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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: 4 K 25/08
Rechtsgebiete: EG-Verordnung 800/1999, EU VO Nr. 615/98


Vorschriften:

EG-Verordnung 800/1999 Art. 24 Abs. 1
EG-Verordnung 800/1999 Art. 25 Abs. 1
EU VO Nr. 615/98 Art. 2 Abs. 3
EU VO Nr. 615/98 Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 25/08

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Ausfuhrerstattung, die ihr durch das beklagte Hauptzollamt als Vorschuss gewährt worden war.

Mit Ausfuhranmeldung vom 29.4.2002 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt A insgesamt 40 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 9000 zur Ausfuhr in den Libanon an und beantragte hierfür die vorschussweise Gewährung von Ausfuhrerstattung, die ihr mit Bescheid vom 27.1.2003 in Höhe von EUR 8.515,29 antragsgemäß gewährt wurde.

Im Rahmen der Auswertung des von der Klägerin vorgelegten Transportplanes stellte das beklagte Hauptzollamt fest, dass die Transportdauer beginnend am 29.4.2002 um 12.30 Uhr in B (Abfahrt) mit Ankunft am 30.4.2002 gegen 18.00 Uhr in C und anschließender Verladung auf das Schiff insgesamt 29 1/2 Stunden betragen hatte. Diese Feststellung der Transportdauer nahm das beklagte Hauptzollamt zum Anlass, die der Klägerin vorschussweise gewährte Ausfuhrerstattung mit Änderungsbescheid vom 10.2.2005 mit einem Zuschlag von 10% mit der Begründung zurückzufordern, dass sie die nach den gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzbestimmungen zulässige Höchsttransportzeit von 29 Stunden überschritten habe.

Den gegen den Änderungsbescheid vom 10.2.2005 gerichteten Einspruch der Klägerin wies das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 16.12.2005 zurück. Es führte zur Begründung u.a. aus: Nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 setze die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Tiere des KN-Codes 0102 voraus, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Richtlinie des Rates 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport eingehalten werde. In Kapitel VII Ziffer 48 Nr. 4 des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG sei geregelt, dass den Tieren nach einem Transportintervall von maximal 14 Stunden eine mindestens einstündige Ruhepause zu gewähren sei, während der sie zu tränken und nötigenfalls zu füttern seien. Nach einer zweiten Transportphase von wiederum höchstens 14 Stunden seien die Tiere im Rahmen einer Ruhepause von 24 Stunden an einem zugelassenen Aufenthaltsort zu entladen, zu füttern und zu tränken. Unter Berücksichtigung der im Transportplan angegebenen Abfahrtszeit von 12.30 Uhr, die ersichtlich nicht den Verladebeginn fixiere, habe die Klägerin die nach der Richtlinie 91/628/EWG zulässige Höchsttransportzeit von 29 Stunden, die die Umladung der Tiere auf das Schiff einschließe, um wenigstens 30 Minuten überschritten. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer am 19.1.2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie verweist darauf, dass ausweislich des Transportplanes nach einer ersten Transportphase von 13 Stunden der Transport für eine dreistündige Ruhepause unterbrochen worden sei, in der die Tiere gefüttert und getränkt worden seien. Die nach der Richtlinie 91/628/EWG vorgeschriebene Mindestpausenzeit sei damit sogar um zwei Stunden überschritten worden. Im Anschluss an die Ruhepause sei der Transport fortgesetzt worden, wobei diese zweite Transportphase einschließlich der Umladung der Tiere auf das Seeschiff 13 1/2 Stunden betragen habe. Die Vorgaben der Richtlinie 91/628/EWG, wonach die beiden Transportphasen jeweils 14 Stunden nicht überschreiten dürften, seien im Streitfall eingehalten worden.

Die Klägerin beantragt,

den Änderungsbescheid vom 10.2.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 16.12.2005 aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

1. Als Rechtsgrundlage für die Rückforderung des gemäß Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 15.4.1999 (ABl. Nr. 1 102/11, im Folgenden VO Nr. 800/1999) gezahlten Vorschusses kommt allein die Vorschrift des Art. 25 Abs. 1 der genannten Verordnung in Betracht. Danach hat der Ausführer den Unterschiedsbetrag zwischen dem Betrag des gewährten Vorschusses und der für die Ausfuhr tatsächlich geschuldeten Ausfuhrerstattung, erhöht um 10%, zurückzuzahlen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall nicht erfüllt. Das beklagte Hauptzollamt hat zu Unrecht angenommen, dass es der Klägerin keine Ausfuhrerstattung schuldete.

a) Gemäß Art. 13 Abs. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27.6.1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr. 148/24, im Folgenden: VO Nr. 805/68) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2634/97 des Rates vom 18.12.1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr. 356/13) setzt die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von lebenden Tieren die Einhaltung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zum Wohlbefinden der Tiere, insbesondere zum Schutz der Tiere während des Transports, voraus. Hierzu gehören, wie sich auch aus dem ersten Erwägungsgrund zur Verordnung (EG) Nr. 26347/97 ergibt, die Regelungen der Richtlinie des Rates vom 19.11.1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG (ABl. Nr. 340/17, in der Fassung der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.6.1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport, ABl. Nr. 1 148/52, im Folgenden: Richtlinie 91/628/EWG). Dementsprechend macht Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18.3.1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABl. Nr. 82/19, im Folgenden: VO Nr. 615/98) die Zahlung der Ausfuhrerstattung für lebende Rinder des KN-Codes 0102 davon abhängig, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Vorschriften der Richtlinie 91/628/EWG sowie die Regelungen der VO Nr. 615/98 eingehalten werden, wobei der Nachweis der Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 durch das ordnungsgemäß ausgefüllte Dokument nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 und gegebenenfalls den Bericht nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 615/98 erbracht wird.

Zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits steht außer Streit, dass die Klägerin im Hinblick auf die in Rede stehende Ausfuhrsendung ein ordnungsgemäß ausgefülltes Dokument nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 vorgelegt und damit im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO Nr. 615/98 den Nachweis der Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 erbracht hat. Das beklagte Hauptzollamt steht allerdings auf dem Standpunkt, dass der Klägerin die begehrte Ausfuhrerstattung gleichwohl gestützt auf die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zu versagen sei. In Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 ist nämlich geregelt, dass die Ausfuhrerstattung u.a. nicht gezahlt wird für Tiere, die während des Transportes verendet sind oder bei denen die zuständige Behörde aufgrund sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist.

In Kapitel VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG ist unter Ziffer 48.4 lit. d) "Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie Fahrt und Ruhezeiten" bestimmt, dass Tiere der Gattung Rind (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 91/628/EWG) bei der Verwendung eines - wie hier - unter Ziffer 48.3 genannten Fahrzeuges nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten müssen, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können; nach dieser Ruhepause kann der Transport für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden. Nach der festgesetzten Transportdauer, so ist es in Ziffer 48.5 des Kapitel VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG weiter geregelt, müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten. Ziffer 48.8 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG sieht schließlich vor, dass die Transportzeiten nach u.a. Ziffer 48.4 insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden dürfen. Als Transport gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 91/628/EWG jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel, einschließlich Ver- und Entladen.

Der erkennende Senat geht davon aus, dass der in Rede stehende Tiertransport am 29.4.2002 in B startete, wobei die Verladung der Tiere auf den LKW etwa um 10.15 Uhr begann (vgl. Ladeliste, Bl. 7 der Sachakte) und gegen 11.30 Uhr abgeschlossen war (vgl. Internationale Transportbescheinigung, Bl. 28 der Sachakte). Um ca. 12.30 Uhr (vgl. Transportplan, Bl. 62 der Sachakte) begann der Transport seine Fahrt nach D, die er am 30.4.2002 um 1.30 für eine insgesamt dreistündige Ruhepause unterbrach, während der die Tiere getränkt und gefüttert wurden (vgl. Transportplan, Bl. 62 RS der Sachakte). Bevor der Tiertransport am Nachmittag des 30.4.2002 C erreichte, wurde in der Nähe von E gegen 11.15 Uhr eine weitere einstündige Ruhepause eingelegt, um die Tiere zu versorgen (vgl. Transportplan, Bl. 62 RS der Sachakte). In C wurden die Tiere unmittelbar nach Ankunft im Hafen auf das Schiff "F" zum Weitertransport in den Libanon verladen; die Umladung auf das Schiff war gegen 18.00 Uhr abgeschlossen (vgl. Bescheinigung des Schiffsagenten, Bl. 67 der Sachakte). Der vorliegende Tiertransport ist somit dadurch gekennzeichnet, dass er sich aus insgesamt drei Transportintervallen mit einer jeweiligen Transportzeit auf der Straße (ohne Verladung) von 13, 6 3/4 bzw. 5 3/4 Stunden sowie zwei Ruhepausen von 3 bzw. 1 Stunde zusammensetzt, die zu einer Gesamttransportdauer auf der Straße einschließlich Ruhepausen von 29 1/2 Stunden führen.

Entgegen dem beklagten Hauptzollamt versteht der erkennende Senat das Kapitel VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG in der Weise, dass diese Normierungen einem Ausführer nicht eine maximale Transportdauer von 29 Stunden gestatten, sondern eine maximale Transportzeit auf der Straße von 28 Stunden (einschließlich Ver- und Entladen, was sogleich ausgeführt wird), die durch eine mindestens einstündige Ruhezeit unterbrochen wird. Dieses Verständnis hat zur Konsequenz, dass die Gesamttransportdauer deutlich mehr als 29 Stunden betragen kann, sofern nämlich die beiden maximalen Transportzeiten auf der Straße von jeweils 14 Stunden (einschließlich Ver- und Entladen) durch eine längere als einstündige Ruhezeit unterbrochen werden (in diesem Sinne auch der Schlussantrag des Generalanwalts Mengozzi vom 13.3.2008 in der Sache C-277/06, Rz. 18, http://curia.europa.eu/de/transitpage.htm), wobei eine längere als einstündige Ruhepause nicht dazu führt, dass sich das anschließende Transportintervall von 14 Stunden entsprechend verkürzt. Hätte der Richtliniengeber diese Auswirkung einer längeren als einstündigen Ruhepause statuieren wollen, wäre der letzte Satz der Ziffer 48.4 lit. d) ("... Nach dieser (mindestens einstündigen) Ruhepause kann der Transport für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden.") anders formuliert worden. Aus dieser Sichtweise leitet sich wiederum die weitere Folgerung ab, dass sich die maximale Transportzeit auf der Straße von 28 Stunden (einschließlich Ver- und Entladen) auf mehr als zwei Transportintervalle aufteilen kann, sofern das einzelne Transportintervall 14 Stunden nicht überschreitet.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Darlegungen kann der Klägerin im Streitfall zwar nicht angelastet werden, dass die Gesamttransportdauer auf der Straße (gerechnet ohne Verladen der Tiere auf das Transportmittel am Versandort) insgesamt 29 1/2 Stunde ausmachte. Denn sie hat die einzelnen Transportintervalle - in concreto: drei - in zulässigerweise durch zwei Ruhepausen von zusammen vier Stunden unterbrochen. Allerdings ist der Klägerin vorzuhalten, dass das erste Transportintervall mehr als 14 Stunden umfasste:

Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat in Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 91/628/EWG den Begriff "Transport" als "jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel, einschließlich Ver- und Entladen" legal definiert. Diese Begriffsbestimmung ist auch für die Auslegung des Begriffs "Transport" in Ziffer 48.4 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG maßgebend mit der Folge, dass die Zeit des Ver- und Entladens der Tiere zur Transportdauer gehört (vgl. EuGH, Urteil vom 23.11.2006, C-300/05, Rz. 20 f., [...]). Da im Streitfall etwa um 10.15 Uhr mit der Verladung der Tiere auf den LKW begonnen wurde, endete das erste Transportintervall erst nach 15 1/4 Stunden um 1.30 Uhr am 30.4.2002. Der erkennende Senat übersieht in diesem Zusammenhang nicht, dass gemäß Ziffer 48.8 des Kapitels VII der Richtlinie 91/628/EWG die Transportzeiten nach der Ziffer 48.4 - insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes - im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden dürfen. Die Regelung der Ziffer 48.8 eröffnet indes nach dem Verständnis des Senats einem Ausführer und Transportunternehmer nicht generell die Möglichkeit, ohne Angabe von sachlichen, nachvollziehbaren Gründen die Transportdauer um bis zu zwei Stunden zu verlängern. Eine solche Verlängerung der Transportdauer ist vielmehr nur ausnahmsweise im Interesse der Tiere unter Berücksichtigung des vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgegebenen Rahmens - scil. insbesondere im Hinblick auf die Nähe des Bestimmungsortes, also des Ortes, an dem die Tiere endgültig von einem Transportmittel entladen werden, vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. f) der Richtlinie 91/628/EWG - zulässig. Dass es vorliegend unter Berücksichtigung des Bestimmungsortes oder eines diesem Ausnahmetatbestandes vergleichbaren sachlichen Grundes im Interesse der Tiere lag, dass das erste Transportintervall um etwa 1 1/4 Stunden überschritten wurde, vermag der Senat indes nicht festzustellen und wird letztlich auch von der Klägerin nicht eingewandt.

b) Dieser Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport führt freilich - entgegen der Annahme des beklagten Hauptzollamtes - nicht dazu, dass der Klägerin gleichsam automatisch und zwingend kein Anspruch auf Ausfuhrerstattung nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zustünde mit der Folge, dass die auf Art. 24 VO Nr. 800/1999 gestützte Rückforderung des Vorschusses zu Recht erfolgt wäre. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem auf das Vorabentscheidusersuchen des erkennenden Senats (Beschluss vom 10.1.2006, IV 3/02, [...]) ergangenen Urteil vom 17.1.2008 (C-37/06, [...]) klargestellt, dass das vorlegende Gericht zu prüfen hat, ob die zuständigen Behörden die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angewandt haben (Rz. 47). Der Europäische Gerichtshof hat nämlich in seinen Entscheidungsgründen deutlich gemacht, dass die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98, wonach die Ausfuhrerstattung nicht gezahlt wird für Tiere, bei denen die zuständige Behörde zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628/EWG nicht eingehalten worden ist, der "Behörde bei der Entscheidung, ob der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führt, ein gewisses Ermessen" einräumt (Rz. 38). Die zuständige Behörde hat deshalb - so hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17.1.2008 (C-37/06, [...]) weiter ausgeführt - zu prüfen, ob sich der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG auf das Wohlergehen der Tiere ausgewirkt hat, ob dieser Verstoß gegebenenfalls geheilt werden kann und ob er zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führen muss (Rz. 44).

Der erkennende Senat hat in diesem Kontext bedacht, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 13.3.2008 (C-96/06, [...]) auf ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats (Beschluss vom 23.1.2006, IV 73/04, [...]) u.a. geantwortet hat, dass die zuständige Behörde nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 die Ausfuhrerstattung wegen der Nichteinhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 91/628/EWG betreffend die Gesundheit der Tiere versagen kann, auch wenn es keine Anzeichen dafür gibt, dass das Wohlbefinden der beförderten Tiere konkret beeinträchtigt worden ist (Rz. 52). Diese Antwort des Gerichtshofs darf freilich nicht dahin fehlinterpretiert werden, dass die Behörden einen Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport zum Anlass nehmen dürfte, einem Ausführer die beantragte Erstattung ohne weitere Prüfung - gleichsam automatisch und unausweichlich - zu versagen. Der Europäische Gerichtshof hat nämlich zum einen in seinem Urteil vom 13.3.2008 (C-96/06, [...]) unmittelbar vor seiner Antwort auf die Vorlagefrage des Senats daran erinnert, dass die zuständige Behörde zu prüfen hat, ob sich der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie auf das Wohlbefinden der Tiere ausgewirkt hat, ob dieser Verstoß gegebenenfalls geheilt werden kann und ob er zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führen muss (Rz. 51). Diese Erinnerung an eine der tragenden Feststellungen des Urteils vom 17.1.2008 (C-37/06, Rz. 44, [...]) erhellt, dass die zuständige nationale Behörde in den Fallgestaltungen der 2. Variante des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 stets eine Ermessensentscheidung zu treffend hat, in die auch die vom Gerichtshof vorgegebenen Ermessenserwägungen einzustellen sind.

Zum anderen muss die Antwort des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 13.3.2008 (C-96/06, [...]) unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausgangsverfahrens dieser EuGH-Entscheidung gelesen werden. In diesem Verfahren waren nämlich lebende Rinder auf einem Schiff in den Libanon ausgeführt worden, das auf einer von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erstellten sog. Negativliste geführt wurde, weil es aufgrund schwerwiegender Mängel nicht den Anforderungen der Richtlinie 91/628/EWG entsprach. Der libanesische Veterinär hatte aber in seinem Bericht nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 615/98 über die Kontrolle der ersten Entladung der Tiere im Bestimmungsdrittland keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Tiere festgestellt. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund reduziert sich die Antwort des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 13.3.2008 (C-96/06, [...]) unter Rz. 52 auf die Erkenntnis, dass die zuständige Behörde im Rahmen des ihr nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 eingeräumten Ermessens, hat sich der Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG nicht feststellbar auf das Wohlergehen der Tiere ausgewirkt, die Ausfuhrerstattung (nur) versagen kann, wenn der in Rede stehende Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG so schwerwiegend ist, dass es geradezu verwunderlich ist, dass das Wohlbefinden der beförderten Tiere nicht konkret beeinträchtigt wurde. Auch der Generalanwalt Mengozzi hat in seinem Schlussantrag vom 15.11.2007 (C-96/06, http://curia.europa.eu/de/transitpage.htm) auf die dritte Vorlagefrage des Senats ausdrücklich betont, dass ungeachtet der Schwierigkeiten, Anzeichen für Leiden zu entdecken, die die betreffenden Tiere während der Transportphasen erdulden, und Umstände auszumachen, die den von ihnen erlittenen Schaden oder zumindest die Gefährdung ihres Wohlbefindens beweisen (Rz. 45), die Erstattung nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nur versagt werden kann, soweit es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (Rz. 46).

c) Das dem beklagten Hauptzollamt nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 eingeräumte Ermessen ist im Streitfall in der Weise gebunden, dass allein die Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung als ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommt. Der erkennende Senat hat sich insoweit von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass als Verstoß gegen die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport allein eine Überschreitung des ersten Transportintervalls nach Ziffer 48.4 lit. d) des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG in Rede steht. Diese Überschreitung der zulässigen Transportzeit von maximal 14 Stunden beruhte ersichtlich darauf, dass die Klägerin und der Transporteur der Fehlvorstellung erlegen waren, das Verladen der Tiere auf den LKW gehöre nicht zur Transportdauer im Sinne des Anhangs (Kapitel VII, Ziffer 48.4) der Richtlinie 91/628/EWG. Auch die Europäische Kommission, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, hatte sich in einer Stellungnahme vom 21.12.2001 (Aktenzeichen D/015810) dahin festgelegt, dass die Richtlinie 91/628/EWG keine Definition der Transportzeiten enthalte und in Übereinstimmung mit dem Transportplan nur der Zeitpunkt maßgeblich sei, an dem das Fahrzeug den Versandort verlassen habe, selbst wenn der Verladevorgang mehrere Stunden dauere. Bei Zugrundelegung dieser, von der Europäischen Kommission als der maßgebenden Verwaltungsbehörde vorgegebenen Norminterpretation hätte die Klägerin aber auch das erste Transportintervall (Abfahrt vom Versandort: 29.4.2002, 12.30 Uhr, Beginn erste Ruhepause: 30.4.2002, 1.30 Uhr) eingehalten. Der erkennende Senat hält deshalb unter Berücksichtigung dieses Hintergrundes dafür, dass der Klägerin die Überschreitung des ersten Transportintervalls nicht vorzuhalten ist mit der Folge, dass dieser Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG nicht zum Anlass genommen werden darf für eine vollständige oder teilweise Kürzung der Ausfuhrerstattung.

Ungeachtet der vorstehenden Überlegungen kommt im vorliegenden Zusammenhang ein weiterer, das Ermessen des beklagten Hauptzollamtes bindender Gesichtspunkt hinzu: Die Verladung der Tiere erfolgte unter Aufsicht eines Veterinärs. Dieser Veterinär hatte nicht nur den Transportplan, der eine "voraussichtliche Fahrtdauer ... ab Versandort bis C (von) ca. 29 Stunden" vorsah, auf Plausibilität geprüft (vgl. Bl. 62 RS der Sachakte), sondern auch den Abschluss der Verladung um 11.30 Uhr in der Internationalen Transportbescheinigung (vgl. Bl. 28 der Sachakte) festgehalten. Angesichts dieser Rahmendaten hätte es für den Veterinär ersichtlich sein müssen, dass die Klägerin bzw. der Transportunternehmer bei der Planung des Transports den Zeitraum der Verladung der Tiere unberücksichtigt ließen. Darüber hinaus ist dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt, dass es einer verbreiteten und von den Veterinären gebilligten Praxis entsprach, dass die Fahrer im Anschluss an die Verladung der Tiere auf den LKW nicht umgehend den Versandort verließen, sondern zunächst sich einer - durchaus nachvollziehbaren - Körperpflege unterzogen und anschließend eine Mahlzeit einnahmen, was regelmäßig zu nicht unerheblichen Standzeiten führte. Sind aber nach der Richtlinie 91/628/EWG nicht nur der Ausführer bzw. der Transportunternehmer, sondern auch die Mitgliedstaaten selbst für den Schutz der Gesundheit der Tiere beim Transport verantwortlich (vgl. Schlussantrag des Generalanwalts Mengozzi vom 13.9.2007, C-37/06, Rz. 43, http://curia.europa.eu/de/transitpage.htm), kann einem Ausführer ein Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG nicht angelastet werden, wenn dieser Verstoß - so wie hier - in einem behördlich geduldeten Procedere bereits angelegt war.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

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