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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 5 K 193/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 65 Abs. 1 S. 1
FGO § 76 Abs. 1 S. 2
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

5 K 193/06

Tatbestand:

Streitig ist in materieller Hinsicht, ob der Betrieb eines ambulanten Kranken- und Altenpflegedienstes als freiberufliche oder als gewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren ist.

Der Kläger betrieb (lt. Handelsregisterauszug vom 16.1.2007) seit 1.1.1990 einen häuslichen Kranken- und Altenpflegedienst in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft (H1 OHG). Weitere Gesellschafterin war seine zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau, die 1996 aus der Gesellschaft ausschied. Seither ist die OHG aufgelöst und der Kläger Alleininhaber des Kranken- und Altenpflegedienstes, der fortan als "H2" firmiert. Die Eheleute hatten die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung Krankenpfleger bzw. Krankenschwester.

Mit ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Gesellschaft einen Gewinn von DM 73.558,66; ausweislich der Einnahme-/Uberschussrechnung wurden Betriebseinnahmen von ... Mio. DM erzielt. Dem standen u.a. Betriebsausgaben für Personal in Höhe von ... Mio. DM gegenüber.

Mit Gewinnfeststellung- und Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom 1.9.1997 folgte der Beklagte den Steuererklärungen. Nach einer Außenprüfung ergingen unter dem 29.7.1999 geänderte Bescheide, mit denen der Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 332.883,56 DM festgestellt und die Gewerbesteuer auf 53.280 DM festgesetzt wurde. Das Mehrergebnis beruhte vornehmlich auf der Hinzurechnung der Gehälter der Gesellschafter als Vorweggewinn und ist der Höhe nach unstreitig. Im Rahmen der Prüfung wurde auch festgestellt, dass Pflegeaufträge an 15 Subunternehmer vergeben worden waren.

Gegen den Gewerbesteuermessbescheid richtete sich der Einspruch vom 16.8.1999, der mit beim Beklagten am 1.10.1999 eingegangenem Schriftsatz begründet wurde. Im Rubrum dieses Schriftsatzes wird erstmals auch der geänderte Gewinnfeststellungsbescheid für 1993 genannt. Der Kläger machte geltend, dass die Gesellschaft eine freiberufliche Tätigkeit i.S. von § 18 EStG entfaltet habe. Es seien 5 examinierte Krankenschwestern, bzw. Kranken- und Altenpfleger beschäftigt gewesen. Die Gesellschafter hätten eine feste Patiententour von etwa sechs Stunden täglich gehabt. In der restlichen Arbeitszeit hätten sie die Personalplanung betrieben, Patienten aufgenommen und Kontrollbesuche gemacht. Die nächtliche Rufbereitschaft und das Notfalltelefon seien ausschließlich von den Gesellschaften persönlich geleistet worden. Angesichts dieses Einsatzes seien die Gesellschafter in dem erforderlichen Maße eigenverantwortlich tätig gewesen. Darüber hinaus seien Abrechnungsleistungen für angeschlossene Subunternehmer durchgeführt worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 15.11.2004 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid zurück, weil die Gesellschafter zwar leitend, aber nicht eigenverantwortlich tätig gewesen seien. Nach Auswertung der eingereichten Unterlagen sei von einer durchschnittlichen monatlichen Patientenzahl von 130 Personen auszugehen. Nach den vorgelegten Tourenplänen hätten die Gesellschafter eigene Pflegeleistungen monatlich bei 23 Patienten erbracht und darüber hinaus durchschnittlich zusammen 2 Pflegekontrollen pro Tag bei jeweils verschiedenen Patienten durchgeführt. 107 Patienten seien sonach durch die Angestellten und 15 Subunternehmer betreut worden. Angesichts der von der Rechtsprechung formulierten Anforderungen an eine eigenverantwortliche Tätigkeit reiche der Einsatz der Gesellschafter für die persönliche Betreuung aller Patienten nicht aus.

Mit der Klage vom 16.12.2004 - gerichtet gegen den Gewerbesteuermessbescheid und den Gewinnfeststellungsbescheid - begehrt der Kläger weiterhin die Anerkennung der Pflegediensttätigkeit als freiberufliche Arbeit. Er, der Kläger, und seine verstorbene Ehefrau erfüllten als examiniertes Krankenpflegepersonal grundsätzlich die Anforderungen, die nach der Rechtsprechung an einen den Katalogberufen des § 18 Abs. 1 EStG ähnlichen Beruf gestellt würden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gewerbesteuermessbescheid vom 29.7.1999 und die Einspruchsentscheidung vom 15.11.2004 ersatzlos aufzuheben, sowie den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 29.7.1999 mit der Maßgabe zu ändern, dass Einkünfte aus freiberuflicher Arbeit festgestellt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Der Beklagte weist darauf hin, dass die Klage gegen den Feststellungsbescheid mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig sei. Im Übrigen nimmt der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung Bezug und hebt ergänzend hervor, dass die Eigenverantwortlichkeit durch die Vorlage einer Patientendokumentation hätte belegt werden können; die Vorlage entsprechender Unterlagen habe der Kläger aber abgelehnt.

Das Gericht hat den durch einen Bevollmächtigten vertretenen Kläger persönlich zu einem Erörterungstermin geladen. Sein Aufenthalt hat sich nicht ermitteln lassen. Die EMA-Anfragen des Gerichts sind erfolglos geblieben.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 19.2.2007 ist dem Klägervertreter eine Ausschlussfrist gem. § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO für die Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers gesetzt worden unter Hinweis darauf, dass eine Abweisung der Klage als unzulässig in Betracht kommt, wenn eine ladungsfähige Anschrift nicht bezeichnet wird. Innerhalb der Ausschlussfrist haben die Bevollmächtigten mitgeteilt, dass der Kläger lt. EMA-Anfrage unbekannt verzogen ist.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die mündliche Verhandlung verzichtet.

Die den Kläger betreffenden Steuerakten der Gesellschaft zur St.-Nr. ... haben vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist unzulässig.

a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO erfordert die ordnungsgemäße Klageerhebung u.a. die Bezeichnung des Klägers unter Angabe der ladungsfähigen Anschrift (tatsächlicher Wohnort). Die gilt auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird (BFH-Urteil v. 28.1.1997 VII R 337/96, BFH/NV 1997,585).

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gehört zu den Essentialien einer zulässigen Klage auch die Bezeichnung der Beteiligten. In welcher Weise die Beteiligten zu bezeichnen sind, schreibt § 65 Abs.1 Satz 1 FGO allerdings nicht vor. Rückschlüsse auf die zur Klägerbezeichnung erforderlichen Angaben lassen sich indes aus der Bedeutung der Klage für das finanzgerichtliche Verfahren ziehen. Mit Einreichung der Klageschrift verleiht der Kläger seinem auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer hoheitlichen Maßnahme gerichteten Rechtsschutzbegehren Ausdruck und setzt ein gerichtliches Verfahren in Gang, bei dem an der Rechtsfindung - anders als im Zivilprozess - auch ein öffentliches Interesse besteht. Daher wird das finanzgerichtliche Verfahren nicht wie der Zivilprozess vom Verhandlungs-, sondern vom Untersuchungsgrundsatz geprägt. Zur Vorbereitung seiner Entscheidung obliegt dem FG gemäß § 76 Abs.1 Satz 1 FGO die Pflicht, den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären. Dabei sind nach § 76 Abs.1 Satz 2 FGO auch die Beteiligten heranzuziehen. Die Bezeichnung der Beteiligten in der Klageschrift ist daher nicht nur für die zweifelsfreie Identifizierung der Prozessbeteiligten und die eindeutige Fixierung des Prozessverhältnisses, sondern auch für eine ordnungsgemäße und sachgerechte Prozessführung von Bedeutung. Denn zur Vorbereitung seiner Entscheidung kann das Gericht z.B. das persönliche Erscheinen des Klägers anordnen (§ 80 Abs.1 FGO) - wie im Streitfall geschehen durch Anordnen des persönlichen Erscheinens im Erörterungstermin gem. § 79 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 FGO i.V.m. § 80 FGO - und dessen Mitwirkung ggf. durch die Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeld durchsetzen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens liegt dabei im Ermessen des FG, das dieses nur in Kenntnis des tatsächlichen Aufenthaltsortes des Beteiligten sachgerecht ausüben kann.

Darüber hinaus ist die Anschrift (Wohnort) nach § 105 Abs.2 Nr.1 FGO im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung anzugeben, die gemäß § 151 Abs.2 FGO auch als Vollstreckungstitel Bedeutung erlangen kann. Zu Recht fordert daher die überwiegende Meinung in der steuerrechtlichen Literatur neben der Namensangabe auch die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift (Gräber/von Groll, FGO, 6.A. § 65 Rz 25; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO, § 65 FGO Rz. 44; Dumke in Schwarz, FGO, § 65 Anm.14).

Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Kläger einen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hat. Jedenfalls ist an dem Erfordernis der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift dann festzuhalten, wenn das Gericht der Kenntnis des tatsächlichen Wohnortes - wie im Streitfall - eine für die weitere Prozessführung entscheidende Bedeutung beimisst und dieser Umstand dem Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten bekannt ist.

Ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung des Wohnortes ist dagegen im finanzgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht anzuerkennen. Im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat der Kläger dafür Sorge zu tragen, dass er durch die Angabe seines tatsächlichen Wohnortes und Lebensmittelpunktes für das Gericht erreichbar bleibt und somit begründete Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Rechtsschutzbegehrens nicht entstehen können (vgl. Urteil des Hessischen FG vom 19.8.1985 - 12 K 13-15/85, EFG 1985, 621

Kommt der Kläger den genannten Anforderungen bei Einreichung der Klageschrift oder anlässlich einer danach eintretenden Änderung in seinen persönlichen Verhältnissen nicht nach, kann dies zur Unzulässigkeit der Klage führen wird (BFH-Urteil v. 28.1.1997 VII R 33796, BFH/NV 1997,585; BFH-Beschluss v. 5.4.2001 XI B 42-44/00, BFH/NV 2001,1282; BFH-Beschluss v. 11.4.2002 XI B 20/01, BFH/NV 2002,1044; zur Verwaltungsgerichtsordnung zuletzt OVG Hamburg Urteil v. 14.2.2006 - 3 Bf 245/02, NJW 2006,3082).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze, denen das Gericht folgt, ist die Klage unzulässig, weil es im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Klageerhebung - der ordnungsgemäßen Bezeichnung des Klägers mit seiner Wohnanschrift - mangelt.

Spätestens im Verlaufe des Klageverfahrens ist die Wohnanschrift des Klägers unbekannt geworden. Die Ermittlungen des Gerichts für die Zustellung einer Ladung zum Erörterungstermin sind erfolglos geblieben. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat innerhalb der ihm für die Ergänzung der Klage gesetzten Ausschlussfrist ebenfalls keine Angaben über den Verbleib des Klägers machen können. Der Kläger bzw. sein Verfahrensbevollmächtigter haben sich auch nicht auf ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der Wohnanschrift berufen. Dafür, dass es dem Kläger ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, eine Wohnanschrift zu nennen, fehlen jegliche Anhaltspunkte.

Unter diesen Umständen ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

c) Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 FGO nicht zu zugelassen.

Ende der Entscheidung

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