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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: IV 10/02
Rechtsgebiete: VO 2913/92/EWG


Vorschriften:

VO 2913/92/EWG Art. 220
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

IV 10/02

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Tarifierung eines Video-Sender-Sets.

Im Rahmen einer bei der Klägerin im Oktober 2000 durchgeführten Außenprüfung stellte das Hauptzollamt für Prüfungen A fest, dass die Klägerin mit vier Zollanmeldungen über das Hauptzollamt Hamburg-... sog. Video-Sender-Sets eingeführt hatte. Diese Video-Sender-Sets bestehen aus je einem Videosende- und -empfangsgerät einschließlich der erforderlichen Netzteile in einer gemeinsamen Verkaufsumschließung und ermöglichen die drahtlose Bild- und Tonübermittlung von einem Raum in einen anderen, in dem etwa kein TV-Anschluss vorhanden ist. Die Video-Sender-Sets wurden von der Klägerin als Waren der Codenummer 8525 2099 000 angemeldet und unter Anwendung des für Waren dieser Codenummer vorgesehenen Präferenzzollsatzes "frei" abgefertigt. In seinem Prüfungsbericht vom 2.1.2001 führte das Hauptzollamt für Prüfungen A u.a. aus, dass die Video-Sender-Sets als Warenzusammenstellung im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3b anzusehen seien. Da ein sinnvoller Einsatz des Video-Sender-Sets nur durch die gleichzeitige Verwendung von Sender und Empfänger gewährleistet sei, könne weder der Sender noch der Empfänger als charakterbestimmender Bestandteil dieser Warenzusammenstellung angesehen werden mit der Folge, dass gemäß der Allgemeinen Vorschrift 3c die Ware der Position zuzuweisen sei, die unter der für ihre Einreihung gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen - Sendegeräte gehörten zur Position 8525, Empfangsgeräte zur Position 8528 - in der Nomenklatur zuletzt genannt sei.

Im Hinblick darauf, dass das Hauptzollamt für Prüfungen A zu der Auffassung gelangte, dass die Video-Sender-Sets in die Codenummer 8528 1298 000 (Präferenzzollsatz 9,8%) einzureihen seien, erhob das Hauptzollamt B für die vorgenannten Einfuhrsendungen mit Steueränderungsbescheid vom 9.4.2001 Zoll in Höhe von insgesamt DM 93.499,05 nach.

In ihrem hiergegen gerichteten Einspruch wandte die Klägerin ein, dass die Tarifauffassung des Hauptzollamtes für Prüfungen A nicht berücksichtige, dass der Sender auch einen Empfänger beinhalte, es sich folglich bei ihm um ein Sendegerät mit eingebautem Empfangsgerät handele. Der Sender empfange zunächst Funksignale, die er dann wieder aussende. Wenngleich auch für den Empfang dieser wieder ausgesendeten Funksignale ein Empfänger notwendig sei, stehe doch die Transportfunktion des Senders, der eben empfange und wieder aussende, im Vordergrund, zumal mit dem Sender nicht nur der mit dem Set gelieferte Empfänger, sondern beliebig weitere Empfänger versorgt werden könnten. Angesichts dessen verleihe der (Empfänger-)Sender dem Video-Sender-Set den wesentlichen Charakter, so dass das Video-Sender-Set entsprechend der Allgemeinen Vorschrift 3b der Codenummer 8525 zuzuordnen sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11.12.2001, in der Fassung des Schreibens vom 27.12.2001, wies das Hauptzollamt B den Einspruch der Klägerin gegen den Steueränderungsbescheid vom 9.4.2001 mit der Maßgabe zurück, dass es den Nacherhebungsbetrag um DM 31.484,37 reduzierte. Zur Begründung führte das Hauptzollamt B im Wesentlichen aus: Das streitgegenständliche Video-Sender-Set bestehe aus einem Sendegerät und einem Empfangsgerät, welche in Kombination mit Sende- und Empfangseinheiten für Fernbedienungssignale jeweils kabelverbunden mit Steckernetzteilen seien. In einem Funkübertragungssystem erfolge die drahtlose Übertragung der aufgenommenen Audio- und Videosignale vom Sender an den Empfänger. In entgegengesetzter Richtung könne der Empfänger die Signale der Fernbedienung übertragen. Da weder die Funksendeeinheit (Position 8525) noch die Funkempfangseinheit (Position 8527) den Charakter des Ganzen bestimmen würde, liege eine Warenzusammenstellung ohne charakterverleihende Bestandteile vor, die unter Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 3c als Empfangsgerät für den Funktelegraphieverkehr in die Codenummer 8527 9098 000 einzureihen sei. Da für Waren dieser Codenummer ein Präferenzzollsatz von 6,5% bestehe, sei der Nacherhebungsbetrag um DM 31.484,37 zu reduzieren. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer am 14.1.2002 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie betont erneut, dass ihrer Auffassung nach der (Empfänger-)Sender dem Video-Sender-Set den wesentlichen Charakter verleihe.

Die Klägerin beantragt,

den Steueränderungsbescheid vom 9.4.2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 11.12.2001 in der Fassung des Schreibens vom 27.12.2001 aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt, das die Aufgaben des Hauptzollamtes B übernommen hat, beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Steueränderungsbescheid des beklagten Hauptzollamtes ist die Vorschrift des Art. 220 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992 Nr. 1 302/1, im Folgenden: Zollkodex - ZK), die die Nacherhebung von Eingangsabgaben regelt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt. Das beklagte Hauptzollamt hat zu Recht angenommen, dass die von der Klägerin eingeführten Video-Sender-Sets nicht in die Position 8525 einzureihen sind. Ob diese Waren der Position 8527 oder 8528 unterfallen, kann vorliegend dahinstehen, da die Klägerin insoweit durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH-Urteil vom 20.6.1996 Rs. C-121/95 -Vobis-, EuGHE 1996, I-3047 Rz. 13; BFH-Urteile vom 18.11.2001 - VII R 78/00 -, 9.10.2001 - VII R 69/00 -, 14.11.2000 - VII R 83/99 -, 5.10.1999 - VII R 42/98 - und 23.7.1998 - VII R 36/97 -, juris) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind. Dazu gibt es auch Erläuterungen, die für die Kombinierte Nomenklatur von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden und ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urteile vom 9.12.997 Rs. C-143/96 -Knubben-, EuGHE 1997, I-7039 Rz. 14, und 19.5.1994 Rs. C-11/93 -Siemens Nixdorf-, EuGHE 1994, I-1945 Rz. 11 und 12). Auf den Verwendungszweck darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteile vom 14.11.2000 - VII R 83/99 - und 5.10.1999 - VII R 42/98 -, juris).

Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass in Bezug auf die in Rede stehenden Video-Sender-Sets nur eine Einreihung in das Kapitel 85 "Elektrische Maschinen, Apparate, Geräte und andere elektrotechnische Waren, Teile davon; Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegeräte, Bild- und Tonaufzeichnungs- oder -wiedergabegeräte, für das Fernsehen, Teile und Zubehör für diese Geräte" erfolgen kann. Die Beteiligten streiten aber darüber, in welche Position die von der Klägerin eingeführten Waren einzureihen sind. Im Hinblick auf diese Streitfrage merkt der erkennende Senat Folgendes an:

Der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei der zu tarifierenden Ware um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung handelt. Das von der Klägerin eingeführte Video-Sender-Set besteht nämlich zum einen aus einem Sendegerät mit 4-Kanal-Funksendeeinheit für Video- und Audiosignale kombiniert mit Funkempfangsteil für Fernbedienungssignale (Haupttätigkeit: Senden von A/V-Signalen). Dieses Sendegerät unterfällt der Position 8521, die "Sendegeräte für den Funksprech- oder Funktelegrafieverkehr, den Rundfunk oder das Fernsehen, auch mit eingebautem Empfangsgerät, Tonaufnahmegerät oder Tonwiedergabegerät; Fernsehkameras; Standbild-Videokameras und andere Videokameraaufnahmegeräte; digitale Einzelbild-Videokameras" umfasst. Zum anderen besteht das in Rede stehende Video-Sender-Set aus einem Empfangsgerät für Video- und Audiosignale kombiniert mit Funksendeteil für Fernbedienungssignale und einem Infrarot-Empfangsmodul für eine IR-Fernbedienung (Haupttätigkeit: Empfangen von A/V-Signalen), das entweder in die Position 8527 "Empfangsgeräte für den Funksprech- oder Funktelegrafieverkehr oder den Rundfunk, auch in einem gemeinsamen Gehäuse mit einem Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegerät oder einer Uhr kombiniert" oder in die Position 8528 "Fernsehempfangsgeräte, auch mit eingebautem Rundfunkempfangsgerät oder Ton- oder Bildaufzeichnungs- oder -wiedergabegerät; Videomonitore und Videoprojektoren" einzureihen ist. Kommen - wie hier - für die Einreihung von Waren zwei oder mehr Positionen in Betracht, so ist nach der Allgemeinen Vorschrift 3 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur nach folgenden Einreihungsmethoden zu verfahren:

Die erste Einreihungsmethode, nach der zunächst zu verfahren ist, ist in der Allgemeinen Vorschrift 3 lit. a dargelegt, wonach die Position mit der genaueren Warenbezeichnung den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vorgeht (Satz 1). Beziehen sich die in Betracht kommenden Positionen dagegen jeweils nur auf einen Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder nur auf einen oder mehrere Bestandteile einer - wie hier - für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung, so werden die Positionen im Hinblick auf diese Waren als genau gleich betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält (Satz 2 der Allgemeinen Vorschrift 3 lit. a. Die zweite Einreihungsmethode, die in der Allgemeinen Vorschrift 3 lit. b niedergelegt ist, gilt u.a. für für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen und kommt nur zur Anwendung, wenn - so vorliegend - die Allgemeine Vorschrift 3 lit. a zu keinem Ergebnis geführt hat. Danach werden Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

Welcher Bestandteil der streitgegenständlichen Warenzusammenstellung charakterbestimmend ist, lässt sich unter Beachtung der Erläuterungen zum Harmonisierten System zur Allgemeinen Vorschrift 3 lit. b ermitteln (vgl. EuGH, Urteil vom 20.6.1996 - C-121/95 -, juris). Danach kann sich das entscheidende Merkmal, das den Charakter der Ware bestimmt, z.B. aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus seinem Umfang, seiner Menge, seinem Gewicht, seinem Wert oder aus der Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung der Ware ergeben (vgl. Anmerkung 19.1 der Erläuterungen zum Harmonisierten System zur Allgemeinen Vorschrift 3 lit. b. Welches dieser nicht abschließend aufgezählten Merkmale im Einzelfall zu berücksichtigen ist, hängt von der Art der Ware ab (vgl. BFH, Urteil vom 23.7.1998 - VII R 36/97 -, juris). Sind die einzelnen Waren freilich - wie hier - im Wesentlichen nach ihren Funktionen in den Positionen der Nomenklatur erfasst, so ist als vorrangiges Kriterium die Bedeutung anzusehen, die die Waren im Hinblick auf den Verwendungszweck der Zusammenstellung haben; andere Merkmale wie die Wertanteile der Elemente treten demgegenüber zurück (vgl. BFH, Urteil vom 2.6.1992 - VII K 2/91 -, juris).

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Auslegungsregeln hält der erkennende Senat dafür, dass sich in Bezug auf die von der Klägerin eingeführte Warenzusammenstellung ein charakterbestimmender Bestandteil nicht ermitteln lässt. Vielmehr würde vorliegend der Zusammenstellung ohne einen ihrer Bestandteile, ob Sende- oder Empfangsgerät, ihre charakteristische Eigenschaft fehlen, soll das Video-Sender-Set doch die drahtlose Bild- und Tonübermittlung von einem Raum in einen anderen ermöglichen. Sende- und Empfangsgerät bilden in ihrer Zusammensetzung ein Ganzes, dessen Bestandteile üblicherweise auch nicht getrennt zum Kauf angeboten werden.

Ist somit im Streitfall eine Einreihung auch nach der Allgemeinen Vorschrift 3 lit. b nicht möglich, ist nunmehr die Allgemeine Vorschrift 3 lit. c für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur heranzuziehen. Nach dieser Vorschrift sind für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen der unter den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen zuletzt genannten Position zuzuweisen. Ob vorliegend die Video-Sender-Sets letztlich in die Position 8527 oder 8528 einzureihen sind, kann der Senat im Ergebnis offen lassen. Vor dem Hintergrund der auf den Streitfall anzuwendenden Allgemeinen Vorschrift 3 lit. c scheidet jedenfalls eine Einreihung in die Position 8525 ersichtlich aus, was dem Begehren der Klägerin seine Grundlage entzieht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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