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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: 3 K 17/07
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 51 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

3 K 17/07

Gründe:

I. Das Ablehnungsgesuch wegen geltend gemachter Besorgnis der Befangenheit wird gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42, §§ 44-46 Zivilprozessordnung (ZPO) als zwar zulässig, aber unbegründet zurückgewiesen. Es liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Berichterstatterin zu rechtfertigen ( § 42 Abs. 2 ZPO).

1. Der im Rahmen der Verpflichtungsklage auf sachlichen Erbschaftsteuer-Billigkeits(teil)erlass (§ 163, § 5 Abgabenordnung --AO--, §§ 101-102 FGO) mit dem Ablehnungsgesuch gerügte Hinweis der Berichterstatterin auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. März 1998 II R 41/96 (BFHE 185, 270, BStBl II 1998, 396) entspricht der sachgerechten richterlichen Vorbereitung und Prozessförderung einschließlich Gehörsgewährung, zumal gegenüber der weit entfernt ansässigen Klägerseite (vgl. §§ 76, 79, 96 FGO, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz -GG-). Dasselbe gilt für die Zwischenberatung der Berichterstatterin mit den berufsrichterlichen Senatskollegen für die Zwecke des Hinweises.

2. Insbesondere lässt sich eine Besorgnis der Befangenheit nicht herleiten aus dem von der Klägerseite geltend gemachten Unterschied zwischen einerseits dem vorliegenden Sachverhalt (Ermordung der 76-jährigen Erblasserin im Oktober 2004 mehr als ein Jahr vor Ablauf der zehnjährigen Anrechnungsfrist aus Vorschenkung vom Dezember 1995, § 14 Erbschaftsteuergesetz -ErbStG-) und andererseits dem seinerzeit vom BFH und vorgehend vom erkennenden Finanzgericht (FG) beurteilten Fall (Tod des 81-jährigen Erblassers nach Aufgebot zwei Tage vor Heiratstermin bzw. vor Änderung der Steuerklasse, § 15 ErbStG).

Weder bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Berichterstatterin die Unterschiede verkannt haben könnte; noch ist anderweitige Rechtsprechung angeführt oder sonst ersichtlich, die den vorliegenden Sachverhalt genauer trifft.

Unstreitig hat die Berichterstatterin im Übrigen auch auf das - vom BFH aufgehobene - damals einen sachlichen Billigkeitsgrund und eine Ermessensreduzierung auf null bejahende erstinstanzliche Urteil des hiesigen Erbschaftsteuersenats hingewiesen (vom 15. Dezember 1995 II 46/94, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1996, 732 m. Bespr. Beil. 10, 37), das an frühere Rechtsprechung zugunsten eines sachlichen Billigkeitserlasses anknüpfte (Anschluss an FG Baden-Württemberg vom 4. Oktober 1984 IX 345/82, EFG 1985, 249, Revision durch BFH vom 16. September 1987 II R 186/84 zurückgewiesen gemäß Art. I Nr. 7 BFH-Entlastungsgesetz -BFHEntlG- ohne Begründung, n.v.). In der (o.a.) EFG-Besprechung des hiesigen Urteils wird außerdem Bezug genommen auf das nahezu zeitgleiche Urteil des FG Berlin vom 12. Dezember 1995 V 348/95 (EFG 1996, 480), das beim Tod eines 67-jährigen Verlobten wenige Tage vor dem Heiratstermin einen Billigkeitserlass verneint hatte (bestätigt durch BFH vom 23. März 1998 II R 26/96, BFH/NV 1998, 1098).

3. Anhaltspunkte für Zweifel an der Unparteilichkeit der Berichterstatterin ergeben sich entgegen der Befangenheitsrüge auch nicht aus weitergehenden Hinweisen über Zweifel an der sachlichen Erfolgsaussicht der Klage. Auch Hinweise zur Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit des Klageerfolgs oder zum Vorliegen oder Nichtvorliegen der Kriterien für eine Revisionszulassung entsprechen der sachgerechten Vorbereitung, insbesondere der Gehörsgewährung gegenüber der weit entfernt ansässigen Klägerseite.

Naturgemäß - und gegenüber einem insoweit rechtskundigen Prozessbevollmächtigten selbstverständlich - sind derartige Hinweise vor Verfahrensabschluss nicht als endgültige Festlegung, sondern nur vorläufig und vorbehaltlich späterer besserer Argumente und Erkenntnisse zu verstehen. Selbst wenn - wie die Klägerseite rügt - noch eine verfassungsrechtliche Prüfung fehlt oder wenn die geäußerte (sachliche) richterliche Auffassung unrichtig ist, lässt sich daraus keine Besorgnis der (persönlichen) Befangenheit herleiten (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 51 FGO Rd. 21 m.w.N. der ständ. Rspr.).

Daher kann in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob oder inwieweit die Berichterstatterin das Ergebnis der dem Hinweis vorausgegangenen berufsrichterlichen Vorbesprechung richtig übermittelt hat, insbesondere ob sie - mit den Worten des Ablehnungsgesuchs - von einer "gefestigten Meinung des Senats" gesprochen oder erklärt hat, "dass das FG auf jeden Fall eine Revision nicht zulassen wird". Ungeachtet der Frage, inwieweit die Worte der Berichterstatterin im Ablehnungsgesuch zutreffend wiedergegeben werden oder inwieweit eine von der Berichterstatterin geäußerte sachliche Einschätzung nach vorläufigem Prozessstand gerechtfertigt war oder inwieweit oder wo Missverständnisse vorliegen, ist damit kein Zweifel an der Unparteilichkeit der Berichterstatterin dargetan oder gar glaubhaft gemacht; insbesondere nicht an ihrer sachlichen Aufgeschlossenheit gegenüber neuen tatsächlichen oder rechtlichen Argumenten oder Erkenntnissen, wie etwa zur Frage des sachlichen Billigkeitserlasses bei einem Straftatopfer (vgl. z.B. einerseits FG des Saarlandes vom 25. Juli 2003 1 K 168/02, [...]; andererseits Meincke, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 573).

Erst recht ist kein Grund ersichtlich zu einem Misstrauen gegenüber der Aufgeschlossenheit der Berichterstatterin für eine neue Würdigung und Beratung anlässlich einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid der dann zuständigen Berufsrichter oder anlässlich einer mündlichen Verhandlung und Urteilsberatung unter Mitwirkung der dann gemäß Geschäftsverteilung nach Terminsreihenfolge turnusgemäß zu bestimmenden ehrenamtlichen Richter (vgl. § 5 Abs. 3, § 16, § 90, §§ 95-96 FGO).

II. Eine gesonderte Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 2 FGO ausgeschlossen.

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