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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 08.06.2006
Aktenzeichen: 3 K 376/04
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 26
EStG § 26b
BGB § 1936
BGB § 1942
BGB § 1964
BGB § 1966
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

A.

I. Die Klägerin begehrt die einkommensteuerliche Zusammenveranlagung für 2001 mit ihrem Ehemann, der am ... Februar 2003 verstorben ist und bei der Ausübung des Veranlagungswahlrechts in der Einkommensteuer-Erklärung 2001 vom 30. März 2004 nicht mehr mitwirken konnte (Einkommensteuer-Akte -ESt-A- Bd. I Bl. 3, 42). Die Klägerin und andere potentielle Erben haben die verlustbringende und überschuldete Erbschaft ausgeschlagen; bisher ist kein Erbe festgestellt worden (auch nicht der Fiskus) und hat kein Erbe der Zusammenveranlagung zugestimmt und ist kein Nachlasspfleger bestellt (vgl. Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 53, 121, 129R, 142, 144, 145).

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird - zur Vermeidung von Wiederholungen - Bezug genommen auf den im vorliegenden Klageverfahren (nach Beschwerde der Klägerin gegen dessen Aussetzung) ergangenen Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Dezember 2005 III B 145/05 (BFH/NV 2006, 1103; dortige Gründe zu I, FG-A Bl. 129).

Nach Rückübertragung der Sache am 22. März 2006 durch den Einzelrichter auf den Senat (FG-A Bl. 141) hat das Finanzgericht (FG) am 24. März 2006 einen Gerichtsbescheid erlassen (FG-A Bl. 149), gegen den die Klägerin am 17. April 2006 mündliche Verhandlung beantragt hat (FG-A Bl. 157).

II. Danach trägt die Klägerin ergänzend vor (FG-A Bl. 157, 181, 192): 1. Mit der Entscheidung über den Antrag auf Zusammenveranlagung könne nicht bis zur Feststellung eines Erben und bis zu dessen Zustimmung zur Zusammenveranlagung gewartet werden. Anderenfalls könne die Steuerfestsetzung zwischenzeitlich verjähren und die Klägerin als Witwe ihr Recht auf Zusammenveranlagung entgegen der Vorschrift des § 26 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) endgültig verlieren, wonach bei Ehegatten ohne gegenteilige Erklärungen die Wahl der Zusammenveranlagung unterstellt werde. Die Gerichte seien gemäß Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz (GG) an dieses Gesetz gebunden. Die BFH-Rechtsprechung, mit der dem erbausschlagenden Ehegatten bisher die Zusammenveranlagung ohne Erbenzustimmung verweigert worden sei, wolle nur das Interesse des Erben an der Erhaltung des Verlustabzugs schützen. Nach dem bisherigen Verlauf der Erbensuche und nach den bisherigen Erbausschlagungen wegen der Überschuldung des Nachlasses sei jedoch nicht mehr damit zu rechnen, dass ein Erbe die Erbschaft annehmen und einen Antrag auf getrennte Veranlagung stellen werde, um den Verlustabzug selbst zu erhalten, zumal eine Steuererstattung dann an die Gläubiger auszukehren wäre. Auch wenn der Fiskus gesetzlich Erbe werde, habe dieser kein Interesse am Verlustabzug. Davon abgesehen sei ein eventuell zukünftig festgestellter Erbe hinreichend dadurch geschützt, dass er noch nach Bestandskraft eines gegenüber der Witwe (der Klägerin) ergangenen Zusammenveranlagungsbescheids die getrennte Veranlagung wählen könne, wie der BFH mit Urteil vom 3. März 2005, III R 22/02, entschieden habe (BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690). Außerdem entspreche die Unterstellung der Zusammenveranlagungswahl in § 26 Abs. 3 EStG auch den Verhältnissen im Streitfall, wo der verstorbene Ehemann zu Lebzeiten stets die Zusammenveranlagung gewählt habe und nach der Lebenserfahrung diese Wahl von ihm auch für das Streitjahr zu erwarten gewesen wäre. Familienrechtlich bestehe ein Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung nach § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn diese zur geringsten Steuerbelastung führe und keinem der Ehegatten ein steuerlicher Nachteil entstehe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. So wie danach der verstorbene Ehemann hätte zustimmen müssen, komme es auf steuerliche Vorteile eines Erben aus dem Verlustabzug nicht an. Im Übrigen stelle die zu Lebzeiten von den Eheleuten gemeinsam getroffene Wahl der Zusammenveranlagung mit der dadurch bewirkten Verschiebung von Freibeträgen und Steuervergünstigungen beim Lohnsteuerabzug mit Lohnsteuerklasse III die vertragliche Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) i.S.v. § 705 BGB dar. Deren gemeinsamer Zweck bestehe darin, einen zu hohen Steuerabzug zu vermeiden und ein möglichst hohes verfügbares Einkommen der Ehegatten zur Verwendung in der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zu erzielen. Die bedingte Rechtsfähigkeit mit der Fähigkeit der GbR, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, finde ihren Niederschlag in § 26b EStG, wonach die Ehegatten bei Zusammenveranlagung gemeinsam als Steuerpflichtiger zu behandeln seien. Die Gesamtschuld der Ehegatten für die Einkommensteuer nach Maßgabe von § 44 Abgabenordnung (AO) entspreche der Gesamtschuld nach § 421 BGB und sei ebenfalls ein Indiz für die GbR. Es sei fraglich, ob ein Erbe durch den Erbgang in diese GbR eintrete und dann noch Entscheidungen für die Vergangenheit treffen und eine getrennte Veranlagung erzwingen könne. Zumindest würde ein Erbe sich dann treuwidrig verhalten und könnte er zivilgerichtlich zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung gezwungen werden. Verfassungsrechtlich sei eine Zusammenveranlagung geboten, weil eine Witwe (ungeachtet ihrer eventuellen Erbenstellung) ebenso wie der Ehemann tätiges Mitglied der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft Ehe sei. Gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 3. November 1982, 1 BvR 620/78, u.a. gehe das Splittingverfahren bei zusammenlebenden Eheleuten von einer Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs aus. In der wirtschaftlichen Realität der intakten Durchschnittsehe finde ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit statt. In der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft sei grundsätzlich das während der Ehe Erworbene gemeinschaftlich erwirtschaftet. Darüber hinaus erkenne das Splittingverfahren die Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter und die Gleichwertigkeit der Berufs- oder Hausarbeit von Mann und Frau an; die bei getrennter Veranlagung drohende Benachteiligung der Hausfrauenehe werde ausgeschlossen. Zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG habe der Staat die Familiengemeinschaft als eigenständig und selbstverantwortlich zu respektieren, d.h. mit freier Aufgabenverteilung der Eheleute und mit dem Selbstbestimmungsrecht in ihren finanziellen Beziehungen untereinander (BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717, 726 zu C I 4 a). 2. Für die nunmehr zusätzlich begehrte Verurteilung des FA zur Auszahlung des sich bei der Zusammenveranlagung ergebenden Erstattungsguthabens an sie (die Klägerin) bestehe ebenfalls ein Rechtsschutzbedürfnis, weil das FA für den Fall des Klageerfolgs eine Auskehrung an den oder die (noch unbekannten) Erben angekündigt habe. Materiell gründe sich ihr (der Klägerin) Auszahlungsanspruch darauf, dass bei Zusammenveranlagung gemäß Rechtsprechung des BFH (vom 15. November 2005, VII R 16/05, BFHE, BFH/NV 2006, 648) beide Ehegatten erstattungsberechtigt seien. Ebenso wie die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer seien die nur für Ehegatten geltenden Lohnsteuerabzüge der Lohnsteuerklasse III (vom Ehemann) zur Tilgung der gemeinsamen Steuerschuld geleistet und darauf gemäß § 36 Absatz 2 EStG anzurechnen. Nach § 37 Abs. 2 AO sei derjenige erstattungsberechtigt, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden sei. Das sei nicht derjenige, auf dessen Kosten gezahlt worden sei. Auch wenn zusammenveranlagte Ehegatten Gesamtschuldner der überzahlten Steuer gewesen seien, komme es nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden sei, sondern wessen Steuerschuld habe getilgt werden sollen. So sei die Lohnsteuer der Klasse III auf Rechnung beider Eheleute abgezogen worden; denn gemäß § 39b EStG seien sämtliche Freibeträge und Steuervergünstigungen der Ehefrau (Klägerin) beim Ehemann berücksichtigt worden. Diese Regelung sei nur dann mit der Gleichbehandlung von Mann und Frau (Art. 3 GG) und mit dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) vereinbar, wenn beide Ehegatten tatsächlich nach § 26b EStG abgabenrechtlich als ein Steuerpflichtiger mit Lohnsteuerabzug auf gemeinsame Rechnung zu behandeln seien. Danach seien die Ehegatten zwingend Gesamtgläubiger i.S.v. § 428 BGB für Steuererstattungsansprüche aus der Zusammenveranlagung. Diese Ansprüche seien gemäß § 718 BGB Gesellschafts- und Gesamthandsvermögen der durch die Wahl der Zusammenveranlagung gebildeten (zu 1 erwähnten) GbR geworden. Für die GbR gelte die Gesamtgläubigerschaft gemäß § 428 BGB. Der Regelung des § 428 BGB, dass die Leistung an einen Gesamtgläubiger den Schuldner von seiner Schuld befreie, entspreche die Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, wonach bei Zusammenveranlagung die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirke. Das Recht eines Gesamtgläubigers auf Klageerhebung gemäß § 428 Satz 2 BGB entspreche der Rechtsstellung der Ehegatten, die jeder für sich Adressaten des Einkommensteuerbescheides seien und Einspruch einlegen oder Klage erheben könnten. Aufgrund dieser Gesamtgläubigerstellung müsse das FA die gesamte Steuererstattung an die Witwe (Klägerin) auszahlen. Im Übrigen sei der Auszahlungsanspruch einer Ehefrau oder Witwe ebenso verfassungsrechtlich geschützt wie der oben (zu 1) beschriebene Anspruch auf Zusammenveranlagung. Mit der Auszahlung der gesamten Erstattung an sie (die Klägerin) gehe das FA auch kein Risiko ein. Denn die Schuldbefreiung gemäß § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG wirke auch gegenüber einem etwaigen Erben. Sollte sich doch noch ein Erbe finden, könnte dieser die Frage eines anteiligen Anspruchs gegenüber der Witwe (Klägerin) zivilgerichtlich klären lassen.

Die Klägerin beantragt (FG-A Bl. 2, 89, 139, 160, 197), 1. den Beklagten (das Finanzamt -FA-) - unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 26. April 2004 (ESt-A Bl. 73) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2005 (FG-A Bl. 93, Rechtsbehelfs-Akte -Rb-A- Bl. 29) und des Bescheids über die getrennte Veranlagung zur Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2001 vom 5. Mai 2004 (FG-A Bl. 4, ESt-A Bl. 75) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2004 (FG-A Bl. 6, 20) und des Änderungsbescheids vom 16. September 2005 (ESt-A Bl. 174) - zu verpflichten, sie (die Klägerin) gemäß ihrer Erklärung zusammen mit ihrem verstorbenen Ehegatten auf null zu veranlagen; 2. für den Fall der Stattgabe des Klageantrags zu 1 das FA zu verurteilen, das sich bei der Zusammenveranlagung ergebende Steuerguthaben allein an sie (die Klägerin) auszuzahlen; 3. die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt (FG-A Bl. 18, 197), die Klage abzuweisen.

Das FA trägt ergänzend vor (FG-A Bl. 179): Für die Zusammenveranlagung komme es auf die Zustimmung des Erben nicht nur wegen dessen Interesse an einer Verlustfeststellung an; um eine solche gehe es z.B. nicht im Fall des BFH-Urteils vom 8. Oktober 1997, XI R 20/97 (BFH/NV 1998, 701, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 1998, 563), das der BFH im Streitfall in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2005, III B 145/02, bereits zitiert habe (BFH/NV 2006, 1103). Im Fall einer Zusammenveranlagung sei eine Erstattung grundsätzlich hälftig an jeden Ehegatten auszuzahlen, wenn keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Tilgungsabsicht bei den Vorauszahlungen bekannt seien. Im Unterschied dazu stehe jedoch beim Lohnsteuerabzug fest, dass dieser für Rechnung des Arbeitnehmers abgeführt werde. Der BFH habe dies mit Beschluss vom 18. November 2004, VII B 107/04, ausgeführt (BFH/NV 2005, 830) und auf diese Entscheidung ebenfalls im zuvor genannten Beschluss im Streitfall hingewiesen.

III. Der Senat nimmt ergänzend Bezug auf die Sitzungsprotokolle vom 3. Mai und 24. Juni 2005 sowie 8. Juni 2006 (FG-A Bl. 45, 52, 197) sowie auf die dort weiter angeführten Vorgänge und die damit zusammenhängenden Unterlagen aus der Gerichtsakte (FG-A) und aus folgenden Steuerakten - Rechtsbehelfsakte (Rb-A), - Einkommensteuerakten (ESt-A) Bd. VI und I.

Gründe

B.

I. Der Klageantrag zu 1 auf Verpflichtung zur Zusammenveranlagung wird als zwar zulässig aber unbegründet abgewiesen.

Der Senat sieht den Verpflichtungsklageantrag zu 1 in Übereinstimmung mit der Behandlung durch den BFH als zulässig an, selbst wenn die Klägerin angesichts der Nullveranlagung vor dem letzten Änderungsbescheid möglicherweise zunächst sinngemäß eine Zusammenveranlagung mit dem Ziel einer Verlustfeststellung begehrt hat. Der BFH hat in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2005, III B 145/05 (betreffend die Aufhebung der Verfahrensaussetzung), im Streitfall die von der Klägerin erstrebte Auskehrung der beim verstorbenen Ehemann einbehaltenen Lohnsteuer angeführt (BFH/NV 2006, 1103, Gründe zu I).

Nach Auffassung des Senats ist der Antrag auf Zusammenveranlagung jedoch unbegründet und hat das FA zu Recht die Zusammenveranlagung abgelehnt, indem es die Klägerin getrennt veranlagt hat.

A. Bei der Auslegung des Veranlagungswahlrechts der "Ehegatten" aus § 26 EStG geht der Senat davon aus, dass der Gesetzgeber auch für die Unterstellung der Zusammenveranlagungswahl in § 26 Abs. 3 EStG die Existenz beider "Ehegatten" vorausgesetzt hat.

Für den davon zu unterscheidenden vorliegenden Fall der einseitigen Ausübung des Wahlrechts nach dem Tod des anderen Ehegatten folgt der Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die begehrte einkommensteuerliche Zusammenveranlagung dann nur möglich ist, wenn der Erbe des verstorbenen Ehegatten zustimmt, woran es hier fehlt.

Auch insoweit nimmt der Senat Bezug auf den vorerwähnten BFH-Beschluss im Streitfall (BFH/NV 2006, 1103) und auf den in dessen Gründen (zu II 2 b aa) angeführten Meinungsstand, speziell auf die dort zitierte ständige Rechtsprechung (vgl. BFH vom 13. November 1979, VIII R 193/77, BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188; vom 15. Oktober 1964, VI 175/63 U, BFHE 81, 236, BStBl III 1965, 86).

Das gilt auch für den Gesichtspunkt, dass das Zustimmungserfordernis - entgegen der Auffassung der Klägerin - in den entschiedenen Fällen nicht nur im Verlustabzugsinteresse des Erben aufgestellt wurde (vgl. BFH vom 8. Oktober 1997, XI R 20/97, BFH/NV 1998, 701, DStRE 1998, 563).

B. Im Übrigen kommt es im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob es gemäß § 26 Abs. 3 EStG auch genügt, wenn ein Erbe zumindest der seitens der Witwe gewählten Zusammenveranlagung nicht widerspricht (vgl. BFH vom 13. September 1988, VIII R 218/85, BFH/NV 1989, 354, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht -FamRZ- 1989, 734 zu II 2 m. Anm. Hardt), so wie auch bei fehlender Unterschrift eines Ehegatten zu Lebzeiten die Wahl der Zusammenveranlagung unterstellt wird (vgl. FG München vom 21. Oktober 2003, 6 K 2834/02, Juris; BFH vom 30. Oktober 2001, X B 63/01, BFH/NV 2002, 504).

Der Streitfall unterscheidet sich dadurch, dass hier ein Erbe, der sich zum Veranlagungswahlrecht äußern könnte, (noch) nicht festgestellt ist, auch nicht der Fiskuserbe gemäß §§ 1964, 1936, 1942, 1966 BGB (vgl. zu letzterem FG München vom 20. Januar 2005, 11 K 3979/03, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2005, 1082, DStRE 2005, 671, Revision BFH, VII R 12/05).

C. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 3. März 2005, III R 22/02 (BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690), geltend macht, dass nach der begehrten Zusammenveranlagung ein später festgestellter Erbe noch die getrennte Veranlagung wählen könnte, ergibt sich daraus für den Senat keine andere Beurteilung; dieses Urteil war zur Zeit des o.a. Beschwerdebeschlusses und der darin vom BFH im Streitfall aufgezeigten Entscheidungsmöglichkeiten bereits bekannt.

D. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Klägerin weiter angeführten Anspruch auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 BGB. Daraus ergibt sich kein Anspruch gegen einen Erben auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung, weil nach dem Tod des Ehegatten die ehelichen Rechte und Pflichten nicht mehr anzuwenden sind (vgl. Amtsgericht -AG- Essen vom 10. Februar 2004, 13 C 479/03, Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht -ZVI- 2004, 196; vgl. ferner Kahlert/Rühland, ZVI 2006, 101).

E. Der Senat folgt der Klägerin außerdem nicht in der Annahme, dass alle in Deutschland zusammenveranlagten Ehepaare mit der Wahl der Zusammenveranlagung jeweils vertraglich eine GbR i.S.v. § 705 BGB begründet hätten und dass deswegen die Verweigerung der Erbenzustimmung zur Zusammenveranlagung im Folgejahr gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstieße. (Davon abgesehen ist ein GbR-Gesellschafter nicht - wie die Klägerin ausführt - Gesamtgläubiger i.S.v. § 428 BGB, sondern Gesamthandgläubiger.)

F. Im Übrigen verstößt es nicht gegen Art. 3 oder Art. 6 GG, wenn gegenüber dem die verlust- und schuldenbringende Erbschaft ausschlagenden Ehegatten (hier gegenüber der Klägerin) nicht die Wahl der Zusammenveranlagung unterstellt wird und wenn ihm danach die Steuervorteile aus den abgewälzten oder sozialisierten Nachlassverlusten und -schulden nicht mehr (ohne Zustimmung der Erbenseite) zu Gute kommen.

Nach der Erbausschlagung geht es schließlich nicht mehr um die von der Klägerin aus der Rechtsprechung zum Splittingvorteil zitierte "Realität der intakten Durchschnittsehe" oder die "eheliche Wirtschaftsgemeinschaft" mit dem "Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanziellen Beziehungen" (vgl. BVerfG vom 3. November 1982, 1 BvR 620/78, u.a. BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717, 726 zu C I 4 a).

II. Nach der Abweisung des Klageantrags zu 1 hat der Senat nicht mehr über den Klageantrag zu 2 zu entscheiden.

Denn es handelt sich um eine von der Verpflichtungsklage zu 1 abhängige Leistungsklage (ohne Vorverfahren) auf Verurteilung zur Auszahlung der Erstattung aus der (mit dem Antrag zu 1 begehrten) Veranlagung (vgl. zum Leistungsurteil bei Anfechtungsklage § 100 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Finanzgerichtsordnung -FGO-; zur entsprechenden Zulässigkeit eines von einer Verpflichtungsklage abhängigen Klageantrags anstelle einer Stufenklage vgl. BFH vom 29. Juni 1971, VII K 31/67, BFHE 103, 28, BStBl II 1971, 740; Schmidt-Troje in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 100 FGO Rd. 94-95 m.w.N.; von Groll in Gräber, FGO, 6. A., § 40 Rd. 34; Tipke in Tipke/Kruse, FGO, § 40 Rd. 17 a.E.; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rd. 9598 f, 9601. 9609 ff, 9630 m.w.N.).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen (vgl. die vom BFH im Streitfall-Beschluss BFH/NV 2006, 1103 zitierte Rechtsprechungskritik Seeger in Schmidt, EStG, 25. A., § 26 Rd. 23 m.w.N.; Seiler in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 4. A., § 26 Rd. 80).

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH III R 59/06)

Ende der Entscheidung

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