Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 13 K 2268/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4
EStG § 4 Abs. 5 S. 2
EStG § 12 Nr. 1
Aufwendungen für die Lebensführung
Finanzgericht Hessen

13 K 2268/05

Einkommensteuer 1999-2002 sowie Gewerbesteuermessbeträgen 1999-2002

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Senat des Hessischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 7. September 2006 unter Mitwirkung

des Präsidenten des Hessischen Finanzgerichts, des Richters am Hessischen Finanzgericht, des Richters am Hessischen Finanzgericht , des ehrenamtlichen Richters sowie des ehrenamtlichen Richters

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Aufwendungen des Klägers für Kongressreisen nach Davos und Meran Betriebsausgaben darstellen.

Der Kläger erzielt als Apotheker Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er wurde in den vorliegend streitigen Veranlagungszeiträumen zusammen mit seiner bei ihm als Apothekerin angestellten Ehefrau antragsgemäß veranlagt.

Durch Kontrollmitteilungen wurde dem Finanzamt nachträglich bekannt, dass - 3 - der Kläger in den Streitjahren an der jeweiligen Internationalen Pharmazeutischen Fortbildungswoche der Bundesapothekerkammer in Davos (17.- 23.01.1999; 16.-22.01.2000; 14.-20.01.2001) teilgenommen hatte. Eine entsprechende Kontrollmitteilung erging auch hinsichtlich der Teilnahme des Klägers an dem 40. Internationalen Fortbildungskurs für praktische und wissenschaftliche Pharmazie der Bundesapothekerkammer in Meran (26.-31.05.2002).

Das beklagte Finanzamt änderte daraufhin nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 1999 bis 2001 der Gestalt, dass die jeweiligen Gewinne um die vom Kläger für die Reisen abgezogen Betriebsausgaben erhöht wurden, nämlich für 1999 um 1.883,60 DM, für 2000 um 1.470,-- DM und für 2001 um 1.680,-- DM. Entsprechende Bescheide ergingen am 03.08.2004 (Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 1999 und 2000) und am 12.05.2005 (Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheid 2001). Für das Jahr 2002 ergingen am 30.07.2004 (Einkommensteuer) und der 03.08.2004 (Gewerbesteuer) erstmalige Bescheide mit dieser Maßgabe. Für dieses Jahr wurde der Gewinn um 1.423,80 EUR erhöht.

Der Kläger, vertreten durch seine jetzige Bevollmächtigte, legte gegen diese Bescheide Einspruch mit der Begründung ein, es habe sich um beruflich veranlasste Fortbildungsmaßnahmen gehandelt, die der Förderung der Einnahmeerzielung gedient hätten. Als Nachweise legte der Kläger für die Veranstaltung 1999 eine Teilnehmerkarte für die Gesamtveranstaltung vom 17.-23.01. (390,-- DM) sowie eine Teilnehmerkarte für das Praktikum "Welchen onkologischen Service kann der Apotheker bieten?" für den 21.01.1999, 13.45 bis 16.15 Uhr, vor (70,- DM). Weiterhin wurde eine Testatkarte, unterteilt in Vormittags- und Nachmittagsveranstaltungen, vorgelegt. Die Testatkarte enthält in jeweils dafür vorgesehenen Feldern einen Datumsstempel sowie die Vermerke "Vormittags-Veranstaltung, Bundesapothekerkammer", "Nachmittagsveranstaltung, Bundesapothekerkammer". Weiterhin wurde eine Testatkarte für die - 4 - Veranstaltung in Meran im Mai 2002, die in der Gestaltung der oben dargestellten Karte entspricht, vorgelegt.

Das Finanzamt folgte dem Kläger nicht und wies mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 07.07.2005 die Einsprüche als unbegründet zurück. Nach Auffassung des Finanzamtes handelt es sich um so genannte gemischte Aufwendungen, die nach § 12 Nr. 1 S. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) vom Abzug ausgeschlossen seien. Wegen Einzelheiten wird insoweit auf die Einspruchsentscheidung vom 07.07. 2005 Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seine Bevollmächtigte, Klage erhoben, mit der er sein Ziel weiter verfolgt. Er hat zur Untermauerung, dass die Veranstaltungen ausschließlich beruflich veranlasst waren, eine Aufstellung über den Ablauf der Veranstaltung in Davos vom 17.01.-23.01.1999 vorgelegt.

Wegen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 06.10.2005 mit der Anlage Bezug genommen. Auf gerichtliche Aufforderung hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren weiterhin eine Testatkarte für 2002 vorgelegt (Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 19.12.2005).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.09.2006 hat sich der Kläger weiterhin wie folgt eingelassen: Es sei zutreffend, dass die Seminare jeweils mehrfach angeboten worden seien. Dies beruhe darauf, dass - im Gegensatz zu den Vorträgen im Plenum - bei den Seminaren der Teilnehmerkreis auf ca. 30 bis 40 Personen begrenzt sei. Mehrfachveranstaltungen seien daher erforderlich, um möglichst vielen Personen eine Seminarteilnahme zu ermöglichen. Im Rahmen der audiovisuellen Fortbildung seien Videofilme zu Schulungszwecken vorgeführt worden. Er, der Kläger, habe auch diese Veranstaltungen besucht. Er habe allerdings dann den Veranstaltungsraum verlassen, wenn die Veranstaltung für ihn ungeeignet oder ihm der Inhalt des Videofilms bereits bekannt gewesen sei.

Private Unternehmungen habe er weder in Davos noch in Meran unternommen.

Es sei allerdings zutreffend, dass er begeisterter Skifahrer sei. Bei der Januar-Tagung in Davos sei er allerdings nicht Ski fahren gewesen. Insgesamt würde er sich als einen "Bergmenschen" bezeichnen. Von seiner Ehefrau, die ebenfalls Apothekerin sei, sei er zur Davos - Tagung im Jahre 2001 begleitet worden; zu den übrigen Tagungen nicht. Auch bei den Meran-Tagungen habe er sich nicht an den für die Teilnehmer angebotenen Exkursionen beteiligt. Er habe diese Zeit vielmehr zur Ruhe genutzt.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1999 bis 2002, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 07.07.2005 dahingehend abzuändern, dass weitere Betriebsausgaben in folgender Höhe in Ansatz gebracht werden:

 1999:DM 1.883,60
2000DM 1.470
2001DM 1.680
2002Euro 1.423,-

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auch das Finanzamt hält im gerichtlichen Verfahren an seiner außergerichtlich geäußerten Rechtsauffassung fest.

Die einschlägigen Steuerakten haben dem Gericht vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Gemäß § 12 Nr. 1 S. 2 EStG können Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung der Steuerpflichtige mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgt, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Um solche so genannte gemischte Aufwendungen handelt es sich vorliegend für die vom Kläger unternommenen Reisen nach Davos und Meran.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) führen Auslandsreisen, die nach der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen als auch dem Bereich der privaten Lebensführung angehören können, nur dann zu abziehbaren Betriebsausgaben, wenn die Reisen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im betrieblichen oder beruflichen Interesse unternommen werden, wenn also die Verfolgung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist. Andernfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abziehbar, soweit sich nicht ein durch den Beruf veranlasster Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen lässt. Für die Beurteilung der Frage, ob für eine Reise in nicht unerheblichem Umfang Gründe der privaten Lebensführung eine Rolle gespielt haben, hat die Rechtsprechung in erster Linie auf den Zweck der Reise abgestellt. Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer betrieblicher (beruflicher) Anlass zu Grunde liegt, sind in der Regel ausschließlich der betrieblichen (beruflichen) Sphäre zuzuordnen. Anders dagegen sind Auslandsreisen zu beurteilen, denen ein solcher konkreter Bezug zur betrieblichen (beruflichen) Tätigkeit fehlt. Hierher gehören insbesondere Reisen zu Informationszwecken (Gruppenreisen zu Studienzwecken, Kongressreisen) (BFH-Urteil vom 23. Januar 1997, IV R 39/96, BStBl. 1997, 357 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).

Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Erwägungen kann die vorliegende Klage keinen Erfolg haben.

Nach § 12 Nr. 1 S. 2 EStG können die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen als Kosten der Lebensführung nicht abgezogen werden. Auch ein Abzug der eigentlichen Tagungskosten kommt nicht in Betracht, da der Kläger sowohl außergerichtlich als auch im gerichtlichen Verfahren die Höhe dieser Kosten nicht zu nennen vermochte. Das Gericht verkennt nicht, dass die Thematik der vom Kläger in Davos und Meran besuchten Veranstaltungen durchaus mit seiner Tätigkeit als Apotheker in Beziehung steht. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Tagungsorte und -zeitpunkte eine außergewöhnlich hohe touristische Anziehungskraft besaßen, so dass die Wahl der Tagungsorte und die jeweiligen Zeitpunkte prima facie sehr enge Berührungspunkte zur privaten Lebensführung haben. Das Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, diese Vermutung für eine nicht unerhebliche private Mitveranlassung der Reisen zu widerlegen.

Zwar hat der Kläger für das Jahr 1999 ein Programm für die Veranstaltung im Januar in Davos und ein solches für Mai 2002 in Meran vorgelegt.

Aufgrund der in den Steuerakten enthaltenen Kontrollmitteilungen liegt ein ähnliches Programm auch für das Jahr 2000 für die Veranstaltung in Davos vor.

Ob der Kläger jedoch sämtliche Vormittags- und Nachmittagsveranstaltungen bei den Tagungen in Davos besuchte, und somit keinerlei Zeit für private Unternehmungen verblieb, hat dieser jedoch nicht nachgewiesen. Zwar hat er für das Jahr 1999 eine so genannte Testatkarte vorgelegt, auf der sämtliche Vormittags- und Nachmittagsveranstaltungen abgestempelt wurden. Auf dieser Karte wird jedoch nicht zwischen den einzelnen angebotenen Veranstaltungen unterschieden, so dass sie insoweit wenig aussagekräftig ist. Mit der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 18. April 1996, IV R 46/95, BFH/NV 1997, 18) hält der erkennende Senat zudem den Beweiswert solcher Testkarten für gering. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung nämlich selbst eingeräumt hat, ist es ohne weiteres möglich (und auch vorgekommen), dass ein Seminarteilnehmer für einen anderen Teilnehmer ein solches Testat besorgt. Weiterhin ergibt sich aus der Programmgestaltung, dass einzelne Veranstaltungen sowohl vormittags - 9 - als auch nachmittags und an verschiedenen Tagen angeboten wurden, so dass durchaus die Möglichkeit bestand, die Veranstaltung einmal zu besuchen und die übrige Zeit zu privaten Unternehmungen zu nutzen. Die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dies sei aus Platzgründen für die Seminarteilnahme erfolgt, ist zwar eine mögliche Erklärung für die Mehrfachansetzung, entkräftet jedoch nicht zwangsläufig die Vermutung, dass hier gewisse zeitliche Freiräume geschaffen werden sollten. Im Übrigen wurde täglich nach der Mittagspause von 14.30 Uhr bis 16.00 Uhr eine "audiovisuelle Fortbildung nach besonderem Programm" angeboten. Wie vom Kläger bestätigt, handelt es sich hierbei um eine Filmvorführung. Dass der Kläger täglich zur besten Tageszeit in Davos eine solche Filmvorführung in voller Länge besuchte, wird von diesem selbst nicht behauptet. Für eine private Mitveranlassung der Reisen spricht zudem die Tatsache, dass der Kläger im Jahre 2001 von seiner Ehefrau nach Davos begleitet wurde und dass er private Vorlieben für die Bergwelt und den Skisport hat.

Ähnliche Erwägungen gelten für die Reise nach Meran im Mai 2002.

Bei dieser Veranstaltung ist bereits das Programm deutlich stärker mit touristischen Inhalten durchsetzt: von Montag, dem 27.05.2002 bis im Mittwoch, dem 29.05. sowie am Freitag, dem 31.05., bestand jeweils die Möglichkeit zum Besuch des botanischen Gartens/Schloss Trauttmannsdorff in der Zeit von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Weiterhin wurden täglich Stadtführungen von 13.30 Uhr bis 15.30 Uhr angeboten. Am Donnerstag, dem 30.5., wurde eine botanischewissenschaftliche Exkursion entweder zum Monte Creino bei Torbole oder zur Seiser Alpe angeboten. Weiterhin wurde an diesem Tag eine kunsthistorische Fahrt bzw. ein Besuch des "Ötzi" im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen und der Besuch von Schloss Runkelstein angeboten. Es handelte sich jeweils um ganztägige Exkursionen. Dass der Kläger nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung an diesen Exkursionen nicht teilnahm, ändert an dem privaten Charakter der Programmgestaltung nichts. Auch die vom Kläger statt- 10 - dessen privat unternommenen Wanderungen haben einen privaten Charakter.

Bei einer Gesamtschau dieser Umstände hat es der Kläger nicht vermocht, die durch die Programmgestaltung, Wahl und Zeitpunkt der Tagungsorte indizierte Vermutung einer privaten Mitveranlassung der Reisen zu entkräften, so dass die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen war.

Soweit sich aus der Entscheidung des BFH vom 16. Januar 1974 I R 81/82, BStBl II 1974, 407 zu Kongressreisen nach Meran eine andere Wertung ergibt, vermag der erkennende Senat dem aus vorstehenden Erwägungen nicht zu folgen.

Im Übrigen erscheint fraglich, ob diese Entscheidung aufgrund der späteren oben dargestellten Rechtsprechung, die insoweit restriktiver ist, noch anwendbar ist.

Die Revision wird daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.



Ende der Entscheidung

Zurück