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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 17.06.2003
Aktenzeichen: 13 K 2199/02
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 152
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen gegenüber den Klägern festgesetzten Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1998.

Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben in den Jahren ab 1992 ihre Steuererklärungen mit - zum Teil jahrelangen Verspätungen - abgegeben; wegen der Daten im Einzelnen wird auf die Auflistung des Finanzamtes im Schriftsatz vom 7. August 2002 (Blatt 20 Finanzgerichtsakten) Bezug genommen. Ihre Einkommensteuererklärung 1998 reichten die Kläger am 11. Januar 2002 beim Finanzamt ein.

Die Einkommensteuerveranlagung führte mit Bescheid vom 6. Februar 2002 zu einer Einkommensteuerfestsetzung in Höhe von ... € und zu einer Erstattung von ... €. Zugunsten der Kläger wurden Erstattungszinsen von ... € für den Zeitraum 1. April 2000 bis 9. Februar 2002 ausgewiesen. Mit gesondertem Bescheid vom 23. Januar 2002 setzte das Finanzamt einen Verspätungszuschlag in Höhe von...€ fest.

Der Einspruch, mit dem die Ehegatten geltend machten, der Verspätungszuschlag sei regelmäßig mit der Steuer festzusetzen und die Festsetzung im Streitfall sei dem Grunde und der Höhe nach ermessensfehlerhaft, hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2002).

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend: Üblicherweise pflege das Finanzamt einen säumigen Steuerpflichtigen zur Abgabe der ausstehenden Erklärung anzuhalten. Im vorliegenden Fall sei ihnen jedoch keine Erinnerung oder Zwangsmittelandrohung zugegangen. Da das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung jedoch von einer Erinnerung und einer Zwangsgeldandrohung ausgehe, habe es seiner Entscheidung einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt. Die Begründung für die Festsetzung des Verspätungszuschlages habe die Behörde mehrfach ausgewechselt. Es sei deshalb nicht erkennbar, welche Erwägungen das Finanzamt bei der Ermessensausübung letztlich angestellt habe. Was die Bemessung des Verspätungszuschlags der Höhe nach anbelange, habe das Finanzamt zu Unrecht an die festgesetzte Steuer angeknüpft, weil die Steuerfestsetzung zu einer Erstattung geführt habe. Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vortrages wird auf ihre Schriftsätze vom 20. Juni 2002, 9. September 2002 sowie 11. Juni 2003 Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer 1998 vom 23. Januar 2002 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2002 aufzuheben,

hilfsweise,

den festgesetzten Verspätungszuschlag auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf seine Klageerwiderung vom 7. August 2002 wird Bezug genommen.

Dem Gericht haben von den für die Kläger für das Streitjahr 1998 geführten Akten ein Band Einkommensteuerakten zu Steuer-Nr. ... vorgelegen.

Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

Die Klage konnte keinen Erfolg haben. Die angegriffene Festsetzung eines Verspätungszuschlages ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.

1. Nach § 152 Abs. 1 der Abgabenordnung 1977 (AO) kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden (Satz 1). Von einer solchen Festsetzung ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint (Satz 2). Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich (Satz 3).

Der Verspätungszuschlag dient dazu, den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärungen sicherzustellen und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuer zu gewährleisten. Als Druckmittel eigener Art, das auf die besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts zugeschnitten ist, hat er insoweit zugleich repressiven und präventiven Charakter (siehe Regierungsbegründung, BT-Drucksache VI/1982, 129, zu § 97 AO; vgl. ferner Tipke/Kruse, AO/Finanzgerichtsordnung -FGO-, 16. Aufl., § 152 AO Tz. 2 und Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, § 152 AO Rz. 3). Der doppelten Funktion des Verspätungszuschlags (Prävention und Sanktion) entsprechend sind nach § 152 Abs. 2 Satz 2 AO bei seiner Bemessung neben dem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten, auch die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruches, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Dabei ist nach Einführung der Vollverzinsung (§ 233 a AO) die dadurch eintretende Abschöpfung des Zinsvorteils zu beachten (Tipke/Kruse, a.a.O., Tz. 4; Trzaskalik, a.a.O., Rz. 7).

2. Die angefochtene Festsetzung entspricht diesen Maßstäben.

a) Die Kläger haben die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 bis zum 31. Mai 1999 (§ 149 Abs. 2 AO) nicht eingehalten und die Erklärung erst am 11. Januar 2002 - und damit erheblich verspätet - abgegeben. Die Möglichkeit, von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags abzusehen, kam im Streitfall nicht in Betracht, da Gründe, die das Versäumnis entschuldbar erscheinen ließen, nicht vorliegen.

b) Auch der Höhe nach ist die Festsetzung nicht zu beanstanden. Der mit ... € festgesetzte Verspätungszuschlag überschreitet weder die in § 152 Abs. 2 Satz 1 AO festgelegte 10 v.H.-Grenze noch den dort bezeichneten absoluten Betrag. Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags hat das Finanzamt, dem Zweck der Ermächtigung entsprechend, dem Umstand Rechnung getragen, dass die Steuererklärungen bereits in der Vergangenheit wiederholt verspätet eingereicht worden waren. Unabhängig von den aus der Verspätung etwa gezogenen Vorteilen schien es dem Finanzamt daher geboten, Zuschläge in einer Höhe festzusetzen, die die Kläger unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit künftig zu einer fristgerechten Abgabe ihrer Steuererklärungen anhalten sollten. Wenn das Finanzamt dabei davon ausging, dass ein geringerer Verspätungszuschlag seinen Zweck als wirksames Druckmittel verfehlen würde, so ist dies jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft.

3. Zu Unrecht machen die Kläger geltend, der Festsetzung eines Verspätungszuschlags stehe im Streitfall entgegen, dass das Finanzamt sie nicht durch Erinnerungen oder Zwangsmittel zur Abgabe der Steuererklärung angehalten habe. Die Durchführung derartiger Maßnahmen durch die Finanzbehörde gehört nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 152 AO. Die Finanzbehörde kann vielmehr zwischen Verspätungszuschlag und Zwangsmittel wählen (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., Tz. 4).

4. Der Festsetzung eines Verspätungszuschlages stand auch nicht entgegen, dass es sich um einen so genannten Erstattungsfall handelt. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass auch in Erstattungsfällen ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden kann (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 10. April 1997 II B 120/96, BFH/NV 1997, 731, und vom 14. April 1998 IV B 3/97, BFH/NV 1998, 1243; siehe auch das Urteil des BFH vom 31. Juli 1987 VI R 193/85, BFH/NV 1988, 282, das stillschweigend von der Zulässigkeit eines Verspätungszuschlages in einem Erstattungsfall ausgeht).

5. Fehl gehen die Kläger in der Annahme, das Finanzamt sei bei der Ermessensausübung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Zwar bestreiten die Kläger die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung der Einspruchsentscheidung, die Steuererklärung 1998 sei erst "nach besonderer Erinnerung und Androhung von Zwangsgeld" eingegangen; tatsächlich sind derartige Maßnahmen aus den vorgelegten Verwaltungsakten auch nicht ersichtlich. Darauf kommt es aber im Streitfall nicht an, da die Festsetzung des Verspätungszuschlages nicht an solche Maßnahmen der Behörde anknüpft. Die maßgebenden Gründe sind vom Finanzamt in der Einspruchsentscheidung, die dem angegriffenen Bescheid die abschließende Gestalt verleiht (§ 44 Abs. 2 FGO) im Einzelnen dargelegt worden. Deshalb kann auch nicht mit den Klägern von einer Widersprüchlichkeit der Begründungen des Finanzamtes ausgegangen werden.

6) Die Nichtbeachtung des § 152 Abs. 3 AO, der verlangt, dass der Verspätungszuschlag regelmäßig mit der Steuer festgesetzt wird (sog. Verbindungsgebot) macht die streitgegenständliche Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht rechtswidrig. § 152 Abs. 3 AO wird allgemein als Ordnungsvorschrift eingestuft, die die Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung, also die Festsetzung des Verspätungszuschlags, nicht berührt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 14/95, BFHE 183, 21, BStBl II 1997, 642; Trzaskalik, a.a.O., Rz. 36). Die Wortfassung des Gesetzestatbestandes lässt erkennen, dass in Ausnahmefällen von der gleichzeitigen Festsetzung abgewichen werden kann. In Ausfüllung und Konkretisierung dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses hat es der BFH (Urteil vom 10. Oktober 2001 XI R 41/00) für unschädlich gehalten, wenn die Festsetzung des Verspätungszuschlags binnen Jahresfrist nachgeholt wird. Andererseits ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Festsetzung des Verspätungszuschlages der Bekanntgabe des Steuerbescheides kurzfristig (im Streitfall zwei Wochen) vorausgeht. Denn die Festsetzung eines Verspätungszuschlages setzt lediglich voraus, dass ein von der Finanzbehörde erlassener Steuerbescheid existiert. Aus diesem folgt zum einen, gegen welchen Steuerpflichtigen die Verspätungszuschlagfestsetzung zu richten ist; zum anderen dient die in dem Bescheid festgesetzte Steuer als Bemessungsgrundlage für den Verspätungszuschlag (vgl. Dumke in Schwarz, Kommentar zur AO, § 152 Tz. 9).

Im Streitfall datiert der Steuerbescheid vom 6. Februar 2002 und ist an diesem Tage an die Steuerpflichtigen abgesandt worden. Der Bescheid lag jedoch bereits vor dem Absendedatum dem Finanzamt zur Überprüfung vor, so dass die Behörde für die Festsetzung des Verspätungszuschlags auf die daraus ersichtlichen Daten zurückgreifen konnte. Es sind für das Gericht keinerlei Gründe ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit einer derartigen Verfahrensweise in Frage stellen könnten.

7) Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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