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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Gerichtsbescheid verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: 6 K 44/08
Rechtsgebiete: UmwStG, AO


Vorschriften:

UmwStG § 21 Abs. 2
AO § 233a Abs. 3
AO § 233a Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die zutreffende Verzinsung der Einkommensteuerfestsetzung für 1998 gemäß § 233a AO.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 1998 einen Entstrickungsgewinn i.S.d. § 21 Abs. 2 UmwStG a.F. in Höhe von ca. ... Mio DM. Die hierauf entfallende, tarifbegünstigte Einkommensteuer wurde antragsgemäß gestundet, und zwar über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Stundungsraten betrugen 4 x ... DM und 1 x ... DM und wurden am 14.12.1998, 14.12.1999, 14.12.2000, 18.12.2001 und 11.12.2002 gezahlt. Gemäß Einkommensteuerbescheid für 1998 vom ... 2001 wurde auf den Entstrickungsgewinn eine tarifbegünstigte Einkommensteuer in Höhe von ... DM festgesetzt. Insgesamt wurde eine Einkommensteuer in Höhe von ... DM festgesetzt, und zwar ... DM auf ein nach der Grundtabelle zu versteuerndes Einkommen in Höhe von ... DM zuzüglich der Entstrickungssteuer. Auf die festgesetzte Einkommensteuer in Höhe von ... DM wurden Steueranrechnungsbeträge (Steuerabzug vom Lohn, Kapitalertragsteuer, Körperschaftsteuer) in Höhe von insgesamt ... DM angerechnet. Nach Verrechnung weiterer geleisteter Vorauszahlungen ergab sich ein Überzahlungssoll von 1 DM, das gemäß § 239 Abs. 2 AO wegen Geringfügigkeit nicht verzinst wurde.

Die Einkommensteuerfestsetzung für 1998 wurde in der Folgezeit wiederholt geändert, zuletzt mit Bescheid vom ... 2009. Die Änderungsbescheide vom 07.04., 16.06., 08.07.2004, 08.12.2006, 10.04.2008 und 17.03.2009 waren jeweils mit Zinsfestsetzungen nach § 233a AO verbunden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Bescheide verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 08.07.2004 beantragte die Klägerin, die Zinsfestsetzung nach § 223a AO --wie zuletzt mit Bescheid vom 16.06.2004 beschieden-- nach § 164 Abs. 2 AO zu ändern. Und zwar müsse bei der Zinsberechnung von einer Überzahlung ab dem 01.04.2000 ausgegangen werden; es dürfe nicht auf die Zahlung der letzten Stundungsrate vom 11.12.2002 abgestellt werden. Die Steueranrechnungsbeträge in Höhe von ... DM hätten nur auf die gemäß Bescheid vom 02.03.2001 festgesetzte Steuer nach dem Grundtarif in Höhe von .... DM zuzüglich der fälligen Steuer auf den Entstrickungsgewinn in Höhe von ... DM angerechnet werden dürfen. Die tatsächlich erfolgte Verrechnung mit der insgesamt festgesetzten Einkommensteuer einschließlich der darin enthaltenen Stundungsraten auf den Entstrickungsgewinn sei unzulässig gewesen. Bei zutreffender Verrechnung hätte sich ein auszahlungspflichtiger Erstattungsanspruch in Höhe von ... DM ergeben. Dieser Betrag sei ab dem 01.04.2000 zu verzinsen: ...

Diese in Bezug auf die Steuerfestsetzung vom 02.03.2001 vorgenommene Berechnung sei auf die nachfolgenden Steuer- und Zinsfestsetzungen entsprechend anzuwenden.

Der Beklagte lehnte die beantragte Änderung der Zinsfestsetzung mit Bescheid vom 29.07.2004 ab. Die angegriffene Festsetzung sei zutreffend; die Verzinsung eines Mindersolls stelle auf den Zeitpunkt der Einzahlung ab, durch die das Mindersoll verursacht werde. Dies sei hier die Zahlung der letzten Stundungsrate am 11.12.2002.

Den dagegen eingelegten Einspruch vom 02.09.2004 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13.02.2008 zurück.

Die Klägerin hat am 17.03.2008 Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor: Der Beklagte habe mit Bescheid vom 02.03.2001 in Höhe der gestundeten Entstrickungssteuer, d.h. mit einer nicht fälligen Forderung, zu Unrecht gegen ihren --der Klägerin-- Erstattungsanspruch aus den Steueranrechnungsbeträgen aufgerechnet. Richtigerweise hätte der Beklagte einen Betrag in Höhe von ... DM an sie auszahlen müssen, denn die Einkommensteuer nach dem Grundtarif und die fällige Einkommensteuer auf den Entstrickungsgewinn seien bereits mit den im Steuerabzugsverfahren einbehaltenen Beträgen (Steuerabzug vom Lohn, Kapitalertragsteuer, Körperschaftsteuer) entrichtet worden. Der Überzahlungsbetrag, modifiziert durch die nachfolgenden Steuerfestsetzungen, sei gemäß § 233a Abs. 2 AO als Mindersoll ab dem 01.04.2000 zu verzinsen und die Zinsfestsetzung entsprechend zu korrigieren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 31.07., 21.11. und 12.12.2008 verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Einspruchsentscheidung vom 13.02.2008 und den Ablehnungsbescheid vom 29.07.2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, eine dahingehend berichtigte Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer 1998 gemäß § 233a AO zu erlassen, dass bei der Ermittlung der Unterschiedsbeträge gemäß § 233a Abs. 3 und 5 AO auf die festgesetzte Einkommensteuer abzüglich der zu dem Zeitpunkt der erstmaligen Steuerfestsetzung für 1998 mit Bescheid vom 02.03.2001 gestundeten Steuer auf den Entstrickungsgewinn abzustellen ist und dass das sich hiernach ergebende Mindersoll gemäß § 233a Abs. 2 AO ab dem 01.04.2000 verzinst wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

Dem Gericht haben je 1 Band Einkommensteuer-, Rechtsbehelfs- und Beteiligungsakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet gemäß § 90 a FGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Festsetzung der Zinsen zur Einkommensteuer 1998 ist rechtmäßig, insbesondere steht die Stundung der sog. Entstrickungssteuer gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG a.F. der angegriffenen Zinsfestsetzung nicht entgegen bzw. gebietet sie keine Festsetzung von Erstattungszinsen i.S.v. § 233a AO.

1. Gemäß § 233a Abs. 1 und Abs. 3 AO werden Steuernachforderungen und Steuererstattungen verzinst, wenn die Festsetzung zu einem Unterschiedsbetrag i.S.v. Abs. 3 führt.

Gemäß § 233a Abs. 3 AO ist "maßgebend für die Zinsberechnung ... die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung."

Maßgebend für die Ermittlung eines Unterschiedsbetrags i.S.d. Zinsvorschrift ist somit die in dem Bescheid festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen. Nur ein sich danach ergebender Unterschiedsbetrag ist gemäß Satz 3 zugunsten des Steuerpflichtigen zu verzinsen, wobei die Verzinsung frühestens mit dem Tag der Zahlung beginnt.

Wird die Steuerfestsetzung geändert, ist gemäß § 233a Abs. 5 AO auch die bisherige Zinsfestsetzung zu ändern.

Maßgebend für die Zinsberechnung ist gemäß Sätze 2 - 4 nunmehr "der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind die bisher festgesetzten Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 entsprechend."

Diesen gesetzlichen Vorgaben entspricht die Festsetzung der Zinsen in den (geänderten) Zinsbescheiden zur Einkommensteuer 1998 vom 02.03.2001, 07.04., 16.06., 08.07.2004, 08.12.2006, 10.04.2008 und 17.03.2009.

2. Soweit die Klägerin dagegen meint, dass im Rahmen des § 233a AO nicht auf die festgesetzte Steuer, sondern auf die festgesetzte Steuer abzüglich des Stundungsbetrags nach § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG a.F. abzustellen sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Der Wortlaut des § 233a AO ist eindeutig. Der Stundungsbetrag hat mit dem gesetzlich definierten Unterschiedsbetrag i.S.v. § 233a Abs. 3 und 5 AO nichts zu tun und kann in diesen auch nicht im Wege einer ergänzenden Auslegung einbezogen werden. Denn die Anwendung von § 233a AO im Zusammenhang mit § 21 Abs. 2 UmwStG a.F. führt nicht zu plan- oder sinnwidrigen Ergebnissen (vgl. Senatsentscheidung vom 28. Februar 2006 VI 401/03, EFG 2006, 1380, DStRE 2007, 126).

a. Die durch das Steuerreformgesetz (StRG) 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl. I 1988, 1093) gemäß § 233a AO eingeführte allgemeine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen sollte einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (BT-Drucks 11/2157, S. 194). Für den Fall, dass sich bei der erstmaligen Steuerfestsetzung ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen (Mindersoll) ergibt (§ 233a Abs. 3 Satz 3 AO), wollte der Gesetzgeber aber verhindern, dass Erstattungszinsen selbst für solche Zeiträume gezahlt werden müssen, in denen die bisher festgesetzten Vorauszahlungen gar nicht gezahlt worden waren. Ist keine Zahlung geleistet worden, sollen auch keine Erstattungszinsen gezahlt werden. Deshalb sollte nur der zu erstattende Betrag ab dem Zeitpunkt der Zahlung an die Finanzbehörde bis zur Fälligkeit der Erstattung verzinst werden (vgl. BT-Drucks 11/2157, S. 195). Danach beschränkt sich der Zweck des § 233a Abs. 3 Satz 3 AO darauf sicherzustellen, dass bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen Erstattungszinsen nur für solche Zeiten gezahlt werden, in denen der Steuergläubiger tatsächlich einen Liquiditätsvorteil hatte und der Steuerschuldner tatsächlich nicht über das Geld verfügen konnte (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2005 VIII R 12/04, BFHE 209, 409, BStBl II 2005, 683).

b. Im Streitfall konnte die Klägerin zwar über die im Wege des Steuerabzugs einbehaltenen Lohn-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuerbeträge nicht verfügen; auch hat sie diese Beträge mit dem Steuerabzug i.S.v. § 233a Abs. 3 Satz 3 AO gezahlt. Aufgrund der Stundung des Entstrickungsgewinns konnte die Klägerin aber weiterhin über einen Betrag in nämlicher Höhe verfügen, ein Liquiditätsnachteil ist ihr deshalb ebenso wenig entstanden wie der Steuergläubiger einen Liquiditätsvorteil erlangt hat. Die Wirkungen des Steuerabzugs wurden durch die Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG a.F. wechselbezüglich kompensiert.

c. Dieses Verständnis des § 233a AO konterkariert nicht das mit der Regelung des § 21 Abs. 2 UmwStG a.F. verfolgte Ziel der Liquiditätsschonung (vgl. BFH-Urteil vom 05. Mai 1998 I B 24/98, BFHE 185, 497, BStBl II 2000,430). § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG a.F. regelt einen Rechtsanspruch auf Stundung und ist Spezialvorschrift gegenüber § 222 AO (vgl. BFH-Urteil vom 04. Dezember 1991 I R 163/90, BFHE 167, 25, BStBl II 1993,362). Folgerichtig wird in diesem Zusammenhang die Frage der Erhebung von Stundungszinsen geregelt, und zwar im Sinne des gesetzgeberischen Anliegens der Liquiditätsschonung des Steuerpflichtigen in der Weise, dass nicht der Vorteil der Stundung durch Zahlung von Stundungszinsen nivelliert werden soll. Dem Wortlaut von § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG a.F. selbst lässt sich nicht entnehmen, dass von der Festsetzung anderer Zinsen als Stundungszinsen --vornehmlich Nachzahlungszinsen-- abgesehen werden soll. Der Wortlaut der Regelung spricht allein von Stundungszinsen, die nicht erhoben werden sollen. In dieser Beschränkung auf die Freistellung von Stundungszinsen sieht der Senat keine planwidrige Regelungslücke, die eine vom Wortlaut abweichende Auslegung dieser Vorschrift gebieten könnte (vgl. Senatsentscheidung vom 28. Februar VI 401/03, EFG 2006, 1380, DStRE 2007, 126 m.w.N.). Zwar ist die sog. Vollverzinsung gem. § 233a AO erst durch Steuerbereinigungsgesetz 1990 vom 25.07.1988 in die AO eingefügt worden, d.h. der Gesetzgeber konnte bei der Formulierung von § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG a.F. Nachzahlungszinsen nicht berücksichtigen, weil eine entsprechende Regelung für deren Festsetzung fehlte. Der Gesetzgeber hat aber auch später in Kenntnis von § 233a AO bei der Neufassung des UmwStG § 21 UmwStG in diesem Punkt nicht geändert und stets nur die Nichterhebung von Stundungszinsen angeordnet. Die Erhebung von Zinsen gemäß § 233a AO wird deshalb von der Regelung des § 21 UmwStG a.F. nicht ausgeschlossen und betrifft --wie unter a. ausgeführt-- einen anderen Regelungskreis. Zudem spricht die Vorschrift des § 234 Abs. 3 AO gegen eine Regelungslücke innerhalb des § 21 UmwStG a.F. und unterstreicht das unabhängige Neben- bzw. Nacheinander von Zinsen gemäß § 233a AO und von Stundungszinsen (vgl. Senatsentscheidung vom 28. Februar VI 401/03, EFG 2006, 1380, DStRE 2007, 126).

3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob der Beklagte in Höhe der gestundeten Entstrickungssteuer zur Aufrechnung berechtigt war. Die Klägerin hätte einen ihr wegen unwirksamer Aufrechnung zustehenden Erstattungsanspruch i.S.d. § 37 Abs. 2 AO aus nicht verrechenbaren Steuerabzugsbeträgen im Wege eines Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 AO geltend machen können. Ein solcher Abrechnungsstreit ist indes nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 135 Abs. 1, § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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