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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: 11 K 1855/02
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

AO § 130 Abs. 2 Nr. 4
EStG § 36a Abs. 1
EStG § 36a Abs. 3
EStG § 36 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Kläger war beherrschender Gesellschafter und Geschäftsführer der A GmbH (GmbH). Auf Grundlage der in 1986 (für 1984 und 1985), 1987 (für 1986) und 1988 (für 1987) eingereichten Einkommensteuererklärungen ergingen jeweils bestandskräftige Einkommensteuerbescheide.

Im Rahmen einer bei der GmbH durchgeführten Betriebsprüfung kam das für die Besteuerung der GmbH zuständige Finanzamt zu der Auffassung, dass ein Teil des Arbeitslohnes des Klägers aus der Geschäftsführertätigkeit unangemessen sei und sich als verdeckte Gewinnausschüttung darstelle. Im Einzelnen handele es sich um folgende Beträge:

 JahrZahlung (DM)Körperschaftsteuer (DM)
19845.500,-3.093,75
198543.800,-24.637,50
198644.800,-25.200,--
198740.800,-22.950,--

Nach behördlicher Mitteilung an das beklagte Wohnsitzfinanzamt und nach Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen nach § 44 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) der ausschüttenden GmbH vom 28.11.1989 über die verdeckten Gewinnausschüttungen durch die Kläger erließ das beklagte Finanzamt am 20.12.1990 für 1984 und 1985, am 31.01.1991 für 1986 und am 23.01.1991 für 1987 nach § 173 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die obige Zahlung anstelle von Arbeitslohn als Einnahmen aus Kapitalvermögen behandelte, die auf die verdeckte Gewinnausschüttung entfallende Körperschaftssteuer diesen Einnahmen zuschlug und selbige auf die festzusetzende Einkommensteuer in der Anrechnungsverfügung anrechnete. Den Bescheiden war eine Anlage beigefügt, wonach die Bescheide auf Grund der festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen geändert worden seien.

Die GmbH hatte zu dieser Zeit Rechtsbehelf gegen die geänderten Körperschaftsteuerfestsetzungen erhoben, mit denen sie sich gegen die Qualifizierung der anteiligen Arbeitslöhne des Klägers als verdeckte Gewinnausschüttungen wandte. Die entsprechenden Körperschaftsteuernachzahlungen waren von der Vollziehung ausgesetzt. Im nachfolgenden Klageverfahren der GmbH entschied das Hessische Finanzgericht rechtskräftig, dass die Lohnzahlungen nicht als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren seien. Am 22.04.1992 wurde das beklagte Finanzamt hiervon in Kenntnis gesetzt.

Daraufhin erließ der Beklagte am 13.08.1992 für 1984 und 1986, am 19.08.1992 für 1985 nach § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO und am 27.07.1992 für 1987 nach § 173 Abs.1 Nr.2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die zuvor genannte Behandlung der Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen wieder rückgängig machte, d.h. die Einkommensteuer wieder herabsetzte aber zugleich auch keine Körperschaftsteuer mehr anrechnete, wodurch es zu einer Nachzahlung von Einkommensteuer kam. Am 21.08.1992 bzw. 25.08.1992 legten die Kläger gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein, mit dem sie sich insbesondere gegen die nicht mehr erfolgte Anrechnung der auf die verdeckten Gewinnausschüttungen entfallenden Körperschaftsteuern wendeten. Die sich ergebenden Einkommensteuernachzahlungen wurden am 11.02.1993 antragsgemäß von der Vollziehung ausgesetzt, und zwar für

 19843.094,-- DM
198514.178,36 DM
198611.884,56 DM
198710.205,52 DM

wobei der Nachzahlungsbetrag 1987 vor einer umbuchenden Verrechnung in Höhe von 1.949,12 DM insgesamt 12.154,64 DM betragen hatte.

Die Einsprüche wurden zunächst nicht weiter bearbeitet. Am 21.08.2000 griff der Beklagte die Einspruchsverfahren wieder auf und erließ am 23.07.2001 einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs.2 AO wegen der Anrechnung von Körperschaftsteuer 1984-1987, indem er die Rückgängigmachung der Körperschaftsteueranrechnungen bestätigte. Den hiergegen am 20.08.2001 erhobenen Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 23.04.2002, zur Post gegeben am 30.04.2002, zurück. Mit der am 31.05.2002 erhobenen Klage begehren die Kläger weiterhin die Anrechnung der Körperschaftsteuer. Die Einsprüche gegen die geänderten Steuerfestsetzungen wurden wegen Umdeutung derselben durch das Finanzamt in einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides mit Schriftsatz vom 08.04.2003 (Bl. 47 d.A.) für erledigt betrachtet, so dass sich die Klage allein gegen den Abrechnungsbescheid richtet.

Die Kläger sind der Auffassung, die ursprünglichen Anrechnungsbescheide hätten nicht mehr geändert werden dürfen, da die Voraussetzungen des § 130 Abs.2 Nr.4 AO für eine Änderung der ursprünglich rechtswidrigen, weil unter Verstoß gegen § 36a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zustande gekommenen Anrechnungsverfügungen nicht vorgelegen hätten. Den Klägern sei die Rechtswidrigkeit der Anrechnungsverfügung weder bekannt, noch in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen. Im Übrigen hätten den Klägern die Erstattungsansprüche, auf die sie in gutem Glauben vertraut hätten, nicht wieder entzogen werden dürfen, da sie diese Geld wieder in die Sanierung der GmbH gesteckt hätten. Ihnen sei auf Nachfrage nach dem Ergehen der ersten Änderungsbescheide vom Beklagten mitgeteilt worden, es sei alles in Ordnung. Auch fehle den ersten Änderungsbescheiden ein deutlicher Hinweis, dass sich diese im Hinblick auf die Anrechnung der Körperschaftsteuer noch ändern könnten. Ferner begründe die überlange Verfahrensdauer und die gut 7 Jahre andauernde Untätigkeit der Behörde nach Einspruchseinlegung für die Kläger ein schutzwürdiges Vertrauen in die ursprünglichen Anrechnungsverfügungen. Der etwaige Anspruch des Beklagten sei daher auch verwirkt, zumal das Finanzamt schuldhafter Weise einen rechtswidrigen Verwaltungsakt unter Verstoß gegen § 36a EStG erlassen habe. Das öffentliche Interesse an der Beseitigung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes überwiege daher den Vertrauensschutz der Kläger nicht. Die Rücknahme der ursprünglichen Anrechnungsverfügungen sei daher ermessensfehlerhaft.

Die Kläger beantragen,

den Abrechnungsbescheid vom 23.07.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2002 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1984-1987 hinsichtlich der Einkommensteuer wegen der Anrechnung von Körperschaftsteuer ein Erstattungsanspruch der Kläger in Höhe von 1.949,12 DM festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Voraussetzungen einer Änderung der Anrechnungsverfügungen nach § 130 Abs.2 Nr.4 AO lägen vor. Auch wenn die ursprünglichen Anrechnungsverfügungen nicht gegen § 36a EStG verstoßen haben sollten, seien die Anrechnungsverfügungen auf Grund nachträglicher Änderung des Sachverhalts rechtswidrig geworden, was es rechtfertige, § 130 AO im Streitfall anzuwenden (FG Köln, EFG 1993, 238). Denn auf Grund der Regelung des § 36 Abs.2 Nr.3 EStG sei die Anrechnung von Körperschaftsteuer untrennbar mit der Erfassung entsprechender Einnahmen aus Kapitalvermögen verknüpft. Der Kläger habe auf Grund seiner Geschäftsführertätigkeit für die GmbH und in Kenntnis des dortigen Klageverfahrens die Rechtswidrigkeit der Anrechnung der Körperschaftsteuer zumindest auch für möglich halten müssen. Zudem seien die Kläger durch einen Steuerberater vertreten gewesen, so dass dessen Kennenmüssen den Klägern im Rahmen des § 130 AO zuzurechnen sei. Im Übrigen rechtfertige auch die Vorschrift des § 36a Abs.3 EStG die Änderung der Anrechnungsverfügungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze in der Akte verwiesen.

Dem Gericht lagen die für Kläger beim Beklagten geführten Einkommensteuerakten 1984-1987 sowie Sonderband Rechtsbehelfe Einkommensteuer 1984-1987 vor. Diese waren Gegenstand des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1.

Der Beklagte hat hinsichtlich der Streitigkeit über die Anrechnung der Körperschaftsteuer in den Anrechnungsverfügungen der zuletzt geänderten Steuerbescheide zutreffend durch Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs.2 AO entschieden. Denn Streitigkeiten über die Frage der Anrechnung von Steuern betreffen das Steuererhebungsverfahren und sind durch einen Abrechnungsbescheid zu entscheiden (vgl. BFH, Urteil vom 18. Juni 1993 VI R 67/90, BStBl II 1994, 182).

2.

Die Voraussetzungen für eine Änderung der Anrechnungsverfügungen nach § 36a Abs. 1, 3 EStG lagen im Streitfall entgegen der Auffassung der Parteien nicht vor. Danach ist die Anrechnung von Körperschaftssteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG bei beherrschenden Gesellschaftern - wie dem Kläger - nur dann zu versagen oder rückgängig zu machen, wenn neben der fehlenden Zahlung der Körperschaftsteuer durch die Kapitalgesellschaft gegen diese auch mit der Vollstreckung begonnen wurde, die Vollstreckung aber keinen Erfolg verspricht. An der für die Anwendung des § 36a EStG tatbestandlich notwendigen Vollstreckung gegen die GmbH fehlt es im Streitfall aber, denn die gegen sie aus der verdeckten Gewinnausschüttung festgesetzte Körperschaftsteuer war zum Einen von der Vollziehung ausgesetzt, zum Anderen wurde die entsprechende Körperschaftsteuerfestsetzung durch das Finanzgericht aufgehoben. § 36a EStG konnte daher auf den Streitfall keine Anwendung finden, und zwar weder im Hinblick auf die in der Annahme des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung zunächst erfolgte Körperschaftsteueranrechnung, noch hinsichtlich der späteren Rückgängigmachung dieser Anrechnung. Somit verstieß der Beklagte beim Erlass der ursprünglichen Änderungsbescheide nicht gegen § 36a EStG, er konnte jedoch auch die strittige Rückgängigmachung der Anrechnung nicht auf diese Vorschrift stützen.

3.

Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes bei Streitigkeiten über Anrechnungsverfügungen durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden ist, geht von einer Anrechnungsverfügung mit Erstattungsverfügung als begünstigender, deklaratorischer Verwaltungsakt eine Bindungswirkung auch gegenüber einem nachfolgenden Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs.2 AO mit der Folge aus, dass eine Anrechnungsverfügung auch durch Abrechnungsbescheid nur geändert werden kann, wenn die Voraussetzungen der §§ 129, 130, 131 AO vorliegen (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 15. April 1997 VII R 100/96, BStBl II 1997, 787 unter Aufgabe der Rechtsprechung des I. Senats, die für den Erlass eines Abrechnungsbescheids keine Bindung durch vorherige Anrechnungsverfügungen annahm).

a.)

Der die geänderten Anrechnungsverfügungen bestätigende Abrechnungsbescheid ist insoweit rechtmäßig, als die Anrechnung der Körperschaftsteuer nach § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 4 Buchstabe f EStG i.V.m. § 52 Abs.25 Satz 2 EStG 1990 i.d.F. des Wohnungsbauförderungsgesetzes (WoBauFG) vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2408) auch für die strittigen Veranlagungszeiträume nicht stattzufinden hat, wenn die Einnahmen bei der Veranlagung nicht erfasst werden. Die gesetzliche Rückwirkung dieser Regelung auch auf Veranlagungszeiträume vor 1990 bestätigt lediglich die bisher geltende Rechtslage und führt daher nicht zu einer verfassungswidrigen Rückwirkung (vgl. BFH, Urteil vom 27. März 1996 I R 87/95, BStBl II 1996, 473). Mit der Rückgängigmachung der Behandlung eines Teiles des Arbeitslohns des Klägers als verdeckte Gewinnausschüttung und damit als Einnahme aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs.1 Nr.1 und Nr.3 EStG wurden die entsprechenden Einnahmen einschließlich der anrechenbaren Körperschaftsteuer nicht mehr bei der Einkommensteuerveranlagung als Beteiligungserträge erfasst. Mithin war die entsprechende Körperschaftsteuer nicht mehr anzurechnen.

b.)

Der Beklagte war auch verfahrensrechtlich befugt, die ursprünglichen Anrechnungsverfügungen noch zu ändern. Die Änderungsbefugnis ergab sich im Streitfall aus § 130 Abs.2 Nr.4 AO. Danach darf ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt nur dann zurückgenommen werden, wenn seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

Ungeachtet dessen, ob die ursprünglichen Anrechnungsverfügungen im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Ergehens überhaupt rechtswidrig waren, weil materiell-rechtlich tatsächlich keine verdeckten Gewinnausschüttungen und damit keine Beteiligungserträge nach § 20 Abs.1 Nr.1 EStG vorgelegen haben dürften, sind die ursprünglichen Anrechnungsverfügungen zumindest mit der Rückgängigmachung der entsprechenden Einnahmenerfassung wegen § 36 Abs.2 Nr.3 Satz 4 Buchstabe f EStG rechtswidrig geworden. Entsprechend der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Anwendung des § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) bei auf Grund nachträglicher Änderung des Sachverhalts rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1989 2 C 43/87, DVBl 1990, 304) und der vergleichbaren Situation, dass die Anrechnung von Körperschaftsteuer an die - bleibende - Erfassung der entsprechenden Einnahmen bei der Veranlagung geknüpft ist, richtet sich die Änderung einer Anrechnungsverfügung betreffend anrechenbarer Körperschaftsteuer regelmäßig nach § 130 Abs.2 AO (vgl. FG Köln, Urteil vom 1. Juli 1992 6 K 919/90, EFG 1993, 238).

c.)

Über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes nach § 130 Abs.2 AO hat der Beklagte nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Gemäß § 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unterliegt die Ermessensentscheidung nur einer eingeschränkten Kontrolle durch das Finanzgericht. Die Behörde ist nach § 5 AO gehalten, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. In Übereinstimmung damit darf das Finanzgericht nach § 102 Satz 1 FGO lediglich prüfen, ob der Verwaltungsakt deswegen rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Derartige Ermessensfehler liegen im Streitfall nicht vor.

Den Klägern war die Rechtswidrigkeit bzw. der Möglichkeit des späteren Eintritts der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Anrechnungsverfügungen zumindest in Folge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt (std. Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 23. Januar 2001 XI R 42/00, BStBl II 2001, 379 m.w.N.). Hiervon war im Streitfall auszugehen. Den ursprünglichen Änderungsbescheiden betreffend Einkommensteuer 1984-1987 war eine Erläuterung beigefügt, wonach die Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen auf Grund der "festgestellten" verdeckten Gewinnausschüttungen erfolgte, für die zudem entsprechende Bescheinigung nach § 44 KStG vorgelegt worden waren. Dem Kläger als Geschäftsführer und beherrschenden Gesellschafter der GmbH - aber auch der Klägerin als seiner Ehefrau - war daher bekannt, dass die ursprünglichen Änderungsbescheide nur auf Grund der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung erfolgt sind. Aus diesen Änderungen resultierten eindeutig und für die Kläger zwingend erkennbar auch die erheblichen Steuererstattungen bei der Einkommensteuer. Auch unter Berücksichtigung, dass die Kläger steuerrechtliche Laien waren, musste es sich ihnen aufdrängen, dass die sich ergebende Steuererstattung an die Existenz einer verdeckten Gewinnausschüttung geknüpft war. Soweit der Kläger als Geschäftsführer der GmbH die rechtliche Qualifikation der Gehaltszahlung als verdeckte Gewinnausschüttung und die entsprechende Körperschaftsteuerfestsetzung bei der GmbH hernach mit Rechtsbehelf und Klage angegriffen hat, war ihm auch bekannt, dass diese rechtliche Qualifikation und Sachbehandlung als verdeckte Gewinnausschüttung möglicherweise keinen dauerhaften Bestand haben wird. Dies gilt auch, wenn den Klägern nach Ergehen der ursprünglichen Änderungsbescheide vom Beklagten mitgeteilt worden sein sollte, es sei alles in Ordnung. Dem Kläger musste es sich selbst bei nur laienhaften Steuerrechtskenntnissen aufdrängen, dass auch die eigene Einkommensteuerveranlagung eventuell noch geändert werden könnte, wenn sich im Rechtsstreit der GmbH ergeben sollte, dass doch keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, und die geänderten Einkommensteuerbescheide daher nur solange "in Ordnung" sind, solange es bei der Beurteilung des Arbeitslohnes als verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH verbleibt. Auch oblag es der Klägerin in Erfüllung ihrer eigenen Sorgfaltspflicht, sich über die Umstände der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung - falls nicht tatsächlich geschehen - vom Kläger Kenntnis zu verschaffen. Auch ihr wäre daher in Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht in eigenen Angelegenheiten zumindest bekannt gewesen, dass die Qualifizierung der Gehaltszahlungen als verdeckte Gewinnausschüttung noch strittig war. Sollte sie sich trotz der Angabe des Änderungsgrundes bei den Einkünften des Klägers nicht nach den Ursachen und Zusammenhängen beim Kläger erkundigt haben, hätte sie ihre diesbezügliche Sorgfaltspflicht in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt. Mithin durften die Kläger im Hinblick auf die Anfechtung der Körperschaftsteuerfestsetzung bei der GmbH, die bekannt war bzw. für die Klägerin bekannt sein musste, nicht darauf vertrauen, dass die Anrechnung der Körperschaftsteuer auch für die Zukunft unabhängig vom Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens der GmbH Bestand haben würde.

Die Kläger durften insofern auch nicht darauf vertrauen, dass die sich unter Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung ergebenden Einkommensteuererstattungen nicht mehr rückgängig gemacht werden würden, solange die Rechtsfrage des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht entschieden worden war. Insoweit genießen die Kläger auch dann keinen besonderen Vertrauensschutz, wenn sie hinsichtlich der ursprünglichen Erstattungsbeträge bereits Dispositionen getätigt und das Geld zur Sanierung der GmbH - was bereits im September 1992 vorgetragen worden war - verwendet haben.

Ferner verstößt die Geltendmachung der Steuernachzahlungen auch nicht gegen den im Steuerrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben, insbesondere nicht gegen das als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung anzusehende Rechtsinstitut der Verwirkung. Der Umstand, dass nach der Erhebung des Einspruchs im Jahre 1992 die Sache nach erfolgter Aussetzung der Vollziehung gut 8 Jahre vom Beklagten nicht weiter betrieben wurde, bedingt allein keine Verwirkung. Verwirkung setzt voraus, dass ein Berechtigter durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung seines Rechts als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muss (vgl. BFH, Urteil vom 31. August 1993 VII R 69/91, BStBl II 1995, 846 [850]). Hierzu bedarf es eines Vertrauenstatbestandes, wonach die Kläger bei objektiver Beurteilung hätten annehmen dürfen, der Beklagte werde seine Steuerforderungen nicht mehr geltend machen. Das Zeitmoment allein ist nicht ausreichend (vgl. BFH, ebenda). Der Beklagte hat jedoch durch die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung bis zum Ergehen einer Einspruchsentscheidung und der nachfolgenden langjährigen Nichtbearbeitung des Rechtsbehelfs - neben dem allein nicht ausreichenden zeitlichen Aspekt - kein weiteres Verhalten an den Tag gelegt, aus dem die Kläger objektiv hätten schließen können, der Beklagte werde die Steuerforderungen nicht mehr geltend machen.

Schließlich hat der Beklagte auch die Frist zur Änderung der Anrechnungsverfügungen nach § 130 Abs.3 AO gewahrt, denn er hat binnen eines Jahres seit Kenntnis von der Entscheidung des Finanzgerichts im Verfahren der GmbH die Anrechnungsverfügungen geändert.

Die sich auf Grund der Anrechnungsverfügungen ergebenden Steuerforderungen waren im Zeitpunkt des Erlasses des Abrechnungsbescheids auch nicht nach § 228 AO verjährt, denn insoweit war die Verjährung durch die gewährte Aussetzung der Vollziehung unterbrochen (§ 231 Abs.2 AO).

Mithin war die Änderung der Abrechnungsverfügungen ermessensfehlerfrei und die Ablehnung der Anrechnung der Körperschaftsteuer im Abrechnungsbescheid zutreffend erfolgt. Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Ende der Entscheidung

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