Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.04.2009
Aktenzeichen: 2 K 231/08
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 11 Abs. 1
EStG § 20 Abs. 1
AO § 39 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob der Spekulationsgewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks im Streitjahr oder erst im Folgejahr zu versteuern ist.

Die Kläger sind Eheleute und werden für die Zwecke der Einkommensteuer gemeinsam veranlagt.

Durch Kaufvertrag vom 19.02.2003 kauften sie ein Grundstück in A (Anschaffungskosten in Höhe von 193.645 EUR), welches sie mit Vertrag vom 05.12.2005 veräußerten. Der notarielle Kaufvertrag vom 05.12.2005 enthält insbesondere folgende Bestimmungen:

§ 2 Übergabe- und Verrechnungstag

Übergabe- und Verrechnungstag ist der heutige Tag. Mit diesem Tage gehen die mit dem Vertragsgegenstand verbundenen Rechte und Pflichten sowie die Gefahr auf den Käufer über, dem von diesem Tage an auch die Versicherungsleistungen zustehen. Der Verkäufer verzichtet auf die bereits gezahlte Grundsteuer, Gebäudeversicherungs- und Heizungswartungskosten für 2005.

§ 3 Kaufpreis

Der Kaufpreis beträgt EUR 222.500,00 und wird vom Käufer bis zum 19.12.2005 - hier eingehend - auf das folgende Notaranderkonto des amtierenden Notars eingezahlt:

Bank-1 ...

Der Notar darf die Eigentumsumschreibung nur beantragen, wenn ihm die Zahlung des gesamten Kaufpreises nachgewiesen ist.

Im Falle des Verzuges hat der Käufer den Kaufpreis mit 5%-Punkten pro Jahr über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen ...

Sobald die vertragsgemäße Eigentumsumschreibung des Vertragsgegenstandes auf den Käufer gewährleistet ist und dieser übergeben worden ist, wobei die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes wegen der Grunderwerbsteuer nicht vorliegen muss, löst der Notar zunächst die etwa noch im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte ab und kehrt den Restkaufpreis an den Verkäufer aus. Hierzu wird der Notar von beiden Parteien unwiderruflich angewiesen.

§ 9 Kostenregelung

Die Kosten dieses Vertrages und seiner Durchführung trägt der Käufer. Er zahlt auch die Grunderwerbsteuer. Die Kosten für die Ablösung der nicht übernommenen Belastungen sowie den Anteil der Hebegebühren, der durch besondere Auszahlungsanweisungen entsteht, trägt der Verkäufer. Ihm stehen auch die Zinsen des Notaranderkontos zu.

(Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 05.12.2005 verwiesen.)

Der Kaufpreis ging am 19.12.2005 auf dem Notaranderkonto ein. Am 30.12.2005 wurde die Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Die Löschungsbewilligung der Grundschulden erfolgte am 13.01.2006. Am 17.01.2006 zahlte der Notar den Kaufpreis an die Kläger aus.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2006 erklärten die Kläger einen Veräußerungsgewinn gem. § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von zusammen 37.390 EUR. Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass der Veräußerungsgewinn bereits in 2005 zugeflossen sei und berücksichtigte den Gewinn aus der Veräußerung im Einkommensteuerbescheid 2005 vom 18.06.2008.

Hiergegen legten die Kläger am 25.06.2008 Einspruch mit der Begründung ein, der Zufluss könne erst im Zeitpunkt der Auszahlungsreife erfolgt sein und diese sei erst im Jahr 2006 eingetreten.

Durch Einspruchsentscheidung vom 06.11.2008 wurde der Einkommensteuerbescheid 2005 geändert und wegen des hier streitigen Punktes als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Auszahlungsreife komme es im Streitfall nicht an, weil sich aus besonderen vertraglichen Abmachungen in § 9 des Kaufvertrages ergebe, dass den Klägern bereits seit dem 19.12.2005 die Zinsen aus dem Kaufvertrag zugestanden hätten.

Durch Bescheid vom 25.11.2008 war der Einkommensteuerbescheid 2005 erneut geändert und statt der bisherigen 18.562 EUR und 18.563 EUR nunmehr jeweils 18.181 EUR beim Kläger und bei der Klägerin als sonstige Einkünfte festgesetzt worden.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 06.11.2008 richtet sich die am 28.11.2008 eingegangene Klage.

Zur Begründung der Klage tragen die Kläger vor, der Zufluss des Kaufpreises sei erst im Jahr 2006 erfolgt. Denn erst im Jahr 2006 seien die Voraussetzungen für eine Auszahlungsreife eingetreten. Der Beklagte verkenne bei seiner Würdigung die unterschiedlichen Regelungsbereiche des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums gem. § 23 EStG und des Zuflusses gem. § 11 EStG.

Bei dem Kaufvertrag hätten sich die Vertragsparteien bewusst für die Abwicklung über ein Notaranderkonto entschieden. Der Sinn der Überweisung auf das Notaranderkonto liege darin, dass der Käufer seine Dispositionsmacht über den Kaufpreis noch nicht vollständig verliere und der Verkäufer sie noch nicht erhalte. Der Notar handele als Treuhänder für beide Vertragsparteien. Zum Zeitpunkt der Einzahlung des Kaufpreises hätten die Verkäufer noch keine rechtliche Befugnis gehabt, über das Guthaben zu verfügen. Diese Verfügungsmacht sei erst mit der Auszahlungsreife eingetreten, denn erst zu diesem Zeitpunkt sei der Kaufpreis fällig und der Anspruch auf Auszahlung des Kaufpreises begründet worden. Voraussetzung für die Auszahlungsreife sei insbesondere gewesen, dass ihre kreditfinanzierende Bank die Löschungsbewilligungen erteilt habe. Dies sei erst am 13.01.2006 der Fall gewesen, denn die Freigabe des Kaufpreises zu ihren Gunsten wäre seitens der kreditfinanzierenden Bank der Käufer davon abhängig gemacht worden, dass diese Löschungsbewilligung vorliege, um eine lastenfreie Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu gewährleisten. (Auf das von den Klägern in diesem Zusammenhang vorgelegte Schreiben des Notars vom 19.08.2008 wird verwiesen.)

Der Gesichtspunkt der Verzinsung sei für die Beurteilung des Zuflusszeitpunktes unerheblich. Dieser korrespondiere mit der Nutzungs- und Verrechnungsabrede.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Bescheid vom 25.11.2008 dahingehend zu ändern, dass die sonstigen Einkünfte insgesamt in Höhe von 36.362 EUR nicht berücksichtigt werden und die Einkommensteuer dementsprechend niedriger festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung vom 06.11.2008. Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhof (BFH) vom 30.01.1986 (Bundessteuerblatt (BStBl) II 1986, 404) sei entscheidend, dass die Kläger bereits ab dem 19.12.2005 Anspruch auf Zahlung der Zinsen bezüglich des Kaufpreises gehabt hätten, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits alle Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag erfüllt und keinen Einfluss auf die Verbleibensdauer des Kaufpreises auf dem Anderkonto gehabt hätten. Die Kläger hätten durch den Vertrag vom 05.12.2005 die wirtschaftliche Verfügungsbefugnis über das Grundstück aufgegeben und gegen Erhalt des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto am 19.12.2005 eine Verfügungssperre in Form der Auflassungsvormerkung für das Grundstück zugelassen. In dieser Duldungsverpflichtung liege somit auch eine Verfügungsmöglichkeit über den Kaufpreis, denn ohne Vorliegen einer Kaufpreiszahlung, die für die Empfänger verfügbar sei, hätten diese einer Belastung des Grundstücks mit einer Auflassungsvormerkung nicht zugestimmt. Die Duldung der Auflassungsvormerkung sei unabhängig davon, wo das Bankguthaben treuhänderisch verwaltet werde. Die Käufer hätten über den Kaufpreis ab dem 19.12.2006 nicht mehr verfügen können. Auch seien alle Voraussetzungen für eine Umschreibung des Grundstücks bereits in 2005 gegeben gewesen. Es habe lediglich ein Mangel vorgelegen bezüglich des Anspruchs der Kläger auf Auszahlung des Kaufpreises, hieran scheitere ein Zufluss aber nicht.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten Band IV und V und die Rechtsbehelfsakte zu der Steuernummer .../.../... vorgelegen. Auf das Sitzungsprotokoll des Erörterungstermins vom 04.03.2009 wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Der nach Erlass der Einspruchsentscheidung und vor Klageerhebung ergangene Änderungsbescheid vom 25.11.2008 ist gem. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Dieser Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der angefochtene Bescheid ist dahingehend zu ändern, dass der Spekulationsgewinn nicht im Streitjahr 2005 zu erfassen ist.

Der der Höhe nach unstreitige Spekulationsgewinn aus der Veräußerung des Grundstücks, der durch den notariellen Kaufvertrag vom 05.12.2006 entstanden ist, ist den Klägern erst im Jahr 2006 zugeflossen, so dass dieser Gewinn nicht in 2005 zu berücksichtigen ist.

Für den Zeitpunkt der Versteuerung eines Spekulationsgeschäftes im Sinne des § 23 EStG gilt das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG (BFH vom 02.04.1974 VIII 76/69, BStBl II 1974, 540).

Gem. § 11 Abs. 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der Begriff "Zufließen" in § 11 Abs. 1 EStG ist wirtschaftlich auszulegen. Hiernach liegt ein Zufluss erst mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein in Geld oder Geldeswert bestehendes Wirtschaftsgut vor; das ist in der Regel der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs oder der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen (BFH vom 21.11.1989 IX R 170/85, BStBl II 1990, 310, BFHE 159, 72).

Den Klägern ist der Kaufpreis erst in 2006 durch die Auszahlung des Notars zugeflossen. Ein Zufluss ist nicht bereits durch die Einzahlung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto erfolgt. Zwar ist den Klägern der auf dem Notarkonto eingezahlte Betrag bereits im Jahr 2005 als Treugebern zuzurechnen. Denn obwohl Gläubiger des von einem Notar bei einem Bankinstitut auf ein Anderkonto eingezahlten Betrags der Notar selbst ist, wie es in der Bezeichnung als Anderkonto zum Ausdruck kommt, führt der Notar das Konto nicht für eigene Zwecke und für eigene Rechnung. Anderkonten werden von Notaren eingerichtet, wenn sie die Aufbewahrung von Geldern oder ihre Ablieferung an Dritte übernehmen. Der Notar wird in diesem Fall in einem durch die Bundesnotarordnung (BnotO) und die Dienstordnung für Notare öffentlich-rechtlich geregelten Treuhandverhältnis tätig (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21.12.1959 III ZR 180/58, Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ) 1960, 265; vom 20.11.1979 VI ZR 248/77).

Eine Kapitalforderung ist deswegen gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) dem Treugeber zuzurechnen, der damit seinerseits der kontoführenden Bank Kapital überlässt und den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG verwirklicht. Wer Treugeber in diesem Sinne ist, muss dem Verwahrungsverhältnis entnommen werden. Fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung, muss die Zuteilung ggf. im Wege ergänzender Vertragsauslegung ermittelt werden; dabei kommt es wesentlich darauf an, wieweit der Verkäufer seine Leistungen erbracht hat. Bei der Abwicklung eines Grundstückskaufvertrags wird die Verwahrung durch den Notar zur Sicherung der ordnungsgemäßen Erfüllung der vom Käufer und Verkäufer übernommenen Vertragspflichten vereinbart (BGH vom 25.03.1983 V ZR 168/81, Neue Juristische Wochenzeitschrift (NJW) 1983, 1605). In diesem Fall hat der Käufer den Kaufpreis zu einem bestimmten Termin an den Notar zu zahlen, der ihn erst dann an den Verkäufer auszahlen soll, wenn dieser bestimmte Leistungen erbracht hat. Die Einzelheiten ergeben sich aus der zwischen den Vertragsparteien getroffenen Hinterlegungsvereinbarung und einer entsprechenden Anweisung an den Notar.

Im Streitfall haben die Vertragsparteien bestimmt, dass bereits im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses die Rechte und Pflichten auf die Käufer übergehen sollten, auch stand den Verkäufern bereits ab Zahlung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto ein Recht auf Verzinsung zu, so dass den Klägern bereits ab dem 19. Dezember 2005 der Kaufpreis zugerechnet werden muss. Aber hieraus folgt nicht, dass den Klägern auch der Kaufpreis bereits in 2005 zugeflossen ist.

Denn der Kaufpreis fließt dem Verkäufer noch nicht durch Einzahlung auf das Notaranderkonto, sondern erst mit Auszahlungsreife zu (so auch FG des Landes Brandenburg vom 23.07.1998 3 V 1031/98 E, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1585). Zwar hat der BFH in seiner Entscheidung vom 29.11.2000, bei der es um den Zufluss von Arbeitslohn ging, aufgeführt, dass Einigkeit darüber bestehe, dass im Fall der Zahlung auf ein Notaranderkonto der Zufluss beim Kontoinhaber bewirkt werde (BFH vom 29.11.2000 I R 102/99, BStBl II 2001, 195, BFHE 194, 69 unter Hinweis auf BFH vom 30.01.1986 IV R 125/83, BStBl II 1986, 404, BFHE 146,59). Hieraus folgt aber nach Ansicht des erkennenden Senats nicht, dass der Zuflusszeitpunkt bereits der Zeitpunkt der Zahlung durch den Käufer ist, denn der Sinn der Überweisung auf das Sperr- oder Treuhandkonto liegt gerade darin, dass der Käufer die Dispositionsmacht über den Kaufpreis noch nicht vollständig verliert, der Verkäufer sie noch nicht erhält. Die mit der Regelung über ein Notaranderkonto bezweckte Sicherung besteht darin, dass der Verkäufer die Verfügungsmacht über den Kaufpreis erst mit Vollzugsreife des Kaufvertrages erhält. Beim notariellen Grundstückskaufvertrag handelt der Notar nicht als Treuhänder für den einen oder den anderen Teil, sondern für beide Vertragsparteien.

Auch über eine potentielle Verfügungsbefugnis kann kein früherer Zufluss fingiert werden, denn auch eine mögliche Verfügungsmacht setzt voraus, dass eine tatsächliche Machtstellung oder eine rechtliche Befugnis, über das Guthaben zu verfügen, besteht. Daran fehlt es aber grundsätzlich bei der Einzahlung des Kaufpreises auf ein Notaranderkonto. Von der Kaufpreisforderung, die dem Veräußerer zusteht und die mit der Überweisung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto noch nicht erfüllt wird, ist der Auszahlungsanspruch des Verkäufers gegen den Notar zu unterscheiden (siehe zum Beispiel BGH vom 19.03.1998 IX ZR 242/97, NJW 1998, 2134). Dieser öffentlich-rechtliche Anspruch des Veräußerers wird erst mit der in dem Kaufvertrag festgelegten Auszahlungsreife fällig und ist damit erst in diesem Zeitpunkt entstanden. Letzteres ist der Fall, sobald der Anspruch klageweise geltend gemacht werden kann. Voraussetzung dafür ist grundsätzlich, dass der Anspruch fällig ist. Zwar war der Käufer verpflichtet, den Kaufpreis bis zum 19.12.2005 auf das Notaranderkonto einzuzahlen. Hieraus folgt aber nicht, dass die Verkäufer auch bereits berechtigt waren, die Auskehrung des Kaufpreises an sich zu verlangen. Denn der Anspruch auf Auszahlung des Kaufpreises ist nach den in dem Kaufvertrag vom 05.12.2005 erfolgten Vereinbarungen noch nicht im Jahr 2005 fällig gewesen, da die zusätzlichen Voraussetzungen für die Auszahlung des Kaufpreises an die Kläger noch nicht eingetreten waren. D.h. eine in 2005 von den Klägern erhobene Klage auf Auszahlung des Kaufpreises wäre mangels Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs abgewiesen worden.

Der öffentlich-rechtlichen Pflicht des Notars, den auf seinem Anderkonto verwalteten Kaufpreis bei Auszahlungsreife an den Verkäufer auszukehren, steht ein entsprechender Anspruch des Berechtigten gegenüber. Im Wege der Beschwerde kann der Verkäufer bei einem Streit über die Abwicklung des Notaranderkontos erreichen, dass der Notar angewiesen wird, die Auszahlung des auf dem Treuhandkonto verwalteten Geldes vorzunehmen. Solange aber die Auszahlungsreife nicht eingetreten ist, hat der Veräußerer mit seiner Beschwerde auch keinen Erfolg. Sofern nicht besondere vertragliche Abmachungen bestehen, ist deshalb für den Regelfall eines Grundstückskaufvertrages erst im Zeitpunkt der Auszahlungsreife der Auszahlungsanspruch des Verkäufers fällig und damit auch erst in diesem Zeitpunkt entstanden. Das bloße Anwartschaftsrecht auf einen bestimmten Geldbetrag ersetzt noch nicht die erforderliche gesicherte Rechtsposition im Sinne einer Verfügungsbefugnis. Der Verkäufer erwirbt mit Eingang des Geldes eine Anwartschaft auf den Erwerb der Auszahlungsforderung. Er ist aber nicht berechtigt, selbst auf diese einzuwirken; ihm stehen noch keine Herrschaftsbefugnisse zu.

Der Beklagte beruft sich für die Begründung seiner Rechtsansicht zu Unrecht auf das Urteil des BFH vom 30.01.1986 (IV R 125/83, BStBl II 1986, 404, BFHE 146,59). In dieser Entscheidung setzt sich der BFH mit der Frage auseinander, wer der Treugeber des auf dem Notaranderkonto eingezahlten Betrages ist. In diesem Zusammenhang sieht es der BFH als relevant an, wie die Parteien die Verteilung der Zinsen geregelt haben. Aus dieser Entscheidung kann indes nicht hergeleitet werden, dass es bei der Frage, ob ein Zufluss des Kaufpreises erfolgt ist, nicht auf die Auszahlungsreife ankommt, denn der BFH setzt sich in dieser Entscheidung nur mit der Frage auseinander, wem die Zinsen zuzurechnen sind bzw. wer als Treugeber des gezahlten Kaufpreises anzusehen ist. Dasselbe gilt auch für das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 06.06.1995 (IV B 4 - S 2252 -186/95, DB 1995, 1252). Diese Frage ist aber wegen der in § 9 des Kaufvertrages getroffenen Bestimmung unstreitig. Es ergibt sich nicht aus der in § 9 des Vertrages getroffenen Zinsvereinbarung, dass der Zufluss bei den Klägern bereits in 2005 erfolgt ist, denn § 9 regelt lediglich, wem die Zinsen für den Kaufpreis zustehen, nicht aber, wann der Kaufpreis zugeflossen ist.

Die Beantwortung der Frage, wem die Zinsen zuzurechnen sind und wann der Zufluss bzw. Abfluss erfolgt ist, muss nicht einheitlich erfolgen. Für die erste Frage ist entscheidend, dass es einen Steuerpflichtigen geben muss, dem die Zinsen zuzurechnen sind. Die zweite Frage muss nicht in Übereinstimmung mit der ersten Frage entschieden werden, auch muss der Abflusszeitpunkt nicht mit dem Zuflusszeitpunkt übereinstimmen, denn Abfluss und Zufluss müssen nicht zwangsläufig im selben Jahr erfolgen. Ein anderes Ergebnis wäre lediglich dann gerechtfertigt, wenn die Beteiligten durch eine bewusste Gestaltung die Grenzen des § 42 AO überschritten hätten. Dies ist im Streitfall jedoch nicht der Fall, da der zeitliche Abstand zwischen Zahlung auf das Notaranderkonto und Auszahlung durch den Notar an die Käufer gering gewesen ist und durch sachliche Gründe bedingt war.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 1, 3 und § 155 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 und § 711 Zivilprozessordnung.

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück