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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 25.04.2007
Aktenzeichen: 2 K 163/06
Rechtsgebiete: KStG, GmbHG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3 S. 2
GmbHG § 7 Abs. 2
GmbHG § 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

2 K 163/06

Tatbestand:

Es geht in diesem Verfahren um die Frage, ob der Beklagte zu Recht in den angefochtenen Bescheiden von einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von 1.500 EUR ausgegangen ist, weil das zunächst eingezahlte Stammkapital an die Gesellschafter darlehensweise zurückgezahlt wurde, ohne dass Zinsen berechnet worden sind.

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ...09.2002 gegründet. Das Stammkapital beträgt 25.000 EUR.

Im notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag ist folgende Regelung enthalten:

§ 2: Die vorgenannte Stammeinlage ist in voller Höhe eingezahlt.

Die Eröffnungsbilanz zum 01.10.2002 weist 25.000 EUR Bankguthaben als einzige Position auf der Aktivseite aus. Gewinne wurden nicht erklärt.

Durch notariellen Vertrag vom 14.05.2003 übertrug der Gründungsgesellschafter seinen Anteil an Herrn Z.

Der Übertragungsvertrag enthält in II. folgende Regelung:

Der verkaufte Geschäftsanteil ist in voller Höhe eingezahlt. Eine Haftung für rückständige Leistungen nach § 16 Abs. 3 GmbHG kommt damit nicht in Betracht.

In der Bilanz auf den 31.12.2003 wurden Aktiva (ohne nähere Bezeichnung) in Höhe von 25.000 EUR ausgewiesen. Es wurde ein Jahresüberschuss in Höhe von 0 EUR ausgewiesen.

Durch notariellen Übertragungsvertrag vom 28.08.2004 wurde der Geschäftsanteil in Höhe von 25.000 EUR in zwei Anteile in Höhe von 12.500 EUR geteilt. Ein Anteil wurde auf Herrn M durch Abtretung übertragen. Zum 01.09.2004 nahm die Gesellschaft eine werbende Tätigkeit auf. Die neuen Gesellschafter zahlten ihre Anteile im Dezember 2004 (am 22.12.2004 und am 29.12.2004) ein.

Durch Körperschaftsteuererklärung 2003 und Gewerbesteuererklärung 2003 jeweils vom 18.04.2005 erklärte die Klägerin für 2003 einen Gewinn von 0,00 EUR.

Durch Körperschaftsteuerbescheid vom 02.05.2005 setzte das Finanzamt einen Steuerbilanzgewinn in Höhe von 1.500 EUR an. Im Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag vom 02.05.2005 setzte der Beklagte einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.500 EUR an. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben sei. Das an die Gesellschafter zurückgezahlte Kapital hätte verzinst werden müssen. Bei der Berechnung der Zinsen sei von einem marktüblichen Kontokorrentzins von 6% auszugehen.

Durch Schriftsätze vom 04.07.2005 legte die Klägerin Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2003 und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 ein.

Durch Schreiben vom 15.02.2006 bat der Beklagte die Klägerin nachzuweisen, wo sich das eingezahlte Stammkapital befindet.

Durch Einspruchsentscheidung vom 19.06.2006 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Am 20.07.2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Erwerbs der Geschäftsanteile keinen Geschäftsbetrieb geführt. Es habe sich um eine ruhende, nicht werbend tätige Gesellschaft gehandelt. Die Gesellschaft sei dahingehend frei, sich zu entscheiden, ob sie gewerblich tätig sein wolle oder nicht. Übertragen worden sei ein reiner GmbH-Mantel, der erst mit Wirkung ab dem 01.09.2004 ein Erwerbsgeschäft aufnahm. Eine ruhende Gesellschaft ohne Geschäftsbetrieb sei steuerrechtlich neutral, da sie kein Einkommen erziele. Dementsprechend komme auch keine Verhinderung von Einnahmen in Betracht. Die vom Finanzamt vorgenommene Hinzuschätzung bewirke eine unzulässige Zwangsverzinsung, welche dazu führe, dass ruhenden Gesellschaften das haftende Gesellschaftskapital entzogen werde. Eine Gesellschaft sei nicht verpflichtet, ihr Kapital zinsbringend anzulegen, denn sie dürfe nicht schlechter gestellt werden als eine natürliche Person, welche frei darüber entscheiden könne, ob sie Einnahmen erzielen wolle. Vorratsgesellschaften würden erst dann zum Steuersubjekt, wenn sie eine gewerbliche Tätigkeit aufnehmen.

Die übernehmenden Gesellschafter hätten von dem Gründungsgesellschafter kein Gesellschaftskapital übernommen, sondern das Kapital erstmals im Dezember 2004 in voller Höhe eingezahlt und der Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Die im Übertragungsvertrag vom 14.05.2003 vorhandene Ausführung bezüglich der Einzahlung des Stammkapitals betreffe keinen steuerrechtlichen Vorgang, sondern lediglich die gesellschaftsrechtliche Frage der Nachhaftung.

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom 02.05.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.06.2006, ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass es nicht erheblich sei, ob eine Gesellschaft ruhe. Entscheidend sei, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Steuernorm zur Anwendung gelangen, was im Streitfall gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG der Fall sei. Es komme auch keine Zwangsverzinsung zur Anwendung, da eine Hinzuschätzung nicht vorgenommen worden wäre, wenn die Klägerin ihr Kapital behalten hätte. Die Klägerin habe nicht dargelegt, was sie mit dem Kapital gemacht habe. Insofern sei der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass das Kapital an die Gesellschafter zurückgezahlt worden sei. Die vom Beklagten angesetzten 6% entsprächen einem marktüblichen Kontokorrentzins.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht haben die Gewerbesteuerakten, die Körperschaftsteuerakten, die Bilanz- und Berichtsakten, die Akten betr. Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals, die Akte Allgemeines und die Rechtsbehelfsakten zu der Steuernummer ... vorgelegen. Auf das Sitzungsprotokoll des Erörterungstermins vom 30.01.2007 wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Beklagte ist zu Recht von einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von 1.500 EUR ausgegangen.

Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. BFH vom 4. September 2002 I R 48/01, BFH/NV 2003, 347;vom 22. Oktober 2003 I R 37/02, BFHE 204, 96, BStBl II 2004, 121, jeweils m.w.N.). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom 16. März 1967 I 261/63 , BFHE 89, 208 , BStBl III 1967, 626 ). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahe stehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, vgl.Senatsurteil vom 17. Dezember 1997 I R 70/97 , BFHE 185, 224 , BStBl II 1998, 545 , m.w.N.).

Die Klägerin hat nicht beantwortet, was mit der 2002 eingezahlten Stammeinlage geschehen ist. Sowohl aus dem Gründungsvertrag vom ...09.2002 als auch aus dem notariellen Vertrag vom 14.05.2003 ergibt sich, dass das Stammkapital in Höhe von 25.000 EUR voll eingezahlt gewesen ist. Die Eröffnungsbilanz zum 01.10.2002 weist Bankguthaben in Höhe von 25.000 EUR aus.

Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die Klägerin ihren Gesellschaftern das zunächst voll eingezahlte Stammkapital in Form eines Darlehens zurückgezahlt hat, denn eine anderweitige (endgültige) Rückzahlung des Stammkapitals wäre handelsrechtlich nicht zulässig gewesen.

Die Klägerin hat keine Belege vorgelegt, aus denen sich ergeben hat, dass sich das Geld im Streitjahr bei einer Bank befunden hat. Die Bilanz zum 31.12.2003 weist im Gegensatz zu der Bilanz vom 31.12.2002 keine Forderung gegenüber einer Bank aus.

Zwar ist weder eine juristische noch eine natürliche Person verpflichtet, Gewinne zu erwirtschaften, zahlt jedoch eine Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter das Stammkapital darlehensweise zurück ohne, dass die Gesellschafter hierfür Zinsen zahlen müssen, liegt hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung, denn in dieser Zeit konnte die Gesellschaft das Kapital nicht nutzen, um Gewinne zu erwirtschaften. Auch wäre einem fremden Dritten ein Darlehen nicht zinslos gewährt worden.

Diese Wertung führt nicht zu einer Zwangsverzinsung, denn eine Hinzuschätzung von Zinsen wäre z.B. nicht zulässig gewesen, wenn die Klägerin das Kapital auf einem Girokonto bei einer Bank eingezahlt hätte. Auch hier hätte sie zwar keine Zinsen bzw. Einnahmen erzielt, sie hätte aber auch keinem Gesellschafter eine Nutzungsmöglichkeit eröffnet, die sie einem Dritten nicht ermöglicht hätte. Die Tatsache, dass die neuen Gesellschafter im Jahr 2004 ihre Einlagen neu an die GmbH erbringen mussten, spricht zudem dafür, dass das an den Vorgesellschafter gezahlte Stammkapital nicht wieder an die GmbH zurückgezahlt wurde.

Die Annahme des Beklagten, es müsse ein Darlehen vorgelegen haben, wird auch durch die Überlegung gestützt, dass eine endgültige Rückzahlung des Stammkapitals rechtlich nicht zulässig gewesen wäre, weil die Rückzahlung gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen hätte (siehe §§ 30ff GmbHG).

Gestützt wird das Ergebnis zusätzlich durch die Überlegung, dass gem. § 20 GmbHG Verzugszinsen zu zahlen sind, falls keine rechtzeitige Einzahlung des Stammkapitals erfolgt. Diese Regelung darf nicht durch eine Einzahlung und eine sofortige Rückzahlung an den Gesellschafter umgangen werden. Das gilt erst recht, weil gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG die GmbH zum Handelsregister erst angemeldet werden kann, wenn mindestens die Hälfte des Stammkapitals eingezahlt worden ist, wobei für 1-Mann-GmbHs, wie die Klägerin, bei ihrer Gründung noch § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG zur Anwendung gelangt, wonach für den Rest auch noch Sicherheiten bestellt werden müssen.

Das Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des BFH, wonach Kapitalrückzahlungen sogar noch nach einer beschlossenen Kapitalherabsetzung eine verdeckte Gewinnausschüttung begründen können, wenn die Kapitalrückzahlungen bereits vor deren handelsrechtlicher Wirksamkeit vorgenommen werden (siehe z.B. BFH vom 29.06.1995 VIII R 69/93, BFHE 178, 166, BStBl II 1995, 725). In demBeschluss vom 09.08.2006 I B 20/06 (zitiert nach juris) hat der BFH festgestellt, dass bei einer vorzeitigen Rückzahlung des Nennkapitals unter Verzicht auf eine Verzinsung eine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen werden kann. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist daher erst Recht anzunehmen, wenn Kapital zurückgezahlt wird, ohne dass eine Kapitalherabsetzung geplant ist oder handelsrechtlich zulässig ist.

Der Einwand der Klägerin, es habe sich im Streitjahr um eine ruhende Gesellschaft gehandelt, kann kein anderes Ergebnis bewirken, denn auch ruhende Gesellschaften können verdeckte Gewinnausschüttungen vornehmen. Auch für sie gelten die Regelungen über die Erhaltung des Stammkapitals und der § 20 GmbHG.

Gegen die Höhe der vom Beklagten geschätzten Zinsen wurden seitens der Klägerin keine Einwendungen erhoben, noch bestehen seitens des Gerichts diesbezüglich Bedenken.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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