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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Gerichtsbescheid verkündet am 20.05.2005
Aktenzeichen: VI 30/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 15a Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob durch die Leistung einer Sacheinlage die Hafteinlage erbracht worden ist und damit die Verlustabzugsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG eingreift.

Die Klägerin ist gemäß Gesellschaftsvertrag vom 28.02.1995 gegründet worden, ihre persönlich haftende Gesellschafterin ist die Verwaltungsgesellschaft A mbH, die am Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt ist. Kommanditisten sind Herr B... (im Folgenden der Beigeladene) mit einer Kommanditeinlage (Haft- und Pflichteinlage) von zunächst 8.000 DM und Herr H... (im Folgenden H) mit einer Kommanditeinlage (Haft- und Pflichteinlage) von zunächst 2.000 DM. Nach § 4 des Gesellschaftsvertrages werden die Einlagen der Gesellschaft auf fixen Kapitalkonten verbucht, Verluste auf Verlustsonderkonten ausgewiesen und erfolgen alle die Gesellschafter betreffenden sonstigen Buchungen wie Gewinne, Entnahmen und Einzahlungen, die nicht Kapitaleinlagen sind, auf Privatkonten. Die Gesellschaft hat am 28.03.1995 begonnen, das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Gemäß Gesellschafterbeschluss vom 10.10.1995 ist die Kommanditeinlage des Beigeladenen auf 320.000 DM und des Kommanditisten H auf 80.000 DM erhöht worden und durch weiteren Gesellschafterbeschluss vom 23.09.1997 auf 520.000 DM und auf 130.000 DM. Diese Erhöhung wurde am 10.11.1997 in das Handelsregister eingetragen. Bargeldzahlungen sind auf die Hafteinlagen bislang nicht erfolgt; in der Bilanz auf den 31.12.1998 sind weiterhin die Einlageansprüche gegen die Kommanditisten als Aktivposten ausgewiesen.

Gemäß notarieller Urkunde vom 7.03.1996 übertrugen der Beigeladene und H jeweils eine in ihrem Eigentum stehende, in Florida belegene Eigentumswohnung auf die Klägerin gegen Zahlung von "10 US Dollar und andere entgeltlichen Gegenleistungen". Die Eintragung in das offizielle Verzeichnisbuch des Bezirks ..., Florida, erfolgte am 26.06.1998.

In der Bilanz per 31.12.1998 wurden die Grundstücke als Einlagen unter den Kapitalkonten II der Kommanditisten mit einem Teilwert von 600.000 DM bei dem Beigeladenen und mit 400.000 DM bei H erfasst.

Mit Bescheid für 1998 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nebst Feststellung des verrechenbaren Verlustes gemäß § 15a Abs. 4 EStG stellte der Beklagte - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung - negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 330.379 DM und den hiervon auf den Beigeladenen entfallenden Anteil mit ./. 265.965 DM fest. Dieser Betrag wurde in voller Höhe als steuerpflichtige Einkünfte nach Anwendung von § 15a EStG festgestellt. In der Folgezeit gelangte der Beklagte zu der Auffassung, dass durch die Einlage der Eigentumswohnungen die ausstehende Hafteinlageverpflichtung erfüllt und dadurch die Verlustabzugsbeschränkung eingetreten sei. Er änderte am 31.07.2001 den Bescheid zur Feststellung des verrechenbaren Verlustes und setzte nunmehr steuerpflichtige Einkünfte nach Anwendung von § 15a EStG nur noch in Höhe von . /. 58.156,30 DM an, die auf folgender Berechnung beruhten:

 Anteil am Verlust./. 265.575,00 DM
Davon abzugsfähig 
Aufgrund des Kapitalkontos 
Einlage Grundstück600.000.00 DM
Hafteinlage520.000,00 DM
Restbetrag80.000,00 DM
Abzug Entnahmen22.234,00 DM
 57.766,30 DM
nicht abzugsfähig./. 207.808,70 DM
Verlust Sonderbetriebsausgaben./. 390,00 DM
ausgleichsfähiger Betrag./. 58.156,30 DM

Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 17.08.2001, mit dem die Klägerin geltend machte, dass die ausgleichsfähigen Verlustanteile des Beigeladenen wie erklärt in Höhe von ./. 265.965 DM festzustellen seien, da mit der Einlage der Immobilie eine zusätzliche Sacheinlage erbracht worden sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 27.02.2002 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Die Einlage des Grundstücks mit dem Verkehrswert von 600.000 DM sei mit den ausstehenden Hafteinlagen zu verrechnen, da diese auch durch eine Sacheinlage erfüllt werden könne. Ob eine Einlage tatsächlich erbracht werde, bestimme sich nach handelsrechtlichen Grundsätzen.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 27.01.2003, mit der die Klägerin geltend macht, dass - entgegen der Annahme des Beklagten - die Einlage der Grundstücke gerade nicht zum Zwecke der Tilgung der offenen Einlageverpflichtung erfolgt sei. Die Kommanditisten seien berechtigt, frei darüber zu entscheiden, ob sie mit einer Einlage eine bestehende Einlageverpflichtung erfüllten oder zusätzlich zu der Hafteinlageverpflichtung eine weitere Einlage tätigen wollten. Die Absicht der Kommanditisten, aus steuerlich anzuerkennenden Gründen die Bareinlageverpflichtungen aufrecht zu erhalten, sei unmissverständlich dadurch zum Ausdruck gekommen, dass in ihrer, der Klägerin, Handelsbilanz zum 31.12.1998 die Einlageansprüche gegen die Kommanditisten weiterhin aktiviert worden seien. Gegen den durch die handelsbilanzielle Behandlung zum Ausdruck gebrachten klaren Willen könne der Beklagte nicht eine Tilgungswirkung unterstellen, ohne dass hierfür eine schriftliche Vereinbarung getroffen worden sei. Vielmehr habe es für den Fall, dass mit der Grundstücksübertragung die Hafteinlageverpflichtung habe getilgt werden sollen, einer ausdrücklichen Vereinbarung bedurft, dass die Bareinlageverpflichtung auch durch eine Sachzuwendung erbracht werden könne. Insoweit habe eine Leistung an Erfüllung statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB vereinbart werden müssen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid zur Feststellung des verrechenbaren Verlustes gemäß § 15a Abs. 4 EStG vom 31.07.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 27.12.2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung hält der Beklagte an seiner Auffassung fest, dass Einlagen eines Kommanditisten bei noch nicht voll erbrachter Pflichteinlage bis zur Höhe der im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage als auf diese erbracht anzusehen seien und in diesem Umfang die Außenhaftung minderten. Anderenfalls könne durch gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen erreicht werden, dass Beträge als freie Einlage dauerhaft Verlustausgleichspotential schafften und daneben das Haftungsausgleichsvolumen in vollem Umfang erhalten bleibe.

Mit Beschluss vom 6.4.2005 ist der Kommanditist ... (B) zu diesem Verfahren notwendig beigeladen worden.

Die die Klägerin betreffende Gewinnfeststellungsakte nebst Beiakten zur Steuernummer ... hat vorgelegen.

Gründe

Der Senat entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Beklagte hat zu Unrecht den Wert der Sacheinlage der Immobilien mit den ausstehenden Hafteinlagen verrechnet und dementsprechend den festzustellenden Verlustausgleich des Beigeladenen gemäß § 15a Abs. 1 EStG beschränkt.

1.) Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der Kommanditgesellschaft weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Dies gilt nicht, wenn der Kommanditist am Bilanzstichtag den Gläubigern der Gesellschaft aufgrund des § 171 Abs. 1 HGB haftet; in diesem Fall können die Verluste des Kommanditisten bis zur Höhe des Betrages, um den die im Handelsregister eingetragene Einlage des Kommanditisten seine geleistete Einlage übersteigt, auch ausgeglichen oder abgezogen werden, soweit durch den Verlust ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht.

Gemäß § 171 Abs. 1 HGB haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage, d.h. bis zu seiner Haftsumme, unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. Voraussetzung ist dabei eine objektive Wertdeckung, im Falle der Sacheinlage gilt der Verkehrswert. Die Beurteilung, ob eine Einlage geleistet ist, richtet sich ausschließlich nach Handelsrecht. Die Voraussetzungen der haftungsbefreienden Einlageleistung sind in § 171 Abs. 1 HGB allerdings nicht ausdrücklich beschrieben. Erforderlich ist jedenfalls eine tatsächliche Leistung des Kommanditisten "auf die Einlage". Das bedeutet, dass eine Einlageleistung nur gegeben ist, wenn auf das haftende Kapital geleistet wird; so erbringt der Kommanditist beispielsweise keine Einlage, wenn er der Gesellschaft ein Wirtschaftsgut zu einem Preis unter Wert verkauft (vgl. Karsten Schmidt in Münchner Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 171 Rz. 48). Entsprechendes gilt für die Sacheinlage, diese wirkt haftungsbefreiend nur, wenn und soweit sie auf die Einlageschuld geleistet wird (Karsten Schmidt, a.a.O.). Der Kommanditist muss danach die Leistung an die Gesellschaft als Einlage gewollt und die Gesellschaft muss sie als Einlage angenommen haben (Schilling in HGB Großkommentar, 4. Aufl., § 171 Rz. 5).

2.) Nach Maßgabe dieser Grundsätze, denen der Senat folgt, bestand die Außenhaftung des Beigeladenen in der eingetragenen Höhe nach § 171 Abs. 1 HGB am Bilanzstichtag 31.12.1998 auch nach Leistung der Sacheinlage fort. Die vom Beklagten angenommene Verlustabzugsbeschränkung ist eingetreten.

Nach dem Gesellschaftsvertrag hatte der Beigeladene eine Kommanditeinlage als Haft- und Pflichteinlage von zunächst 8.000 DM, später erhöht auf 520.000 DM zu leisten, die in dieser Höhe in das Handelsregister eingetragen worden ist. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte die Einlageverpflichtung durch Kapitalzuführung erbracht werden. Unzweifelhaft hat der Beigeladene der Gesellschaft Kapital in entsprechender Höhe nicht zugeführt. Er hat die Einlageleistung aber auch nicht durch die Einlage des Grundstücks als Sacheinlage geleistet. Denn insoweit fehlt es an dem entsprechenden rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien. Die Grundstücke sind ausdrücklich nicht auf die Haft- und Pflichteinlage geleistet worden. Dies ergibt sich aus der expliziten Erklärung der Klägerin und der entsprechenden Handhabung im Jahresabschluss zum 31.12.1998, als dort die Kommanditeinlagen als weiterhin nicht erbracht bilanziert und die Einlage der Grundstücke auf den variablen Kapitalkonten der einlegenden Kommanditisten gebucht worden ist. Den Abschluss einer Vereinbarung, dass die Bareinlageverpflichtung auch durch Sachzuwendung getilgt werden könne und die Gesellschaft die Leistung an Erfüllung statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB angenommen hat, hat die Klägerin ausdrücklich in Abrede genommen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten vermag das Gericht keine Grundlage dafür zu erkennen, dass jede Einlageleistung eines Kommanditisten - entgegen seinem ausdrücklich erklärten Willen - bei noch nicht voll erbrachter Hafteinlage bis zur Höhe der im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage als auf diese erbracht anzusehen ist und in diesem Umfang seine Außenhaftung gemindert ist. Aus dem Wortlaut von § 15a EStG ergibt sich diese Deutung nicht; auch in der steuer- und handelsrechtlichen Literatur findet sich hierfür - soweit ersichtlich - keine Unterstützung. Der Beklagte stützt sich für seinen Rechtsstandpunkt auf die Kommentierung von Stuhrmann in Blümich, EStG § 15a Rz. 58. Der Senat vermag in der streitigen Vorgehensweise - Leistung einer Sacheinlage bei noch ausstehender Hafteinlage - aber keine missbräuchliche Gestaltung i.S.v. § 42 AO zu erkennen. Zwar befürchtet Stuhrmann (a.a.O.) dass mit einer derartigen gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung erreicht werden könne, dass die Beträge als freie Einlage dauerndes Verlustausgleichspotential schaffen und daneben das Haftungsausgleichsvolumen in vollem Umfang erhalten bleibt. Dies widerspreche der gesetzlichen Regelung nach § 15a Abs. 1 Satz 3 EStG, die ersichtlich das Ziel verfolge, erweiterte Verlustverrechnungen durch nach Auffassung des Gesetzgebers missbräuchliche Gestaltungen ohne echtes Haftungsrisiko zu verhindern. Hierbei wird aber übersehen, dass mit der Eintragung der Haftsumme in das Handelsregister in der Regel ein echtes wirtschaftliches und nicht nur ein formal juristisches Risiko verbunden ist. Dies ist nur ausnahmsweise dann nicht der Fall, wenn die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft und deren gegenwärtige sowie zu erwartende Liquidität im Verhältnis zum nach dem Gesellschaftsvertrag festgelegten Gesellschaftszweck und dessen Umfang so außergewöhnlich günstig sind, dass die finanzielle Inanspruchnahme des einzelnen Kommanditisten nicht zu erwarten ist (BFH-Urteil vom 14.05.1991, VIII R 111/86, BStBl II 1992, 164).

Anhaltspunkte für eine derart günstige Situation der Klägerin und dafür, dass eine Inanspruchnahme des Beigeladenen unwahrscheinlich war, bestehen nicht. Das wirtschaftliche Risiko, aus der Kommandithaftung in Anspruch genommen zu werden, stellt vielmehr gerade bei neu gegründeten Kommanditgesellschaften, deren wirtschaftliche Entwicklung noch schwer abschätzbar ist, den Normalfall dar (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.1991, VIII R 111/86, BStBl II 1992, 164). Die Klägerin ist erst 1995 gegründet worden und hat in dem Zeitraum von der Gründung bis zum Streitjahr und das Folgejahr 1999 ausschließlich - wenn auch von Jahr zu Jahr sich verringernde - Verluste erwirtschaftet. Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich durch die Leistung der Sacheinlage das Risiko der Inhaftungnahme entscheidend verringert hätte. Von einer missbräuchlichen Gestaltung kann danach nicht ausgegangen werden.

3.) Der erweiterte Verlustausgleich ist folglich in der Weise vorzunehmen, wie er in dem ursprünglichen Bescheid vom 09.12.1999 berücksichtigt worden ist. Die nach Anwendung von § 15a EStG anzusetzenden steuerpflichtigen Einkünfte des Beigeladenen betragen danach minus 265.965 DM.

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

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