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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 7 K 38/05
Rechtsgebiete: UmwStG 1995


Vorschriften:

UmwStG 1995 § 18 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ein Formwechsel als Vermögensübergang i.S. § 18 Abs. 4 UmwStG i.d.F. vor Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 anzusehen ist mit der Folge, dass ein Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer unterliegt.

Die Klägerin war und ist auf dem Gebiet der Logistik tätig. Sie entstand durch formwechselnde Umwandlung der M GmbH (Amtsgericht Hamburg HRB ...) aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 25. August 1998 mit Wirkung vom 01. Januar 1998. Mit anderen Unternehmungen gehörte sie zur Unternehmensgruppe H... GmbH & Co. KG.

Bereits im Jahr 1997 bot die S-Gruppe für die H-Gruppe einen Gesamtkaufpreis in Höhe von ca. 60 Mio. DM, den sie im Laufe des Jahres 1998 auf ca. 140 Mio. DM erhöhte. Mit Kaufvertrag vom 28. Dezember 1998 übertrug die alleinige Kommanditistin der Klägerin, die H GmbH & Co KG, die ihr gehörenden Kommanditanteile an der Klägerin an die S GmbH mit Wirkung zum 31. Dezember 1998. Der zwischen den Beteiligten dem Zahlenwerk nach unstreitige bei der Klägerin zu erfassende Gewinn, der sich für die Anteile an der Klägerin bezogen auf den Gesamtkaufpreis ergab, betrug unter Berücksichtigung der auf ihn entfallenden Gewerbesteuerrückstellung 4.207.011 DM (= 5.195.280 DM - 988.269 DM).

In der am 23. März 2000 eingereichten Gewerbesteuererklärung 1998 wie auch in der Feststellungserklärung 1998 war dieser Betrag nicht erfasst. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 02. Mai 2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO erklärungsgemäß den Gewerbesteuermessbetrag auf 12.265 DM und die Gewerbesteuer auf 57.645 DM fest.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung war der Betriebsprüfer der Auffassung, dass der Veräußerungsgewinn gemäß § 18 Abs. 4 UmwStG der Gewerbesteuer unterliege. Der Beklagte setzte entsprechend mit Änderungsbescheid vom 05. Mai 2003 nach § 164 Abs. 2 AO den Gewerbesteuermessbetrag auf 222.615 DM und die Gewerbesteuer auf 1.046.290 DM fest.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 06. Juni 2003 Einspruch ein. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 03. Februar 2005 zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 04. März 2005. Die Klägerin ist der Auffassung, dass § 18 Abs. 4 UmwStG bis zum 31. Dezember 1998 nur die Umwandlungen erfasse, bei denen ein Vermögensübergang erfolgt sei. Dies sei bei einem Formwechsel jedoch nicht der Fall. Erst mit Wirkung ab dem 01. Januar 1999 habe der Gesetzgeber sämtliche Umwandlungen im Rahmen des § 18 Abs. 4 UmwStG ausdrücklich einbezogen. Der Veräußerungsgewinn sei im Rahmen der Gewerbesteuer weder über § 18 Abs. 4 UmwStG noch über § 7 GewStG zu erfassen. Der Klägerin müsse Vertrauensschutz im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 (VIII R 23/01, BFHE 197, 425, BStBl II 2004, 474) gewährt werden, das rückwirkend die formwechselnde Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft unter § 18 Abs. 4 UmwStG auch vor dem 01. Januar 1999 subsumiert habe. Es handele sich zudem um eine normative Rückwirkung, die verfassungsrechtlich im vorliegenden Fall nicht zulässig sei. Ferner sei der Rechtsformwechsel auf Wunsch des Erwerbers erfolgt, so dass auch kein Missbrauch vorliege, der von § 18 Abs. 4 UmwStG angeblich verhindert werden solle. Eine Änderung habe auch im Hinblick auf § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht vorgenommen werden dürfen, da der BFH noch in einem Beschluss vom 04. Dezember 1996 (II B 116/96, BFHE 181, 349, BStBl II 1997, 661) einen Vermögensübergang bei einem Formwechsel verneint habe.

Hilfsweise ist die Klägerin der Auffassung, dass hinsichtlich der Höhe des gewerbesteuerlichen Veräußerungsgewinnes ein Abschlag zu erfolgen habe. Denn in dem Kaufpreis seien nicht nur stille Reserven zum Umwandlungszeitpunkt, sondern auch ein "strategischer Überpreis" enthalten, der allein die Erwartung des Erwerbers auf zukünftige Entwicklungen ausdrücke und nicht auf dem Unternehmenswert der Klägerin beruhe. Dieser Überpreis betrage 47,80 v. H. von 4.207.011 DM. Hinsichtlich der Berechnung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 04. August 2006 verwiesen.

Die Klägerin beantragt, den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 1998 vom 05. Mai 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 03. Februar 2005 aufzuheben, hilfsweise den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 1998 über den vom 05. Mai 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 03. Februar 2005 in der Weise zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung eines um 2.196.060 DM geringeren Gewinns aus Gewerbebetrieb festgesetzt wird,

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Änderung des Wortlauts des § 18 Abs. 4 UmwStG ab 01. Januar 1999 nur klarstellende Bedeutung gehabt habe und bezieht sich im Wesentlichen auf das Urteil des BFH vom 11. Dezember 2001 (VIII R 23/01, BStBl II 2004, 474).

Dem Gericht haben vorgelegen Gewinnfeststellungsakte und Gewerbesteuerakte, Bilanzakte Bd. I sowie Betriebsprüfungsakte Bd. I des Finanzamtes Hamburg-..., jeweils zur Steuernummer ....

Ergänzend wird auf den Akteninhalt, die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2006 Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage hat bereits nach ihrem Hauptantrag Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie waren daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Unrecht den Veräußerungsgewinn bei der Klägerin der Gewerbesteuer unterzogen.

Die formwechselnde Umwandlung der M GmbH in die Klägerin als Personengesellschaft wird nicht von § 18 Abs. 4 Satz 1 UmwStG in der im Streitjahr geltenden Fassung erfasst. Es handelt sich um keinen Vermögensübergang i.S. § 18 Abs. 4 Satz 1 UmwStG.

Gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 UmwStG in der im Streitjahr geltenden Fassung unterliegt ein Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer, wenn der Betrieb der Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Vermögensübergang veräußert wird. Dies gilt entsprechend, soweit ein Anteil an der Personengesellschaft veräußert wird (§ 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).

Der Wortlaut des § 18 Abs. 4 Satz 1 UmwStG ist entgegen der Auffassungen der Klägerin und des FG Münster (Urteil vom 24. Juni 2005, 11 K 3961/04 G, EFG 2005, 1733) grundsätzlich auslegungsfähig. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Umwandlungssteuerrechts. Zwar übernimmt das Umwandlungssteuerrecht grundsätzlich die handelsrechtlichen Definitionen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG i.V.m. § 1 UmwG). So bleibt handelsrechtlich bei einem Formwechsel die Identität des Rechtsträgers gewahrt, ohne dass eine Vermögensübertragung folgt. Dies ist jedoch nicht für steuerliche Zwecke im vorliegenden Fall zu übernehmen. Gerade im Fall des Formwechsels, der handelsrechtlich die Identität des Rechtsträgers wahrt, kann das Steuerrecht dem Handelsrecht nicht folgen. Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Systematik der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, die dem Gesetzgeber auch bewusst war (vgl. §§ 14, 25 UmwStG). Die Argumentation der Klägerin wäre dann nachzuvollziehen, wenn es keine abweichenden Sonderregelungen gäbe (vgl. auch BFH-Urteil vom 30. September 2003, III R 6/02, BFHE 203, 553, BStBl II 2004, 85), die im Streitfall jedoch vorliegen.

Allerdings ergeben die grammatikalische und die systematische Auslegung, dass der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft mit dem Begriff "Vermögensübergang" im Sinne des § 18 Abs. 4 Satz 1 UmwStG nicht erfasst ist. Denn der Gesetzgeber unterschied im Rahmen des § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG ausdrücklich zwischen einem Vermögensübergang und einem Formwechsel, was er im Rahmen des § 18 Abs. 4 Satz 1 UmwStG gerade nicht getan hat (vgl. auch Gosch, StBp 2002, 184).

Die vom BFH in seinem Urteil vom 11. Dezember 2001 (VII R 23/01, BFHE 197, 425, BStBl II 2004, 474) beschriebene Verweistechnik vermag den erkennenden Senat nicht zu überzeugen. Der BFH kommt zu dem Schluss, dass die einkommensteuerrechtliche Fiktion eines Vermögensübergangs bei Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft auch gewerbesteuerrechtlich gilt. Hierfür geht er zunächst davon aus, dass das Umwandlungssteuergesetz grundsätzlich dem Handelsrecht folgt. Aufgrund der Rechtsfolgenverweisung des § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG sei der Formwechsel jedoch abweichend von der zivilrechtlichen Regelung wie ein Vermögensübergang zu behandeln. Diese Grundsätze überträgt er ohne weitere Begründung auf § 18 Abs. 4 UmwStG. Dem steht jedoch entgegen, dass § 18 Abs. 4 UmwStG gerade keine Verweisung, weder auf § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG noch auf § 14 UmwStG, enthält und auch den Formwechsel nicht ausdrücklich erwähnt. Zwar gelten auch § 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG und § 18 Abs. 2 UmwStG im Fall des Formwechsels (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001, VII R 23/01, BFHE 197, 425, BStBl II 2004, 474). Dies ist aufgrund der Systematik mit § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG ("gilt vorbehaltlich des Absatzes 2") für § 18 Abs. 1 Satz 2 UmwStG und § 18 Abs. 2 UmwStG nachvollziehbar. Anders ist dies jedoch für § 18 Abs. 4 UmwStG zu sehen. Die Gleichstellung des Formwechsels mit dem Vermögensübergang in § 18 Abs. 1 Satz 1 UmwStG ist nicht auf § 18 Abs. 4 UmwStG übertragbar. § 18 Abs. 4 UmwStG begründet als selbstständige Regelung eigenständig eine Gewerbesteuerpflicht (Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 18 Rn. 37 m.w.N.), wobei in diesem Zusammenhang an das Bestimmtheitsgebot besondere Anforderungen zu stellen sind (Jebens, DB 2005, 1240). Aus dem gleichen Grund ist auch den Auffassungen des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 21. Februar 2006, 1 K 332/05, EFG 2006, 1027; Az. des BFH: IV R 22/06) und des FG München (Urteil vom 26. Oktober 2005, 10 K 5637/02, JURIS, Az. des BFH: XI R 27/06), die sich zur Auslegung des § 18 Abs. 4 UmwStG auf das BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 (VII R 23/01, BFHE 197, 425, BStBl II 2004, 474) berufen, nicht zu folgen.

Soweit in § 1 Abs. 3 UmwStG auf § 18 UmwStG verwiesen wird und § 18 UmwStG in der gesetzlichen Überschrift auch den Formwechsel erfasst, führt dies nicht dazu, im Rahmen des § 18 Abs. 4 UmwStG den Formwechsel zu berücksichtigen (so aber Widmann in Widmann/Mayer, UmwStG § 18 Rz. 144). Dafür spricht, dass sowohl § 18 Abs. 1 UmwStG und § 18 Abs. 4 UmwStG als auch in der Überschrift des § 18 UmwStG zwischen dem Vermögensübergang und dem Formwechsel differenziert wird.

Gegen dieses Ergebnis sprechen weder Entstehungsgeschichte noch Sinn und Zweck des § 18 Abs. 4 UmwStG. Selbst wenn der Gesetzgeber verhindern wollte, dass die Gewerbesteuerpflicht dadurch unterlaufen werden kann, dass der Betrieb erst nach vollzogener Umwandlung von der Personengesellschaft veräußert oder aufgegeben wird (BFH-Urteil vom 11.12.2001, VIII R 23/01, BFHE 197, 425, BStBl II 2004, 474) und der Gesetzgeber dies auf einen Zeitraum von fünf Jahren bezog, kann dies für das Streitjahr nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Maßstab für die Auslegung von Steuergesetzen ist der objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und aus dem Sinnzusammenhang der Vorschrift ergibt. Fehlen, wie im vorliegenden Fall, insoweit jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 18 Abs. 4 UmwStG den Formwechsel als von einem Vermögensübergang mit umfasst angesehen hat, bleibt es bei der Anknüpfung an die zivilrechtliche Unterscheidung (vergleiche auch zur ursprünglichen Gesetzesbegründung FG Münster, Urteil vom 24. Juni 2005, 11 K 3961/04 G, EFG 2005, 1733 m.w.N.). Schon aus Gründen der Gewaltenteilung findet die Auslegung von Gesetzen durch Verwaltung und Gerichte ihre Grenze in Wortlaut und Systematik der Regelung.

Im Gegensatz zu der Auffassung von Wacker (DStZ 2002, 457), Widmann (in: Widmann/Mayer, UmwStG, § 18 Rn. 144) und der Gesetzesbegründung (BT-Drs 14/23 S. 195) zu der Änderung des § 18 Abs. 4 UmwStG mit Gesetz vom 24. März 1999 handelt es sich bei der Ersetzung des Wortes "Vermögensübergang" durch das Wort "Umwandlung" nicht um eine Klarstellung eines Redaktionsversehens, das die Rechtslage nur bestätigt. In der Gesetzesbegründung heißt es zwar, dass durch die Änderung klargestellt werde, dass § 18 Abs. 4 UmwStG auch für den Formwechsel gelte. Zugleich soll die Regelung aber auch der Verhinderung von Steuerausfällen dienen, was bei einer "Klarstellung" widersprüchlich erscheint (Patt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 UmwStG Anm. R 23). Zudem hat der erkennende Senat erhebliche Zweifel, ob bei vorheriger mehrmaliger Änderung des § 18 UmwStG noch von einem "Versehen" gesprochen werden kann (vgl. auch Patt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 UmwStG Anm. R 2 a.E.). Jedenfalls darf der Gesetzgeber ein Versehen grundsätzlich nicht für einen vergangenen Veranlagungszeitraum berichtigten (vgl. BVerfG vom 19.12.1961, 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, BStBl I 1962, 486), was er im Übrigen auch nicht getan hat (Inkrafttreten der Änderung am 01. Januar 1999).

Über den Hilfsantrag war wegen des Erfolgs des Hauptantrages nicht mehr zu entscheiden.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH IV R 58/06)

Ende der Entscheidung

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