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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 1 K 2193/05
Rechtsgebiete: GG, ErbStG, BewG, EG-Vertrag


Vorschriften:

GG Art. 3
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 8
ErbStG § 12 Abs. 6
BewG § 9
BewG § 31
EG-Vertrag Art. 56
EG-Vertrag Art. 58
Die unterschiedliche Bewertung von inländischem Grundvermögen mit 140 % des Einheitswerts (§ 19 Abs.1 Nr.1 BewG) und ausländischem Grundvermögen mit dem gemeinen Wert (§ 12 Abs. 6 ErbStG i.V.m. § 31 BewG) stellt keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG-Vertrag) dar, sondern ist für Erwerbsvorgänge bis 1995 durch den nationalen Steuervorbehalt gem. Art. 58 Abs.1 Buchst. a EG-Vertrag gedeckt.
Finanzgericht Hessen

1 K 2193/05

Schenkungsteuer

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Hessischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 19. September 2006 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters am Hessischen Finanzgericht der Richterin am Hessischen Finanzgericht des ehrenamtlichen Richters des ehrenamtlichen Richters

für Recht erkannt:

Tenor:

Die unterschiedliche Bewertung von inländischem Grundvermögen mit 140% des Einheitswerts (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 BewG) und ausländischem Grundvermögen mit dem gemeinen Wert (§ 12 Abs. 6 ErbStG i.V.m. § 31 BewG) stellt keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG-Vertrag) dar , sondern ist für Erwerbsvorgänge bis 1995 durch den nationalen Steuervorbehalt gem. Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG-Vertrag gedeckt.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine durch Statut vom... 1995 gegründete Stiftung liechtensteinischen Rechts mit Sitz in Vaduz/Liechtenstein. Sie ist die unmittelbar Begünstigte eines zwischen den Eheleuten H und E ebenfalls am... 1995 geschlossenen "Gütertrennungsvertrages". Hierin verpflichtete sich Herr H zum Zwecke des Zugewinnausgleichs und der Sicherung des Unterhaltes seiner Ehefrau und der gemeinsamen minderjährigen Kinder verschiedene Vermögenswerte (unter anderem im Inland und in Spanien gelegenen Grundbesitz, Aktien, Fahrzeuge, ... , ... und verschiedene Forderungen) auf seine Ehefrau mit der Maßgabe zu übertragen, dass diese auf die zu gründende Familienstiftung übertragen werden sollen.

Der Beklagte sah hierin eine der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der für 1995 gelten- 3 - den Fassung unterliegende Zuwendung des Herrn H an die Klägerin und setzte gegen diese durch Bescheid vom 30. Januar 2004 nach einem steuerpflichtigen Erwerb von DM Schenkungsteuer in Höhe von... EUR fest.

Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, der Ansatz des in Spanien gelegenen Grundbesitzes mit dem gemeinen Wert nach § 12 Abs. 6 ErbStG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) stelle im Vergleich zur Bewertung des inländischen Grundbesitzes mit 140% des Einheitswertes (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 BewG) eine willkürliche Schlechterstellung und Benachteiligung dar. Diese verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) sowie gegen europäisches Recht, insbesondere gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 73 b des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag; = Art. 56 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die europäische Union; der weiteren Zitierung liegt diese neue Zählung zu Grunde) und sei damit gemeinschafts-rechtswidrig.

Nachdem sowohl der erkennende Senat durch Beschluss vom 18. August 2004 (1 V 1133/04) als auch der Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluss vom 10. März 2005 (II B 120/04, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2005, 370) einen Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Schenkungsteuerbescheides abgelehnt hatten, wies der Beklagte den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2005 als unbegründet zurück. Im Einzelnen wird auf die Beschlüsse des erkennenden Senates und des BFH sowie auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten Bezug genommen.

Mit der Klage wendet sich die Klägerin weiterhin dagegen, dass ausländischer Grundbesitz nach § 31 BewG mit dem gemeinen Wert bewertet, inländischer Grundbesitz dagegen nach § 19 BewG mit dem deutlich günstigeren Einheitswert der Besteuerung zu Grunde gelegt wird.

Hierdurch werde das Diskriminierungsverbot des Art. 12 in Verbindung mit Art. 43 und 56 EG-Vertrag verletzt. Entgegen der Auffassung des Beklagten - 4 - rechtfertige Art. 58 EG-Vertrag diese Diskriminierung nicht alleine dadurch, dass § 31 BewG als bereits bestehende nationale Norm grundsätzlich die Voraussetzungen des Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a EG-Vertrag erfüllen könne.

Insbesondere seien keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine Regelung wie die unterschiedliche Behandlung des in- und ausländischen Grundbesitzes aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein könnte.

Eine Rechtfertigung für eine solche unterschiedliche Behandlung ergebe sich nicht aus Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a EG-Vertrag, der es den Mitgliedstaaten erlaube, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Diese Regelung müsse als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs eng ausgelegt werden und könne keineswegs so verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Wohnsitz oder dem Ort ihrer Kapitalanlage unterscheide, ohne weiteres als mit dem EG-Vertrag vereinbar wäre. Zu Unrecht berufe sich der Beklagte unter Hinweis auf den Aussetzungsbeschluss des BFH vom 10. März 2005 (II B 120/04 a.a.O.) und auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) darauf, dass es im Hinblick auf die Erfordernisse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs gerechtfertigt sei, die mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbare Erbschaftsbesteuerung von einheitswertgebundenem und nicht einheitswertgebundenem Vermögen weiter anzuwenden.

In den Fällen, in denen eine nach nationalem Recht als verfassungswidrig erkannte Norm lediglich aus nationalem Interesse (Rechtfertigung durch die Finanz- und Haushaltsplanung) weitere Anwendung finde, könne diese Norm aber keine Rechtfertigung für eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs in der EU sein.

Die auf Grundlage der Erfordernisse einer verlässlichen Haushaltsplanung gefällte Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 22. Juni 1995, 2 BvR 552/91, - 5 - BStBl II 1995, 671) könne daher aus europarechtlicher Sicht keinen Bestand haben.

Die in Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a EG-Vertrag vorgesehene Ausnahme vom freien Kapitalverkehr werde zudem durch Art. 58 Abs. 3 EG-Vertrag eingeschränkt, wonach die in Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag genannten nationalen Maßnahmen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art. 56 EG-Vertrag darstellen dürften.

Die national als verfassungswidrig und lediglich aus fiskalischen Gründen weiter anzuwenden Bewertungsvorschriften im ErbStG und BewG müssten aus europarechtlicher Sicht als willkürlich angesehen werden, jedenfalls sei darin eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zu sehen.

Die Klägerin ist daher der Ansicht, dass bei der Berechnung der festzusetzenden Schenkungsteuer an Stelle des vom Beklagten berücksichtigten gemeinen Werts der spanischen Immobilie von DM nur der von ihr bereits im Aussetzungsverfahren selbst ermittelte "Einheitswert" von DM anzusetzen sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des geänderten Schenkungsteuerbescheides vom 30. Januar 2004 die Schenkungsteuer auf EUR herabzusetzen, hilfsweise die Streitfrage dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Aussetzungsbeschlüsse des erkennenden Senates und des BFH in der vorliegenden Sache vertritt der Beklagte die Meinung, dass die im Steuerbescheid vom 30. Januar 2004 vorgenommene Steuerfestsetzung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei erfolgt sei.

In den Bewertungsvorschriften des ErbStG in Verbindung mit den Regelungen des BewG könne weder eine Verletzung des GG noch ein Verstoß gegen EURecht gesehen werden. Im Einzelnen wird auf die Klageerwiderung vom 25. November 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2005 Bezug genommen.

Dem Senat lagen die die Klägerin betreffende Schenkungsteuerakte sowie die Gerichtsakte 1 V 1133/04 vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Steuerfestsetzung erweist sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als rechtmäßig.

Die Übertragung des Vermögens von Herrn H über seine Ehefrau E (als Durchgangserwerberin) auf die Klägerin unterliegt nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG der Schenkungsteuer. Von der Besteuerung wird der gesamte Vermögensanfall erfasst (unbeschränkte Steuerpflicht), da der Schenker mit Wohnsitz im Inland als Steuerinländer anzusehen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG).

Der in Spanien gelegene Grundbesitz wurde entsprechend den geltenden gesetzlichen Regelungen gemäß § 12 Abs. 6 ErbStG in Verbindung mit §§ 9, 31 BewG mit den gemeinen Wert bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt.

§ 12 Abs. 6 ErbStG in Verbindung mit §§ 9, 31 BewG verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG hat der Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen weitgehende Gestaltungsfreiheit. Will er bestimmte Steuerquellen erschließen, andere hingegen nicht, dann ist der allgemeine Gleichheitssatz grundsätzlich so lange nicht verletzt, als sich die unterschiedliche Behandlung mit finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen rechtfertigen lässt (vgl. Beschluss des BVerfG vom 29. November 1989, 1 BvR 1402/87, 1528/87, BStBl II 1990, 479). Im vorliegenden Fall lässt sich die Ungleichbehandlung von inländischem und ausländischem Grundbesitz bei der Schenkungsteuer bereits mit der steuertechnischen Erwägung rechtfertigen, dass für den im Inland belegenen Grundbesitz steuerliche Einheitswerte festgesetzt wurden, für den im Ausland belegenen Grundbesitz aber nicht (im Ergebnis ebenso Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 2. September 1991 III 247/87 in Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 145; vgl. auch Meincke, Kommentar zum ErbStG, 14. Auflage, § 12 Anm. 149).

Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, a.a.O., kommt der Senat zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.

Nach dieser Entscheidung wurde § 12 Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung, folglich auch die im vorliegenden Fall anzuwendende Fassung, mit Art. 3 Abs. 1 GG insofern für unvereinbar angesehen, als er auf die Regeln des BewG verweist, die Kapitalvermögen zu Gegenstandswerten ansetzen, den inländischen Grundbesitz dagegen in den Vergangenheitswerten des zum 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswertes erfassen.

Gleichwohl hat das BVerfG aber auch entschieden, dass im Hinblick auf die Erfordernisse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs es gerechtfertigt ist, die bisherige, mit dem GG nicht vereinbare Erbschaftsbesteuerung von einheitswertgebundenem und nicht einheitswertgebundenem Vermögen weiter anzuwenden und den Gesetzgeber zu verpflichten, bis zum 31. Dezember 1995 eine neue Regelung zu schaffen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist für den erkennenden Senat in der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 6 ErbStG in Verbindung mit §§ 31 und 9 BewG auch kein Verstoß gegen EU-rechtliche Bestimmungen gegeben.

Insbesondere ist in der nationalen Regelung der §§ 12 Abs. 6 ErbStG in Verbindung mit § 31 BewG, nach denen je nach Lage einer Immobilie im In- oder Ausland eine unterschiedliche steuerliche Bewertung und damit auch eine unterschiedliche Besteuerung vorzunehmen ist, kein Verstoß gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs nach Art. 56 EG-Vertrag sowie den daraus resultierenden Diskriminierungsverboten zu sehen (vergleiche in diesem Sinne auch Beschluss des BFH vom 10. März 2005 II B 120/04, a.a.O.).

Die nationalen Regelungen sind durch das Steuerprivileg des Art. 58 Abs. 1 Buchstabe a EG-Vertrag legitimiert.

Zwar ist die Klägerin als juristische Person liechtensteinischen Rechts mit Sitz in Vaduz auch Begünstigte der Kapitalverkehrsliberalisierung nach Art. 56 Abs. 1 EG-Vertrag. Denn dieser Vorschrift liegt eine verkehrsorientierte, nicht eine markt- oder unionsbürgerorientierte Betrachtungsweise zu Grunde (Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 2004, Art. 56 EG-Vertrag, Anm. 73 m.w.N.). Demnach sind Begünstigte nicht nur alle natürlichen Personen und Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag, soweit diese im Gebiet eines Mitgliedstaates ansässig sind, sondern auch natürliche Personen und Gesellschaften, die in einem Drittstaat ansässig sind.

Es ist auch nicht auszuschließen, dass eine gesetzliche Regelung bei der Erbschaft- oder Schenkungsteuer eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs bewirkt, wenn identische Vermögensübergänge, je nach Anlageort im Inland oder im Ausland, unterschiedlich hoch mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer belegt werden (vgl. Beschluss des BFH vom 10. März 2005 II B 120/04, a.a.O., sowie Vorlagebeschluss vom 11. April 2006 II R 35/05, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2006, 1402). Gem. Art. 56 Abs. 1 EG-Vertrag sind nämlich "alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten" verboten. Von diesem Verbot erfasst werden alle unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungen, Begrenzungen oder Untersagungen für den Zufluss, Abfluss oder Durchfluss von Kapital. In diesem Sinne kann auch eine unterschiedliche Belastung in der Zukunft mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs führen.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH geht der Senat jedoch davon aus, dass die Bewertung von Auslandsimmobilien mit dem gemeinen Wert nach § 31 BewG trotz der damit verbundenen Schlechterstellung im Verhältnis zu Inlandsimmobilien (Bewertung mit dem auf 140% erhöhten Einheitswert) unter das Steuerprivileg des § 58 Abs. 1 EG-Vertrag fällt und deshalb die Differenzierung nach dem Kapitalanlageort für den hier maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt 1995 europarechtlich unbedenklich ist. Denn nach Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag berührt Art. 56 EG-Vertrag nicht das Recht der Mitgliedstaaten, "die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln". Dies gilt allerdings nach der Auslegung der Schlussakte zum Vertrag von Maastricht (Erklärung zu Art. 58 EG-Vertrag) nur für die einschlägigen Vorschriften des Steuerrechts der Mitgliedstaaten, die Ende 1993 bereits in Kraft standen (vgl. Borchardt in Lenz/ Borchardt, EU- und EGVertrag, Kommentar, 3. Auflage 2003, Art. 58 EG-Vertrag Anm. 4; Pahlke, Deutsches Erbschaftsteuerrecht europarechtskonform? in Neue Wirtschaftsbriefe, Fach 10, S. 1565). Da § 31 BewG Ende 1993 bereits Bestand hatte, unterfällt die Regelung, wonach ausländisches Vermögen generell mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist, dem nationalen Steuervorbehalt (so auch bereits Urteil des BFH vom 5. Mai 2004 II R 33/02, BFH/NV 2004, 1279, sowie Beschluss des BFH vom 10. März 2005 II B 120/04, a.a.O.).

Entgegen der Ansicht der Klägerin unterliegt die an den Kapitalanlageort anknüpfende Differenzierung in § 31 BewG auch nicht den Einschränkungen des nationalen Steuervorbehalts in Art. 58 Abs. 3 EG-Vertrag. Danach gilt der Steuervorbehalt für solche nationalen Vorschriften nicht, die ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art. 56 EG-Vertrag darstellen.

Eine solche willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit liegt hier jedoch nicht vor.

Die von der Klägerin gerügte unterschiedliche Bewertung von inländischen und ausländischen Grundstücken führte ursprünglich nicht zu wesentlich unterschiedlichen Ergebnissen und wirkte deshalb in keiner Weise diskriminierend.

Einheitswert und gemeiner Wert zielten ursprünglich auf dasselbe Wertniveau, nämlich den Verkehrswert ab. Die sich im Einzelfall bei der Anwendung der Bewertungsmethoden ergebenden Wertunterschiede waren im steuerlichen Massenverfahren, welches ohne Pauschalierung nicht auskommt, und im Hinblick auf bestehende Bewertungsunsicherheiten hinzunehmen. Die flächendeckende Einheitsbewertung inländischer Grundstücke diente der Verwaltungsvereinfachung und der gleichmäßigen Erfassung aller wirtschaftlichen Einheiten im Massenbewertungsverfahren. Es sollten brauchbare Steuerwerte für eine Vielzahl von Steuerarten (Erbschaftsteuer, Vermögensteuer, Grundsteuer, Grunderwerbsteuer, Einkommensteuer) zur Verfügung stehen.

Durch die Beibehaltung des Wertniveaus von 1964 für die Einheitsbewertung inländischer Grundstücke haben sich zwar im Laufe der Jahre immer größere Wertunterschiede bei den Bewertungsverfahren eingestellt, die im Ergebnis zu einer steuerlichen Differenzierung nach dem Kapitalanlageort und zu einer deutlichen Schlechterstellung ausländischer Immobilien geführt haben. Diese unterschiedliche Behandlung in- und ausländischer Immobilien ist aber nach Ansicht des Senates nicht willkürlich, sondern im Rahmen des vom BVerfG in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, a.a.O., festgesetzten Zeitraums für die Weitergeltung der Einheitswerte für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, also bis Ende 1995, aus den vom BVerfG genannten Gründen sachlich gerechtfertigt. Aus den gleichen Gründen kann die unterschiedliche Behandlung auch nicht als eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne des Art 56 EG-Vertrag gewertet werden.

Im Hinblick darauf, dass der Senat die angegriffene Steuerfestsetzung nicht im Widerspruch zu den Regelungen des EG-Vertrages sieht und seine Entscheidung zudem mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes nicht geboten (vgl. Art. 234 EGVertrag).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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