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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 17.11.2008
Aktenzeichen: 6 K 159/06
Rechtsgebiete: GewStG, EStG, BGB


Vorschriften:

GewStG § 2 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 3
EStG § 15 Abs. 2
EStG § 18 Abs. 1
BGB §§ 1896 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

6 K 159/06

Tatbestand:

Der Kläger ist Volljurist. Seit 1999 ist er sowohl als berufsmäßiger Betreuer im Sinne der §§ 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als auch als Rechtsanwalt selbstständig tätig. Er arbeitet allein.

Die Einkünfte des Klägers als Betreuer beliefen sich im Streitjahr 2003 auf 23.869,00 EUR, seine Einkünfte als Rechtsanwalt auf 2.836,00 EUR. Als Betreuer war der Kläger im Streitjahr den eigenen Angaben zufolge für etwa 35 Personen tätig. Seine Tätigkeit als Betreuer erfolgte ausschließlich aufgrund gerichtlicher Bestellungen, nicht aufgrund von Mandatierungen. Die Vergütung der Betreuungstätigkeit erfolgte nach Betreuungsrecht, nicht nach der (damals noch gültigen) BRAGO. Für die Betreuungstätigkeit erstellte der Kläger eine eigene Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.

Nach Aufforderung durch den Beklagten legte der Kläger für das Streitjahr eine Gewerbesteuererklärung vor. Der Beklagte veranlagte den Kläger mit Bescheid vom 30.05.2005 erklärungsgemäß; der Gewerbesteuermessbetrag wurde auf 2,00 EUR und die Gewerbesteuer auf 9,40 EUR festgesetzt. Den dagegen gerichteten Einspruch des Klägers vom 25.06.2005 wies der Beklagte mit Entscheidung 10.08.2006 als unbegründet zurück.

Am 11.09.2006 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend, er erwirtschafte ausschließlich Einkünfte aus einer sonstigen selbstständigen Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG; denn er werde vom Vormundschaftsgericht fast ausschließlich als Rechtsanwalt für demente und psychisch erkrankte Personen bestellt, denen eine eigene Vertretung aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich sei oder die aus rechtlichen Gründen keine Vertretung mehr beauftragen könnten. Soweit er sich auch um persönliche Angelegenheiten der betreuten Personen wie Gesundheitssorge und Wohnungsangelegenheiten kümmere, betreffe auch dies grundsätzlich rechtliche Probleme wie das Vorliegen einer Wohnungskündigung, Betriebskostenabrechnungen, Einsatz einer sog. PEG-Sonde, Abschluss eines Behandlungsvertrages, Klagen gegen Krankenkassen (etc.). Das Urteil des Bundesfinanzhofsvom 04.11.2004 (IV R 26/03, BStBl. II 2005, 288) stelle eine Einzelfallentscheidung dar; es beziehe sich auf eine pädagogisch ausgerichtete Betreuung und könne schon aus diesem Grund auf den vorliegenden Streitfall nicht übertragen werden. Die Auffassung des Beklagten, die Fähigkeit zur rechtlichen Besorgung der Angelegenheiten eines Betreuten gehöre immanent zum Anforderungsprofil eines Berufsbetreuers, sei unzutreffend. Ein Betreuer werde gem. § 1902 BGB nur als gesetzlicher Vertreter des Betreuten tätig. In allen juristischen Angelegenheiten jedoch sei der Betreuer verpflichtet, sich fachkundigen Rechtsrat durch Dritte einzuholen oder Vollmachten zur weiteren Rechtsvertretung an einen Rechtsanwalt zu erteilen. Um ebendies zu vermeiden, werde er, der Kläger, bei psychisch oder an Demenz erkrankten Menschen mit juristischen Auseinandersetzungen als Rechtsanwalt eingesetzt. Dabei übernehme er auch Aufgaben, die von einem Nichtjuristen gar nicht wahrgenommen werden könnten, beispielsweise die Vertretung des Betreuten in Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren. Der Einrichtung der Betreuung bedürfe es in diesen Fällen, um überhaupt eine wirksame Partei- und Prozessfähigkeit gem. §§ 50 ff. ZPO zu erlangen. Eine objektiv nachvollziehbare Aufteilung der im Streitjahr erzielten Einnahmen als Berufsbetreuer in einen Betrag, der ihm für genuin-anwaltliche Tätigkeiten gezahlt worden sei, und einen Betrag, der ihm für allgemeine Betreuungstätigkeiten gezahlt worden sei, könne er nicht vornehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über Gewerbesteuer 2003 vom 30.05.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 10.08.2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger nicht gewerbesteuerpflichtig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor, der Einwand des Klägers, er handele im Rahmen seiner Betreuertätigkeit fast ausschließlich als Rechtsanwalt, sei irrelevant. Nach § 1897 Abs. 1 BGB gehöre es gerade zum Wesen des Betreuers, dass er geeignet sei, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Die Fähigkeit zur rechtlichen Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten gehöre somit immanent zum Anforderungsprofil des Betreuers.

Der Streitfall ist mit den Beteiligten erörtert worden; auf die Niederschrift zu dem Erörterungstermin vom 21.08.2008 wird Bezug genommen. Im Erörterungstermin hat der Kläger sowohl amtsgerichtliche Beschlüsse zur Betreuerbestellung als auch Betreuerausweise vorgelegt, die seinen Angaben zufolge den Umfang seiner Betreuungstätigkeit exemplarisch dokumentieren. Die Aufgabenkreise, für die der Kläger demnach typischerweise gerichtlich bestellt wird, umfassen: Gesundheitssorge; Vermögenssorge; Wohnungsangelegenheiten; Aufenthaltsbestimmung (auch zum Zwecke einer Heilbehandlung) und Entscheidung über die Unterbringung; Suche nach geeigneten Wohngruppen; Unterstützung bei der Suche nach einer geeigneten Beschäftigung (z.B. in einer Werkstatt für Behinderte); Interessenvertretung gegenüber Behörden, Institutionen und sonstigen Dritten (insbesondere Sozialleistungsträgern, Arbeitgebern und Wohngruppen); Klärung des Krankenversicherungsschutzes; Regelung und Kontrolle der ambulanten Versorgung; Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente und Sozialhilfe; Entscheidung über die Entgegennahme, das Öffnen und Anhalten der Post; Vertretung in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren und in Ehescheidungsverfahren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Das Gericht entscheidet gemäß § 94 a FGO nach billigem Ermessen ohne mündliche Verhandlung.

2. Zutreffend hat der Beklagte die Einkünfte des Klägers aus der berufsmäßigen Betreuungstätigkeit der Gewerbesteuer unterworfen.

a) Der Gewerbesteuer unterliegt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbstständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist.

b) Die Tätigkeit eines berufsmäßigen Betreuers ist weder eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG noch eine sonstige selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Dies ist durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung weitgehend geklärt. Danach gehört der Beruf des Betreuers im Sinne der §§ 1896 ff. BGB weder zu den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Tätigkeiten, noch handelt es sich um einen Beruf, der einem der dort aufgeführten Katalogberufe ähnlich ist; ein Berufsbetreuer erfüllt darüber hinaus auch nicht den Tatbestand der Vermögensverwaltung im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 04.11.2004, IV R 26/03, BStBl. II 2005, 288; FG Münster, Urteil vom 12.05.2004, 1 K 842/03 G, EFG 2004, 1459; FG Düsseldorf, Urteil vom 23.09.2003, 9 K 7943/00 F, AO, EFG 2004, 36). Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die genannten Urteile Bezug genommen.

c) Der Umstand, dass der Kläger auch Rechtsanwalt ist, ändert daran nichts.

Zwar trifft es zu dass die bisherige Rechtsprechung zu dieser Problematik - soweit erkennbar - ausschließlich Nicht-Juristen betraf. In dem oben genannten Urteil des Bundesfinanzhofs ging es um einen Diplom-Pädagogen, in dem Urteil des FG Münster um einen ehemaligen Verwaltungsangestellten, der die zweite Verwaltungsprüfung für Angestellte der Kommunalverwaltung absolviert hatte, und in dem Urteil des FG Düsseldorf um eine Diplom-Sozialarbeiterin.

Doch rechtfertigt die bloße Zugehörigkeit zu einer der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Berufsgruppen noch nicht die Annahme freiberuflicher Einkünfte. Vielmehr muss die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit freiberuflicher Art, d.h. für den jeweiligen Katalogberuf berufstypisch sein (vgl. BFH-Urteil vom 18.10.2006, XI R 9/06, BStBl. II 2007, 210, mit weiteren Nachweisen).

Die von dem Kläger tatsächlich als Betreuer ausgeübte Tätigkeit ist nach den Schilderungen des Klägers und nach den vorgelegten Beschlüssen zur Betreuerbestellung bzw. den vorgelegten Betreuerausweisen ganz überwiegend eine typische Betreuertätigkeit, die keine spezifischen juristischen Kenntnisse und keine juristische Ausbildung voraussetzt. Dem entspricht auch das äußere Bild der Tätigkeit des Klägers: Er wir aufgrund gerichtlicher Bestellungen tätig, nicht aufgrund eines anwaltlichen Mandats; dementsprechend richtet sich seine Vergütung nach Betreuungsrecht, nicht nach der (im Streitjahr noch geltenden) BRAGO (siehe hierzu auch BFH-Urteil vom 01.02.1990, IV R 42/89, BStBl. II 1990, 534, in den Entscheidungsgründen unter 2. a).

Dass der Kläger in den ihm übertragenen Aufgabenkreisen auch juristisch tätig geworden ist bzw. dass dem Kläger Aufgabenkreise übertragen worden sind, in denen ein Nichtjurist gar nicht hätte tätig werden können, und dass der Kläger somit gerade aufgrund seiner juristischen Ausbildung als Betreuer bestellt wurde, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Zum einen sind die juristischen Aufgaben, die der Kläger als Betreuer übernommen hat, weder für die einzelnen Betreuungsfälle noch für seine Gesamttätigkeit prägend. Die Übertragung der Aufgabenkreise "Vertretung im Ehescheidungsverfahren" oder "Vertretung in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren" unter der Geschäfts-Nr.: ... erfolgte beispielsweise (nur) neben der Übertragung der weiteren Aufgabenkreise "Gesundheitssorge", "Aufenthaltsbestimmung", "Suche nach einer geeigneten Wohngruppe", "Unterstützung bei der Suche nach einer geeigneten Beschäftigung" und "allgemeine Interessenvertretung gegenüber Behörden, Institutionen und sonstigen Dritten". Zum andern lassen sich die unter Umständen genuin juristischen Tätigkeiten des Klägers nicht von der übrigen Betreuungstätigkeit abgrenzen. Die von dem Berichterstatter im Erörterungstermin aufgezeigte Möglichkeit einer Aufteilung der als Betreuer erzielten Einnahmen nach objektiven Kriterien hat der Kläger nicht aufgegriffen.

d) Der erkennende Senat hält es zudem auch vor dem Hintergrund des Gebotes steuerlicher Belastungsgleichheit für sachgerecht, wenn die Betreuungstätigkeit eines Rechtsanwalts steuerrechtlich ebenso behandelt wird wie die Betreuungstätigkeit beispielsweise eines Diplom-Pädagogen.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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