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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 20.02.2006
Aktenzeichen: 2 K 3058/04
Rechtsgebiete: EStG, GG, BGB


Vorschriften:

EStG § 33
BGB § 1684 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger begehrt den Abzug von Besuchskosten für seine in Spanien lebenden drei Kinder als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer für die Jahre 2001 und 2002.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit als Pilot bei der XXXXXXXXX, aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Er lebte von seiner Ehefrau, einer spanischen Staatsangehörigen, getrennt. Diese war nach der Trennung im Jahr 2000 mit den drei gemeinsamen Kindern in ihre Heimat nach Nordspanien zurückgekehrt. Dort besuchten die beiden älteren Kinder die Deutsche Schule in Bilbao, das dritte Kind den der Deutschen Schule angeschlossenen Kindergarten. Das Amtsgericht W. - Familiengericht - hatte mit Beschluss vom 17.8.2000 der Kindesmutter das alleinige Sorgerecht übertragen. Mit weiteren Beschlüssen vom 20.1.2001 und 2.8.2001 regelte das Amtsgericht W. den vom Kläger zu leistenden Kindesunterhalt, in den die Schulkosten für den Besuch der Deutsche Schule Bilbao einflossen, sowie das Umgangsrecht des Klägers mit den Kindern. Das BVerfG gab mit Beschluss vom 1.3.2004 der Verfassungsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - W. vom 17.8.2000 und die diesen Beschluss bestätigende Entscheidung des OLG F. statt.

Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung für 2001 von ihm geleistete Schulgeldzahlungen an die Deutsche Schule in Bilbao in Höhe von 11.807 DM als Sonderausgaben geltend. In der Einkommensteuererklärung für 2002 machte er geleistete Schulgeldzahlungen in Höhe von 5.170 € als außergewöhnliche Belastung geltend.

Der Beklagte erließ im nachfolgenden Veranlagungs- und Einspruchsverfahren betreffend die Streitjahre 2001 und 2002 mehrere geänderte Einkommensteuerbescheide. In seinen geänderten Einkommensteuerbescheiden für 2001 und 2002 vom 1.4.2004 erkannte er die geltendgemachten Schulgeldzahlungen als außergewöhnliche Belastung an, weil das Amtsgericht - Familiengericht - W. in seiner Unterhaltsregelung auch die Schulgeldzahlungen festgelegt habe, mit der Begründung, es stehe der Kindesmutter frei, auf welche Schule sie die Kinder schicke, so dass es sich um zwangsläufige Kosten handele, die nicht einem Großteil der Bevölkerung entstehe.

Der Kläger legte gegen diese Bescheide am 29.4.2004 Einspruch ein, mit dem er die Berücksichtigung ihm entstandener Flugkosten für von ihm und den Kindern durchgeführte Reisen von und nach Spanien in Höhe von 8.908,26 DM in 2001 und 7.394,06 Euro in 2002 als außergewöhnliche Belastung geltend machte. Die Höhe dieser Aufwendungen belegte er durch die Vorlage von Kontoauszügen und Abrechnungen. Der Beklagte wies die Einsprüche des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 5.8.2004 zurück. Wegen der Einzelheiten der getroffenen Feststellungen und der Begründung der Entscheidung wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.

Der Kläger hat gegen die Einkommensteuerbescheide des Beklagten vom 1.4.2004 und dessen Einspruchsentscheidung am 6.9.2004 Klage erhoben, mit der er weiterhin die Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Flugkosten als außergewöhnliche Belastung begehrt. Diese Kosten seien ihm unmittelbar durch die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts in W. entstanden. Insoweit handele es sich nicht um einen Regelfall der Ausübung eines Besuchsrechts auf der Grundlage einer rechtswirksamen familiengerichtlichen Entscheidung, sondern um finanzielle Belastungen als unmittelbare Folge einer unter Nichtbeachtung gültiger Rechtsvorschriften ergangenen Entscheidung. Auch die von ihm geleisteten Schulgeldzahlungen resultierten hieraus. Bei verfassungskonformer Entscheidung wäre der Aufenthalt seiner Kinder in Spanien unterbunden worden und die geltendgemachten Reise- und Schulkosten nicht angefallen. Es sei aber im Sorgerechtsverfahren Konsens gewesen, dass ein sehr naher Kontakt der Kinder zur deutschen Kultur beibehalten werden sollte, um den bereits eingeleiteten Entwicklungsweg nicht abzubrechen und eine Rückkehr nach Deutschland immer offen zu halten. Mithin habe ihm die Entscheidung des Familiengerichts W. automatisch die Verpflichtung auferlegt, die Kosten für den Schulbesuch der Kinder zu übernehmen, die bei einem Besuch einer Schule in Deutschland angesichts der Schulmittelfreiheit nicht entstanden wären. Die Alternative zum Besuch der Deutschen Schule in Bilbao wäre die Anmeldung der Kinder an einer staatlichen spanischen Schule gewesen, was jedoch die Aufrechterhaltung und Förderung des Kontakts der Kinder zur deutschen Kultur gefährdet oder gar unmöglich gemacht hätte.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide des Beklagten vom 1.4.2004 für die Jahre 2001 und 2002 in der Gestalt seiner Einspruchsentscheidung vom 5.8.2004 abzuändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Flugreisekosten in Höhe von 8.908,26 DM in 2001 und 7.394,06 Euro in 2002 als außergewöhnliche Belastung herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt aus, die familiengerichtliche Sorgerechtsentscheidung und die Regelung des Umgangsrechts führten nicht zu außergewöhnlichen Belastungen des Klägers. Das Umgangsrecht beinhalte ein Recht, keine Verpflichtung, die Kinder in bestimmten Zeiten zu sich zu nehmen. Im übrigen habe das BVerfG in seinem Beschluss die Sache an das OLG F. zurückverwiesen. Aus der Begründung des Beschlusses gehe hervor, dass auch das BVerfG eine Übertragung jedenfalls des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter für möglich gehalten habe. Auch in diesem Fall wäre es zu einem Umzug der Kindesmutter gemeinsam mit den Kindern nach Spanien gekommen. Letztendlich werde nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Aufwand für die Ausübung des Besuchsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils durch den steuerlichen Kinderlastenausgleich abgegolten.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 6.10.2005 und 13.10.2005 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Der Kläger wurde durch Verfügung des Berichterstatters vom 28.10.2005 darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung der erklärten Schulgeldzahlungen als außergewöhnliche Belastung in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden zweifelhaft ist und im Falle einer Berücksichtigung der geltend gemachten Flugkosten als außergewöhnliche Belastung eine Berücksichtigung der Schulgeldzahlung in Höhe von 30% als Sonderausgaben im Rahmen einer vorzunehmenden Saldierung in Betracht kommt.

Die Einkommensteuerakten des Beklagten waren beigezogen und Gegenstand der Beratung und Entscheidung.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 100 Abs.1 FGO), soweit in diesen die dem Kläger entstandenen und von ihm erklärten Flugkosten für von ihm und den bei der getrennt lebenden Ehefrau lebenden Kindern zur Wahrnehmung des Umgangsrechts und zur Aufrechterhaltung des Kontaktes zu seinen Kindern durchgeführte Reisen von und nach Spanien nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG bei der Einkommensteuer für die Streitjahre 2001 und 2002 berücksichtigt wurden (1.). Soweit der Beklagte bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre die vom Kläger erklärten Schulgeldzahlungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt hat, folgt der Senat dieser rechtlichen Würdigung nicht. Diese Aufwendungen sind lediglich in Höhe eines Teilbetrages von 30% als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs.1 Nr.9 EStG berücksichtigungsfähig (2.) mit der Folge, dass der sich aus dem Klagebegehren des Klägers ergebende Betrag der Minderung der Einkommensteuer für die jeweiligen Streitjahre mit dem aus der anteiligen Berücksichtigung der Schulgeldzahlungen resultierenden Betrag der Erhöhung der Einkommensteuer zu saldieren ist (3.). Im Einzelnen:

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Berücksichtigung der ihm entstandenen Flugkosten von und nach Spanien für die Aufrechterhaltung und Pflege des Kontaktes zu seinen dort bei der Kindesmutter lebenden Kindern in der von ihm nachgewiesenen und zwischen den Beteiligten unstreitigen Höhe von 8.909 DM in 2001 und 7.395 Euro in 2002 als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG.

Gem. § 33 Abs. 1 EStG wird, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen, auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 Einkommensteuergesetz zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Sie sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Demgegenüber werden die typischen Aufwendungen der Lebensführung grundsätzlich durch den Grundfreibetrag des § 32a EStG bzw., soweit es sich um familienbedingte Mehraufwendungen handelt, durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs abgegolten und sind insoweit aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen.

Zu diesen nicht außergewöhnlichen, sondern bei typisierender Betrachtungsweise abgegoltenen Aufwendungen zählt der BFH in ständiger Rechtsprechung im allgemeinen die Kosten für Besuchsfahrten zwischen nahen Angehörigen. Insbesondere hat er bisher auch die Kosten von Wochenendfahrten zu dem von einem Elternteil getrennten Kind, die in Erfüllung der elterlichen Pflicht zur Personensorge unternommen werden, als durch die Regelungen über den Kinderlastenausgleich abgegolten angesehen und diese Grundsätze auch auf Aufwendungen, die zur Ausübung des Besuchsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils gemacht werden, angewendet und zur Begründung ausgeführt, die Besteuerung müsse allerdings an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet werden und es verstoße nach der Rechtsprechung des BVerfG gegen Art. 3 Abs.1 GG und die grundlegenden Entscheidungen in Art.1 Abs.1 und Art.6 Abs.1 GG, wenn der Steuergesetzgeber unvermeidbare Sonderbelastungen durch Kinder unberücksichtigt lasse, die die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen mindern; daher seien Unterhaltsaufwendungen für Kinder von der Besteuerung auszunehmen. Indes seien Aufwendungen für die Kontaktpflege den eigentlichen Unterhaltsaufwendungen verfassungsrechtlich nicht gleichzustellen. Zwar entspreche die Aufrechterhaltung des Kontaktes zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil dem gesetzgeberischen Ziel der Wahrung des Kindeswohles. In welchem Umfang für die Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses Aufwendungen zu erbringen seien und ob diese überhaupt in einem ins Gewicht fallenden Umfang entstünden, sei indes weitgehend von der persönlichen und vielfach auf rein privaten Motiven beruhenden Lebensgestaltung des nicht sorgeberechtigten Elternteils abhängig, da anders als bei den der Existenzsicherung des Kindes dienenden und damit in jedem Fall unvermeidlich anfallenden Unterhaltsaufwendungen durch die Ausübung des Rechts zum persönlichen Umgang mit dem Kind vielfach keine oder nur geringe zusätzliche, über die in jeder Familie üblichen Aufwendungen hinausgehende Kosten entstünden, weil die Kinder zum Beispiel in der Nähe des nicht sorgeberechtigten Elternteils wohnen blieben oder dieser ihnen an einen neuen Wohnort nachfolge. Es liege daher in erster Linie in der Entscheidung des Gesetzgebers, in welchem Umfang er durch eine steuerliche Entlastung die Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses erleichtere und fördere. Diese Entscheidung habe er aber durch den Kinderlastenausgleich abschließend getroffen (grundlegend hierzu: BFH, Urteil vom 28.3.1996, III R 208/94, BStBl II 1997, 54).

Der Senat vermag dieser vor der Neuregelung des elterlichen Sorge- und Umgangsrechts durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.12.1997 ergangenen Rechtsprechung nicht zu folgen. Dem BFH mag darin zuzustimmen sein, dass Aufwendungen für die Kontaktpflege eines Steuerpflichtigen zu den getrennt lebenden Kindern nicht zu den eigentlichen verfassungsrechtlich geschützten Unterhaltsaufwendungen zählen.

Es kann aber verfassungsrechtlich geboten sein, bei der Einkommensbesteuerung über den Schutz des Existenzminimums hinaus auch ganz oder teilweise der privaten Lebensführung zuzurechnende Aufwendungen steuermindernd zu berücksichtigen, wenn anderenfalls die Wahrung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen erschwert oder unmöglich gemacht würde. Insoweit hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 4.12.2002 zur Verfassungsmäßigkeit der zeitlichen Beschränkung der Berücksichtigung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetz 1996 in den Fällen von Kettenabordnungen und beiderseits berufstätigen Ehegatten (2 BvR 400/98 und 1735/00, BStBl II 2003, 534) nochmals klargestellt, dass einerseits im Rahmen des im Einkommensteuerrecht geltenden subjektiven Nettoprinzips das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie zu beachten ist. Wieweit über den Schutz des Existenzminimums hinaus auch sonstige unvermeidbare oder zwangsläufige private Aufwendungen bei der Bemessungsgrundlage einkommensmindernd zu berücksichtigen seien, sei indes bislang verfassungsrechtlich noch nicht abschließend geklärt. Jedenfalls gelte allgemein, dass es für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen ankomme, sondern auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits mit der Folge, dass die Berücksichtigung privat veranlassten Aufwandes nicht ohne weiteres zur Disposition des Gesetzgebers stehe, sondern dieser die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen habe, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen bzw. privaten Lebensführung zuzuordnen seien.

Diese Feststellungen beschreiben nicht lediglich Pflichten des Gesetzgebers, sondern allgemein den Auftrag, im Rahmen verfassungskonformer Anwendung und Auslegung der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im Einzelfall vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Aufwand bzw. die unterschiedlichen - auch privaten - Gründe, die den Aufwand veranlasst haben, im Lichte betroffener Grundrechte zu würdigen und zu prüfen, wieweit dieser steuermindernd zu berücksichtigen ist.

In diesem Zusammenhang ist im vorliegenden Fall von Bedeutung, dass der Bundesgesetzgeber durch das zum 1.7.1998 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.12.1997 (BGBl I 1997, 2942) das elterliche Sorge- und Umgangsrecht vollständig revidiert hat. Während der Vorschrift des § 1634 Satz 1 BGB alte Fassung, wonach ein Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht, die Befugnis zum persönlichen Umgang mit dem Kinde behält, lediglich ein ohne weiteres disponibles Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils entnommen wurde (vgl. Peschel-Gutzeit in Sörgel, BGB, Kommentar, 1992, § 1634 BGB Rdn. 22 ff. m.w.N.), hat der Gesetzgeber nunmehr in § 1684 Abs. 1 BGB ausdrücklich eine Pflicht zum Umgang mit Kindern konstituiert. Nach dieser Vorschrift hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Die Vorschrift ist Ausfluss des in Art.6 Abs.2 GG verfassungsrechtlich geschützten Elternrechts und geht von einer umfassenden Wechselseitigkeit von Rechten und Pflichten aus, dahingehend, dass einerseits das Kind nicht nur ein Umgangsrecht mit beiden Elternteilen hat, sondern auch eine Umgangspflicht trifft und umgekehrt jeder Elternteil zum Umgang mit dem minderjährigen Kind nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist (vgl. Finger in MünchKomm, 4. Aufl., § 1684 BGB Rdnr. 1 ff., 5 m.w.N.).

Konstituieren aber die Regelungen über die elterliche Sorge eine gesetzliche Umgangspflicht unabhängig davon, welcher Elternteil das Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht innehat, erwachsen nach Auffassung des Senats einem nicht sorgeberechtigten Steuerpflichtigen die Aufwendungen, die er für die Kontaktpflege zu seinen getrennt lebenden Kindern tätigt, zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG.

Solche Aufwendungen sind jedenfalls dann außergewöhnlich und zur Gewährleistung des verfassungsrechtlich geschützten Elternrechts außerhalb des Kinderlastenausgleichs als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen, wenn, wie im vorliegenden Fall, der das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht und gegebenenfalls Sorgerecht für die gemeinsamen minderjährigen Kinder inne habende Elternteil in das Ausland übersiedelt und dadurch beim nicht aufenthalts- und sorgeberechtigten Elternteil erhebliche Reisekosten für die Wahrnehmung seiner gesetzlichen Umgangs- und Kontaktpflegeverpflichtung anfallen, die er auch nicht anderweitig, insbesondere nicht zivilrechtlich beispielsweise durch eine Minderung des Barunterhalts gegenüber dem sorgeberechtigten Elternteil, ausgleichen kann, der seinerseits durch den Wegzug die Ursache für die hohen Kontaktpflegeaufwendungen gesetzt hat. Denn ein derartiger Mehraufwand entsteht der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen außerhalb dieser Gruppe üblicherweise nicht, weil in aller Regel Eltern und ihre minderjährigen Kinder zusammen wohnen.

Danach ist gleichzeitig die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen des Klägers dem Grunde und der Höhe nach beschränkt auf die von ihm für die Kontaktpflege zu seinen Kindern aufgewendeten und nachgewiesenen Kosten für eigene und Flüge der Kinder von und nach Spanien. Der Senat hat dabei die Frage einer Obergrenze für Aufwendungen zur Kontaktpflege im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit offen gelassen, da er jedenfalls im vorliegenden Fall keine Zweifel an der Angemessenheit der erklärten Aufwendungen hat.

2. Der Beklagte hat die vom Kläger geltend gemachten Schulgeldzahlungen in Höhe von 11.807 DM in 2001 und 5.170 Euro in 2002 zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG bei der Einkommensteuer berücksichtigt. Der Senat vermag der zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung des Beklagten nicht zu folgen. Die Schulgeldzahlungen sind nur anteilig und zwar in Höhe von 30% als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs.1 Nr.9 EStG bei der Einkommensteuer zu berücksichtigen.

Nach § 10 Abs.1 Nr.9 EStG sind vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehende Sonderausgaben 30 vom Hundert des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs.4 des Grundgesetzes staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemein bildenden Ergänzungsschule entrichtet mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 14.12.2004 (XI R 32/03, BStBl II 2005, 518), der sich der Senat anschließt, ist auch das Schulgeld für eine von der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder anerkannte Deutsche Schule im Ausland gemäß § 10 Abs.1 Nr.9 EStG als Sonderausgabe abziehbar. Bei der Deutschen Schule Bilbao, die die Kinder des Klägers, für die er die vollen Kinderfreibeträge und Kindergeld erhält, besuchen, handelt es sich ausweislich der von ihm vorgelegten Gleichstellungsbescheinigung vom 15.9.2003 offensichtlich um eine anerkannte Schule im oben dargestellten Sinne. Bei der Einkommensteuer des Klägers sind daher 30% des in den Streitjahren gezahlten Schulgeldes, also 3.543 DM in 2001 und 1.551 Euro in 2002 als Sonderausgabe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen.

Der Kläger kann die diese Beträge übersteigenden Aufwendungen für Schulgeld nicht gemäß § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abziehen.

Gemäß § 33 Abs.2 S.2, 1. Halbsatz EStG bleiben bei den abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, außer Betracht. Dies gilt indes gemäß § 33 Abs.2 S.2, 2. Halbsatz EStG unter anderem für Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs.1 Nr.9 EStG nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können. Die letztgenannte Vorschrift beschränkt das Abzugsverbot für zu den dort aufgeführten Sonderausgaben gehörende Aufwendungen durch die Verwendung des Begriffs "insoweit" auf die Höhe der Aufwendungen mit der Folge, dass die Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs.1 Nr.9 EStG bei Vorliegen der Voraussetzungen - ausnahmsweise - auch als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können, wenn sie den Betrag von 30% übersteigen. Die Vorschrift des § 10 Abs.1 Nr.9 EStG wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1991 durch das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz eingeführt. Durch die gleichzeitige Änderung des § 33 Abs.2 S.2, 2. Halbsatz EStG und Aufnahme des § 10 Abs.1 Nr.9 EStG in den Katalog der Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 33 Abs.2 S.2, 1. Halbsatz EStG beschränkt ist, sollte zur Vermeidung von Benachteiligungen sichergestellt werden, dass diese Schulgeldzahlungen, soweit sie über den begrenzten Sonderausgabenabzug hinausgehen, als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können (vgl. Schmidt, EStG, Kommentar, 24. Auflage, § 33 Rdn. 2; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar, § 33 EStG Rdn.205 ff.).

Indessen liegen die Voraussetzungen des § 33 Abs.1, 2 S.1 EStG für den Abzug der den Betrag von 30 % übersteigenden Schulgeldzahlungen als außergewöhnliche Belastung im Falle des Klägers nicht vor. Nach der - ständigen - Rechtsprechung des BFH können Aufwendungen für den Schulbesuch eines Kindes auch nach der gesetzlichen Neufassung des § 33 Abs.2 S.2, 2. Halbsatz EStG grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn es sich um krankheitsbedingte Aufwendungen handelt (vgl. Urteil vom 23.11.2000, VI R 38/97, BStBl. II 2001, 132).

Auch die vom Kläger angeführten Gründe rechtfertigen eine Berücksichtigung der Schulgeldzahlungen als außergewöhnliche Belastung nicht.

Der Senat vermag der Auffassung des Klägers, ihm seien diese Aufwendungen auf Grund der - vom BVerfG kassierten - Sorgerechtsentscheidung als auch der Unterhaltsfestsetzung durch das Familiengericht, in die die Schulgeldzahlungen einbezogen wurden, und damit zwangsläufig entstanden, nicht zu folgen.

Der Kläger vertauscht hier Ursache und Wirkung. Der Besuch der Deutschen Schule in Bilbao durch seine Kinder ist nicht Folge der Sorgerechts- und Unterhaltsentscheidungen. Der Besuch der Deutschen Schule ist vielmehr auf Betreiben des Klägers von beiden Elternteilen einvernehmlich beschlossen worden. Die Einbeziehung der Aufwendungen in die Unterhaltsfestsetzung war daher logische Folge der Entscheidung der Eltern. Dieser Entscheidung lag der Wunsch des Klägers zu Grunde, den Kontakt der Kinder zur deutschen Kultur und Sprache beizubehalten und zu vertiefen. Deutsche Sprache und Kultur lassen sich indes auch außerhalb einer Privatschule pflegen. Der Senat vermag daher bereits die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen des Klägers für den Besuch der Deutschen Schule in Bilbao nicht zu erkennen.

3. Die unter Ziffer 1. und 2. getroffenen Feststellungen führen innerhalb des durch das Klagebegehren des Klägers fixierten Rahmens zu einer Saldierung der sich aus den Fehlern zugunsten und zuungunsten des Klägers bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ergebenden Beträge (vgl. Gräber, FGO, Kommentar, § 65 Rdn. 35 ff., 45 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Für das Veranlagungsjahr 2001 erhöhen sich die im angefochtenen Bescheid ermittelten Sonderausgaben von 3.996 DM um 30% des in 2001 gezahlten Schulgeldes, also um 3.543 DM auf 7.539 DM. Die ermittelten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 29.170 DM sind um das vom Beklagten berücksichtigte Schulgeld in Höhe von 11.807 DM zu reduzieren und um die nachgewiesenen Flugkosten in Höhe von 8.909 DM auf einen zu berücksichtigenden Betrag von 26.272 DM zu erhöhen. Nach Abzug der zumutbaren Belastung von 2% des Gesamtbetrages der Einkünfte von 153.425 DM, also 3.068 DM verbleiben abzuziehende außergewöhnliche Belastungen von 23.204 DM. Das zu versteuernde Einkommen beläuft sich danach auf 122.682 DM und die Einkommensteuer nach der Grundtabelle unter Berücksichtigung der Kinderfreibeträge für drei Kinder und Verrechnung des Kindergeldes für die drei Kinder des Klägers gemäß § 31 S.4, 5, § 32 Abs. 6 S.1 und 6 EStG auf 36.120 DM. Dies führt zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer gegenüber dem angefochtenen Bescheid um 288 DM gegenüber dem sich aus dem Begehren des Klägers ergebenden Herabsetzungsbetrag von 3.852 DM.

Für das Veranlagungsjahr 2002 erhöhen sich die im angefochtenen Bescheid ermittelten Sonderausgaben von 2.037 Euro um 30% des in 2002 gezahlten Schulgeldes, also um 1.551 Euro auf 3.588 Euro. Die ermittelten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 9.934 Euro sind um das vom Beklagten berücksichtigte Schulgeld in Höhe von 5.170 Euro zu reduzieren und um die nachgewiesenen Flugkosten in Höhe von 7.395 Euro auf einen zu berücksichtigenden Betrag von 12.159 Euro zu erhöhen. Nach Abzug der zumutbaren Belastung von 2% des Gesamtbetrages der Einkünfte von 60.978 Euro, also 1.219 Euro verbleiben abzuziehende außergewöhnliche Belastungen von 10.940 Euro. Das zu versteuernde Einkommen beläuft sich danach auf 46.450 Euro und die Einkommensteuer nach der Grundtabelle unter Berücksichtigung der Kinderfreibeträge für drei Kinder und Verrechnung des Kindergeldes für die drei Kinder des Klägers gemäß § 31 S.4, 5, § 32 Abs.6 S.1 und 6 EStG auf 11.628 Euro. Dies führt zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer gegenüber dem angefochtenen Bescheid um 1.327 Euro gegenüber dem sich aus dem Begehren des Klägers ergebenden Herabsetzungsbetrag von 2.528 Euro.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs.1 S.1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs.3 FGO, § 708 Ziff.11, § 711 Zivilprozessordnung.

5. Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs.1, 2 Nr.1,2 Finanzgerichtsordnung wegen Divergenz zum Urteil des BFH vom 28.3.1996 und im Hinblick auf die Neuregelung des elterlichen Umgangsrechts in § 1684 Abs.1 BGB durch das am 1.7.1998 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.12.1997 (BGBl. I 1997, 2942) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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