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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 15.09.2006
Aktenzeichen: 4 K 164/04
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 639/2003, VO (EG) Nr. 615/98


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 615/98 Art. 5 Abs. 3
VO (EG) Nr. 615/98 Art. 5 Abs. 4
VO (EG) Nr. 639/2003 Art. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Versagung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Mit Ausfuhranmeldung vom 18.11.1998 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt H insgesamt 28 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 9000 zur Ausfuhr in den Libanon an und beantragte hierfür unter dem 30.11.1998 mit Antrag-Nr. ...4 die Gewährung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt. Diese Ausfuhrsendung war Teil einer Gesamtsendung von 535 Tieren, die die Klägerin bei verschiedenen Ausfuhrzollstellen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausfuhr abfertigen ließ. Die Tiere wurden jeweils mit dem LKW bzw. der Eisenbahn nach Koper transportiert und anschließend mit dem Schiff "A..." in den Libanon verbracht.

Mit Schreiben vom 11.12.1998 teilte die Klägerin dem beklagten Hauptzollamt mit, dass insgesamt 8 Tiere während des Transports mit dem Schiff verendet seien. Zugleich informierte sie das beklagte Hauptzollamt darüber, dass sie diese 8 Tiere mit einem errechneten Durchschnittsgewicht bei ihrem Antrag Nr. ...4 in Abzug gebracht habe.

Das beklagte Hauptzollamt berücksichtigte die 8 Tiere bei dem Erstattungsantrag ...4 gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98, wonach Ausfuhrerstattung für während des Transports verendete Tiere nicht gezahlt wird, erstattungsmindernd und nahm unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 4 2. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 615/98 eine weitere Kürzung des Erstattungsbetrages vor. Nach Art. 5 Abs. 4 2. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 615/98 wird die Erstattung weiter gekürzt um den nach Absatz 3 geminderten Erstattungsbetrag, wenn die Zahl der Tiere, für die nach Absatz 3 keine Erstattung bezahlt wird, mehr als 5 Tiere beträgt. Mit Bescheid vom 9.2.1999 gewährte das beklagte Hauptzollamt der Klägerin daher Ausfuhrerstattung lediglich in Höhe von DM 12.461,15.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 9.2.1999 im Hinblick auf die nach Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 vorgenommene Kürzung des Erstattungsbetrages Einspruch, den das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 3.8.2004 zurückwies. Im Rahmen der Begründung der Einspruchsentscheidung verwies das beklagte Hauptzollamt u.a. darauf, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass der Tod der während des Transports verendeten Tiere nicht durch die Nichteinhaltung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport verursacht worden sei. Nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 habe aber der Ausführer, wolle er ein Absehen von der zusätzlichen Kürzung der Erstattung nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 erreichen, diesen Beweis zu führen. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer am 31.8.2004 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie führt u.a. aus, dass die verendeten Tiere mangels Feststellung ihrer Ohrmarkennummern nicht der durch die Ausfuhranmeldung vom 18.11.1998 konkretisierten Ausfuhrpartie zuzuordnen seien. Es fehle deshalb jede Grundlage, die Sanktionsvorschrift des Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 auf diese Ausfuhrpartie anzuwenden. Im Übrigen sei in dem nach Entladung der Tiere im Bestimmungsdrittland gemäß Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 erstellten Kontrollbericht festgestellt worden, dass die Gemeinschaftsvorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport eingehalten worden seien. Es sei schlechterdings nicht vorstellbar, dass der Tod einzelner Tiere durch die Nichteinhaltung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport verursacht sein könnte, wenn ein Tierarzt unmittelbar nach Entladung der Partie im Bestimmungsdrittland festgestellt habe, dass bei den entladenen Tieren, die die ganz überwiegende Mehrheit der Gesamtausfuhr ausmachten, keinerlei Anhaltspunkte für eine Verletzung der beim Transport zu beachtenden Tierschutzvorschriften feststellbar gewesen seien. Im Übrigen setze die Anwendbarkeit der Sanktionsvorschrift des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 ohnehin voraus, dass bezogen auf die jeweilige Ausfuhrpartie, die durch die jeweils angenommene Ausfuhranmeldung konkretisiert sei, ein Sanktionstatbestand festgestellt werde. Im Streitfall könnten indes die verendeten Tiere im Hinblick darauf keiner konkreten Ausfuhrpartie zugeordnet werden, da deren Ohrenmarkennummern nicht festgehalten worden seien.

Die Klägerin beantragt, das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 9.2.1999 und der Einspruchsentscheidung vom 3.8.2004 - soweit diese entgegenstehen - zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 30.11.1998 weitere Ausfuhrerstattung in Höhe von DM 5.904,11 zu gewähren.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verteidigt die angegriffenen Bescheide und merkt ergänzend an, dass sich der in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 615/98 normierte Sanktionstatbestand nicht auf die Tiere in der angenommenen Ausfuhranmeldung, sondern auf den gesamten Tiertransport - in concreto auf den Schiffstransport - beziehe, denn der Verordnungsgeber habe mit diesem Sanktionstatbestand auch einem möglichen Transportmittelwechsel Rechnung tragen wollen. Im Übrigen knüpfe Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 hinsichtlich der Ermittlung der Anzahl der Tiere, für die keine Ausfuhrerstattung gezahlt werde, an Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 an, der wiederum auf die während des Transports verendeten Tiere abstelle. Als Transport gelte aber nach Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie91/628/EWG jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel, einschließlich Ver- und Entladen, wobei gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. a der Richtlinie91/628/EWG als Transportmittel Teile von Straßenfahrzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen und Luftfahrzeugen, die für das Verladen und den Transport von Tieren benutzt würden, sowie Behältnisse zum Transport auf dem Land-, See- oder Luftweg definiert seien. Schließlich gibt das beklagte Hauptzollamt zu bedenken, dass die von der Klägerin vertretene Auffassung dazu führe, dass der zweite Sanktionstatbestand praktisch leer laufe. Eine Ausfuhranmeldung umfasse unter Berücksichtigung aller bisher erfolgten Ausfuhrsendungen durchschnittlich 30 Rinder. Da bei 6 verendeten Tieren einer durchschnittlichen Ausfuhrsendung von 30 Tieren bereits der Sanktionstatbestand des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 1. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 615/98 - scil. mehr als 3 % der in den angenommenen Ausfuhranmeldung genannten Tiere, mindestens jedoch 2 Tiere - erfüllt sei, käme dem zweiten Sanktionstatbestand nach der von der Klägerin vertretenen Auslegung keine praktische Bedeutung zu. Erst bei einer Ausfuhranmeldung, mit der 200 Tiere abgefertigt würden, würden 6 während des Transports verendete Tiere genau 3 % der Ausfuhranmeldung ausmachen mit der Folge, dass eine Sanktion gestützt auf die zweite Tatbestandsalternative verhängt werden könnte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage führt zum Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die Gewährung weiterer Ausfuhrerstattung (§ 101 Satz 1 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

Nach Art. 5 Abs. 3 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18.3.1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABl. Nr. L 82/19, im Folgenden: VO Nr. 615/98) wird Ausfuhrerstattung u.a. nicht gezahlt für Tiere, die während des Transports verendet sind. In Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 hat der Verordnungsgeber zudem geregelt, dass die Erstattung weiter gekürzt wird um den nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht gezahlten Erstattungsbetrag, wenn die Zahl der Tiere, für die nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 keine Erstattung gezahlt wird, mehr als 3 % der in der angenommenen Ausfuhranmeldung genannten Zahl, jedoch mindestens zwei Tiere (1. Alternative), oder mehr als fünf Tiere (2. Alternative) beträgt. Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 normiert einen Sanktionstatbestand, dessen Voraussetzungen allgemeinen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Beweislastregeln folgend das beklagte Hauptzollamt darzulegen und nachzuweisen hat. Dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 weiter bestimmt hat, dass bei der Anwendung der Sanktionsregelung des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 während des Transports verendete Tiere unberücksichtigt bleiben, für die der Ausführer der zuständigen Behörde nachgewiesen hat, dass ihr Tod nicht durch Nichteinhaltung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport verursacht war, steht diesem Verständnis nicht entgegen. Denn die in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 geregelte Exculpationsmöglichkeit des Ausführers bezieht sich allein auf die - bezüglich des Sanktionstatbestandes - Vermutung des Gemeinschaftsgesetzgebers, dass in den Fallkonstellationen des Art. 5 Abs. 3 1. Alt. VO Nr. 615/98 die Nichtzahlung der Ausfuhrerstattung auf einer Verletzung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport beruht. Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen der Sanktionsnorm - scil. dass für eine bestimmte Anzahl der in der angenommenen Ausfuhranmeldung aufgeführten Tiere keine Ausfuhrerstattung gewährt worden ist - werden indes vom Verordnungsgeber nicht vermutet mit der Folge, dass der Nachweis des Vorliegens dieser Tatbestandsvoraussetzungen dem beklagten Hauptzollamt obliegt. Keiner der Sanktionstatbestände des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 ist im Streitfall freilich erfüllt: Die vom beklagten Hauptzollamt vorgenommene weitere Kürzung des Erstattungsbetrages findet weder in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 1. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 noch in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 eine Rechtsgrundlage:

a) Das beklagte Hauptzollamt kann die streitgegenständliche weitere Kürzung des Erstattungsbetrages nicht auf Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 1. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 stützen.

Der Sanktionstatbestand des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 1. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 verlangt schon nach seinem Wortlaut - "... der in der angenommenen Ausfuhranmeldung genannten Zahl ..." - eine Zuordnung der Tiere, für die nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr.615/98 keine Ausfuhrerstattung gezahlt wird, zu einer konkreten Ausfuhranmeldung. Der Verordnungsgeber trägt damit zum einen dem Umstand Rechnung, dass sich jeder Erstattungsantrag, der von einem Ausführer gestellt wird und den das beklagte Hauptzollamt als Erstattungsbehörde zu bescheiden hat, auf eine konkrete, einzelne Ausfuhranmeldung bezieht. Die im Gesetzeswortlaut angelegte Zuordnung der Tiere zu einer konkreten Ausfuhranmeldung berücksichtigt zum anderen, dass sich insbesondere auf einem Schiff Tiere verschiedener Ausführer befinden können, was a limine ausschließt, die Rechtsfolgen der Kürzung oder Versagung der Erstattung nicht an die konkrete Ausfuhranmeldung des einzelnen Ausführers zu knüpfen. Dieses Verständnis hat für die Anwendung des Sanktionstatbestandes des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 1. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 zur Folge, dass das beklagte Hauptzollamt zu prüfen und darzulegen hat, ob und dass die Tiere, für die nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 keine Erstattung gezahlt wird, einer bestimmten Ausfuhranmeldung zuzuordnen sind und mehr als 3 % der in dieser Ausfuhranmeldung genannten Stückzahl - mindestens aber zwei Tiere - entsprechen. Letzteres steht hinsichtlich des Streitfalls indes keineswegs fest. Zwar hat die Klägerin die während des Schiffstransports verendeten insgesamt 8 Tiere dem Erstattungsantrag ...4 und damit der Ausfuhranmeldung vom 18.11.1998 (Nr. ...5) zugeordnet. Vor diesem Hintergrund mag es rechtlich nicht zu beanstanden sein, was der erkennende Senat freilich in diesem Verfahren nicht zu beurteilen hat, dass das beklagte Hauptzollamt der Klägerin auf ihren Erstattungsantrag unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 Ausfuhrerstattung lediglich für 20 Tiere und nicht für die angemeldeten 28 Rinder gewährt hat. Das Schreiben der Klägerin vom 11.12.1998 kann allerdings nicht zugleich auch dahin verstanden und ausgelegt werden, dass die 8 verendeten Tiere auch aus der durch die Ausfuhranmeldung vom 18.11.1998 (Nr. ...5) individualisierten Ausfuhrpartie stammten, die in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 1. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 mit dem Tatbestandsmerkmal der "angenommenen Ausfuhranmeldung" angesprochen wird. Vielmehr erklärt sich die von der Klägerin vorgenommene Zuordnung allein unter verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten, nämlich sowohl der Klägerin als Ausführer selbst als auch dem beklagten Hauptzollamt als Erstattungsbehörde die Berechnung und Auszahlung der Ausfuhrerstattung zu erleichtern. Vor dem Hintergrund, dass der Klägerin die Sanktionsregelung des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 bekannt sein dürfte - nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, auf die auch das beklagte Hauptzollamt in verschiedenen Kontexten regelmäßig hinweist, hat sich jeder gewissenhafte und sorgfältige Wirtschaftsteilnehmer über das auf seine Geschäfte anzuwendende Gemeinschaftsrecht zu informieren (vgl. nur EuGH, Urteil vom 26.11.1998 - C-370/96 -, juris) -, ist es schwerlich vorzustellen, dass die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 11.12.1998 dem beklagten Hauptzollamt zugleich auch den Weg für eine weitere, sanktionsbedingte Kürzung des Erstattungsbetrages ebnen wollte. Soweit in dem Urteil des Senats vom 30.8.2005 - IV 12/04 - eine hiervon abweichende Auffassung anklingt, hält der Senat daran nicht mehr fest.

b) Auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 kommt vorliegend als Rechtsgrundlage für die vom beklagten Hauptzollamt vorgenommene weitere Kürzung des Erstattungsbetrags nicht in Betracht.

Allerdings ist dem beklagten Hauptzollamt zuzugeben, dass dieser Sanktionstatbestand seinem Wortlaut nach keinen Bezug zu einer konkreten Ausfuhranmeldung aufweist. In Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 hat der Verordnungsgeber insoweit lediglich formuliert, dass die Erstattung weiter gekürzt wird, wenn die Zahl der Tiere, für die nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 keine Erstattung gezahlt wird, "mehr als fünf Tiere" beträgt. Das beklagte Hauptzollamt weist auch zutreffend darauf hin, dass die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr.639/2003 der Kommission vom 9.4.2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates hinsichtlich des Schutzes lebender Rinder beim Transport als Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen (ABl. Nr. L 93/10, im Folgenden: VO Nr. 639/2003) ebenfalls keine Bezugnahme auf eine konkrete Ausfuhranmeldung enthält. In Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 639/2003 heißt es insoweit lediglich, die "Erstattung wird noch einmal gekürzt um einen Betrag in Höhe des gemäß Art. 5 Abs. 1 VO Nr.639/2003 nicht gezahlten Betrags, wenn für die folgende Zahl Tiere keine Erstattung gezahlt wird: ... b) mehr als fünf Tiere." Im Hinblick darauf, dass der Verordnungsgeber die Verordnung Nr. 615/98 "im Interesse der Klarheit ersetzt" hat (vgl. 2. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 639/2003), könnte in der Tat die fehlende Bezugnahme auf eine Ausfuhranmeldung in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung und nicht nur ein Versäumnis des Verordnungsgebers darstellen mit der Konsequenz, dass diese Sanktionsalternative als Bezugsgröße nicht die Ausfuhranmeldung, sondern den Tiertransport als solches im Blick hat. Da als Transport jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel gilt und als Transportmittel neben Straßen- und Schienenfahrzeugen auch Schiffe gelten (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. b bzw. a der Richtlinie des Rates vom 19.11.1992 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG, ABl. Nr. L 340/17, im Folgenden: Richtlinie 91/628/EWG), ließe sich mit dem beklagten Hauptzollamt schlussfolgern, dass die Sanktionsalternative des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 bereits erfüllt ist, wenn während eines Schiffstransports - so wie hier - mehr als fünf Tiere verendet sind. Dieser Sichtweise vermag sich der erkennende Senat indes nicht anzuschließen. Vielmehr hält der Senat dafür, dass sich auch die in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 festgeschriebene Anforderung "mehr als fünf Tiere" auf eine konkrete, nämlich die jeweils angenommene Ausfuhranmeldung des Ausführers bezieht. Insoweit hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Art. 1 VO Nr. 615/98 macht die Zahlung der Ausfuhrerstattung für lebende Rinder des KN-Codes 0102 davon abhängig, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Vorschriften der Richtlinie91/628/EWG sowie die Regelungen der Verordnung Nr. 615/98 eingehalten werden. Die Zahlung der Ausfuhrerstattung erfolgt regelmäßig allein aufgrund eines Zahlungsantrags des Ausführers (vgl. Art. 47 Abs. 1 der VO/EWG Nr. 3665/87 der Kommission über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 27.11.1987 - ABl. Nr. L 351/1, im Folgenden: VO Nr.3665/87 - sowie Art. 49 Abs. 1 der VO/EG Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.4.1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen - ABl. Nr. L 102/11, im Folgenden: VO Nr. 800/1999 -), der inhaltlich durch die jeweilige Ausfuhranmeldung konkretisiert wird. So hat der Verordnungsgeber etwa in Art. 47 Abs. 2 VO Nr.3665/87 bzw. Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 bestimmt, dass die Unterlagen für die Zahlung der Erstattung innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung einzureichen sind, wobei als Tag der Ausfuhr der Zeitpunkt gilt, an dem die Zollbehörden die Ausfuhranmeldung, aus der hervorgeht, dass eine Erstattung beantragt wird, annehmen (vgl. Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 bzw. Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 800/1999). Die Ausfuhranmeldung und die in ihr enthaltenen Angaben sind ferner maßgebend für die Feststellung des Erstattungssatzes sowie von Menge, Art und Beschaffenheit des ausgeführten Erzeugnisses (vgl. Art. 3 Abs. 2 lit. a und Abs. 4 VO Nr. 1665/87 bzw. Art. 5 Abs. 2 lit. a und c VO Nr. 800/1999). In der Regel stellt deshalb auch die Ausfuhranmeldung den Antrag dar, der bei unrichtigen Angaben die Anwendung der in Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 bzw. Art. 51 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 vorgesehenen Sanktion auslöst (vgl. EuGH, Urteil vom 14.4.2005 - C-385/03 -, juris).

Dass auch hinsichtlich der Sanktionsalternative des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 die Ausfuhranmeldung, obgleich diese im Tatbestand des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 nicht explizit aufgeführt ist, als Bezugsgröße maßgebend ist, lässt sich überdies der Systematik des Art. 5 Abs. 3 und 4 VO Nr. 615/98 entnehmen. Die in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 normierte weitere Kürzung des Erstattungsbetrags nimmt in beiden Tatbestandsalternativen jeweils "die Zahl der Tiere, für die nach Absatz 3 keine Erstattung gezahlt wird," in Bezug. Nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 wird aber Ausfuhrerstattung immer nur für Tiere einer bestimmten Ausfuhranmeldung nicht gezahlt. Das folgt zum einen aus der vorstehend bereits dargelegten allgemeinen Erwägung, dass sich jeder Erstattungsantrag auf eine bestimmte Ausfuhr bezieht, die durch die Ausfuhranmeldung eingegrenzt wird. Zum anderen hat der Verordnungsgeber in Art. 5 Abs. 3 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 festgeschrieben, dass das Gewicht eines Tieres, für das die Erstattung nicht gezahlt wird, pauschal zu bestimmen ist durch Teilung des in der Ausfuhranmeldung ausgewiesenen Gesamtgewichts in kg durch die dort - scil. in der Ausfuhranmeldung - angegebene Gesamtzahl der Tiere. Diese Zusammenhänge erhellen zugleich, dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber auch keine Veranlassung hatte, die Sanktionsvorschrift des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 bei Erlass der Nachfolgeverordnung Nr. 639/2003 "im Interesse der Klarheit" (vgl. 2. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 639/2003) neu zu fassen. Die Maßgeblichkeit der Ausfuhranmeldung als Bezugsgröße für die beiden Sanktionstatbestände des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr. 615/98 folgt bereits aus dem Verweis auf Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98. Dass im Tatbestand des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 1. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 gleichwohl die Ausfuhranmeldung als Bezugsgröße ausdrücklich aufgeführt wird, erklärt sich allein vor dem Hintergrund, dass dieser Sanktionstatbestand nicht auf eine absolute Zahl, sondern auf einen Prozentsatz abhebt, der ohne eine mathematische Bezugsgröße nicht auskommt.

Die vorstehend beschriebene Auffassung des Senats zur Auslegung des Sanktionstatbestandes in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr.615/98 wird durch die Nachfolgeverordnung Nr. 639/2003 gestützt. Der Verordnungsgeber hat nämlich nicht nur den Sanktionstatbestand des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 VO Nr.615/98 in die Verordnung Nr. 639/2003 übernommen (vgl. insoweit Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 639/2003, wonach die Erstattung noch einmal gekürzt wird um einen Betrag in Höhe des gemäß Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 639/2003 nicht gezahlten Betrages, wenn für die folgende Zahl Tiere keine Erstattung gezahlt wird: (a) mehr als 1 % der in der angenommenen Ausfuhranmeldung bestätigten Zahl, jedoch mindestens zwei Tiere, oder (b) mehr als fünf Tiere), sondern auch eine Verschärfung der Sanktion vorgenommen (vgl. insoweit auch 2. Begründungserwägung der Verordnung Nr.639/2003). In Art. 6 Abs. 2 VO Nr. 639/2003 ist nunmehr verschärfend bestimmt, dass die Erstattung für alle in der Ausfuhranmeldung angegebenen Tiere verweigert wird, wenn für entweder mehr als 5 % der in der angenommenen Ausfuhranmeldung bestätigten Zahl, jedoch mindestens drei Tiere (lit. a), oder mehr als zehn Tiere, jedoch mindestens 2 % der in der angenommenen Ausfuhranmeldung bestätigten Zahl (lit. b), keine Erstattung gezahlt wird. Es ist schwerlich vorzustellen, dass der Verordnungsgeber zwar für den Sanktionstatbestand des Art. 6 Abs. 2 VO Nr. 639/2003 mit der Folge des völligen Erstattungsverlustes die Ausfuhranmeldung als maßgebliche Bezugsgröße normiert, hinsichtlich des Sanktionstatbestandes des Art. 6 Abs. 1 lit. b VO Nr. 639/2003 aber, der als Rechtsfolge lediglich eine weitere Kürzung des Erstattungsanspruchs vorsieht, die Ausfuhranmeldung als Bezugsgröße nicht festschreiben wollte.

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Es ist in der Praxis der Tiertransporte nicht selten anzutreffen, dass Tiere verschiedener Ausführer insbesondere mit demselben Schiff transportiert werden. Das vom beklagten Hauptzollamt präferierte Verständnis des in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 normierten Sanktionstatbestandes hätte zur Konsequenz, dass die Sanktion nicht gegenüber dem Ausführer verhängt würde, dessen Tiere während des Transports verendeten, sondern gegenüber einem (beliebigen?) oder allen Ausführern, ohne Rücksicht darauf, ob diesen Ausführern überhaupt eine Verletzung der Vorschriften über den Schutz von Tieren beim Transport vorzuwerfen ist. Auch würde die vom beklagten Hauptzollamt vertretene Sichtweise zur Folge haben, dass der Sanktionstatbestand des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 im Falle eines Schiffstransportes, der in der Regel eine Größenordnung von 500 bis 800 Tieren umfasst, letztlich bereits erfüllt ist, wenn für etwa 1 % der transportierten Tiere aus den in Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 normierten Gründen keine Erstattung gezahlt wird.

Der erkennende Senat hat fernerhin den Einwand des beklagten Hauptzollamtes gewürdigt, dass nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr.615/98 Ausfuhrerstattung nicht gezahlt wird für Tiere, die während des Transports verendet sind, und dass nach Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 91/628/EWG als Transport jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel gilt. Abgesehen davon, dass nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 Ausfuhrerstattung ebenfalls nicht gezahlt wird für Tiere, bei denen die zuständige Behörde aufgrund der Unterlagen nach Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 615/98, der Berichte über die Kontrollen nach Art. 4 VO Nr. 615/98 und/oder sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628/EWG nicht eingehalten worden ist, und dass diese Versagungstatbestände im Rahmen der Sanktionsvorschrift des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 ebenfalls von Bedeutung sind, kommt dem in Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 in Bezug genommenen Begriff des Transports eine vor allem zeitliche Beschränkung des Inhalts zu, dass dem Ausführer keine Ausfuhrerstattung gezahlt wird für Tiere, die in der Phase zwischen dem Verladen am Versandort und dem Entladen am Bestimmungsort verenden. Dass während des Verbringens der Tiere vom Versandort zum Bestimmungsort mitunter das Transportmittel gewechselt wird, ist in diesem Kontext dagegen völlig unbeachtlich. Denn allein zu Beginn des jeweiligen Transport wird festgelegt, auf welcher Tiere Schicksal es im weiteren Verlauf ankommt, scil. auf das Schicksal der in der jeweiligen Ausfuhranmeldung angegebenen Tiere. Im Übrigen verwendet der Verordnungsgeber in der Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 615/98 die Formulierung "Tiere einer Lieferung". Es heißt dort, wenn aufgrund des Zustands und/oder der Gesundheit einer bestimmten Zahl von Tieren einer Lieferung festgestellt wird, dass die Bestimmungen über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden sind, sind weitere Maßnahmen zu treffen, die abschreckend wirken und einheitlich angewandt werden müssen (vgl. 5. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 615/98). Diese Wortwahl des Verordnungsgebers ("Tiere einer Lieferung") bestärkt den Senat in seiner Auffassung, dass es auch für die Anwendbarkeit der Sanktionsregelung des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 maßgebend allein auf die in der jeweiligen Ausfuhranmeldung angegebenen Tiere ankommt.

Der beschließende Senat ist sich schließlich bewusst, dass das von ihm präferierte Verständnis des in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 2. Spiegelstrich VO Nr. 615/98 normierten Sanktionstatbestandes mitunter zur Folge haben kann, dass dem beklagten Hauptzollamt der Nachweis, welcher Ausfuhranmeldung die während des Transports verendeten Tiere zuzuordnen sind, nicht gelingen wird. Abgesehen davon, dass dem beklagten Hauptzollamt ein solcher Beweisnotstand wohl nur bei Schiffstransporten, nicht aber auch bei Transporten mit Straßen- und Schienenfahrzeugen drohen dürfte, kann dieser Umstand die Auslegung des Gesetzes nicht beeinflussen. Den Tatbestand einer Sanktion als eine dem Ausführer gegenüber belastende Maßnahme hat das beklagte Hauptzollamt darzulegen und nachzuweisen. Sofern das Gesetz so gefasst ist, dass die zuständige Behörde ihrer Darlegungs- und Beweislast nur mühsam bzw. gar nicht nachkommen kann, ist der Gesetzgeber gerufen, das Gesetz gegebenenfalls zu ändern. Die Aufgabe des Gerichts ist darauf reduziert, dass vom Gesetzgeber erlassene Gesetz anzuwenden.

Im Streitfall hat das beklagte Hauptzollamt weder dargelegt noch nachgewiesen, dass die während des Transports der Tiere auf See verendeten Rinder der streitgegenständlichen Ausfuhranmeldung zuzuordnen sind. Dass auch das Schreiben der Klägerin vom 11.12.1998 nicht dahin verstanden und ausgelegt werden kann, dass die 8 verendeten Tiere aus der durch die Ausfuhranmeldung vom 18.11.1998 (Nr. ...5) individualisierten Ausfuhrpartie stammten, hat der erkennende Senat bereits oben ausgeführt.

c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der erkennende Senat hält die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften für nicht erforderlich. Die Zulassung der Revision beruht auf der Erwägung, dass bei abweichender Beurteilung der Rechtslage die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens eröffnet sein soll.

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH VII R 56/06)

Ende der Entscheidung

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