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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 06.11.2007
Aktenzeichen: 8 K 44/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

8 K 44/07

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob weitere Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bezüglich des Jahres 2004 anzuerkennen sind.

Die Kläger werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Eigentümer eines in A gelegenen Wohnhauses mit Einliegerwohnung. Im Streitjahr bewohnten die Kläger von Januar bis März die aus 3 Zimmern bestehende Erdgeschosswohnung. Ab April 2004 vermietete der Kläger die Erdgeschoßwohnung an die Familie C, wobei sich der Kläger ausweislich des Mietvertrages den im Grundriss als Kinderzimmer bezeichneten Raum (vgl. 33 der Gerichtsakte) vorübergehend zur alleinigen Nutzung vorbehalten ließ, nämlich bis zum Freiwerden der Wohnung im Obergeschoß Ende 2004 (vgl. Seite 8 des Mietvertrages, Bl. 8 RS der Vertragsakte). Die im Obergeschoss gelegene Einliegerwohnung war in der Zeit von Januar bis einschließlich November 2004 an die Eheleute D - die Großeltern der Klägerin - vermietet. Im Dezember 2004 bezogen die Kläger die Wohnung im Obergeschoss.

Zum 1.3.2004 trat der Kläger als Polizeivollzugsbeamter seinen Dienst in der Freien und Hansestadt Hamburg an. Bereits zum 1.1.2004 hatten die Kläger eine etwa 68 qm große 3-Zimmer-Wohnung in Hamburg, X-Straße, angemietet. Anfang April 2004 nahm die Klägerin in Hamburg eine Beschäftigung als Arzthelferin auf.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 7.350,-- EUR geltend. Die Aufwendungen entfielen auf 11 Fahrten mit dem PKW zwischen Hamburg und A (1.070,-- EUR), die Mietzahlungen für die Wohnung in Hamburg (4.502,-- EUR) sowie Verpflegungsmehraufwendungen (1.680,--).

Das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheid vom 29.9.2006 die Einkommensteuer 2004 ohne Berücksichtigung von Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung fest. Ihren hiergegen gerichteten Einspruch wies das beklagte Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 28.2.2007 zurück.

Mit ihrer am 30.3.2007 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren fort. Sie verweisen darauf, dass sich ihr Lebensmittelpunkt unverändert in A befunden habe. Ihre Zweitwohnsitznahme in Hamburg sei ausschließlich berufsbedingt erfolgt, weil der Kläger in B nicht in den Polizeivollzugsdienst übernommen worden sei. Vor dem Hintergrund, dass in Hamburg Polizeiunterkünfte nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung stünden, habe sich der Kläger rechtzeitig um die Anmietung einer kostengünstigen Wohnung bemüht. Zwar sei zum Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung in der X-Straße bereits klar gewesen, dass die Klägerin zumindest zu Besuchszwecken nach Hamburg kommen würde. Eine Einraumwohnung sei jedenfalls schon mit Blick auf die Schichtarbeit des Klägers nicht zumutbar gewesen. Die Klägerin, die unter dem Wegzug aus dem eigenen Haus sehr gelitten habe, habe den Arbeitsplatz gewechselt, um wenigstens in der Nähe des Klägers zu sein. Das Zimmer in A sei allerdings zu jeder Zeit der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen geblieben. In A wohnten die Eltern und Großeltern, hier hätten sie auch ihren Urlaub und ihre Freizeit verbracht. Sie - die Kläger - hätten jeden freien Tag in ihrem Haus in A verbracht; tatsächlich seien auch mehr Heimfahrten erfolgt als gegenüber dem beklagten Finanzamt geltend gemacht. Das von ihnen in A genutzte Zimmer sei auch unzweifelhaft geeignet gewesen, einen eigenen Haushalt zu führen. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 14.5., 14.8. und 18.10.2007 verwiesen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 29.9.2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.2.2007 in der Weise zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von EUR 7.350,-- berücksichtigt werden.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält an seiner Auffassung fest, dass im Streitjahr der Lebensmittelpunkt der Kläger am Beschäftigungsort gelegen habe und das Zimmer in A lediglich zu Besuchszwecken vorgehalten worden sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Finanzamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter (§ 90 Abs. 2 bzw. § 79 a Abs. 3 und 4 FGO).

Die zulässige Anfechtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das beklagte Finanzamt hat die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen zu Recht nicht als Werbungskosten bei deren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (Satz 2). Erforderlich für eine doppelte Haushaltsführung ist demnach eine Aufsplitterung der normalerweise einheitlichen Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte (vgl. BFH, Urteil vom 4.4.2006, VI R 11/02, [...]). Mit anderen Worten: Es muss aus beruflichem Anlass zu einer Aufteilung einer bisher einheitlichen Haushaltsführung auf zwei getrennte Haushalte kommen, nämlich auf einen (beibehaltenen) Haushalt in der bisherigen Wohnung und einen lediglich aus beruflichen Gründen unterhaltenen Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2006, 18 K 3223/05 E, [...]). Eine doppelte Haushaltsführung liegt dagegen nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer an seinem Beschäftigungsort in einer für die Unterbringung der Familie geeigneten Wohnung einen eigenen Hausstand unterhält und daneben noch die bisherige Familienwohnung an einem früheren Beschäftigungsort beibehält (vgl. BFH, Urteil vom 4.4.2006, VI R 11/02, [...]; Urteil vom 29.11.1974, VI R 77/73, [...]; FG Hamburg, Urteil vom 17.8.2007, 5 K 160/06, [...]).

In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist zwar geklärt, dass eine doppelte Haushaltsführung grundsätzlich auch bei beidseits berufstätigen Ehegatten mit gemeinsamer Wohnung am Beschäftigungsort in Betracht kommen kann, wenn sie außer der Wohnung an ihrem Lebensmittelpunkt während der Woche am Beschäftigungsort gemeinsam eine Wohnung bewohnen, von der aus sie ihre jeweilige Arbeitsstätte aufsuchen (vgl. nur BFH, Urteil vom 6.10.1994, VI R 55/93, [...]). Für die Annahme einer doppelten Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG muss allerdings die bisherige Wohnung weiterhin den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden. Es darf sich nicht lediglich um das Vorhalten einer Wohnung zu Besuchszwecken handeln; vielmehr muss der eigene Hausstand außerhalb des Beschäftigungsortes den Lebensmittelpunkt (Haupthausstand) darstellen (vgl. FG München, Urteil vom 25.4.2007, 1 K 1239/05, [...]; BFH, Urteil vom 5.10.1994, VI R 62/90, [...]). Ob dies jeweils der Fall ist, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (vgl. BFH, Beschluss vom 5.10.1998, VI B 98/98, [...]).

Bei der Beurteilung, ob die Wohnung am Heimatort oder am Beschäftigungsort als Lebensmittelpunkt anzusehen ist, kommt es insbesondere auf die Absehbarkeit und Dauer der auswärtigen Beschäftigung, die Anzahl der Heimfahrten, die sozialen Kontakte zur Familie, zu Freunden und Bekannten sowie - als wesentliches Indiz - auch auf die Größe und Ausstattung der einzelnen Wohnungen an (vgl. BFH, Urteil vom 10.2.2000, VI R 60/98, [...];Urteil vom 5.10.1994, VI R 62/90, [...]; FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2002, 18 K 652/00 E, [...]).

Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze ist im Streitfall eine steuerlich berücksichtigungsfähige doppelte Haushaltsführung zu verneinen. Das erkennende Gericht ist bei Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalles zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kläger mit dem Dienstantritt des Klägers in Hamburg ihren Haupthausstand an den Beschäftigungsort verlagert haben. Die erforderliche Aufsplitterung der Haushaltsführung bestand nicht mehr, der Ort des Hausstandes und der Beschäftigungsort war allein Hamburg. Damit waren die Voraussetzungen für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung entfallen. Zwar haben die Kläger dargetan und auch glaubhaft gemacht, dass sie in A verwurzelt sind und dort viele soziale Kontakte beibehalten haben. Die objektiv feststellbaren Kriterien vermögen indes nicht ein deutliches Übergewicht der Lebensinteressen der Kläger in A zu begründen, im Gegenteil:

Die Kläger haben sich aus ihrem Heimatort A bewusst zurückgezogen, indem sie die dort bislang bewohnte Wohnung im Erdgeschoss Ende März 2004 aufgegeben und an die Familie C vermietet haben. Lediglich das sog. Kinderzimmer haben sich Kläger zur alleinigen Nutzung vorbehalten. Demgegenüber haben sie in Hamburg, dem gemeinsamen Beschäftigungsort, schon zum Januar 2004 eine ca. 68 qm große 3-Zimmer-Wohnung angemietet. Bemerkenswerterweise war Mieter dieser Wohnung von Anfang an auch die Klägerin, obgleich diese zu diesem Zeitpunkt noch in B als Arzthelferin tätig war. Das erkennende Gericht geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die unterschiedlichen Wohnungs- bzw. Zimmergrößen eine bewusste Entscheidung der Kläger widerspiegeln, nämlich am Beschäftigungsort in Hamburg eine 3-Zimmer-Wohnung anzumieten, die hinreichend komfortabel für den täglichen Gebrauch ist, und in A lediglich ein einzelnes Zimmer vorzuhalten, das für Besuchs- und Urlaubszwecke ausreichend dimensioniert ist. In diesem Kontext kann fernerhin nicht außer Betracht bleiben, dass die Kläger im fraglichen Zeitraum in A lediglich über ein Zimmer ohne eigene sanitäre Anlagen verfügten. Der Kläger hat im Erörterungstermin insoweit auch eingeräumt, dass sie überwiegend die Sanitäreinrichtungen der Großeltern bzw. Eltern, die in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnten, benutzt hätten. Diese Einlassung des Klägers zeigt anschaulich, dass das Zimmer in A lediglich für besuchsmäßige Aufenthalte vorgehalten wurde.

Für eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes der Kläger nach Hamburg spricht überdies der Umstand, dass auch die Klägerin im fraglichen Zeitraum in Hamburg einer Beschäftigung nachging. Dass die Klägerin ihren Arbeitsplatz gewechselt hat, um wenigstens in der Nähe ihres Mannes zu sein, nimmt das Gericht den Klägern ohne weiteres ab. Gerade aber die Entscheidung, den von A aus zeitnah zu erreichenden Arbeitsplatz in B aufzugeben - von A bis B Hauptbahnhof benötigt man mit der deutschen Bundesbahn etwa 45 Minuten - spricht nach Auffassung des erkennenden Gerichts dafür, dass die Kläger ihren Lebensmittelpunkt nach Hamburg verlegt haben, zumal die Kläger - wie sie selber einräumen (vgl. Schriftsatz vom 24.8.2007, Bl. 2) - nicht abschätzen konnten, "wie lange der Zustand" anhalten würde.

Unbeschadet der vorstehenden Darlegungen kann im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung schließlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kläger nach ihren Angaben in der Einkommensteuererklärung in einem Zeitraum von 9 Monaten nur 11 Heimfahrten unternommen haben wollen. Das erkennende Gericht ist sich in diesem Zusammenhang sehr wohl bewusst, dass die Indizwirkung der jeweiligen Aufenthaltszeiten in Hamburg bzw. A nicht überbewertet werden darf, da es in der Natur der Sache liegt, dass der Aufenthalt am Beschäftigungsort regelmäßig die Arbeitstage umfasst und damit die Aufenthaltsdauer am bisherigen Wohnort zwangsläufig übersteigt. Auch hat das Gericht gewürdigt, dass der Kläger als Polizeibeamter Schichtdienst sowie Dienst auch am Wochenende zu leisten hatte. 11 Heimfahrten über einen Zeitraum von 9 Monaten lassen indes auch unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände noch nicht einmal den Schluss auf eine Gleichgewichtigkeit der Lebensinteressen in Hamburg und A zu, was im Übrigen auch nicht ausreichend wäre, setzt doch eine doppelte Haushaltsführung ein deutliches Überwiegen der Lebensinteressen am Haupthausstand voraus. Dass die Kläger tatsächlich viel mehr Heimfahrten als beantragt durchgeführt haben, weil sie jeden freien Tag in A verbracht haben (vgl. Schriftsatz 18.10.2007), vermag das erkennende Gericht ihnen nicht abzunehmen. Diese nicht substantiierte Einlassung der Kläger ist neu und erfolgte erst im Anschluss an den Erörterungstermin vom 11.10.2007. Weder im Einspruchsverfahren noch im bisherigen Klageverfahren haben die Kläger Entsprechendes vorgetragen. Dass die Fahrtkosten zum Teil erstattet wurden, ist jedenfalls nicht belegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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