit Unterhaltscharakter zugunsten des Kindes verwendet. Die Kindesmutter streite dies zwar nicht ab, weigere sich aber gleichwohl den Vordruck über eine erfolgte Weiterleitung auszufüllen. Sie mache weitere Forderungen gegen ihn, den Kl, geltend. Im Rahmen der zwischenzeitlich erfolgten Scheidung sei zwischen den Eheleuten ein Vergleich geschlossen worden, in dem sämtliche materiellen Forderungen der Kindesmutter - u.a. jene, deretwegen sie die Abgabe der Weiterleitungserklärung gegenüber der Familienkasse verweigert habe - befriedigt worden seien. Da das Kindergeld damit der Kindesmutter bzw. dem Kind in voller Höhe zugute gekommen sei, bedürfe es - wenn die Familienkasse sich dieser Ansicht anschließe - nach Auffassung des Kl der förmlichen Erklärung der Kindesmutter nicht mehr. Bliebe es bei der Forderung der Familienkasse gegenüber dem Kl, sei die Kindesmutter rechtsgrundlos bereichert.

Die Bekl räumte dem Kl abermals eine weiträumige Frist zur Vorlage einer von der Kindesmutter ausgefüllten und unterzeichneten Weiterleitungserklärung ein. Am 28.08.2006 meldete sich die Kindesmutter bei der Bekl und mahnte das Kindergeld für den streitigen Zeitraum an. Die Weiterleitung desselben werde nicht bestätigt, da diese nicht erfolgt sei. Mit Schreiben vom 11.09.2006 erklärte der Kl, eine Weiterleitungserklärung der Kindesmutter aufgrund deren Weigerung nicht beibringen zu können.

Der Einspruch blieb erfolglos. Die Bekl führte aus, der Verzicht auf eine Rückforderung scheitere daran, dass der Kl die erforderliche Weiterleitungserklärung nicht vorgelegt und die Kindesmutter auf Nachfrage der Familienkasse eine Weiterleitung verneint habe. Die Einspruchsentscheidung wurde am 13.09.2006 zur Post gegeben.

Mit der Klage verfolgt der Kl sein Begehren unter Bezugnahme auf seine im Verwaltungsverfahren vorgetragene Begründung weiter.

Der Kl beantragt sinngemäß,

den Bescheid über die Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld und den Rückforderungsbescheid über Kindergeld vom 25.04.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 13.09.2006 aufzuheben.

Die Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich auf ihre tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens.

Da nach ihrer Auffassung über den Anspruch auf Kindergeld für den Streitzeitraum wegen des anhängigen Klageverfahrens nicht abschließend entschieden werden könne, hat die Bekl die Beiladung der Kindesmutter nach § 174 Abs. 5 AO angeregt. Der Kl hat sich dieser Anregung angeschlossen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats erklärt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht haben die bei der Bekl für den Kl zur Kindergeldnummer ...23 und für die Kindesmutter zur Kindergeldnummer ...29 geführten Kindergeldakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Gericht entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten durch das zum Berichterstatter bestellte Mitglied des Senats als konsentierter Einzelrichter gemäß § 79a Abs. 3 u. 4 Finanzgerichtsordnung (-FGO-) und ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO.

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg, denn sie ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid über die Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld und der Rückforderungsbescheid über Kindergeld vom 25.04.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 13.09.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kl mithin nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

1. Zu Recht hat die Bekl die Kindergeldfestsetzung zugunsten des Kl für dessen Kind A mit Wirkung ab dem Monat Juli 2001 aufgehoben.

Der Kl hat dem Grunde nach gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (-EStG-) Anspruch auf Kindergeld. Bei dessen minderjährigen, leiblichen Kind A handelt es sich um ein Kind im Sinne von § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG. In gleicher Weise hat danach neben dem Kl auch die Kindesmutter dem Grunde nach Anspruch auf Kindergeld.

Gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld nach dem sog. Obhutsprinzip demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Zwischen dem Kl, der Kindesmutter und der Bekl ist unstreitig, dass das Kind des Kl mit kindergeldrechtlicher Wirkung ab dem Monat Juli 2001 in den Haushalt der seit dem 27.06.2001 von dem Kl getrennt lebenden Kindesmutter aufgenommen war. Da das Kindergeld gleichwohl zugunsten des Kl, als des nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen lediglich nachrangig Berechtigten, festgesetzt war, war die Festsetzung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an nach § 70 Abs. 2 EStG aufzuheben. Zum Erlass eines entsprechenden Bescheides war die Bekl von Gesetzes wegen verpflichtet.

2. Die Bekl hat den Kl auch zu Recht gemäß § 37 Abs. 2 AO in Anspruch genommen, das an ihn für den Zeitraum Juli 2001 bis Juli 2003 gezahlte Kindergeld zu erstatten.

Ist eine Steuervergütung wie das Kindergeld (§ 31 Satz 3 EStG) ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt, § 37 Abs. 2 Satz 2 AO. Durch die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung mit dem Bescheid der Bekl vom 25.04.2006 ist der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes an den Kläger ab Juli 2001 weggefallen.

Im Streitfall war der Kläger Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO des ohne Rechtsgrund von der Bekl auf eigene Rechnung gezahlten Kindergeldes. Das Kindergeld ist unstreitig auf ein Bankkonto des Kl überwiesen worden.

3. Der Kläger kann gegenüber dem Rückforderungsanspruch des Bekl nach § 37 Abs. 2 AO auch nicht geltend machen, er habe das Kindergeld an die Kindesmutter als vorrangig Berechtigte weitergeleitet.

Gemäß Ziffer 64.4 Abs. 4 bis 8 und Anhang 14 zu 64.4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG - (Stand August 2004) kann ein Erstattungsschuldner gegenüber der Familienkasse geltend machen, den Erstattungsanspruch durch Zahlung des Kindergeldes in gesetzlicher Höhe an den allein bzw. vorrangig Berechtigten - sog. Weiterleitung - erfüllt zu haben. Dies ist nach der DA-FamEStG formal durch die Vorlage einer schriftlichen Bescheinigung des vorrangig Berechtigten über die erfolgte Weiterleitung nach amtlichem Vordruck nachzuweisen. Der vorrangig Berechtigte bestätigt mit dieser Erklärung zum einen unwiderruflich, dass der Erstattungsschuldner das Kindergeld nicht für sich behalten sondern an ihn, den Berechtigten, weitergeleitet hat. Zum anderen erklärt er darin gegenüber der für ihn zuständigen Familienkasse, dass er durch die Weiterleitung seinen Auszahlungsanspruch nach § 37 Abs. 1 AO aus der Kindergeldfestsetzung für die in der Bestätigung genannten Monate als erfüllt ansieht.

Sieht die Familienkasse des Erstattungsschuldners bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen von der Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung des überzahlten Kindergeldes ab, beruht dies nicht etwa darauf, dass die Weiterleitung eine Rückforderung von Gesetzes wegen ausschließt. Die Familienkasse macht hierdurch vielmehr von der ihr offenstehenden Möglichkeit Gebrauch, die Weiterleitung aus Vereinfachungsgründen als Erfüllung des Rückforderungsanspruchs im verkürzten Zahlungswege zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 16.03.2004 - VIII R 48/03 - BFH/NV 2004, 1218).

Im Streitfall hat der Kl schon vordergründig betrachtet der von der DA-FamEStG verbindlich vorgesehenen Form nicht Genüge getan. Weder hat er die erforderliche schriftliche Bestätigung der Kindesmutter, als der vorrangig Berechtigten, auf dem vorgeschriebenen amtlichen Vordruck vorgelegt, noch hat diese in anderer Weise gegenüber der Familienkasse eine Weiterleitung des Kindergeldes bestätigt und deutlich gemacht, hierdurch ihren eigenen Anspruch auf Kindergeld als erfüllt anzusehen.

Darüber hinaus hat die Kindesmutter unmittelbar nach der Trennung vom Kl durch den Antrag vom 21.07.2003 die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind A zu eigenen Gunsten begehrt. Bei der Abgabe des Antrags am 24.07.2003 hat sie nach Aktenlage in der Form einer zusätzlichen Unterschrift ausdrücklich erklärt, eine Weiterleitung von Kindergeld sei nicht erfolgt. Damit erstreckte sich ihre Antragstellung notwendig auch auf Festsetzung des Kindergeldes für den vorliegend streitigen Zeitraum Juli 2001 bis Juli 2003. Die Festsetzung des Kindergeldes zu ihren Gunsten erfolgte gleichwohl erst ab dem Folgemonat der Antragstellung, August 2003. Es scheint fraglich, ob die Bekl bei dieser Sachlage dem Kl - dem üblichen Verfahren nach der DA-FamEStG entsprechend - noch die Möglichkeit einer Abwendung der Rückzahlung wegen Weiterleitung einräumen durfte und die Kindesmutter um diesbezügliche Äußerung unter Beifügung des Formblatts KG 14 gesondert auffordern durfte. Inhalt und Gegenstand der insoweit gebotenen schriftlichen Bestätigung der Kindesmutter wäre u.a. in tatsächlicher Hinsicht die Erklärung gewesen, der nachrangig Berechtigte habe das Kindergeld nicht behalten, sondern an sie weitergeleitet. Das Gegenteil hatte sie bereits aktenkundig schriftlich erklärt. Im Rahmen ihrer Antragstellung stand damit einer Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2001 kein Hinderungsgrund entgegen.

Indessen hat die Kindesmutter nach der gleichwohl erfolgten Anfrage des Bekl nicht auf unverzüglicher Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2001 bestanden, sondern unter Hinweis auf andauernde Vergleichsverhandlungen mit dem Kl in diversen Fristverlängerungsanträgen mitgeteilt, sie werde voraussichtlich die Weiterleitung am Ende verbindlich bestätigen.

Spätestens mit ihrem Schreiben vom 03.04.2006 an die Bekl hat die Kindesmutter aber ausdrücklich neuerlich eine Weiterleitung des Kindergeldes an sich in Abrede gestellt und ihre Anspruchstellung auf Kindergeld für den streitigen Zeitraum bekräftigt. Mit weiterem Schreiben vom 07.08.2006 stellte sie ergänzend klar, dass sie eine Weiterleitungsbestätigung gemäß Vordruck KG 14 nicht abgeben werde.

Das Vorliegen einer Weiterleitung ist mithin zwischen dem Kl und der Kindesmutter streitig. Damit entfällt die durch die DA-FamEStG eröffnete Möglichkeit eine - zwischen den Berechtigten einvernehmliche - Erfüllung des Rückforderungsanspruchs gegen den Kl nach § 37 Abs. 2 AO im verkürzten Zahlungswege anzunehmen.

Ob die Kindesmutter das Kindergeld für den streitigen Zeitraum im Ergebnis erhalten hat, bedarf keiner Aufklärung. Die Bekl war nicht verpflichtet, den Sachverhalt hinsichtlich der vom Kl behaupteten Weiterleitung weiter aufzuklären. Sie konnte die Berücksichtigung der Weiterleitung auf einen unstreitigen Sachverhalt beschränken und einen solchen Fall nur dann annehmen, wenn beide Elternteile - endgültig und verbindlich - erklären, dass das Kindergeld vollständig an den vorrangig Berechtigten weitergeleitet wurde. Daran vermögen die wiederholten Erklärungen des Kl und der Kindesmutter gegenüber der Bekl, über die Frage der Weiterleitung des Kindergeldes solle im Vergleichswege eine Verständigung zwischen den Berechtigten herbeigeführt werden, nichts zu ändern. Gerade nach dem Inhalt dieser Erklärungen erscheint zweifelhaft, ob ein Absehen von der Rückforderung nach Ziffer 64.4 Abs. 4 bis 8 DA-FamEStG im konkreten Fall überhaupt noch denkbar war. Im Weiterleitungsverfahren ist es nicht Aufgabe der Familienkasse, Unterhaltsvereinbarungen bzw. -zahlungen unter verschiedenen Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen, geschweige denn zu überprüfen oder gar zivilrechtlich zu beurteilen. Bei Wechsel der Anspruchsberechtigung ist es allein Sache der Kindergeldberechtigten, ihre privatrechtlichen Vereinbarungen der Gesetzeslage anzupassen oder bei verspäteter Anpassung mögliche Überzahlungen auf privatrechtlichem Wege auszugleichen (ständige Rechtsprechung, vgl. vgl. nur BFH-Urteil vom 14.10.2003 - VIII R 35/02 - n.v. zitiert nach juris - m.w.N. zur BFH-Rspr). Zu einer einvernehmlichen Regelung zwischen dem Kl und der Kindesmutter kam es im Ergebnis nicht. Die Entscheidung der Bekl, von einer Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs gegen den Kl nicht mehr weiter abzusehen, ist daher nicht zu beanstanden.

III.

Die Kindesmutter war in dem Klageverfahren nicht beizuladen.

1. Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer notwendigen Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO. Danach sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, liegt selbst bei einem Streit zur Klärung der Konkurrenzsituation des § 64 EStG kein Fall der notwendigen Beiladung vor, weil die Entscheidung des Finanzgerichts nicht unmittelbar die Rechte des anderen Elternteils berührt (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 25. September 2001 - VI B 153/01 - BFH/NV 2002, 160). Bei der Klage eines Elternteils mit dem Ziel, ihm das Kindergeld zu gewähren, ist der andere Elternteil selbst dann nicht notwendig zum Verfahren beizuladen ist, wenn er bei Stattgabe der Klage das bisher zu seinen Gunsten festgesetzte Kindergeld verliert. Der Umstand, dass die Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des einen Elternteils Auswirkungen für den anderen Elternteil haben werde, ist nicht als ausreichender sachlogischer und verfahrensrechtlicher Zusammenhang anzusehen, weil die Entscheidung des Finanzgerichts gegenüber dem einen Elternteil nicht - wie § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO dies voraussetzt - unmittelbar gestaltend in die Rechtssphäre des anderen Elternteils eingreift (vgl. BFH-Urteile vom 16.12.2003 - VIII R 67/00 - BFH/NV 2004, 934 und vom 15.11.2004 - VIII B 240/04 - BFH/NV 2005, 494).

Um so mehr gilt dies, wenn es, wie im Streitfall, nicht um die Klärung der vorrangigen Berechtigung, sondern lediglich um die - dem nachgelagerte - Frage eines Absehens von der Rückforderung von Kindergeld geht - zumal eine Weiterleitung durch die Kindesmutter vor der Klageerhebung bereits ausdrücklich in Abrede gestellt wurde.

2. Eine Beiladung kommt im Streitfall - ungeachtet der insoweit gleichlautenden Anträge beider Beteiligter - auch nicht nach Maßgabe des § 174 Abs. 5 Satz 2 AO in Betracht.

Nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 AO 1977 kann in einem Klageverfahren, mit dem ein Anspruch auf Kindergeld geltend gemacht wird, ein Dritter, der ebenfalls das Kindergeld beansprucht, auf Antrag der Familienkasse zur Vermeidung einer widerstreitenden Kindergeldfestsetzung beigeladen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 31.01.2006 - III B 18/05 - BFH/NV 2006, 1046). Das Gericht ist gegebenenfalls sogar verpflichtet, einem dahingehenden Antrag der beklagten Behörde zu entsprechen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19.05.1981 - VIII B 90/79 - BStBl II 1981, 633; vom 24.04.1989 - IV B 40/89 - BFH/NV 1990, 140; vom 04.07.2001 - VI B 301 - BStBl II 2001, 729 sowie BFH-Urteil vom 13.03.1997 - III R 300/94 - BFH/NV 1997, 659). Die Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO dient der frühzeitigen Beteiligung aller Betroffenen und damit der richtigen Besteuerung - auch in Form der Kindergeldfestsetzung (vgl. BFH-Beschluss vom 06.12.1979 - IV B 56/79 - BStBl II 1980, 314). Halten die Hauptbeteiligten des Rechtsstreits eine Steuerpflicht des beizuladenden Dritten für möglich und kann sich bei Erfolg der Klage eine Änderung einer Steuerfestsetzung gegenüber dem Dritten aus § 174 Abs. 4 AO ergeben, so bleibt dem Gericht keine andere Wahl, als eine nach § 174 Abs. 5 AO beantragte Beiladung vorzunehmen (vgl. BFH-Beschluss vom 24.04.1989 - IV B 40/89 - BFH/NV 1990, 140 m.w.N.). Dies gilt für den speziell geregelten Bereich der Kindergeldfestsetzungen entsprechend. Das Gericht ist nicht befugt, der Hauptsacheentscheidung vorzugreifen oder mehr als nur globale Erwägungen anzustellen, ob gegenüber dem Dritten die Änderung der Steuer- bzw. Kindergeldfestsetzung in Betracht kommen könnte (BFH wie vor).

Die Voraussetzungen einer Beiladung der Kindesmutter gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO sind in mehrfacher Hinsicht nicht gegeben.

a. Die Bekl unterliegt bereits keinem Irrtum.

Absatz 5 knüpft nach seinem Wortlaut an Absatz 4 der nämlichen Vorschrift an. Der Regelungsgehalt des Absatz 5 betrifft den Sonderfall der Betroffenheit Dritter. Absatz 5 schränkt den Absatz 4 insoweit grundsätzlich zunächst ein, als die darin genannten Folgemaßnahmen gegenüber einem Dritten nur gezogen werden dürfen, wenn dieser an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung eines fehlerhaften Bescheides geführt hat, beteiligt war, die Aufhebung oder Änderung also auch ihm gegenüber wirksam war. Ist die Beteiligung über eine Hinzuziehung nach Absatz 5 Satz 2 allerdings erfolgt, erweitert Absatz 5 den Absatz 4 dahingehend, dass eine korrespondierende steuerliche Behandlung auch bei jenem Dritten durch Absatz 5 Satz 1 gestattet ist.

Mithin setzen sowohl Absatz 4 als auch Absatz 5 voraus, dass die Behörde aus einem bestimmten Sachverhalt die steuerrechtlichen Folgerungen ziehen will, dabei aber einer irrigen Beurteilung unterliegt. Diese kann das Steuerobjekt, das Steuersubjekt oder den Zeitraum betreffen. Ob der Fehler in der Beurteilung eines Sachverhalts im Tatsächlichen oder Rechtlichen unterliegt, ist unerheblich (vgl. Tipke/Kruse-Loose AO § 174 Rd 39 m.w.N. zur BFH-Rspr).

Im Streitfall ist sowohl unter den am Klageverfahren Beteiligten, als auch zwischen ihnen und der Kindesmutter der Sachverhalt im Tatsächlichen unstreitig. Das Kind A befand sich in dem Streitzeitraum ausschließlich in dem Haushalt und damit der Obhut der Kindesmutter. Der Kl war aus der vormals gemeinsamen Familienwohnung ausgezogen. Ein wie auch immer gearteter Irrtum der beklagten Familienkasse hierüber ist nicht erkennbar. Vielmehr hat sie genau diesen Sachverhalt ihrem Verwaltungshandeln gegenüber beiden Berechtigten zugrunde gelegt.

Die rechtlichen Folgen aus dem geschilderten Sachverhalt regelt das Gesetz in § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG. Danach kommt für den Streitzeitraum allein die Festsetzung von Kindergeld zugunsten der Kindesmutter in Betracht. Ein Irrtum der Bekl über diese Rechtsfolge oder bei deren Umsetzung durch die erlassenen Verwaltungsakte ist gleichermaßen nicht ersichtlich.

b. Im Streitfall ist darüber hinaus eine Beiladung auch nicht zur Vermeidung widerstreitender Festsetzungen angezeigt. Zu widerstreitenden Kindergeldfestsetzungen gegenüber dem Kl einerseits und der Kindesmutter andererseits kann es auch bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrags zur Begründung seiner Klage nicht kommen.

Im Fall der Existenz mehrerer Kindergeldberechtigter wird das Kindergeld zugunsten desjenigen festgesetzt (§ 70 Abs. 1 Satz 1 EStG) und demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ungeachtet der Fragen, ob der Kl dem Kind Unterhalt geleistet hat und gegebenenfalls in welcher Höhe und Weise dies geschah und vor allem auch ungeachtet der weiteren Fragen, ob dies in Gestalt einer Weiterleitung erfolgte und ob die vorrangig Berechtigte, die Kindesmutter, dies in geeigneter Form bestätigt, kann die Kindergeldfestsetzung als solche ausschließlich zugunsten der Kindesmutter erfolgen. Jedem anderen Bescheid stünde § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG entgegen. Da Kindergeld für jedes Kind nur zugunsten eines Berechtigten festgesetzt und gezahlt wird (§§ 64 Abs. 1 i.V.m. 70 Abs. 1 Satz 1 EStG) kann eine gleichzeitige Festsetzung zugunsten des Kl keinen Bestand haben. Mit der Aufhebung der Festsetzung entfällt im zweistufigen Verwaltungsverfahren kraft der gesetzlichen Regelung in § 37 Abs. 2 AO der Rechtsgrund für die Zahlung und das Behaltendürfen des Kindergeldes. Die Rückforderung durch gesonderten Bescheid setzt diese Rechtsfolge gegenüber dem Empfänger lediglich um (§ 218 AO); sie löst die Erstattung aus (vgl. Tipke/Kruse-Drüen AO § 37 Rd 88 f m.w.N.).

Letztlich ist dieses rechtliche Prozedere zwischen den Beteiligten im Kern auch gar nicht im Streit. Indem der Kl sich auf die Verwaltungsvereinfachungs- und Billigkeitsregelung gemäß Ziffer 64.4 Abs. 4 bis 8 DA-FamEStG beruft und insoweit die Auffassung vertritt, bei der von ihm geschilderten Sachlage müsse auch die Bekl - ggf. ohne gesonderte Erklärung der Kindesmutter - von einer Weiterleitung des Kindergeldes ausgehen, bewegt auch er sich argumentativ bereits auf der letzten Stufe des Erhebungsverfahrens. Im Rahmen der Ziffer 64.4 Abs. 4 bis 8 DA-FamEStG ist lediglich zu prüfen, ob im konkreten Fall von der Rückforderung wegen dessen Erfüllung im verkürzten Zahlungswege abgesehen werden soll (s.o.). Diese Möglichkeit lässt die in vorstehend beschriebener Weise zu erlassenden Kindergeldfestsetzungsbescheide der Familienkasse gegenüber den Berechtigten nicht nur gänzlich unberührt; sie setzt bezogen auf den Kl die zwingend vorgeschriebene Aufhebung der Festsetzung zu seinen Gunsten und den unmittelbar aus dem Gesetz hieraus folgenden Erstattungsverpflichtung denknotwendig voraus.

c. Liegen - wie ausgeführt - die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO nicht vor, so kommt eine solche auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass beide Beteiligte das Gericht einvernehmlich hierum ersucht haben. Nach den vorstehenden Ausführungen und der eindeutigen Gesetzeslage und Rechtsprechung bestand und besteht keine Möglichkeit, dass als Resultat aus dem vorliegenden Klageverfahren Folgen bei der Kindergeldfestsetzung der Kindesmutter gezogen werden. Diese hat bereits gegen Ende des Verwaltungsverfahrens eindeutig und mehrfach eine Weiterleitung des Kindergeldes bestritten und bekundet keine Erklärung in diesem Sinne abzugeben. Nach dem ohnehin zu ihren Gunsten festzusetzenden Kindergeld, hatte sie spätestens ab diesem Zeitpunkt auch Anspruch auf dessen Auszahlung.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beiladung dienen grundsätzlich auch dem Schutz Dritter vor einer Einbeziehung als Nichtbeteiligter in ein sie offenkundig nicht betreffendes Gerichtsverfahren. Im Streitfall kommt hinzu, dass für eine weitere Verzögerung der Bescheidung der Kindesmutter durch die Bekl und damit der Festsetzung und Auszahlung des ihr für den Streitzeitraum zustehenden Kindergeldes - aus hier allein maßgebenden steuerrechtlichen Gründen - keine Rechtfertigung ersichtlich ist.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO sind im Streitfall nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

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