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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: 4 K 99/06
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999, AEVO


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 36 Abs. 1 lit. a
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 36 Abs. 1 lit. c
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 37
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 39 Abs. 1
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 39 Abs. 3
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 45 Abs. 3 lit. c
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 49 Abs. 2
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 49 Abs. 3 UA 2 lit. b
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 49 Abs. 3 UA 2 lit. c
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 49 Abs. 6 S. 1
VO (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 Art. 50 Abs. 2
AEVO § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 99/06

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Mit Ausfuhranmeldung vom 15.3.2004 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt 1 insgesamt 64.619,50 kg Schweinefleisch verschiedener Marktordnungs-Warenlistennummern zur Lieferung an in Deutschland stationierte US-Streitkräfte an.

Mit Schreiben vom 21.4.2005 wandte sich die Klägerin an das Hauptzollamt 1 und teilte mit, dass sie bei Durchsicht der Unterlagen für die Lieferungen an die US-Streitkräfte festgestellt habe, dass die Abwicklungsscheine über den Ausgangsnachweis für die Ausfuhranmeldung aus ungeklärter Ursache nicht an sie zurückgelangt seien. Sie bitte deshalb, die diesem Schreiben beigefügten Rechnungskopien mit den entsprechenden SAP-Debitorenbuchungen als alternative Ausgangsnachweise anzuerkennen.

Am 27.4.2005 ging beim beklagten Hauptzollamt die Ausfuhranmeldung ein, auf der das Hauptzollamt 1 unter dem 25.4.2005 die Zuführung der Waren zu der angegebenen Bestimmung bestätigt hatte.

Nachdem das Hauptzollamt 2 mit Schreiben vom 30.0.2005 die Bestätigung der bestimmungsgemäßen Verwendung unter Hinweis darauf, dass in den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben die Anerkennung gleichwertiger Unterlagen nicht vorgesehen sei, zurückgenommen hatte, lehnte das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 21.10.2005 die Zahlung von Ausfuhrerstattung gemäß Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 mit der Begründung ab, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die Waren innerhalb von 60 Tagen nach Annahme der Ausfuhranmeldung ihrer Bestimmung zugeführt worden seien.

Den gegen den Bescheid vom 21.10.2005 gerichteten Einspruch wies das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 29.3.2006 zurück.

Mit ihrer am 28.4.2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie meint insbesondere, dass auch bei der Lieferung an Streitkräfte nach Art. 36 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 die Anerkennung anderer gleichwertiger Unterlagen anstelle des Abwicklungsscheines möglich sei. Zwar treffe es zu, dass Art. 50 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 die Frist des Art. 49 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 nicht erwähne. Art. 50 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 sei in Fällen des Art. 49 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 jedoch jedenfalls analog anwendbar. Dessen ungeachtet gelte die Frist des Art. 49 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 nicht in Fällen höherer Gewalt. Ein solcher Fall sei hier aber gegeben, weil das Hauptzollamt 1 die Zuführung zu der angegebenen Bestimmung erst am 25.4.2005 auf der Ausfuhranmeldung bescheinigt habe. Sie - die Klägerin - habe daher dem beklagten Hauptzollamt erst am 27.4.2005 die Ausfuhranmeldung mit der Bescheinigung des Hauptzollamtes 1 vorlegen können.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 21.10.2005 und der Einspruchsentscheidung vom 29.3.2006 zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 23.3.2004 Ausfuhrerstattung zu gewähren.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verteidigt die angegriffenen Bescheide insbesondere mit dem Hinweis darauf, dass in Bezug auf die Lieferungen nach Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 die von der Klägerin vorgelegten Dokumente mangels gemeinschaftsrechtlicher Grundlage nicht als gleichwertige Unterlagen anerkannt werden könnten. Auch habe die Klägerin im Streitfall keinen Anspruch auf Zahlung von Ausfuhrerstattung in Höhe von jedenfalls 85%, da die Vorschrift des Art. 50 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 nicht auf die vorliegend einschlägige Bestimmung des Art. 49 Abs. 6 der Verordnung (EG) VO Nr. 800/1999 verweise.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Verpflichtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Ausfuhrerstattung (§ 101 Satz 1 FGO).

In Art. 36 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.4.1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. 1 102/11, im Folgenden: VO Nr. 800/1999) ist bestimmt, dass der Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft im Sinne dieser Verordnung die Lieferung an Streitkräfte, die auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stationiert sind, aber nicht dessen Flagge führen, gleichgestellt sind. Im Hinblick auf diese Lieferungen ist die Zahlung der Ausfuhrerstattung gemäß Art. 39 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 von der Bedingung abhängig, dass das Erzeugnis, für das die Ausfuhranmeldung angenommen wurde, spätestens 60 Tage nach dieser Annahme die Bestimmung im Sinne des Art. 36 Abs. 1 lit. c) VO Nr. 800/1999 erreicht hat.

Vorliegend hat die Klägerin nicht innerhalb der Frist des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 nachgewiesen, dass die streitgegenständlichen Lieferungen ihre Bestimmung im Sinne des Art. 36 Abs. 1 lit. c) VO Nr. 800/1999 erreicht haben (hierzu unter 1.). Diesen Nachweis hat die Klägerin auch nicht innerhalb der weiteren Frist des Art. 50 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 erbracht mit der Folge, dass die Klägerin auch nicht Ausfuhrerstattung in Höhe von wenigstens 85% der Erstattung beanspruchen kann, die bei Erfüllung aller Voraussetzungen gezahlt worden wäre (hierzu unter 2.).

1. Die Klägerin hat nicht innerhalb der Frist des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 nachgewiesen, dass die streitgegenständlichen Lieferungen ihre Bestimmung im Sinne des Art. 36 Abs. 1 lit. c) VO Nr. 800/1999 erreicht haben.

Nach Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 sind die Unterlagen für die Zahlung der Erstattung oder die Freigabe der Sicherheit, außer im Fall höherer Gewalt, innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung einzureichen. Die Vorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 ist - entgegen der Auffassung der Beteiligten - grundsätzlich auch auf Lieferungen im Sinne des Art. 36 Abs.1 VO Nr. 800/1999 anwendbar, die einer Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft gleichgestellt sind. Dem beklagten Hauptzollamt ist in diesem Kontext zwar zuzugeben, dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber in Art. 49 Abs. 6 Satz 1 VO Nr. 800/1999 bestimmt hat, dass bei Anwendung von Art. 37 VO Nr. 800/1999 die Unterlagen für die Zahlung der Erstattung außer im Fall höherer Gewalt innerhalb von zwölf Monaten nach dem Anbordbringen einzureichen sind. Das erkennende Gericht übersieht in diesem Zusammenhang auch nicht, dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber in Art. 37 Abs. 6 VO Nr. 800/1999 normiert hat, dass die Absätze 2 bis 5 des Art. 37 VO Nr. 800/1999 entsprechend für Lieferungen nach Art. 36 Abs. 1 lit. b) und c) VO Nr. 800/1999 gelten. Die Bedeutung der Bestimmung des Art. 49 Abs. 6 Satz 1 VO Nr. 800/1999 ist indes darauf beschränkt, für Lieferungen im Sinne des Art. 36 Abs. 1 lit. a) VO Nr. 800/1999 einen von Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 abweichenden Fristbeginn - scil. nicht die Annahme der Ausfuhranmeldung, sondern das Anbordbringen der Erzeugnisse - festzuschreiben. Für dieses Verständnis der Norm, das bereits ihr Wortlaut nahelegt, spricht insbesondere die Vorschrift des Art. 49 Abs. 3 VO Nr. 800/1999, wonach der Gemeinschaftsverordnungsgeber auch für einen Ausschnitt der Lieferungen nach Art. 36 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 die Möglichkeit geschaffen hat, gleichwertige Unterlagen vorzulegen, um in den Genuss der Erstattungszahlung zu kommen. So heißt es in Art. 49 Abs. 3 Unterabsatz 2 lit. b) VO Nr. 800/1999, dass bei Anwendung der Art. 36, 40 bzw. 44 VO Nr. 800/1999 eine Bestätigung der für die Kontrolle der betreffenden Bestimmung zuständigen Stelle vorzulegen ist, aus der hervorgeht, dass die Bedingungen für die Eintragung des Vermerks auf dem Kontrollexemplar T 5 erfüllt worden sind. In Art. 49 Abs. 3 Unterabsatz 2 lit. c) VO Nr. 800/1999 hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber zudem zugelassen, dass bei Anwendung von Art. 36 Abs. 1 lit. a) VO Nr. 800/1999 auch die Empfangsbestätigung gemäß Art. 45 Abs. 3 lit. c) VO Nr. 800/1999 und ein Nachweis über die Bezahlung der zur Bevorratung bestimmten Erzeugnisse als gleichwertige Unterlagen im Sinne des Art. 49 Abs. 3 Unterabsatz 1 VO Nr. 800/1999 anerkannt werden können.

Freilich regelt das Gemeinschaftsrecht nur partiell, mit welchem Dokument der Ausführer den Nachweis zu führen hat, dass das Erzeugnis eine der Bestimmungen nach Art. 36 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 erreicht hat. So heißt es in Art. 39 Abs. 3 Unterabsatz 1 VO Nr. 800/1999 zwar, wird ein Erzeugnis, für das die Ausfuhranmeldung angenommen wurde, vor Erreichen einer der in Art. 36 VO Nr. 800/1999 vorgesehenen Bestimmungen durch andere Gebiete der Gemeinschaft durchgeführt als das des Mitgliedstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Annahme erfolgt ist, so wird der Nachweis darüber, dass dieses Erzeugnis die vorgesehene Bestimmung erreicht hat, durch Vorlage des Kontrollexemplars T 5 erbracht. Diese gemeinschaftsrechtliche Normierung erfasst indes lediglich die nicht direkte Lieferung mit der Folge, dass es in Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, welches Dokument der Ausführer im Falle einer - wie hier - Direktlieferung für den Antrag auf Zahlung der Erstattung vorzulegen hat.

Insoweit hat der nationale Gesetzgeber im Hinblick auf Lieferungen an ausländische Streitkräfte in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Ausfuhrerstattungsverordnung vom 24.5.1996 (BGBl. I S. 766, im Folgenden: AEVO) vorgegeben, dass der Nachweis darüber, dass das Erzeugnis die vorgesehene Bestimmung erreicht hat, durch eine Bestätigung der Ausgangszollstelle in der Ausfuhranmeldung erfolgt, sofern die Lieferung an die Streitkräfte durch eine nach vorgeschriebenem Muster ausgestellte Empfangsbestätigung der Streitkräfte nachgewiesen wird, wobei als im vorstehenden Sinne Empfangsbestätigung der Streitkräfte der sog. Abwicklungsschein gilt (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 3 AEVO).

Vorliegend hat die Klägerin innerhalb der Frist des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 die in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AEVO vorgeschriebene Bestätigung der Ausgangszollstelle nicht beigebracht. Das Hauptzollamt 1 hatte zwar ursprünglich in der Ausfuhranmeldung bestätigt, dass die von der Klägerin gelieferten Erzeugnisse der angegebenen Bestimmung zugeführt worden seien. Abgesehen davon, dass diese Bestätigung erst nach Ablauf der Frist des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 und auch nicht aufgrund der von den Streitkräften auszustellenden Abwicklungsscheine erfolgte, hat das Hauptzollamt 1 seine Bestätigung zwischenzeitlich auch mit Schreiben vom 30.9.2005 zurückgenommen.

Allerdings hat die Klägerin mit Schreiben vom 21.4.2005 Rechnungskopien nebst SAP-Debitorenbuchungen vorgelegt und insoweit beantragt, diese Unterlagen als gleichwertige Unterlagen ("Ausgangsnachweise") anzuerkennen. Das erkennende Gericht braucht in diesem Zusammenhang nicht der Frage nachzugehen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen auch im Hinblick auf den durch eine Bestätigung der Ausgangszollstelle gemäß § 5 Abs. 3 S. 3 AEVO i.V.m. Art. 39 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 zu führenden Nachweis, dass das Erzeugnis seine Bestimmung im Sinne des Art. 36 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 erreicht hat, die Vorlage und Anerkennung gleichwertiger Unterlagen in Betracht kommt. In Bezug auf die Anerkennung gleichwertiger Unterlagen hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber nämlich in Art. 49 Abs. 5 Satz 1 VO Nr. 800/1999 festgeschrieben, dass der gegebenenfalls mit den dazugehörigen Nachweisen versehene Antrag auf Anerkennung gleichwertiger Unterlagen gemäß Art. 49 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 (und der Antrag auf Fristverlängerung gemäß Art. 49 Abs. 4 VO Nr. 800/1999) innerhalb der in Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 genannten Frist zu stellen sind. Vor diesem Hintergrund scheidet im Streitfall die Anerkennung gleichwertiger Unterlagen mit dem Ziel des Erhalts der vollen Ausfuhrerstattung schon deshalb aus, weil das Schreiben der Klägerin vom 21.4.2005, mit dem sie die Anerkennung gleichwertiger Unterlagen beantragte, erst nach Ablauf der Frist des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 bei der Zollbehörde einging. Einen Fristverlängerungsantrag nach Art. 49 Abs. 4 VO Nr. 800/1999 hatte die Klägerin insoweit weder ausdrücklich noch konkludent gestellt.

2. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Nachweis, dass die von ihr gelieferten Erzeugnisse die Bestimmung nach Art. 36 Abs. 1 lit. c) VO Nr. 800/1999 erreicht haben, auch nicht innerhalb der weiteren Frist des Art. 50 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO Nr. 800/1999 erbracht.

In Art. 50 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO Nr. 800/1999 hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber geregelt, dass die zu zahlende Erstattung gleich 85% der Erstattung ist, die bei Erfüllung aller Voraussetzungen gezahlt worden wäre, wenn der Nachweis, dass alle in der Gemeinschaftsregelung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Fristen nach Art. 49 Abs. 2 und 4 VO Nr. 800/1999 erbracht wird. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall indes nicht erfüllt. Denn die Klägerin hat auch nicht innerhalb der weiteren Frist des Art. 50 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO Nr. 800/1999 durch Vorlage der Abwicklungsscheine nachgewiesen, dass die von ihr gelieferten Erzeugnisse ihre Bestimmung nach Art. 36 Abs. 1 lit. c) VO Nr. 800/1999 erreicht haben.

Die Klägerin meint allerdings, dass sie gleichwohl gemäß Art. 50 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 85% der Erstattung beanspruchen könne, die bei Erfüllung aller Voraussetzungen gezahlt worden wäre, weil sie mit Schreiben vom 21.4.2005 und damit innerhalb der Frist des Art. 50 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO Nr. 800/1999 beim Hauptzollamt 1 Rechnungskopien nebst SAP-Debitorenbuchungen vorgelegt und insoweit beantragt habe, diese Unterlagen als gleichwertige Unterlagen ("Ausgangsnachweise") anzuerkennen. Im Hinblick auf diese Einlassung merkt das erkennende Gericht im Einzelnen Folgendes an:

Anträge auf Anerkennung gleichwertiger Unterlagen können grundsätzlich auch noch nach Ablauf der 12-Monats-Frist des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 mit der Folge des Erhalts des Erstattungsanspruchs in Höhe von 85% gestellt werden. Insoweit hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber in Art. 49 Abs. 5 Satz 2 VO Nr. 800/1999 bestimmt, dass die Bestimmungen des Art. 50 Abs. 2 Unterabsatz 1 (Fußnote: Die deutsche Fassung, die insoweit auf die Bestimmung des Art. 50 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO Nr. 800/1999 verweist, ist fehlerhaft, wie die englische Fassung des Art. 49 Abs. 5 Satz 2 VO Nr. 800/1999 deutlich macht: "However, i.F. those applications are submitted within six months following this time-limit, the provivions of the first subparagraph of Article 50(2) shall apply.") VO Nr. 800/1999 gelten, wenn die Anträge - scil. der Antrag auf Anerkennung gleichwertiger Unterlagen nach Art. 49 Abs. 3 VO Nr. 800/1999 und gegebenenfalls auch der Antrag auf Fristverlängerung nach Art. 49 Abs. 4 VO Nr. 800/1999 - innerhalb von sechs Monaten nach der Frist des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 gestellt werden. Allerdings hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber die Möglichkeit, gleichwertige Unterlagen vorzulegen, um die Zahlung der Erstattung in voller Höhe bzw. in Höhe von 85% zu erhalten, hinsichtlich der Lieferungen im Sinne des Art. 36 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 beschränkt auf die Fälle der nicht direkten Lieferungen. Dies macht ein Blick auf die Bestimmung des Art. 49 Abs. 3 Unterabsatz 2 VO Nr. 800/1999 deutlich, die unter lit. b) lediglich Belege für die Fallkonstellation auflistet, dass das Kontrollexemplar T 5 nicht als Nachweisdokument vorgelegt werden kann. Es heißt dort, zu den vorzulegenden Belegen gehören bei Anwendung der Artikel 36, 40 bzw. 44 eine Bestätigung der für die Kontrolle der betreffenden Bestimmung zuständigen Zollstelle, aus der hervorgeht, dass die Bedingungen für die Eintragung des Vermerks auf dem Kontrollexemplar T 5 erfüllt worden sind. Der Nachweis darüber, dass das Erzeugnis seine im Sinne des Art. 36 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 vorgesehene Bestimmung erreicht hat, wird aber nach Art. 39 Abs. 3 Unterabsatz 1 VO Nr. 800/1999 nur dann durch Vorlage des Kontrollexemplars T 5 erbracht, wenn das Erzeugnis, für das die Ausfuhranmeldung angenommen wurde, vor Erreichen einer der in Artikel 36 vorgesehenen Bestimmungen durch andere Gebiete der Gemeinschaft als das des Mitgliedstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Annahme erfolgt ist, durchgeführt wird.

Aus der Erkenntnis, dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber die Anerkennung gleichwertiger Unterlagen lediglich für die Fälle der nicht direkten Lieferungen geregelt hat, folgt zwar, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, welches Ersatzdokument der Ausführer für den Antrag auf Zahlung der Erstattung vorzulegen hat, wobei die nationale Ausfuhrerstattungsverordnung für den Ausführer gerade keine Möglichkeit vorsieht, gleichwertige Unterlagen vorzulegen, um die Zahlung der Erstattung zu erhalten. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat auch in seinem Urteil vom 28.6.2007 (C-1/06) klargestellt, dass das Erfordernis eines einwandfreien Funktionieren des Gemeinschaftssystems der Zahlung von Erstattungen es nicht zulässt, dass die Mitgliedstaaten die mit der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (ABl. Nr. 1 351/1) - der Vorgängerverordnung zur VO Nr. 800/1999 - verfolgten Ziele oder die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 28.6.2007, C-1/06, Rdnr. 40). Deshalb dürfen die in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen durch die Mitgliedstaaten zu regelnden Verfahren für den Ausführer nicht ungünstiger sein oder die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. EuGH, Urteil vom 28.6.2007, C-1/06, Rdnr. 41). Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die nationalen Behörden unter Umständen für verpflichtet gehalten, von Amts wegen zu prüfen, ob die vom Ausführer gemachten Angaben oder vorgelegten Unterlagen nach der Systematik sowie dem Sinn der einschlägigen Verordnung ausreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 28.6.2007, C-1/06, Rdnr. 42). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist der Klägerin indes im Streitfall letztlich nicht behilflich.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat nämlich in seinem Urteil vom 27.6.2007 zugleich deutlich gemacht, dass die für Ausfuhrerstattungen zuständige nationale Behörde gemäß den Zwecken der einschlägigen Verordnung gleichwertige Nachweise und Anträge auf Anerkennung der Gleichwertigkeit nur von Amts wegen zu berücksichtigen hat, wenn das für die Zahlung der Ausfuhrerstattung erforderliche Dokument aus vom Ausführer nicht zu vertretenden Gründen nicht vorgelegt werden konnte (vgl. EuGH, Urteil vom 27.6.2007, C-1/06, Rdnr. 47). Das erkennende Gericht hält deshalb dafür, dass das beklagte Hauptzollamt als die für Ausfuhrerstattungen zuständige nationale Behörde im Rahmen der Lieferungen nach Art. 36 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 nur dann Anträge auf Anerkennung gleichwertiger Unterlagen zu beachten hat, wenn der Ausführer zum einen nachweist, dass er die Lieferung unter Kontrolle hielt, und zum anderen belegt, dass die nach vorgeschriebenem Muster ausgestellte Empfangsbestätigung der Streitkräfte aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht vorgelegt werden kann.

So liegt der Fall hier indes nicht. Die Klägerin hat nämlich in ihrem Schreiben vom 21.4.2005 lediglich vorgetragen, sie habe bei Durchsicht ihrer Unterlagen leider feststellen müssen, dass die Abwicklungsscheine nicht an sie zurückgelangt seien. Diese Einlassung der Klägerin zeigt anschaulich, dass sie den streitgegenständlichen Erstattungsfall nicht unter Kontrolle hielt. Nach der Systematik und dem Sinn und Zweck der Normierungen des Art. 49 VO Nr. 800/1999 soll einem Ausführer, der den Rücklauf der Dokumente nicht aktiv überwacht hat, gerade nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, das Erreichen der Bestimmung nach Art. 36 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 auch durch gleichwertige Nachweise zu belegen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Nach § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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