Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 15.09.2006
Aktenzeichen: 4 K 161/04
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 615/98


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 615/98 Art. 2 Abs. 2
VO (EG) Nr. 615/98 Art. 5 Abs. 3
VO (EG) Nr. 615/98 Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 161/04

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Versagung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Mit Ausfuhranmeldung vom 1.7.1999 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt H insgesamt 30 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 9000 zur Ausfuhr in den Libanon an. Die Tiere wurden mit dem LKW über Prosecco nach Koper transportiert und anschließend mit dem Schiff "A..." in den Libanon verbracht. Ausweislich des zum Kontrollexemplar T 5 vom italienischen Grenzveterinär ausgestellten Protokolls Nr. 826 war ein Tier auf dem Transportweg nach Prosecco aufgrund von "Transportstress - Trauma" verendet. Hinsichtlich der 29 aus dem Gebiet der Gemeinschaft ausgeführten Tiere vermerkte der Grenzveterinär auf der Rückseite des Kontrollexemplares T 5 "Controllato e risultato conforme alle disposizioni dell'articolo 2 del regolamento (CE) N. 615/98".

In der Folgezeit teilte die Klägerin dem beklagten Hauptzollamt mit, dass von den 29 aus dem Gebiet der Gemeinschaft ausgeführten Tieren ein Bulle nicht auf das Schiff verladen worden sei. Daraufhin berücksichtigte das beklagte Hauptzollamt die 2 verendeten Tiere bei dem Erstattungsantrag 00520 gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98, wonach Ausfuhrerstattung für während des Transports verendete Tiere nicht gezahlt wird, erstattungsmindernd und nahm unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 4 2. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 615/98 eine weitere Kürzung des Erstattungsbetrages vor. Nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 1. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 615/98 wird die Erstattung weiter gekürzt um den nach Absatz 3 geminderten Erstattungsbetrag, wenn die Zahl der Tiere, für die nach Absatz 3 keine Erstattung bezahlt wird, mehr als 3% der in der angenommenen Ausfuhranmeldung genannten Zahl, jedoch mindestens zwei Tiere, beträgt. Mit Bescheid vom 1.10.1999 gewährte das beklagte Hauptzollamt der Klägerin daher Ausfuhrerstattung lediglich in Höhe von DM 20.360,65.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 1.10.1999 im Hinblick auf die nach Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 vorgenommene Kürzung des Erstattungsbetrages Einspruch, den das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 3.8.2004 zurückwies. Im Rahmen der Begründung der Einspruchsentscheidung verwies das beklagte Hauptzollamt u.a. darauf, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass der Tod der während des Transports verendeten Tiere nicht durch die Nichteinhaltung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport verursacht worden sei. Nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 habe aber der Ausführer, wolle er ein Absehen von der zusätzlichen Kürzung der Erstattung nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 erreichen, diesen Beweis zu führen. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer am 2.9.2004 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie verweist darauf, dass der Kontrollbericht nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 keinerlei Anhaltspunkte dafür enthalte, dass hinsichtlich der streitgegenständlichen Ausfuhrsendung die Gemeinschaftsvorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden seien. Ein darüber hinausgehender Nachweis könne von ihr nicht verlangt werden. Es sei nicht vorstellbar, dass der Tod einzelner Tiere durch die Nichteinhaltung von Tierschutzvorschriften verursacht worden sein könnte, wenn ein Tierarzt unmittelbar nach Entladung des Tiertransportes feststelle, dass in Bezug auf die entladenen Tiere, die die ganz überwiegende Mehrheit der Ausfuhrpartie ausmachten, keinerlei Hinweise auf ein Verletzung der Tierschutzvorschriften beim Transport vorlägen.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 1.10.1999 und der Einspruchsentscheidung vom 3.8.2004 - soweit diese entgegenstehen - zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 19.7.1999 weitere Ausfuhrerstattung in Höhe von DM 1.455,43 zu gewähren.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verteidigt die angegriffenen Bescheide und merkt ergänzend an, dass der vorgelegte Kontrollbericht über die Entladung der Tiere im Bestimmungsdrittland keinen Aufschluss darüber gebe, dass die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zum Schutz lebender Tiere beim Transport hinsichtlich aller Tiere eingehalten worden seien. Dieser Kontrollbericht beziehe sich lediglich auf die im Libanon tatsächlich entladenen Tiere und deren Gesundheitszustand. Er gebe jedoch keine Auskunft über die Verfassung der während des vorgreiflichen LKW-Transports zum Verschiffungshafen verendeten Tiere, die dem Kontrolleur auch nicht zur Verfügung gestanden hätten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Verpflichtungsklage führt zum Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die Gewährung weiterer Ausfuhrerstattung (§ 101 Satz 1 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

Nach Art. 5 Abs. 3 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18.3.1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABl. Nr. 1 82/19, im Folgenden: VO Nr. 615/98) wird Ausfuhrerstattung u.a. nicht gezahlt für Tiere, die während des Transports verendet sind. In Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 hat der Verordnungsgeber zudem geregelt, dass die Erstattung weiter gekürzt wird um den nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht gezahlten Erstattungsbetrag, wenn die Zahl der Tiere, für die nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 keine Erstattung gezahlt wird, mehr als 3% der in der angenommenen Ausfuhranmeldung genannten Zahl, jedoch mindestens zwei Tiere (1. Alternative), oder mehr als fünf Tiere (2. Alternative) beträgt. Der in der Vorschrift des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 normierte Sanktionstatbestand beruht auf der Erwägung des Gemeinschaftsverordnungsgebers, dass weitere Maßnahmen zu treffen sind, die abschreckend wirken und einheitlich angewandt werden müssen, wenn aufgrund des Zustands und/oder der Gesundheit einer bestimmten Zahl von Tieren einer Lieferung feststeht, dass die Bestimmungen über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten wurden (vgl. 5 Begründungserwägung der VO Nr. 615/98). Allerdings steht hinsichtlich des ersten Versagungstatbestandes des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 - scil. keine Zahlung von Ausfuhrerstattung für Tiere, die während des Transports verendet sind - im Unterschied zu den drei weiteren Versagungsgründen des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht fest, dass die Bestimmungen über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten wurden. Dass Tiere während des Transports verenden, kann seine Ursache zwar in einer Verletzung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport haben. Da aber Transporte mit dem LKW und/oder Schiff für Tiere einen nicht unerheblichen Stressfaktor bedeuten, kann sich in dem Tod eines Tieres während des Transports auch lediglich das jedem Tiertransport immanente Risiko verwirklicht haben, das der Gemeinschaftsverordnungsgeber mit der Zulassung von Tiertransporten bewusst in Kauf genommen hat. Mit anderen Worten: Dass Tiere während des Transports stressbedingt verenden, hat seine Ursache im Transport selbst, nicht aber in einer Verletzung von Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport. Der Sanktionsvorschrift des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 liegt daher in Bezug auf den Versagungstatbestand der Verendung von Tieren während des Transports (Art. 5 Abs. 3 1. Alt. VO Nr. 615/98) lediglich die Vermutung des Gesetzgebers zugrunde, dass die Tiere aufgrund einer Verletzung von gemeinschaftlichen Tierschutzvorschriften verendet sind. Vor diesem Hintergrund hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 weiter bestimmt, dass bei der Anwendung der Sanktionsregelung des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 während des Transports verendete Tiere unberücksichtigt bleiben, für die der Ausführer der zuständigen Behörde nachgewiesen hat, dass ihr Tod nicht durch Nichteinhaltung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport verursacht war. Die Regelung des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 führt damit im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Ausführers, da letztlich nicht die zuständige Behörde allgemeinen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Beweislastregeln folgend eine Verletzung der Bestimmungen über den Schutz von Tieren beim Transport als Anknüpfungspunkt für die Verhängung der Sanktion darzulegen und nachzuweisen hat.

Freilich normiert die Verordnung Nr. 615/98 keine Vorgaben des Inhalts, mit welchen Beweismitteln der Ausführer im Sinne des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 nachzuweisen hat, dass der Tod der Tiere nicht durch Nichteinhaltung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport verursacht war. Da die Verordnung Nr. 615/98 dem Ausführer fernerhin nicht aufgibt, nachzuweisen, welche Ursache statt dessen zum Tode der Tiere geführt hat, hält der erkennende Senat dafür, dass der Nachweis im Sinne des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 als geführt anzusehen ist, wenn der Ausführer objektive Umstände vorträgt und gegebenenfalls belegt, die die gesetzliche Vermutung - scil. Nichteinhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzvorschriften als Ursache für den Tod der Tiere - widerlegen, so dass zur Überzeugung des Senats die Unrichtigkeit der an Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 1. Alt. VO Nr. 615/98 geknüpften Vermutung feststeht. So liegt der Fall auch hier. Denn jedenfalls in Bezug auf ein Tier, das während des Transports nach Koper verendet war, konnte die Klägerin nachweisen, dass der Tod des Tieres nicht durch Nichteinhaltung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport verursacht war:

Der Veterinär in Prosecco, der die nach Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 615/98 vorgeschriebene Kontrolle des Tiertransports an der Ausgangsstelle durchgeführt hat, hat in seinem Protokoll Nr. 826 als Todesursache für das auf dem Weg nach Prosecco verendete Tier "Transportstress - Trauma" vermerkt. Hinweise darauf, dass auch Verletzungen von Tierschutzvorschriften für den Tod des Tieres ursächlich gewesen sein könnten, lassen sich dem Protokoll des italienischen Grenzveterinärs nicht entnehmen. Die im Streitfall festgestellte Todesursache "Transportstress - Trauma" zeigt zur Überzeugung des Senats anschaulich, dass sich im Tod dieses Tieres (lediglich) die Gefahr realisiert hat, die jedem Tiertransport innewohnt und die der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Zulassung von Tiertransporten bewusst in Kauf genommen hat. Der Senat ist sich in diesem Zusammenhang sehr wohl bewusst, dass Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport den transportbedingten Stressfaktur erheblich erhöhen können. Angesichts der Feststellungen des italienischen Grenzveterinärs schließt der Senat im Streitfall indes aus, dass eine Verletzung von Tierschutzbestimmungen für den Tod des Tieres mitursächlich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

Zurück