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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 13.02.2007
Aktenzeichen: 2 V 222/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 4 S. 2 Nr. 2
Die Zugangsvoraussetzungen nach § 69 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 FGO bei Streit über Rechtmäßigkeit eines Grundlagenbescheides liegen vor, wenn hinsichtlich der Folgebescheide Vollstreckung droht. Die drohende Vollstreckung muss hinsichtlich des Gesellschafters der Art und des Umfangs so konkret vorgetragen werden, dass die Feststellungen im Grundlagenbescheid erkennbar Ursache der Vollstreckung sind.
Finanzgericht Hamburg

2 V 222/06

Gründe:

I. Mit Antrag vom 15.09.2006 begehrt die Antragstellerin im Wege der Aussetzung der Vollziehung die Berücksichtigung von 12 weiteren Kommanditisten, den sogenannten Spätkommanditisten, im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1998.

Mit der Klage vom 12.01.2004 (Aktz.: 2 K 21/04) gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.12.2003 beantragt die Antragstellerin die Feststellung eines Verlustes aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ... Mio. DM unter Anerkennung von Ausgaben für Eigenkapitalvermittlungsprovisionen in Höhe von ... Mio. DM und Verlusten aus der Beteiligung an der Firma A Grundstücksgesellschaft mbH & Co ... KG in Höhe von ... Mio. DM.

Bei der Antragstellerin handelt es sich um einen geschlossenen Immobilienfonds. Sie wurde am ...1995 als B Kommanditgesellschaft ... GmbH & Co gegründet. Am 17.12.1996 wurden die Kommanditanteile der Gründungsgesellschafter auf P, Q und R AG übertragen, die GmbH-Anteile auf die S GmbH. Die Gesellschaft wurde umbenannt in S Immobilienbeteiligungs GmbH ... KG (S). Der Prospekt über den Immobilienfonds wurde am 09.05.1997 herausgegeben. Laut Prospekt hatte die Gesellschaft die Bauteile I, II und VI des Gesamtkomplexes A in X bereits erworben. Der prospektierte Gesamtaufwand in Höhe von ... Mio. DM sollte zu ... Mio. DM aus Eigenkapital von Kommanditisten und zu ... Mio. DM aus Fremdkapital erbracht werden. In dem am 09.05.1997 geschlossenen Gesellschaftsvertrag (§ 4 Abs. 3) wurde die Treuhand GmbH (T) als Treuhandkommanditist bestimmt. Auf den Vertrag wird Bezug genommen. Gemäß § 4 Abs. 5 ist der Treuhandkommanditist berechtigt und bevollmächtigt, seine Einlage aus Mitteln von Treugebern zu erhöhen bzw. weitere Kommanditisten in die Gesellschaft aufzunehmen, bis die nach Abs. 4 zu erbringende Einlage von ... Mio. DM erbracht ist. Gemäß § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages (GV) erwirbt, hält und verwaltet der Treuhandkommanditist seine Gesellschaftsbeteiligung treuhänderisch für die Treugeber, mit denen er nach einheitlichem Muster Treuhandverträge abschließt. Nach § 18 Abs. 1 GV bedarf jede Verfügung über einen Kommandit-/Treuhandanteil der Schriftform und der Zustimmung der Komplementärin. Nach Abs. 2 dieser Regelung kann mit Ausnahme des Treuhandkommanditisten jeder Kommanditist seinen Anteil nur mit Wirkung zum Ablauf des 31.12. des jeweils laufenden Jahres abtreten. Der Treuhandkommanditist kann mit Wirkung zum Ablauf des 31.12. des jeweils laufenden Jahres seine Beteiligung im Ganzen oder in Teilbeträgen nur mit Genehmigung der insoweit nach Maßgabe des Treuhandvertrages berechtigten Treugeber abtreten (§ 18 Abs. 3 GV). Eine Kündigung des Vertrages durch einen Gesellschafter war erstmals zum 31.12.2006 möglich (§ 19 GV). Der Treuhandkommanditist kann das Treuhandverhältnis frühestens zum 31.12.2006 kündigen (vgl. § 13 Abs. 3 Treuhandvertrag -THV-). Gemäß § 26 Abs. 5 GV bedürfen Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform, soweit sie nicht durch Gesellschafterbeschluss nach den Bestimmungen des Vertrages getroffen wurden. Andernfalls sind sie nichtig. Dies gilt auch für eine Änderung der Schriftformbestimmung.

Der Treuhandvertrag vom 09.05.1997 weist die T als Treuhandkommanditisten aus. Auf den Vertrag wird Bezug genommen. Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedürfen der Schriftform (§ 17 THV).

Der Fonds wurde am 31.12.1998 geschlossen. Die Fondsanteile konnten bis zu diesem Termin nicht vollständig bei externen Interessenten platziert werden. Die nicht platzierten Anteile wurden von U, der von U gegründeten V und der GbR U, St, W übernommen, weil U eine Platzierungsgarantie abgegeben hatte. Die V und die GbR hielten im Innenverhältnis die Fondsanteile für U.

Die noch nicht platzierten Fondsanteile sollten zunächst an Herrn Y übertragen werden. Eine entsprechende Finanzierung wurde mit der Kreissparkasse ... (Spk) verhandelt (FG-Akte Bl.3). Die Finanzierungsgespräche scheiterten am 30.12.1998. Um 17:45 Uhr erhielt U die Information darüber vom Vorstand der Sparkasse. U musste absprachegemäß die Fondsanteile übernehmen. Diese Fondsanteile wurden mit Treuhandverträgen an die unten aufgeführten Anleger (Spätkommanditisten), zum Teil mit bis zu 50 v.H. Rabatt übertragen. Die Treuhandverträge weisen den 30.12.1998 als Abschlussdatum aus.

In der Zeit vom 23.09.2004 bis 20.01.2006 fand bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung statt. Der Betriebsprüfer erklärte die Buchführung der Antragstellerin als nicht ordnungsgemäß (BP-Akte Bl. 6 Tz 14). Die erklärten Verluste wurden nicht in voller Höhe anerkannt, außerdem berücksichtigte er die Spätkommanditisten nicht bei der Gewinnfeststellung. Die Antragstellerin habe weder belegt noch glaubhaft gemacht, dass bei dieser Vielzahl von Kommanditisten sowie dem Inhalt und dem Umfang der Verträge die tatsächliche Durchführung des Beitritts zu Kommanditgesellschaft am 30.12.1998 erfolgt sei (vgl. Prüfungsvermerk Nr. 6). Noch im Februar 1999 sei mit der Y Gruppe über den Verkauf von Fondsanteilen im Wert von ... Mio. DM verhandelt worden. Also seien die Anteile zu der Zeit noch nicht gezeichnet gewesen. Die Einlagen seien nicht zeitnah, sondern mit erheblicher Verspätung gezahlt worden.

Selbst wenn die Spätkommanditisten die Anteile bereits am 30.12.1998 übernommen haben sollten, würde es sich nicht um Beitritte im Rahmen einer Kapitalerhöhung gehandelt haben, sondern um einen Gesellschafterwechsel. Auch in diesem Falle könnten sie nicht an der Verlustverteilung 1998 teilnehmen.

Außerdem wurde beanstandet, dass die Antragstellerin Provisionszahlungen an U und die GbR in Höhe von ... Mio. DM zugewiesen hatte, obwohl nach dem Verkaufsprospekt nur 1,740 Mio. DM Vertriebskosten incl. Vermittlung des Eigenkapitals ausgewiesen worden waren (FG-Akte Bl. 31, 32). Zudem ergebe sich aus den vorgelegten Provisionsabrechnungen (FG-Akte Bl.35, 36) nicht, für welche konkreten Vermittlungen die Provision verdient worden sein sollte.

Der Antragsgegner erließ am 07.11.2001 einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1998. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde nicht begründet und mit Einspruchsentscheidung vom 11.12.2003 zurückgewiesen. Mit einem weiteren geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1998 vom 21.04.2006 folgte der Antragsgegner den Feststellungen der Betriebsprüfung und beteiligte die Spätkommanditisten nicht mehr am Ergebnis der Kommanditgesellschaft (FG-Akte 2 K 21/04 Bl.92-122).

Mit der Klage vom 12.01.2004 (FG Aktz.: 2 K 21/04) begehrt die Antragstellerin die Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ... Mio. DM. Im Verfahren II 125/04 wegen Aussetzung der Vollziehung Gewinnfeststellung 1998 haben sich die Beteiligten geeinigt und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt, nachdem der Antragsgegner die Vollziehung des Bescheides vom 07.11.2001 in Höhe von ... Mio. DM ausgesetzt und auf die Kommanditisten Nr. 6 bis 48 laut Anlage zum Aussetzungsbescheid verteilt hatte. Mit Ausnahme der O GmbH waren die Spätkommanditisten in dieser Verteilung enthalten (FG-Akte II 125/04 Bl.50). Der Änderungsbescheid vom 21.04.2006 wurde mit Verfügung des Antragsgegners vom 19.07.2006 insoweit ausgesetzt, als von einem Verlust in Höhe von 7.307.068 DM ausgegangen wurde, der nicht auf die Spätkommanditisten verteilt wurde.

Mit dem bei Gericht gestellten weiteren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 15.09.2006 wird die Berücksichtigung der Spätkommanditisten begehrt. Eine vorherige Antragstellung beim Antragsgegner ist nicht erfolgt. Der Antrag wurde gestellt, weil die Gesellschafter die Antragstellerin dazu aufgefordert hatten. Angeblich sei es zu "diversen massiven" Vollstreckungsmaßnahmen gekommen.

Der Betriebsprüfer verkenne die Situation, aus der heraus die Spätkommanditisten Mitgesellschafter geworden seien. Es komme nicht darauf an, wann die Spätkommanditisten ihre Einlagen erbracht hätten. Die Zahlungen seien ihnen teilweise gestundet worden. Wegen der in der damaligen Zeit geänderten Marktverhältnisse habe es erhebliche Schwierigkeiten bei der Einwerbung von Kommanditkapital gegeben. Deshalb sei U gezwungen gewesen, aufgrund der gegebenen Platzierungsgarantie die noch offenen Anteile zu übernehmen. Die Einlageverpflichtung habe er durch Verrechnung mit seinen Provisionsansprüchen erfüllt. Diese Anteile habe er dann aufgrund der Vorverhandlungen mit interessierten Investoren am 30.12.1998 an die Spätkommanditisten übertragen. Es treffe nicht zu, dass noch in 1999 Verhandlungen über Restanteile in Höhe von ca. ... Mio. DM stattgefunden hätten. Allenfalls könne es sich um 1,5 Mio. DM gehandelt haben und um einen Vertrieb über die V im Rahmen ihres abweichenden Wirtschaftsjahres.

Die Provisionszahlung an U in Höhe von rund ... Mio. DM für die Eigenkapitalvermittlung sei auch nicht überhöht. Sie sei branchenüblich und berücksichtige seinen besonderen Einsatz bei der Anwerbung von Interessenten.

Die Antragstellerin beantragt,

den geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1998 vom 21.04.2006 in der Weise in der Vollziehung auszusetzen, dass Verluste in Höhe von 4.654.951 DM an folgende Beteiligte verteilt werden:

 BeteiligteNennwertVerlust
Hr. C200.000 DM99.990 DM
Hr. D500.000 DM249.975 DM
Hr. E500.000 DM249.975 DM
Hr. F4.850.000 DM2.424.757 DM
Firma G50.000 DM24.997 DM
Hr. H30.000 DM16.665 DM
O GmbH500.000 DM249.975 DM
Hr. J180.000 DM89.991 DM
Hr. K300.000 DM149.985 DM
Hr. L1.000.000 DM499.950 DM
Hr. M1.000.000 DM499.950 DM
Fr. N197.500 DM98.740 DM

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die Feststellungen des Betriebsprüfers in den Prüfungsvermerken Nr. 4 und Nr. 6.

Die Antragstellerin könne auch weiterhin keine rechtlichen Grundlagen für die streitigen Eigenkapitalvermittlungsprovisionen bzw. Zahlungen und Buchungen nachweisen.

II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nicht zulässig.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Finanzgericht auf Antrag die Vollziehung eines Steuerbescheides u.a. aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen.

Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen auslösen (vgl. Tipke/Kruse § 69 AO Rdz 89; BFH, Beschlüsse vom 04.02.87, II B 33/85, BStBl. II 1987,327; vom 03.02.93, I B 90/92, BStBl. II 1993,426,428).

Zugangsvoraussetzung für die Antragstellung beim Finanzgericht ist gemäß § 69 Abs. 4 FGO jedoch, dass zuvor ein beim Finanzamt gestellter Antrag ganz oder zum Teil abgelehnt wurde.

Nachdem die Beteiligten sich im Verfahren II 125/05 auf eine Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Feststellungsbescheides 1998 vom 07.11.2001 geeinigt hatten, in diesem Bescheid aber die Spätkommanditisten berücksichtigt worden waren, kommt es für das vorliegende Verfahren nur noch auf den geänderten Bescheid vom 21.04.2006 an. Wegen dieses Bescheides ist aber weder ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt gestellt noch dort abgelehnt worden.

Diese Einschränkung gilt nicht, wenn eine Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO) oder bereits durchgeführt wird. Da es sich hier um einen Gewinnfeststellungsbescheid handelt, kann zwar insoweit, wie dort Grundlagen festgestellt wurden, nicht die Vollstreckung drohen, wohl aber hinsichtlich der Folgebescheide, in denen die Feststellungen übernommen werden. Der Senat geht davon aus, dass die drohende Vollstreckung der Einkommensteuer, die auf den Feststellungen des Grundlagenbescheides beruht, hinsichtlich des Gewinnfeststellungsbescheides die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO schafft (so auch FG Münster, Beschluss vom 10.02.1995, Aktz. 1 V 4490/94, EFG 1995/756).

Auch wenn also grundsätzlich die Vollstreckung von Einkommensteuerbescheiden die unmittelbare Zugangsberechtigung von Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht schafft, sind im Streitfall diese Voraussetzungen dennoch nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat nicht konkret dargelegt, welchem der Spätkommanditisten in welchem Umfang aufgrund welcher Maßnahmen der zuständigen Personenfinanzämter Vollstreckungsmaßnahmen drohen oder sogar durchgeführt werden. Die allgemeine Behauptung, es seien "diverse massive Vollstreckungsmaßnahmen" ergriffen worden, reicht für die Zulässigkeit des Antrages beim Finanzgericht nicht aus.

III. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin als unterliegende Partei gemäß § 135 Abs. 1 FGO zu tragen. Die Beschwerde wird nicht zugelassen (§§ 128 Abs. 3 in Verbindung mit 115 Abs. 2 FGO).



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