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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 28.09.2005
Aktenzeichen: 1 K 1313/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob Fahrten zu einer auswärtigen Fortbildungsstätte nach den Regelungen für Dienstreisen als Werbungskosten anzuerkennen sind oder nur die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Einkommensteuergesetz - EStG - zu gewähren ist.

Dem Rechtstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger, der zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt wird, erzielte im Streitjahr als technischer Angestellter Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.

Neben dieser Tätigkeit nahm der Kläger an einer Fortbildungsmaßnahme zum Werkzeugkonstrukteur an den Beruflichen Schulen in A teil. Die Fortbildungsmaßnahme begann am 1. August 2000 und sollte bis zum Juli 2004 andauern.

Die Schulzeiten waren dienstags und freitags von 17.30 Uhr bis 21.00 Uhr und samstags von 8.30 Uhr bis 15.15 Uhr.

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2003 machte der Kläger im

Zusammenhang mit dieser Fortbildungsmaßnahme folgende Werbungskosten geltend:

 Reisekosten: 106 Tage x 78 km x 0,30 EUR = 2.480,40 EUR
Verpflegungsmehraufwand: 32 Samstage x 6 EUR = 192,00 EUR
Gesamtkosten: 2.672,40 EUR

Im Steuerbescheid vom 16. Juli 2004 gewährte das Finanzamt dem Kläger lediglich Werbungskosten in Höhe von 1.612,-- EUR (10 km x 0,36 EUR + 29 km x 0,40 EUR x 106 Tage). In den Erläuterungen des Steuerbescheides heißt es hierzu, dass die Fahrten zur Fortbildungsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale zu berücksichtigen seien, da der Dreimonatszeitraum für den Ansatz als Dienstreise bereits im Kalenderjahr 2000 abgelaufen sei. Infolge dessen könnten auch keine Mehraufwendungen für Verpflegung berücksichtigt werden.

Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 21. April 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.

Im Klageverfahren verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter, für die Fortbildungsmaßnahme Werbungskosten entsprechend den Grundsätzen für Dienstreisen zu berücksichtigen.

Unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27. August 2002 1 K 5930/01 E, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 1588, vertreten die Kläger die Ansicht, dass über den Zeitraum von drei Monaten seit Beginn der Fortbildungsmaßnahme hinaus Fahrtkosten zu den Beruflichen Schulen in A nach den für Dienstreisen geltenden Grundsätzen zu gewähren seien.

Die Kläger tragen vor, der Kläger habe weder eine mit seinem Arbeitgeber abgestimmte noch von diesem angeordnete Fortbildungsmaßnahme zum Werkzeugkonstrukteur besucht. Die Fortbildungsmaßnahme habe er vielmehr freiwillig neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit vorgenommen. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit von 40 Wochenstunden habe er zusätzlich in der Freizeit Fortbildung wahrgenommen. Die Fortbildung (16 Stunden) betrage lediglich 28,57 Prozent der Gesamtzeit seiner Tätigkeit. Aus diesem Grunde müsse die Fortbildungstätigkeit als von untergeordneter Bedeutung im Verhältnis zu seiner hauptberuflichen Tätigkeit angesehen werden. Infolgedessen sei entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Mai 2004 VI R 70/98, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2004, 962, davon auszugehen, dass auch nach Ablauf von drei Monaten keine weitere Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in den Beruflichen Schulen in A begründet worden sei. Nach Ablauf von drei Monaten seien daher für Fahrten zu der Fortbildungsmaßnahme weiterhin die Grundsätze für Dienstreisen anzuwenden.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2005 und Abänderung des Einkommensteuerbescheides vom 16. Juli 2004 weitere 1.061,-- EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen und die Einkommensteuer dementsprechend herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht des Beklagten ist die Rechtsprechung des Finanzgerichts Münster inzwischen durch die Rechtsprechung des BFH überholt. Der BFH habe in seinem Urteil vom 29. April 2003 VI R 86/99, BStBl II 2003, 749 klar zum Ausdruck gebracht, dass bei einer über einen längeren Zeitraum gehenden Fortbildungsmaßnahme von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen sei. Auch eine Bildungseinrichtung könne eine regelmäßige Arbeitsstätte sein. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass nach Ablauf von drei Monaten die Bildungseinrichtung als regelmäßige weitere Arbeitsstätte des Klägers zu werten sei. Nach Ansicht des Beklagten ist auch das Urteil des BFH vom 18. Mai 2004 VI R 70/98, a.a.O., auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Ergänzend wird auf die Klageerwiderung vom 25. Mai 2005 verwiesen.

Dem Gericht lag die die Kläger betreffende Einkommensteuerakte 2003 vor.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Zu Gunsten der Kläger konnten keine weiteren Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt werden.

Übereinstimmend mit den Beteiligten geht der Senat zunächst davon aus, dass der Unterricht des Klägers an den Beruflichen Schulen in A (Fortbildung zum Werkzeugkonstrukteur) eine berufsbegleitende Fortbildung darstellt. Deshalb sind die mit dem Schulbesuch verbundenen Aufwendungen als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigungsfähig.

Entgegen der Ansicht der Kläger können die Fahrtkosten zur Schule im Streitjahr aber nur in Höhe der Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG berücksichtigt werden. In dieser Höhe hat der Beklagte im angegriffenen Steuerbescheid aber Werbungskosten anerkannt.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH geht der Senat davon aus, dass bei einer längerfristigen vorübergehenden Auswärtstätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte eine Dienstreise nur für die ersten drei Monate anzuerkennen ist. Danach ist die auswärtige Tätigkeitsstätte als neue regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen (vgl. Urteile des BFH vom 10. Oktober 1994 VI R 2/92, BStBl II 1995, 137 und vom 19. Juli 1996 VI R 38/93, BStBl II 1997, 95).

Nach diesen Grundsätzen konnten Fahrtkosten für die bereits im Jahre 2000 begonnene Fortbildungsmaßnahme im Streitjahr nur noch in Höhe der Entfernungspauschale und nicht nach Dienstreisegrundsätzen anerkannt werden (im Ergebnis ebenso Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichtes vom 21. Dezember 1999 7 K 710/98, veröffentlicht in Juris).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Kläger neben seiner Arbeitsstätte bei seinem Arbeitgeber eine zweite Arbeitsstätte an seiner Fortbildungsstätte begründet hat. Ein Arbeitnehmer kann durchaus mehrere Arbeitsstätten haben (vgl. Drenseck in Schmidt, Kommentar zum EStG, 25. Aufl., § 9 Rz. 118 - 119 m.w.N.).

Zu Recht hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass auch eine Fortbildungsstätte als regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen ist (vgl. dazu Urteile des BFH vom 29. April 2003 VI R 86/99, a.a.O., und vom 22. Juli 2003 VI R 190/97, BStBl II 2004, 886).

Der erkennende Senat teilt nicht die vom Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 27. August 2002 1 K 5930/01 E, a.a.O., vertretene Ansicht, dass Fahrten zu einer auswärtigen Fortbildungsstätte auch über die ersten drei Monate hinaus mit den tatsächlichen Aufwendungen als Werbungskosten abgezogen werden können, wenn neben der Fortbildungsstätte eine weitere regelmäßige Arbeitsstätte existiert. Wenn ein Arbeitnehmer bei zwei Arbeitgebern beschäftigt ist und z. B. vormittags von seiner Wohnung zu Arbeitsstätte A und nachmittags nach Rückkehr zur Wohnung zur Arbeitsstätte B fährt, kann der Arbeitnehmer für beide Fahrten Werbungskosten nur in Höhe der Entfernungspauschale steuerlich geltend machen. Für die Fahrten zur zweiten Arbeitsstätte können keineswegs Werbungskosten nach den Dienstreisegrundsätzen berücksichtigt werden. Für den Senat sind keine Gründe erkennbar, warum eine andere rechtliche Beurteilung erfolgen soll, wenn die Arbeitsstätte nicht aus einem zweiten Arbeitsverhältnis, sondern so wie hier aus einer Fortbildungsmaßnahme resultiert.

Ob bei der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation für die ersten drei Monate der Fortbildungsmaßnahme überhaupt Dienstreisegrundsätze anzuwenden sind, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden.

Entgegen der Ansicht der Kläger ergibt sich auch auf Grund des Urteils des BFH vom 18. Mai 2004 VI R 70/98, a.a.O., keine andere rechtliche Beurteilung. In diesem Verfahren hatte der BFH bei einem angestellten Architekten auch nach drei Monaten noch Dienstreisen des Architekten zu den Baustellen angenommen, da dieser im Büro seine überwiegende und regelmäßige Arbeitsstätte habe und die Tätigkeit des angestellten Architekten auf den Baustellen gegenüber den im Büro zu erbringenden Arbeiten von untergeordneter Bedeutung sei. Dieser Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar, sodass die Entscheidung des BFH keine Berücksichtigung finden kann.

Im vorliegenden Fall liegen keine im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vom Kläger zu erbringende Fahrten vor, die unter Umständen als von untergeordneter Bedeutung zu seiner an der eigentlichen Arbeitsstätte zu erbringenden Arbeitsleistung angesehen werden könnten. Der Kläger hat selbst darauf hingewiesen, dass die Fortbildungsmaßnahme nicht im arbeitsvertraglichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als technischer Angestellter steht, sondern freiwillig erfolgte und nicht Ausfluss seines Dienstverhältnisses war.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.

Auf der Grundlage des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist die Revision zuzulassen. Wie oben dargelegt existieren zu der hier zu entscheidenden Rechtsfrage unterschiedliche Entscheidung der Finanzgerichte (vgl. einerseits das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27. August 2002 1 K 5930/01 E, a.a.O., und andererseits die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichtes vom 21. Dezember 1999 7 K 710/98, a.a.O.). Soweit erkennbar hat auch der BFH bisher noch nicht über eine vergleichbare Fallkonstellation entscheiden müssen. Dieser hatte bisher lediglich über Sachverhalte zu entscheiden, in denen die Fortbildungsmaßnahme die volle Arbeitszeit des Steuerpflichtigen in Anspruch nahm und neben der Fortbildungsstätte keine weitere Arbeitsstätte mehr bestand (vgl. Urteile des BFH vom 23. März 1979 VI R 14/78, BStBl II 1979, 521 - Sparkassenschule; vom 4. Mai 1990 VI R 93/86, BStBl II 1990, 859 - Steueranwärter; vom 18. Mai 1990 VI R 180/88, BStBl II 1990, 863 - Soldat, und vom 19. Juli 1996 VI R 38/93, BStBl II 1997, 95 - Vollzeitunterricht).

Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des BFH.

Ende der Entscheidung

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