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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: VII 165/05
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

EStG § 32c
GewStG § 9 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 9 Nr. 3 GewStG auch dann zur Anwendung gelangt, wenn es um die Kürzung von negativen Beträgen geht.

Die Klägerin ist eine mit Vertrag vom 16.8.1996 gegründete Kommanditgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand der Bau und Betrieb des im September 1997 fertiggestellten Containerschiffs "... (MS)" im internationalen Verkehr ist. Neben 84 Kommanditisten ist persönlich haftende Gesellschafterin die ... MS Gesellschaft "..." mbH. Seit dem 14.12.1998 wird das Schiff unter liberianischer Flagge betrieben. Die Klägerin erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG und ermittelt den Gewinn nach §§ 5, 4 Abs. 1 EStG. Die Kommanditistin A ist zwischenzeitlich aus der Klägerin ausgeschieden und mit Beschluss vom 22.2.2006 zu diesem Verfahren beigeladen worden.

Für den Zeitraum 1995 bis 1999 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt. Der Betriebsprüfer kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Tarifbegünstigung nach § 32c Abs. 2 Nr. 1 EStG um die Kürzungsbeträge nach § 9 Nr. 3 GewStG zu vermindern sei. Im Verlustfall sei bei Anwendung des § 32c EStG eine negative Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG nicht vorzunehmen, denn die Vorschrift des § 32c Abs. 2 EStG beziehe sich nur auf positive Kürzungsbeträge. Die Verluste minderten somit in vollem Umfang etwaige positive Einkünfte nach § 32c EStG.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen des Betriebsprüfers änderte der Beklagte mit Bescheid vom 2.7.2004 den Bescheid für 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, setzte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von -5.180.260,68 DM fest und berücksichtigte hierbei gewerbliche Einkünfte, die der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG unterliegen vor Anwendung des § 15a EStG in Höhe von 55.645,46 DM. Der Bescheid erging vorläufig im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren hinsichtlich der Anwendung des § 32c EStG (und zwar nur im Hinblick auf die Frage, ob diese Vorschrift mit höherrangigem Recht vereinbar ist). Mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid für 1999 über den Gewerbesteuermeßbetrag und die Gewerbesteuer setzte der Beklagte den Gewerbesteuermeßbetrag und die Gewerbesteuer auf Null fest. Dem lagen folgende Besteuerungsgrundlagen zu Grunde:

 Gewinn aus Gewerbebetrieb-5.180.261 DM,
Hinzurechnungen 
Entgelte für Dauerschulden1.826.832 DM
davon 50 v.H.913.416 DM,
negativer Teil des Gewerbeertrags ausl. Betriebsstätten3.413.476 DM,
Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen- 853.369 DM.

Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid hat die Klägerin am 16.7.2004 Einspruch eingelegt, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 1.9.2004 als unbegründet zurückgewiesen hat.

Mit Schreiben vom 30.9.2004, eingegangen am 1.10.2004, hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG für negative wie positive Einkünfte gelte. Zu Unrecht sei in dem Feststellungsbescheid für Kommanditisten, bei denen nach Anwendung des § 15a EStG laufende negative Einkünfte festgestellt worden seien, 100% der anzusetzenden Einkünfte gemäß § 32c EStG qualifiziert. Bei der Qualifizierung nach § 32c EStG sei die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG entsprechend zu berücksichtigen und die der Tarifbegünstigungsvorschrift zu unterwerfenden Einkünfte seien um 80% zu kürzen. Indem der Beklagte die negativen Kürzungsbeträge im Sinne des § 9 Nr. 3 EStG bei der Anwendung des § 32c EStG unbeachtet lasse, führten die bei der Klägerin getroffenen Feststellungen dazu, dass den Steuerpflichtigen die Privilegierung - zumindest für einen Teil ihrer Einkünfte - in einem überhöhten Maß genommen werde. Dieses habe auch der I. Senat des Finanzgerichtes Hamburg in seinem Urteil vom 31.3.2004 (I 275/02) so gesehen. Im Übrigen beziehe sich das von dem Beklagten zitierte Urteil des FG Münster nicht auf die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG, sondern die des § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG, für die eine vergleichbare Rechtsprechung des BFH zur Anwendung von negativen Kürzungsbeträgen nicht existiere. Ebenso spreche die vom BFH in der Entscheidung vom 10.7.1974 (I R 248/71) umschriebene Sonderstellung des § 9 Nr. 3 GewStG dafür, dass in diesen Fällen auch Verlustanteile nach § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG von der Begünstigung auszunehmen seien, denn hinsichtlich 80% ihres Verlustes, der nicht auf die inländische Betriebsstätte entfalle, sei die Klägerin gar nicht Objekt der Gewerbesteuer. Folglich dürfe dieser Ergebnisanteil auch nicht nach § 32c EStG "negativ" privilegiert werden.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid für 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 2.7.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 1.9.2004 in der Weise zu ändern, dass die nach § 32c EStG begünstigten Einkünfte in Höhe von 67.397,75 DM festgestellt und wie folgt auf die Gesellschafter verteilt werden:

B|- 567,46 DM, C|- 118,78 DM, D|-1.000,00 DM, E|- 33,29 DM, F|-1.054,84 DM, G|- 544,96 DM, H|- 29,59 DM und die übrigen Gesellschafter unverändert.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG nur zu kürzende Gewinne und Gewinnanteile, also positive Kürzungsbeträge, von der Tarifbegrenzung ausnehme. Eine Berücksichtigung gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen sei im Rahmen des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG nicht zulässig. Die erzielten Verluste minderten deshalb in vollem Umfang etwaige andere nach § 32c EStG begünstigte positive Einkünfte der Kommanditisten. Eine an der Steuerrechtssystematik orientierte Auslegung dürfe nicht außer Acht lassen, dass § 32c EStG weder Besteuerungsgrundlagen beschreibe noch eine Anrechnungsvorschrift darstelle, sondern eine gruppenbegünstigende Tarifvorschrift sei. Im Übrigen nimmt der Beklagte Bezug auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 9.7.2004 (4 K 2157/01) zu § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG, wonach es nicht Aufgabe des § 32c EStG sei, eine spiegelbildliche Behandlung im gewerbesteuerlichen Bereich einerseits und im Bereich der einkommensteuerlichen Tarifbegrenzung andererseits herzustellen.

Dem Gericht haben vorgelegen die Gewinnfeststellungsakte und Gewerbesteuerakte, die Betriebsprüfungsakte und die Rechtsbehelfsakte zu der Steuernummer .... Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 10.3.2006 Bezug genommen.

Gründe

I.

Das Verfahren ist nicht im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG (2 BvL 2/99) auszusetzen. Nach § 74 FGO kann das Gericht ein Klageverfahren auch im Hinblick auf ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Musterverfahren aussetzen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Aussetzung des Klageverfahrens nach § 74 FGO geboten, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, den Finanzgerichten zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der Beteiligten des Klageverfahrens ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung des Finanzgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens hat (BFH, Beschluss vom 10.11.1993 - X B 83/93, BStBl II 1994, 119). Der Senat hält es im vorliegenden Fall aus prozessökonomischen Gründen und im Hinblick auf das von den Beteiligten vorgetragene berechtigte Interesse an einer Entscheidung nicht für sachdienlich, das Verfahren auszusetzen. Der Beklagte hat im Hinblick auf eine Vielzahl noch anhängiger, gleich gelagerter Verfahren sein Interesse an einer Entscheidung der hier streitigen Rechtsfrage nachvollziehbar dargelegt und auch die Klägerin hat ihr Interesse an einer Entscheidung der Rechtsfrage zum Ausdruck gebracht. Angesichts des Zeitablaufs und der Tatsache, dass die vorliegende Frage nicht mehr gültiges Recht betrifft, aber noch für eine große Zahl von Verfahren von Belang ist, ist das Verfahren fortzuführen.

II.

Die zulässige Klage hat auch Erfolg. Der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid vom 2.7.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 1.9.2004 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht § 32c Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung in Verbindung mit § 9 Nr. 3 GewStG auf negative Kürzungen nicht angewandt und insoweit den ungekürzten Betrag des Gewerbeverlustes im Rahmen von § 32c EStG berücksichtigt. Der angefochtene Bescheid ist entsprechend zu ändern (vgl. § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO).

Gemäß § 32c Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist, wenn in dem zu versteuernden Einkommen gewerbliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 enthalten sind, deren Anteil am zu versteuernden Einkommen mindestens 93.744 Deutsche Mark beträgt, von der tariflichen Einkommensteuer ein Entlastungsbetrag nach Absatz 4 abzuziehen. Nach § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG sind gewerbliche Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift vorbehaltlich des Satzes 2 Gewinne oder Gewinnanteile, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 des Gewerbesteuergesetzes der Gewerbesteuer unterliegen. Ausgenommen sind insbesondere gemäß § 32c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 9 Nr. 3 GewStG Gewinne und Gewinnanteile, die nach § 9 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes zu kürzen sind. Bei Anwendung dieser Vorschriften ist der Klage stattzugeben (1.). Aus prozessökonomischen Gründen und im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Gewinnfeststellung gemäß § 165 AO hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit des § 32c EStG mit höherrangigem Recht sieht der Senat von Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG und einer eventuellen erneuten Vorlage der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG an das Bundesverfassungsgericht ab (2.).

1. Die Anwendung des § 32c Abs. 1 und 2 EStG - seine Verfassungsmäßigkeit unterstellt - in Verbindung mit § 9 Nr. 3 GewStG führt dazu, dass die von dem Beklagten nach § 32c EStG festgestellten begünstigten Einkünfte zu erhöhen sind. Unter der Summe der begünstigten gewerblichen Gewinne im Sinne des § 32c Abs. 1 EStG ist nur eine positive Größe zu verstehen, weil aus ihr nur dann ein positiver Anteil am zu versteuernden Einkommen (§ 32c Abs. 3 EStG) in einer Mindesthöhe von 93.744 DM ermittelt werden kann. Zu saldieren ist für den gewerblichen Gewinn des § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG insoweit, als alle nach § 7 und § 8 Nr. 4 GewStG der Gewerbesteuer "unterliegenden" Gewinne und (verrechneten) Verluste zusammengefasst einen positiven Betrag ergeben müssen (vgl. Schmidt-Glanegger § 32c EStG 21. Aufl. 2002 Rn. 7, 8). Das Verlustausgleichsverbot des § 15a EStG ist vorab zu berücksichtigen. Der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG unterliegen nur solche gewerblichen Einkünfte, die bei der Anwendung des § 15a EStG bei der jeweiligen Einkommensteuerveranlagung angesetzt werden dürfen (vgl. R 185a EStR), somit nicht die hier festgestellten verrechenbaren Verlust nach § 15a Abs. 1 EStG. Ob der Betrag im Sinne von § 32c Abs. 1 EStG erreicht wird, kann nicht auf der Feststellungsebene der Gesellschaft, sondern nur auf der Ebene eines jeden Gesellschafters beurteilt werden, denn nach § 32c EStG begünstigt sind nur natürliche Personen mit unbeschränkter oder beschränkter Steuerpflicht, soweit sie gewerbliche Gewinne aus inländischen Betriebsstätten beziehen.

Der festzustellende Betrag gemäß § 32c EStG bestimmt sich zunächst nach § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 7 GewStG. Gemäß § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG ist maßgeblich der Gewinn gemäß § 7 GewStG. Dabei umfasst das Wort Gewinn sowohl positive als auch negative Beträge, so dass auch Verluste unter diese Regelung subsumiert werden können (so ausdrücklich zu § 34c Abs. 4 EStG: BFH vom 08.02.1995, I R 17/94, BStBl 1995 II, 692). Im vorliegenden Fall ergibt sich ein Verlust in Höhe von 5.180.261 DM.

In einem zweiten Schritt ist der Gewinn im Sinne des § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG um die Beträge nach § 32c Abs. 2 S. 2 EStG zu korrigieren. Danach sind ausgenommen Gewinne und Gewinnanteile, die nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen sind. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 7 GewStG sowie die Hinzurechnung nach § 8 GewStG sind um einen Betrag nach § 9 Nr. 3 GewStG vermindert worden. Denn gemäß dem bestandskräftigen Gewerbesteuermessbetrags- und Gewerbesteuerbescheid für 1999 vom 2.7.2004 ist dem Gewinn aus Gewerbebetrieb von -5.180.261,01 DM der "negative Teil des Gewerbeertrags ausländischer Betriebsstätten" in Höhe von 3.413.476 DM hinzugerechnet worden. Obwohl in dem Bescheid über den Gewerbesteuermeßbetrag diese Korrektur als "Hinzurechnung" bezeichnet wird, handelt es sich um eine Kürzung und zwar eine negative Kürzung, die auf § 9 Nr. 3 GewStG basiert. Ebenso wie der im Gesetz gewählte Begriff "Gewinne" auch Verluste umfasst, kann auch eine Kürzung sowohl positive als auch negative Kürzungen beinhalten (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 31.3.2004 - I 275/02, EFG 2004, 1460; BFH vom 21.04.1971, I R 200/67 zu § 9 Nr. 3 GewStG, BStBl 1971, 743; so auch Müller, DB 98 Beilage 3 S. 8, 9). Im Rahmen von § 9 Nr. 3 GewStG ist es mittlerweile unstreitig, dass auch Verluste von dieser Norm umfasst werden (vgl. z.B. BFH vom 21.04.1971, I R 200/67, BStBl 1971, 743; Glanegger-Güroff § 9 Nr. 3 GewStG Rn. 3; Lenski/Steinberg § 9 Nr. 3 GewStG Rn. 9). Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 21.4.1971 überzeugend ausgeführt, dass das Wort "kürzen" in einem rechnerischen Sinne zu verstehen ist. Der Betrag des Gewinns kann um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge nur mittels einer Addition oder Subtraktion vermehrt oder vermindert werden. Sowohl § 8 als auch § 9 GewStG schreiben also im Rahmen der durch § 7 GewStG angeordneten Ermittlung des Gewerbeertrages Rechenoperationen vor.

Diese Argumentation kann auf § 32c EStG übertragen werden, denn es ist kein Grund ersichtlich, warum im Rahmen dieser Vorschrift eine andere Auslegung des Wortes "kürzen" bezweckt werden sollte. Dies gilt insbesondere, weil dem Gesetzgeber zur Zeit der Entwicklung des § 32c EStG die Auslegung des § 9 Nr. 3 GewStG durch die Rechtsprechung bekannt war (FG Hamburg, Urteil vom 31.3.2004 - I 275/02, a.a.O.).

Die im Schrifttum vertretene gegenteilige Ansicht (siehe Schmidt-Glanegger § 32c EStG Rn. 8 und 17; Blümich-Gosch § 32c EStG Rn. 45; Littmann/Bitz/Pust § 32c EStG Rn. 20; Herrmann/Heuer/ Raupach-Wendt § 32c EStG Rn. 50) überzeugt nicht. Soweit für diese Auffassung überhaupt eine Begründung gegeben wird, stützt sich diese auf den Wortlaut (siehe Schmidt-Glanegger § 32c EStG 17). Dieser Ansatz ist - wie oben ausgeführt - jedoch gerade nicht überzeugend. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, warum bei den im Rahmen von Absatz 2 vorzunehmenden Kürzungen nicht das gewerbesteuerrechtliche Verständnis des § 9 Nr. 3 GewStG übertragbar sein soll. Vielmehr folgt aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, dass der Begriff der Kürzungen im Rahmen des § 32c Abs. 2 EStG in gleicher Weise auszulegen ist wie im Rahmen von § 9 GewStG (so auch FG Hamburg, Urteil vom 31.3.2004 - I 275/02, a.a.O.).

Ebenso wenig überzeugt das von dem FG Münster (Urteil vom 9.7.2004 - 4 K 2157/01 F) angeführte systematische Argument, dass im Rahmen des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG nur positive Beträge zu berücksichtigen seien, weil die gewerblichen Einkünfte nach § 32c EStG zwingend positiv sein müssten, denn ihr Anteil am zu versteuernden Einkommen müsse mindestens 93.744 DM (in 1999) betragen. Die Einkommensgrenze des § 32c Abs. 1 EStG lässt keinen Rückschluss auf die nach § 32c Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden Beträge zu. Vielmehr folgt daraus lediglich, dass die Tarifbegrenzung keine Anwendung findet, wenn die nach § 32c Abs. 2 EStG ermittelten gewerblichen Einkünfte unter dieser Betragsgrenze liegen.

Allerdings weist das FG Münster unter Bezugnahme auf Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach (§ 32c EStG Rn. 50) mit gewisser Berechtigung daraufhin, dass negative Kürzungsbeträge im Rahmen des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG deshalb nicht von Bedeutung seien, weil nur positive Kürzungsbeträge dazu führten, dass eine Belastung mit der Gewerbesteuer nicht entstehe. Jedoch wird mit dem negativen Kürzungsbetrag nur der Verlust rückgängig gemacht, der in dem nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ermittelten und nach § 7 GewStG als Gewerbeertrag gewerbesteuerpflichtigen Gewinn enthalten ist. Es wird deshalb nur spiegelbildlich der negative Kürzungsbetrag wieder hinzugerechnet und die Beträge, die auf diese Weise zu einer Erhöhung der Gewerbesteuerbelastung geführt haben, in die Ermittlung der Tarifentlastung nach § 32c EStG einbezogen. Dieses Argument ist auch nicht damit zu entkräften, dass der Gesetzgeber - aus Gründen einer einfacheren steuerlichen Handhabung - nicht versucht hat, vollständig und konsequent die nicht mit Gewerbesteuer belasteten Gewinne bei der Ermittlung der gewerblichen Einkünfte im Sinne des § 32c Abs. 2 EStG herauszunehmen. Denn die Kürzungen nach § 9 Nr. 3 GewStG hat er in diesen Katalog gerade aufgenommen. Eine Begrenzung dieser Ausnahme nur auf positive Kürzungen und ein Ausschluss von negativen Kürzungen ist dabei nicht zum Ausdruck gebracht worden.

Diesem Verständnis der Regelung steht auch nicht der Zweck des § 32c Abs. 2 S. 2 EStG entgegen, dass Gewinne und Gewinnanteile, die nach den gewerbesteuerlichen Vorschriften nicht mit Gewerbesteuer belastet sind, von der Begünstigung ausgenommen werden. Durch die Regelung des § 32c EStG sollte erreicht werden, dass gewerbliche Einkünfte wegen der bereits stattgefundenen Gewerbebesteuerung bei der Einkommensteuer privilegiert werden (vgl. u.a. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rn. 4 m.w.N.). Diesem Ziel wird nur dann entsprochen, wenn nur der gekürzte Betrag der Verluste berücksichtigt wird. Insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Erwägungen des Ersten Senats des Finanzgerichts Hamburg an (Urteil vom 31.3.2004 - I 275/02, a.a.O.), dass andernfalls eine nicht zu rechtfertigende Überkompensation positiver Einkünfte entstünde. Zudem besteht bei Gewinnen und Verlusten die gleiche Ausgangssituation. Gewinne bzw. Verluste aus ausländischen Betriebsstätten dürfen sich nicht auf die Gewerbesteuer auswirken, dies ergibt sich insbesondere aus § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG. § 9 Nr. 3 GewStG nimmt insoweit eine Sonderstellung unter den Kürzungsvorschriften ein, denn er beinhaltet im Gegensatz zu den anderen Kürzungsvorschriften des § 9 GewStG eine Begrenzung des Objekts der Gewerbesteuer. Nur der Teil des Gewerbeertrags wird in die Besteuerung einbezogen, der auf das im Inland belegene Objekt entfällt (vgl. BFH, Urteil vom 10.7.1974 - I R 248/71, BStBl II 1974, 752). Dementsprechend dürfen die darüber hinaus gehenden Einkünfte auch nicht im Rahmen des § 32c EStG einbezogen werden, denn durch § 32c EStG soll lediglich eine Privilegierung von gewerbesteuerpflichtigen Einnahmen erreicht werden.

2. Der Senat ist danach der Auffassung, dass die Anwendung des § 32c Abs. 2 EStG i.V.m. § 9 Nr. 3 GewStG zur einer Heraufsetzung der begünstigten Einkünfte nach § 32c EStG führen muss. Die Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG ist somit entscheidungserheblich. Dennoch lässt der Senat die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm im Hinblick auf das bei dem Bundesverfassungsgericht bereits anhängige Verfahren ausdrücklich offen und sieht von einer eventuellen erneuten Vorlage der Frage der Vereinbarkeit des § 32c EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht ab. Aus Gründen der Prozessökonomie und unter Berücksichtigung des Rechtsschutzinteresses der Beteiligten ist eine erneute Vorlage an das BVerfG weder geboten noch sachdienlich.

Das rechtliche Interesse, dass die Klägerin nicht aufgrund einer Gerichtsentscheidung auf der Grundlage einer verfassungswidrigen Norm einen steuerlichen Vorteil erlangt, ist gewahrt. Denn der Gewinnfeststellungsbescheid vom 2.7.2004 ist im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zur Anwendung des § 32c EStG gemäß § 165 Abs. 1 S. 2 AO vorläufig. Dieser Vorläufigkeitsvermerk bleibt trotz gerichtlicher Entscheidung fortbestehen. Kommt das BVerfG in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass § 32c EStG verfassungswidrig und auch mit Wirkung für die Vergangenheit nicht anzuwenden ist, so kann der Beklagte aufgrund dieses Vorläufigkeitsvermerks gemäß § 165 Abs. 2 AO den angefochtenen Bescheid ändern. Rechtliche Interessen der Klägerin werden durch eine Entscheidung der aufgeworfenen Auslegungsfragen des § 32c EStG nicht berührt. Vielmehr haben die Beteiligten ein bei ihnen bestehendes, vorrangiges Interesse an einer Entscheidung über die einfachgesetzlichen Auslegungsfragen betreffend den § 32c EStG - auch vor dem Hintergrund noch zahlreicher anhängiger gleich gelagerter Verfahren - betont.

Vor diesem Hintergrund hält der Senat es auch aus prozessökonomischen Gründen für sachdienlich und im Hinblick auf die bereits seit 1999 beim Bundesverfassungsgericht anhängige Rechtsfrage für geboten, den Beteiligten die Gelegenheit zu eröffnen, die von ihnen aufgeworfenen einfachgesetzlichen Auslegungsfragen - wie von ihnen nach eigenen Angaben angestrebt - letztinstanzlich klären zu können. Sollte der BFH die Auffassung des Senats zu § 32c EStG teilen, so kann er das Verfahren aussetzen oder die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG erneut dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Sollte er jedoch die Auffassung des Beklagten hinsichtlich der Anwendung des § 32c EStG für zutreffend halten, so wird er diese Frage entscheiden können, weil er zu Ungunsten der Klägerin die von dem Beklagten festgestellten begünstigten Einkünfte nach § 32c EStG nicht verändern kann. In jeder Hinsicht wäre den Beteiligten im Hinblick auf die für sie klärungsbedürftigen Rechtsfragen gedient.

3. Die gewerblichen Einkünfte, die der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG unterliegen, berechnen sich, soweit sich eine Veränderung hinsichtlich der Feststellung des Beklagten ergibt, für die einzelnen Gesellschafter der Klägerin nach Anwendung des § 15a EStG, d.h. unter Berücksichtigung nur der Einkünfte, die bei Anwendung des § 15a EStG bei der Einkommensteuerveranlagung 1999 angesetzt werden dürfen, wie folgt:

 Name des Gesellschaftersbei ESt-Veranlagung 1999 anzusetzende EinkünfteTarifbegünstigt nach § 32c EStG
B- 2.837,82 DM- 567,46 DM
C- 593,90 DM- 118,78 DM
D- 5.000,00 DM- 1.000,00 DM
E- 166,47 DM- 33,29 DM
F- 5.274,21 DM- 1.054,84 DM
G- 2.724,80 DM- 544,96 DM
H- 147,95 DM- 29,59 DM

Hinsichtlich der übrigen Gesellschafter ergibt sich keine Veränderung hinsichtlich der Berechnung der tarifbegünstigten Einkünfte gemäß § 32c EStG. Unter Einbeziehung dieser vom Beklagten zutreffend festgestellten tarifbegünstigten Einkünfte unterliegen insgesamt gewerbliche Einkünfte der Klägerin in Höhe von 67.397,75 DM der Tarifbegünstigung nach § 32c EStG.

III.

Der Beklagte hat gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgt aus § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 FGO trotz des Umstandes zuzulassen, dass es sich bei 32c EStG um eine nicht mehr gültige Rechtsnorm handelt. Nach Auskunft des Beklagten ist dort noch eine Vielzahl von Fällen zu derselben Rechtsproblematik anhängig. Vor dem Hintergrund der divergierenden Entscheidungen der Finanzgerichte wird die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH IV R 31/06)

Ende der Entscheidung

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