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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 22.01.2007
Aktenzeichen: 7 K 84/06
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 15a Abs. 1
EStG § 15a Abs. 4
EStG § 15a Abs. 5 Nr. 1
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

7 K 84/06

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtung einer in 2001 vorgenommenen, durch Verlustzuweisung nicht verbrauchten Einlage bei der Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG des beigeladenen, atypischen stillen Gesellschafters der Klägerin in 2002.

Die Klägerin war Inhaberin eines Sonnenstudios, das sie bis zum 31.12.2004 unter dem Namen "S..." betrieb. An dem Gewerbe der Klägerin war auf der Grundlage des Vertrages über die Errichtung einer stillen Gesellschaft vom 25.10.1999 seit dem 1.11.1999 der beigeladene B als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 45.000 DM und einer Bürgschaft über 200.000 DM beteiligt.

Durch Gesellschaftsvertrag vom 1.1.2000 gründeten die Klägerin und der Beigeladene eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke des gemeinschaftlichen Betriebs des bisher von der Klägerin geführten Sonnenstudios. Nach § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages ergaben sich die Einlagen der Gesellschafter aus den Kapitalkonten der bisherigen Einzelfirma mit stiller Beteiligung.

Am 11.12.2001 vereinbarten die Klägerin und der Beigeladene die Auflösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum 31.12.2000. Statt einer Auseinandersetzung wurde die Rückumwandlung in eine stille Gesellschaft zum 1.1.2001 auf der Basis und zu den Bedingungen des Gesellschaftsvertrages vom 25.10.1999 vereinbart. In diesem Vertrag waren unter anderem folgende Vereinbarungen getroffen:

"§ 3 Gewinnbeteiligung

1. Der stille Gesellschafter ist mit 50% am Gewinn beteiligt.

2. Maßgeblich für den Erfolgsanspruch des stillen Gesellschafters ist der in der Steuerbilanz ausgewiesene Gewinn. Außerordentliche Erträge aus dem Verkauf von Anlagegegenständen werden bei der Gewinnberechnung berücksichtigt.

...

§ 4 Verlustbeteiligung

1. Der stille Gesellschafter nimmt am Verlust der Gesellschaft teil. ...

2. Die Verlustbeteiligung ist unbeschränkt.

...

§ 6 Haftung des stillen Gesellschafters

Eine Haftung des stillen Gesellschafters gegenüber Dritten ist ausgeschlossen.

...

§ 12 Auseinandersetzung

1. Mit dem ausgeschiedenen stillen Gesellschafter hat sich die Inhaberin auseinander zusetzen. Maßgeblich hierfür ist die aufzustellende Auseinandersetzungsbilanz, in der die stillen Reserven aufzulösen sind.

2. An dem Auseinandersetzungsvermögen ist der stille Gesellschafter im Verhältnis seines Kapitalkontos zum Kapitalkonto der Inhaberin beteiligt.

..."

In 2001 hatte der Beigeladene eine Einlage in Höhe von 145.158 EUR (283.904 DM) geleistet. In dem Veranlagungszeitraum nahm er keine Entnahme vor, sein Kapitalkonto betrug zum 31.12.2001 unter Berücksichtigung des auf ihn entfallenden Verlustes 14.599,39 EUR (28.554 DM). In 2002 hatte der Beigeladene eine Einlage in Höhe von 16.775,57 EUR und eine Entnahme von 3.000 EUR getätigt.

Mit Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2001 vom 26.8.2003 stellte der Beklagte den Verlust aus Gewerbebetrieb insgesamt mit 319.894 DM fest. Auf den Beigeladenen entfiel ein laufender Verlust in Höhe von 159.947 DM (81.779,60 EUR), wobei nicht absehbare Betriebsausgaben hinzugerechnet werden in Höhe von 352,75 DM (180,36 EUR). Mit der Anlage FE-V ermittelte der Beklagte den verrechenbaren Verlust des Beigeladenen zum 31.12.2001 in Höhe von 74.373 DM (38.026 EUR).

Mit der Steuererklärung für 2002 machte die Klägerin einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 148.958 EUR geltend. Mit der Anlage FE-V erklärte sie den gesamten Verlust auch für den Beigeladenen als ausgleichsfähig. Mit Bescheid vom 3.5.2004 stellte der Beklagte den Verlust aus Gewerbebetrieb der Klägerin für 2002 auf 148.958 EUR fest. Den verrechenbaren Verlust des Beigeladenen stellte der Beklagte mit 194.284,91 EUR fest.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10.5.2004 Einspruch ein.

Mit Änderungsbescheid vom 20.12.2005 stellte der Beklagte den Verlust aus Gewerbebetrieb 2002 erneut mit 148.958 EUR fest; auf den Beigeladenen entfiel ein Verlustanteil von 74.479 EUR. Der Beklagte stellte danach den verrechenbaren Verlust des Beigeladenen mit 84.129,61 EUR fest. Dieser geänderten Feststellung legte der Beklagte einen positiven Anfangssaldo des Kapitalkontos des Beigeladenen in Höhe von 14.599,39 EUR zu Grunde und ging von einem verrechenbaren Verlust am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres von 38.026 EUR und einem nicht ausgleichsfähigen Verlust des Wirtschaftsjahres von 46.103,61 EUR aus.

Mit Einspruchsentscheidung vom 9.2.2006 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin teilweise als unbegründet zurück. Soweit der verrechenbare Verlust auf Grund einer unzutreffenden Ermittlung der Kapitalkontenentwicklung des Beigeladenen zu hoch festgesetzt worden sei, sei eine entsprechende Abhilfe bereits mit Bescheid vom 20.12.2005 erfolgt. Eine Anwendung des BFH-Urteils vom 14.10.2003 (VIII R 32/01) komme nicht in Betracht, weil dieses Urteil über den Einzelfall hinaus gemäß Schreiben des BMF 2000-04-14IV A 6-S 2241 a-10/04 nicht anzuwenden sei.

Mit Schreiben vom 13.3.2006 (Montag), eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass der auf den Beigeladenen entfallende Anteil des Verlustes aus 2002 in voller Höhe ausgleichsfähig sei. Die von dem Beigeladenen in 2001 geleistete Einlage sei lediglich in Höhe des steuerlichen Verlustes 2001 von 81.779,60 EUR (159.947 DM) ausgeglichen worden. Der darüber hinausgehende Betrag der geleisteten Einlage in Höhe von 63.378,41 EUR sei im Folgejahr für einen Verlustausgleich zu berücksichtigen. Andernfalls sei dieser Betrag für den Beigeladenen bis zur Liquidation der Gesellschaft verloren. Dies führe zu dem Ergebnis, dass Einlagen in einem Jahr, in dem ein Überschuss erwirtschaftet werde, auf Dauer von einem Verlustausgleich ausgeschlossen seien. Im Ergebnis könne dies zu einer Gefährdung der Finanzierung durch die Gesellschafter führen. Dies könne unmöglich der Sinn und Zweck des § 15a EStG sein. Ein Kommanditist könne im Gegensatz zu dem Beigeladenen die Erhöhung seiner Hafteinlagen mit Verlusten der Folgejahre ausgleichen. Hierin liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Auf das Urteil des BFH vom 14.10.2003 (VIII R 32/01) und die dortige Argumentation werde Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den mit geänderten Bescheid vom 20.12.2005 festgestellten verrechenbaren Verlust nach § 15a Abs. 4 EStG und die Einspruchsentscheidung vom 9.2.2006 in der Weise zu ändern, dass der verrechenbare Verlust am Ende des Wirtschaftsjahres 2002 auf 38.026 EUR festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte führte zur Begründung aus, dass gemäß Anwendungserlass des BMF das Urteil des BFH vom 14.10.2003 über den Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sei.

Mit Beschluss vom 25.9.2006 ist der stille Gesellschafter B notwendig beigeladen worden. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Mit Schreiben vom 13.3.2006 hat die Klägerin, mit Schreiben vom 15.12.2006 der Beklagte und mit Schreiben vom 27.12.2006 der Beigeladene auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht haben vorgelegen die Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakten, die Bilanz- und Bilanzberichtsakten, drei Bände Rechtsbehelfsakten und eine Akte Allgemeines betreffend die Steuernummer .... Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben hiermit ihr Einverständnis erklärt.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden.

Die Klägerin hat in zulässiger Weise ihr Begehren auf die Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG beschränkt, da zwischen den Beteiligten weder die Höhe der einheitlich und gesondert festgestellten Einkünfte der Gesellschaft noch deren Verteilung auf die Gesellschafter, sondern ausschließlich die Feststellung der verrechenbaren und damit auch ausgleichsfähigen Verlustanteile des Beigeladenen streitig ist. Die Feststellung des verrechenbaren Verlustes ist ein selbstständiger Verwaltungsakt, für den die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung Bindungswirkung als Grundlagenbescheid entfaltet (vgl. BFH, Urteil vom 11.7.2006 - VIII R 10/05, BB 2006, 2171). Da der Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlustes im Sinne des § 15a Abs. 4 S. 1 EStG Grundlagenbescheid für den weiteren Verwaltungsakt der Feststellung der bei der Veranlagung des Beigeladenen anzusetzenden steuerpflichtigen Einkünfte gemäß §§ 179 Abs. 1 und 2, 180 Abs. 1 Nr. 2a AO ist und der Bescheid Bindungswirkung hinsichtlich der Ausgleichsfähigkeit des Verlustes entfaltet (BFH, Urteil vom 22.6.2006 - IV R 31,32/05, BFH/NV 2006, 2148), kann der Antrag auf die Feststellung des verrechenbaren Verlustes beschränkt werden.

Die Klägerin ist auch klagebefugt. Im Verfahren nach § 15a Abs. 4 EStG ist neben dem Gesellschafter, um dessen ausgleichsfähigen oder nur verrechenbaren Verlust es geht (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO), auch die Personengesellschaft als solche gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klagebefugt. Bei einer atypischen stillen Gesellschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht die stille Gesellschaft als solche klagebefugt. Klagebefugt ist vielmehr der Inhaber des Handelsgewerbes, an dem die stille Beteiligung besteht, im Streitfall also die Klägerin (vgl. BFH, Urteil vom 14.12.1995 - IV R 106/94, BStBl II 1996, 226, m.w.N.). Sie ist Inhaberin des Handelsgewerbes und damit auch klagebefugt im Hinblick auf den verrechenbaren Verlust des Beigeladenen.

II. Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 20.12.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 9.2.2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte hat es in rechtswidriger Weise abgelehnt, bei der Feststellung des verrechenbaren Verlustes den Betrag zu berücksichtigen, um den die in 2001 geleistete Einlage nicht durch Zuweisung von ausgleichsfähigen Verlusten in dem Jahr verbraucht worden ist.

Nach § 15a Abs. 4 EStG ist der nach § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten, vermindert um die nach Absatz 2 abzuziehenden und vermehrt um die nach Absatz 3 hinzuzurechnenden Beträge (verrechenbarer Verlust), jährlich gesondert festzustellen. Dabei ist von dem verrechenbaren Verlust des vorangegangenen Wirtschaftsjahres auszugehen.

1. § 15a Abs. 4 EStG ist gemäß § 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG auf die Feststellung des verrechenbaren Verlustes des Beigeladenen anwendbar, denn danach gilt diese Regelung sinngemäß für andere Unternehmer, soweit deren Haftung der eines Kommanditisten vergleichbar ist, insbesondere für Gesellschafter einer stillen Gesellschaft im Sinne des § 230 HGB, bei der der stille Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist. Dies trifft auf den Beigeladenen unstreitig zu. Er ist als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen, denn nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages vom 11.12.2001 bzw. 25.10.1999 war der stille Gesellschafter sowohl unbeschränkt an den laufenden Verlusten als auch an den stillen Reserven des Betriebsvermögens der Klägerin beteiligt und hatte einem Kommanditisten entsprechende Kontrollrechte (vgl. §§ 5 und 9 des Gesellschaftsvertrages vom 25.10.1999; §§ 164, 166 HGB).

2. Der auf den Beigeladenen entfallende Anteil am Verlust der Klägerin für 2002 in Höhe von 74.479 EUR ist in vollem Umfang ausgleichsfähig.

Nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der Kommanditgesellschaft weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht.

Der auf den Beigeladenen entfallende Verlustanteil von 74.479 EUR ist in Höhe von 28.375 EUR ausgleichsfähig, weil insoweit kein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Dieser Betrag errechnet sich aus dem Bestand des Kapitalkontos zum 1.1.2002 in Höhe von 14.599 EUR zzgl. der Einlagen in 2002 in Höhe von 16.776 EUR und abzüglich der Entnahmen in Höhe von 3.000 EUR. Zwischen den Beteiligten ist nunmehr der Stand des Kapitalkontos des Beigeladenen zum 1.1.2002 in Höhe von 14.599 EUR unstreitig, denn auch die Klägerin geht davon aus - obwohl in der Bilanz zum 31.12.2002 wegen einer fehlenden Umsetzung der vorangegangenen bestandskräftigen Gewinnfeststellung für 2000 in anderer Höhe ausgewiesen -, dass sich das Kapitalkonto des Beigeladenen zum 1.1.2001 auf -48.598,66 EUR belief. Nach Einlagen in 2001 in Höhe von 145.158,01 EUR und der Berücksichtigung eines Verlustes lt. Steuerbilanz in 2001 von 81.959,96 EUR belief sich das Kapitalkonto des Beigeladenen zum 31.12.2001 auf 14.599,39 EUR.

In Höhe des über 28.375 EUR hinausgehenden Betrages von 46.104 EUR entsteht ein negatives Kapitalkonto des Beigeladenen. Dennoch ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 14.10.2003 - VIII R 32/01, BStBl II 2004, 359) der Verlust des Beigeladenen in dieser Höhe ausgleichsfähig.

Zwar ist nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG der Verlust eines Kommanditisten nicht ausgleichsfähig, sondern nur verrechenbar, soweit - wie im Streitfall - durch die Verlustzurechnung ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Der hiernach erforderliche Vergleich des Kapitalkontenstandes am Ende des Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung mit demjenigen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres führt nach Auffassung des BFH, der sich der Senat anschließt, in den Fällen, in denen eine Einlage vor dem Wirtschaftsjahr der Verlustentstehung geleistet und nicht durch (ausgleichsfähige) Verluste verbraucht wurde, zu - gemessen am Regelungszweck sowie an der Systematik des § 15a EStG - sinnwidrigen Ergebnissen. Die Vorschrift des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG ist deshalb für diese Fallkonstellation teleologisch zu reduzieren und die dadurch entstehende (verdeckte) Regelungslücke im Wege eines Analogieschlusses entsprechend dem Regelungsplan und der Entstehungsgeschichte des § 15a EStG zu schließen (BFH, Urteil vom 14.10.2003 - VIII R 32/01, BStBl II 2004, 359). Diese den Wortlaut korrigierende Rechtsfortbildung ist in der Weise umzusetzen, dass außerhalb des Kapitalkontenvergleichs der geleistete Einlagebetrag - soweit er nicht durch im Wirtschaftsjahr der Einlage zugerechnete ausgleichsfähige Verluste verbraucht wurde - als Korrekturposten festzuhalten ist und damit Verlustanteile des Kommanditisten in den folgenden Wirtschaftsjahren bis zur Höhe des (noch) nicht verbrauchten Korrekturposten auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren sind, wenn durch die Verlustzurechnung ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht.

Diese Auslegung des § 15a Abs. 1 EStG ist nicht unumstritten. Die Finanzverwaltung lehnt die Anwendung dieser Rechtsprechung ab (BMF Schreiben vom 14.4.2004, IV A 6 - S 2241 a - 10/04, BStBl I 2004, 436). In der Literatur wird insbesondere kritisiert, dass durch diese Rechtsprechung die bisher für den § 15a EStG akzeptierten Maßstäbe der Typisierung und Vereinfachung für die Schaffung einer Einzelfallgerechtigkeit verändert und dadurch die Regelung nur noch schwer handhabbar werde, wobei eine Vielzahl von Fragen über die Bildung und Fortschreibung der Korrekturposten ungeklärt sei (ablehnend: Claudy/Steger, Einlagen und § 15a EStG, DStR 2004, 1504; kritisch: Brandenberg, Aktuelle Entwicklungen zu § 15a EStG, DB 2004, 1632; HG, Anmerkung zum Urteil, DStR 2004, 28; von Beckrath in Kirchhof EStG, 6 Ausl. 2006, § 15a , Rn. 261; zustimmend: Niehus/Wilke, Einlagen des Kommanditisten bei negativem Kapitalkonto, FR 2004, 677; Wacker, Vorgezogene Einlagen und § 15a EStG, DB 2004,11; Baldi in Frotscher, EStG, § 15a Rn. 294a; Wacker in Schmidt, EStG, 25. Aufl. 2006, § 15a Rn. 183).

Der BFH begründet seine Entscheidung mit dem Zweck des § 15a EStG, wonach der steuerrechtliche Verlustausgleich des beschränkt haftenden Gesellschafters mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen auf den Haftungsbetrag am Bilanzstichtag - als Ausdruck seiner (aktuellen) wirtschaftlichen Belastung - zu begrenzen sei. Bei seinen Erwägungen berücksichtigt er, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung dieses Anliegens bewusst davon abgesehen hat, sämtliche Haftungstatbestände in die Regelung des § 15a EStG einzubeziehen und die Vorschrift auf einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Typisierung beruht, nach der sowohl zur Vermeidung unerwünschter Gestaltungsmöglichkeiten als auch im Interesse einer möglichst einfachen Handhabung der Vorschrift aufgrund des Kapitalkontenvergleichs die Zurechnung ausgleichsfähiger Verluste grundsätzlich auf den Betrag der geleisteten Einlage beschränkt werde (BFH, Urteil vom 14.10.2003 - VIII R 32/01, a.a.O.). Insoweit steht die Entscheidung im Einklang mit dem Urteil des IV. Senats vom 14.12.1995 (IV R 106/94, BStBl II 1996, 226), nach dem die stichtagsbezogene Betrachtung ausschließt, früher als verrechenbar festgestellte Verluste in ausgleichsfähige umzuwandeln, wenn nach dem Stichtag eine Einlage geleistet wird. Wird dagegen die Einlage vor dem Verlustentstehungsjahr geleistet, so ist der Kommanditist am Stichtag wirtschaftlich belastet und soll den Verlust einkünftemindernd geltend machen können (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 15.11.2005 - I 235/2004, EFG 2006, 1833). Der BFH weist zur Verdeutlichung der gesetzgeberisch nicht beabsichtigten Ungleichbehandlung auf die weitere gesetzliche Systematik bei einem erweiterten Verlustausgleich des Kommanditisten gemäß § 15a Abs. 1 S. 2 EStG hin.

Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall eines atypischen stillen Gesellschafters ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Entscheidung sich auf eine Kommanditgesellschaft bezog. Zwar besteht bei einer atypischen stillen Gesellschaft als Innengesellschaft keine Außenhaftung, so dass die systematischen Erwägungen zum erweiterten Verlustausgleich im vorliegenden Fall die erweiternde Auslegung des BFH nicht stützen können. Der BFH kommt mit seinen Argumenten jedoch zu einer erweiternden Auslegung der Grundregel in § 15a Abs. 1 S. 1 EStG, wobei das Beispiel der erweiterten Außenhaftung als ein (weiteres) systematisches Argument zur Verdeutlichung der ungleichen Behandlung angeführt wird. Die Anwendung des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG führt für den atypisch stillen Gesellschafter zu denselben Ergebnissen wie bei einem Kommanditisten. Es besteht deshalb keine Veranlassung, die im Falle eines Kommanditisten gefundene Auslegung des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG im Rahmen des § 15a Abs. 5 EStG nicht auf den atypisch stillen Gesellschafter zu übertragen (vgl. Wacker, Vorgezogene Einlagen und § 15a EStG, DB 2004, 11).

Gegen die Ansicht des BFH kann zwar eingewendet werden, dass der Regelungszweck und die Systematik des § 15a EStG nicht zwingend die Bildung eines Korrekturpostens erfordern. Es wäre auch denkbar, dass es vom Willen des Gesetzgebers getragen wird, Verluste nicht in jedem Fall bereits im Verlustentstehungsjahr nutzbar zu machen, sondern den Kommanditisten oder stillen Gesellschafter auf spätere Veranlagungszeiträume zu verweisen, in denen er - auch aufgrund seiner Einlage auf das negative Kapitalkonto - den Bereich eines positiven Kapitalkontos erreicht, oder dass bei Betriebsaufgabe ein als verrechenbar festgestellter Verlust mit einem Auflösungsgewinn ausgeglichen werden kann oder - sofern der Kommanditist oder stille Gesellschafter diesen nach der Liquidation der Gesellschaft endgültig zu tragen hat - als ausgleichs- und abzugsfähiger Verlust zu berücksichtigen ist (vgl. BFH, Urteil vom 14.12.1995 - IV R 106/94, BStBl II 1996,2 126; FG Nürnberg, Urteil vom 15.11.2005 - I 235/2004, EFG 2006, 1833). Aus den Gesetzesmaterialien zu § 15a EStG ergibt sich weder, dass der Bereich der vorgezogenen Einlagen gesehen wurde und damit bewusst nicht von § 15a Abs. 1 S. 1 EStG umfasst werden sollte, noch dass eine Regelung durch den Gesetzgeber erfolgt wäre, hätte er die Problematik erkannt. Es liegt danach im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung, § 15a Abs. 1 S. 1 EStG mit dem VIII. Senat des BFH in der Weise erweitert auszulegen, dass "vorgezogene" Einlagen in den nachfolgenden Jahren zu ausgleichsfähigen Verlusten führen können. Der erkennende Senat schließt sich - auch unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und deren Kontinuität - den Grundsätzen der Entscheidung des BFH vom 14.10.2003 an.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist der Korrekturposten zum 31.12.2001 für den Beigeladenen wie folgt zu ermitteln:

 Einlagen 2001145.158,01 EUR
Entnahmen 20010,00 EUR
ausgleichsfähiger Verlustanteil 2001-81.779,60 EUR
Einlagenüberhang 200163.378,41 EUR
Positiver Saldo des Kapitalkontos zum 31.12.2001-14.599,39 EUR
Korrekturposten zum 31.12.200148.779,02 EUR

In Höhe des positiven Kapitalkontos zum 31.12.2001 ist der Einlagebetrag in späteren Jahren bereits nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG ausgleichsfähig, so dass in Höhe dieses Betrages der Einlageüberhang zu mindern ist.

In Höhe des Korrekturpostens ist der Verlust, der im Streitjahr 2002 zu einem negativen Kapitalkonto führt, in einen ausgleichsfähigen Verlust umzuqualifizieren, so dass auch der Verlustanteil des Beigeladenen in Höhe von 46.104 EUR als ausgleichsfähig zu behandeln ist. Der Verlust des Beigeladenen ist danach in seiner gesamten Höhe von 74.479 EUR ausgleichsfähig, so dass der verrechenbare Verlust am Ende des Jahres 2002 - wie zum 31.12.2001 - mit 38.026 EUR festzustellen ist.

Der Korrekturposten zum 31.12.2002 ist wie folgt zu errechnen:

 Korrekturposten zum 31.12.200148.779 EUR
Verlust 2002, soweit er zu e. neg. Kapitalkonto führt- 46.104 EUR
Korrekturposten zum 31.12.20022.676 EUR

3. Der Beklagte hat gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 FGO zugelassen.



Ende der Entscheidung

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