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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 3 K 10/02
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 146 Abs. 2
BewG § 146 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 K 10/02

In dem Rechtsstreit

Wegen Feststellung des Grundbesitzwertes

hat der 3. Senat des Hessischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 11. Dezember 2007 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters am Hessischen Finanzgericht des ehrenamtlichen Richters und des ehrenamtlichen Richters

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Weise bei der Feststellung des Grundbesitzwertes für ein bebautes Grundstück nach dem Ertragswertverfahren sog. Leerstandszeiten zu berücksichtigen sind. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Gegenstand des Rechtsstreits ist das Grundstück ... in ... . Das darauf stehende Gebäude enthält fünf Wohnungen. Alle diese Wohnungen waren während der Jahre 1996 bis 1999 - von bestimmten Leerstandszeiten abgesehen - vermietet. Eigentümer des Grundstücks war bis zu seinem Tod Herr P , zuletzt wohnhaft in ... , ... . Herr P verstarb am xx.06.1999. Seine Alleinerbin wurde die Klägerin.

In ihrer Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer machte die Klägerin in Bezug auf das vorgenannte Grundstück (aufgegliedert nach den einzelnen Wohnungen) folgende Angaben:

Mietermittlungszeitraum: Juli 1998 bis Juni 1999

 Nr. Monate der Vermietungvereinbarte Nettokaltmiete DM Jahresbetrag DM Monate des Leerstands
1 12 1.060 12.720 0
2 6 2.000 12.000 6
3 12 2.100 25.200 0
4 8 1.900 15.200 4
5 12 1.250 15.000 0
   80.120

Mietermittlungszeitraum: Juli 1997 bis Juni 1998

 Nr. Monate der Vermietungvereinbarte Nettokaltmiete DMJahresbetrag DMMonate des Leerstands
112 1.060 12.720 0
2 9 2.130 19.170 3
3 12 2.100 25.200 0
4 12 1.900 22.800 0
5 12 1.250 15.000 0
   94.890

Mietermittlungszeitraum: Juli 1996 bis Juni 1997

 Nr. Monate der Vermietungvereinbarte Nettokaltmiete DMJahresbetrag DMMonate des Leerstands
1 12 1.060 12.720 0
2 12 2.130 25.560 0
3 12 2.100 25.200 0
4 12 1.900 22.800 0
5 12 1.250 15.000 0
   101.280

Das Finanzamt folgte im Wesentlichen den vorstehenden Angaben. Allerdings setzte es für die Zeiten des Leerstands bei den betreffenden Wohnungen ebenfalls Monatsmieten an, und zwar in folgendem Umfang:

Mietermittlungszeitraum: Juli 1998 bis Juni 1999

 Nr. Monate des Leerstandsvereinbarte Nettokaltmiete DMJahresbetrag DM
26 2.000 12.000
4 4 1.900 7.600
   19.600

Mietermittlungszeitraum: Juli 1997 bis Juni 1998

 Nr. Monate des Leerstandsvereinbarte Nettokaltmiete DMJahresbetrag DM
2 3 2.000 6.000

Dementsprechend ermittelte es die Jahresmieten für die drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt wie folgt:

 Juli 1998 bis Juni 199980.120 DM + 19.600 DM99.720 DM
Juli 1997 bis Juni 199894.890 DM + 6.000 DM100.890 DM
Juli 1996 bis Juni 1997101.280 DM + 0 DM101.280 DM

Ausgehend von den vorgenannten Jahresmieten errechnete es nach den Vorschriften des § 146 Abs. 2 bis 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) einen Grundbesitzwert in Höhe von 943.000 DM und erließ unter dem Datum vom 20.10.2000 einen Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 03.06.1999.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin, vertreten durch ihren damaligen Verfahrensbevollmächtigten, Herrn ... , im Wesentlichen Folgendes geltend:

Das Finanzamt lege bei der Ermittlung der erzielten Jahresmiete nicht die tatsächlich erzielte Jahresmiete (sog. Istmiete), sondern die vertraglich vereinbarte Jahresmiete (sog. Sollmiete) zugrunde. Dies sei abzulehnen. Maßgebend sei der Gesetzeswortlaut.

Nach § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG sei Ausgangspunkt für die Ermittlung des Wertes eines bebauten Grundstücks die "erzielte" Jahresmiete. Zwar sei in § 146 Abs. 2 Satz 2 BewG die Jahresmiete als das Gesamtentgelt umschrieben, das ein Mieter aufgrund "vertraglicher Vereinbarungen zu zahlen habe". Dadurch werde jedoch nur der Begriff der "Jahresmiete", nicht hingegen der Begriff der "erzielten Jahresmiete" definiert. Die Auffassung der Finanzverwaltung sei im Übrigen nicht mit Sinn und Zweck des Ertragswertverfahrens vereinbar. Sei ein Grundstück innerhalb des dreijährigen Mietermittlungszeitraums ganz oder teilweise nicht vermietet, setze die Finanzverwaltung aufgrund ihrer Interpretation (Jahresmiete als Sollmiete) die übliche Miete nach § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG an. Sie unterstelle damit unausgesprochen einen Leerstand als teilweise Nichtnutzung im Sinne dieser Vorschrift. Jedoch könne nur der bewusste Leerstand eine "Nichtnutzung" darstellen. Leerstand, der beispielsweise durch Mieterwechsel oder durch Modernisierung bedingt sei, gehöre zur notwendigen Vermietungstätigkeit.

Insofern widerspreche die Verwaltungsauffassung dem Leitgedanken des Ertragswertverfahrens, wonach der gemeine Wert eines Grundstücks durch seinen nachhaltig erzielbaren Reinertrag bestimmt werde. Abgesehen davon, dass die Regeln des § 146 BewG in dem angefochtenen Bescheid fehlerhaft angewandt worden seien, müsse noch berücksichtigt werden, dass die Vorschrift als solche verfassungswidrig sei. Das in § 146 BewG vorgeschriebene Ertragswertverfahren führe im Verhältnis zu unbebauten Grundstücken wie auch zu anderen Vermögenswerten zu gleichheitswidrigen Ergebnissen.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es u. a. aus: Bei der Jahresmiete im Sinne des § 146 Abs. 2 Satz 2 BewG handele es sich um eine Sollmiete. So sei beispielsweise bei Mietausfällen - trotz des geringeren Ertrags - eine Bewertung auf der Grundlage der vereinbarten Miete vorzunehmen (Hinweis auf R 167 Abs. 1 Sätze 4 bis 7 der Erbschaftsteuerrichtlinien, ErbStR). Stünden Teile des Grundstücks zeitweise leer, so sei für die Leerstandszeiten gemäß § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG die übliche Miete anzusetzen. Diese könne aus Vergleichsmieten abgeleitet werden, die für die leerstehenden Grundstücksteile vor dem Leerstand entrichtet worden seien (Hinweis auf R 170 Abs. 3, R 172 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 ErbStR).

Die Ermittlung des Grundbesitzwertes sei im Streitfall entsprechend den vorgenannten Bestimmungen erfolgt (Einspruchsentscheidung vom 03.12.2001).

Gegen den Feststellungsbescheid vom 20.10.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2001 hat die Klägerin, weiterhin vertreten durch Herrn ... als ihren Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. Den Klageantrag hat Herr ... in dem Klageschriftsatz vom 02.01.2002 u. a. wie folgt formuliert:

"1. Der Feststellungsbescheid ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung ... wird dahingehend geändert, dass statt der Sollmiete die Istmiete bei der Wertermittlung angesetzt wird.

2. Hilfsweise:

Die Revision

wird zu gelassen."

Zur Begründung der Klage hat er unter dem Datum vom 18.04.2002 einen Schriftsatz eingereicht. Dabei hat er im Wesentlichen die im Einspruchsverfahren erhobenen Einwendungen wiederholt. Dem Schriftsatz hat er als "Anlage K 2" Kopien beigefügt, auf denen die Seiten 2 und 3 des Bescheides vom 20.10.2000 sowie handschriftliche Eintragungen wiedergegeben sind. Mit weiterem Schriftsatz vom 15.05.2002 hat er beantragt, die mündliche Verhandlung in Form einer sog. Videokonferenz durchzuführen. Am 08.11.2007 hat der Berichterstatter des Senats im Büro des ... angerufen, um im Zusammenhang mit der geplanten mündlichen Verhandlung einige technische Fragen zu klären. Der Anruf ist von Frau ... als Mitarbeiterin des Rechtsanwaltsbüros entgegengenommen worden.

Mit Verfügung vom 12.11.2007 hat der Vorsitzende des Senats den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 11.12.2007 bestimmt und veranlasst, dass die Beteiligten geladen und über die Möglichkeit unterrichtet wurden, an der mündlichen Verhandlung durch Videoübertragung teilzunehmen. Die Terminsladung ist Herrn ... am 14.11.2007 förmlich zugestellt worden.

Am 10.12.2007 ist dem Gericht per Telefax unter dem Briefkopf "Kanzlei ..." und dem Datum vom selben Tag ein Schriftsatz übermittelt worden, in dem es u. a. heißt:

"In dem Rechtsstreit ... nehme ich Bezug auf die Verfügung vom 12.11.2007 und teile mit, dass wir die Klägerin nicht mehr anwaltlich vertreten. Es besteht nach Aktenlage seit dem 07.07.2005 keinerlei Kontakt mehr mit der Klägerin. Die Akte ist bei uns geschlossen.

... Ich bitte diesbezüglich, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2007 aufzuheben und sich direkt an die Klägerin zu wenden." Der Schriftsatz ist unterschrieben mit dem Zusatz "i. A.". Beigefügt ist die Kopie einer ärztlichen Bescheinigung, aus der sich ergibt, dass Herr ... in der Zeit vom 04.12.2007 bis zum 14.12.2007 arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist.

Zur mündlichen Verhandlung am 11.12.2007 ist für die Klägerin niemand erschienen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Die den Streitfall betreffenden Akten waren Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat war nicht gehindert, aufgrund der am 11.12.2007 durchgeführten mündlichen Verhandlung abschließend zur Sache zu entscheiden. Entgegen dem am 10.12.2007 gestellten Antrag bestand kein Grund, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben.

Nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Termin zur mündlichen Verhandlung aus wichtigem Grund aufgehoben werden. Ein wichtiger Grund in diesem Sinne kann sich etwa zum einen daraus ergeben, dass das Gericht den Beteiligten oder seinen Bevollmächtigten nicht ordnungsgemäß geladen hat (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 91 Anm. 14, m. w. N. zur Rspr.), und zum anderen daraus, dass einem Verfahrensbeteiligten, dessen Bevollmächtigter kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung das Mandat niedergelegt hat, nicht zugemutet werden kann, kurzfristig einen anderen Bevollmächtigten zu suchen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 28.08.1992 5 B 159/95, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1993, 80).

(1) Die den Verhandlungstermin am 11.12.2007 betreffende Ladung war ordnungsgemäß.

Daran vermag die in dem Schreiben vom 11.12.2007 gegebenen Sachdarstellung nichts zu ändern, Herr ... sei zu dem Zeitpunkt, zu dem ihm die Terminsladung zugestellt wurde, nicht mehr mit der Vertretung der Klägerin in dem vorliegenden Verfahren beauftragt gewesen. Denn die sich aus dem (ursprünglichen) Auftragsverhältnis ergebende Prozessvollmacht war zu dem vorgenannten Zeitpunkt noch nicht erloschen.

Nach § 155 FGO i. m. V. § 87 Abs. 1 Satz 1 ZPO erlangt die Kündigung des Vollmachtvertrags dem Gericht wie dem Verfahrensgegner gegenüber erst zu dem Zeitpunkt Wirksamkeit, zu dem das Gericht eine entsprechende Anzeige von diesem Sachverhalt erhält. Entsprechendes gilt für den Fall des Widerrufs der Vollmacht durch den betreffenden Verfahrensbeteiligten oder den Fall der Mandatsniederlegung durch den (bisherigen) Bevollmächtigten (vgl. Gräber/Koch, a. a. O.,§ 62 Anm. 18, § 91 Anm. 14, jew. m. w. N. zur Rspr.). Im Streitfall hat der Senat erst durch den Schriftsatz vom 10.12.2007 davon Kenntnis erhalten, dass Herr ... (angeblich) schon seit längerer Zeit für die Klägerin nicht mehr anwaltlich tätig war.

(2) Der Senat musste nicht von der Annahme ausgehen, die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, sich rechtzeitig um ihre Vertretung vor Gericht durch einen anderen Rechtsanwalt oder einen Steuerberater zu bemühen. Insofern war er nicht gehalten, einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben, die Frage der Prozessvertretung zu klären. Des Weiteren brauchte er nicht der Frage nachzugehen, ob Herr ... seine Verpflichtungen, die sich für ihn aus dem (früheren) Mandatsverhältnis gegenüber der Klägerin ergaben, verletzt hat.

Hat der Prozessbevollmächtigte, wie vorliegend im Streitfall Herr ... , die Niederlegung des Mandats erst nach Erhalt der Terminsladung mitgeteilt, dann ist das Gericht nicht verpflichtet, den Kläger persönlich zu laden. Es hat auch nicht die Pflicht zu prüfen, ob der (bisherige) Prozessbevollmächtigte den Kläger von der Ladung verständigt hat. Es kann vielmehr davon ausgehen, dass auf Seiten des Klägers in jedem Falle ein schuldhaftes Verhalten vorliegt, entweder in der Person des Klägers selbst oder in der Person des (bisherigen) Prozessbevollmächtigten, wobei Letzteres gemäß § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO dem Kläger wie eigenes Verschulden zuzurechnen ist (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG - vom 12.03.1975 12 RJ 330/74, NJW 1975, 1384). Anders liegt die Sache nur dann, wenn der Kläger in eigener Person den Antrag auf Aufhebung des Verhandlungstermins gestellt und dazu mitgeteilt hat, sein bisheriger Prozessbevollmächtigter habe kurzfristig das Mandat niedergelegt. In diesem Fall ist offenkundig, dass der Kläger alles getan hat, um seine Rechte und Pflichten als Verfahrensbeteiligter wahrzunehmen (vgl. Urteil des BVerwG in NJW 1993, 80).

Im Streitfall haben sich weder Herr ... selbst noch die Klägerin auf die Terminsladung des Gerichts geäußert. Herr ... hat offenkundig nur veranlasst, dass eine Mitarbeiterin seines Büros, ausweislich der Unterschrift in dem Schriftsatz vom 10.12.2007 wahrscheinlich Frau ... , einen Tag vor dem Verhandlungstermin eine Mitteilung über die (angeblich) seit Jahren zurückliegende Mandatsniederlegung an das Gericht übermittelt hat.

II. Der von Herrn ... schriftsätzlich gestellte Antrag bedarf der Auslegung. Denn dort ist nur die Rede davon, dass der angefochtene Bescheid "geändert" und dabei statt der "Sollmiete" die "Istmiete" angesetzt werden soll. Zahlenmäßige Angaben sind weder dem Antrag selbst noch der Antragsbegründung zu entnehmen. In der Begründung wird dargelegt, einerseits seien die Regeln des § 146 Abs. 3 BewG vom Finanzamt fehlerhaft angewandt worden und andererseits seien diese Regeln als solche verfassungswidrig. Der Antrag soll grundsätzlich so formuliert sein, dass das Gericht gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis erkennen kann. Auslegungsfähige Anträge sind im Zweifel allerdings so zu interpretieren, dass das Ergebnis, insbesondere unter Berücksichtigung des Akteninhalts, dem Willen eines verständigen Klägers entspricht (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Tz. 23 ff.).

Herr ... hat zwar geltend gemacht, die Vorschrift des § 146 BewG sei verfassungswidrig.

Die sich hieraus ergebende Konsequenz, der angefochtene Bescheid sei insgesamt aufzuheben, hat er jedoch nicht gezogen. Vielmehr hat er im Antrag lediglich den Begriff der Änderung gebraucht. An dieser Formulierung muss sich die Klägerin angesichts des eindeutigen Wortlauts festhalten lassen.

In der "Anlage K 2" zu dem Schriftsatz vom 18.04.2004 sind handschriftlich zunächst die Beträge vermerkt, die den Angaben der Klägerin in der Feststellungserklärung über die tatsächlich erhaltenen Jahresmieten (sog. Istmieten) entsprechen. Aus diesen Beträgen ist - übereinstimmend mit dem Berechnungsschema des Bescheids - ein Gebäudewert von 863.325 DM abgeleitet. Im Folgenden ist zwar nicht der Betrag eingetragen, der sich für den Grundbesitzwert gemäß § 139 BewG durch Rundung auf volle tausend DM ergibt. Nach den vorgenannten Grundsätzen ist jedoch davon auszugehen, dass eine solche Rundung bei der Formulierung des Antrags tatsächlich gewollt war.

Die Klägerin beantragt nach alledem sinngemäß,

den Bescheid vom 20.10.2000 über die Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 03.06.1999 betreffend das Grundstück ... in ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2001 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert auf 863.000 DM festgestellt wird,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

III. Die Klage (mit dem vorstehend dargelegten Inhalt) ist unbegründet.

1. Das Finanzamt hat bei der Feststellung des Grundbesitzwerts für das hier betroffene Hausgrundstück in Bezug auf die Zeiten, während der ein Teil des Gebäudes leer stand, zu Recht die übliche Miete angesetzt.

Für inländischen Grundbesitz sind nach § 19 Abs. 1 BewG Einheitswerte festzustellen.

Jedoch werden ab dem Stichtag 01.01.1996 Einheitswerte, die - wie hier im Streitfall - nach den Wertverhältnissen vom 01.01.1964 festgestellt worden sind, nach § 138 Abs. 1 Satz 1 BewG (in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997) bei der Erbschaftsteuer nicht mehr angewendet. Anstelle dieser Einheitswerte werden nach § 138 Abs. 1 Satz 2 BewG abweichend von § 19 Abs. 1 BewG für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (§ 68 BewG) sog. Grundstückswerte (bzw. Grundbesitzwerte) festgestellt, wobei die tatsächlichen Verhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt und die Wertverhältnisse zum 01.01.1996 zu berücksichtigen sind. Die Grundstückswerte sind nach § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG abweichend von § 9 BewG mit einem typisierenden Wert unter Anwendung der §§ 145 bis 150 BewG zu ermitteln.

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 07.11.2006 1 BvL 10/02 (BFH/NV 2007, Beilage 2, 237) verstoßen die derzeit geltenden Regeln über die Wertermittlung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer gegen Verfassungsrecht.

So ist die Vorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG insofern mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar, als sie die Erwerber von Vermögen, das nach verschiedenen Vorschriften des Bewertungsgesetzes bewertet wird, unabhängig von der jeweiligen Vermögensart mit einem einheitlichen Steuersatz belastet. Zu diesen Vorschriften gehören insbesondere die §§ 138 ff. BewG. Das BVerfG hat den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu dieser Neuregelung hat es das bisherige Recht allerdings für weiterhin anwendbar erklärt.

Anzuwenden sind insoweit auch die Vorschriften für die Feststellung des Grundbesitzwertes von bebauten Grundstücken.

Grundstücke, auf die - wie im Streitfall - die Merkmale eines unbebauten Grundstücks (§ 145 Abs. 1 BewG) nicht zutreffen, sind gemäß § 146 Abs. 1 BewG als bebaute Grundstücke nach den Regeln der Absätze 2 bis 8 der Vorschrift zu bewerten.

Der Wert eines bebauten Grundstücks bestimmt sich gemäß § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG nach dem 12,5fachen der für dieses nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmiete, vermindert um die Wertminderung wegen des Alters des Gebäudes gemäß § 146 Abs. 4 BewG. Dabei ist Jahresmiete das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Nutzung des bebauten Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen haben (§ 146 Abs. 2 Satz 2 BewG). Wurde das Grundstück vor dem Besteuerungszeitpunkt weniger als drei Jahre vermietet, ist nach § 146 Abs. 2 Satz 4 BewG die Jahresmiete aus dem kürzeren Zeitraum zu ermitteln. Für den Fall, dass das zu bewertende Grundstück oder Teile davon nicht genutzt wurden, ist an Stelle der Jahresmiete nach § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG die übliche Miete anzusetzen. Die übliche Miete ist die Miete, die für nach Art, Lage, Größe, Ausstattung und Alter vergleichbare, nicht preisgebundene Grundstücke von fremden Mietern bezahlt wird (§ 146 Abs. 3 Satz 2 BewG).

Bei der Jahresmiete im Sinne des § 146 Abs. 2 BewG handelt es sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - um eine Sollmiete. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des § 146 Abs. 2 Satz 2 BewG. Danach ist das Entgelt maßgebend, das die Mieter "aufgrund vertraglicher Vereinbarungen ... zu zahlen haben". In § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG verwendet das Gesetz allerdings den Begriff "der .... erzielten Jahresmiete" und schafft damit - wie die Klägerin im Grundsatz zutreffend einwendet - einen nicht nachvollziehbaren Widerspruch zu dem in § 146 Abs. 2 Satz 2 BewG umschriebenen Begriff der Jahresmiete. Denn "erzielt" sind Einnahmen nur dann, wenn sie tatsächlich vereinnahmt worden sind (vgl. Christoffel/Goeckle/Pahlke, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz mit Grundstücksbewertung, § 12 Rdnr. 362). Entgelte, die die Mieter "zu zahlen haben" bedeutet dem bloßen Wortsinn nach etwas anderes.

Der vorgenannte Widerspruch gibt jedoch keinen Anlass, die Regeln des § 146 Abs. 2 und 3 BewG im Sinne einer "Istmiete" auszulegen. Dies ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes. Dabei kommt es auf den Wortlaut des § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG nicht entscheidend an.

Bei der Anwendung des Gesetzes brauchen die Gerichte nicht am Gesetzeswortlaut haltzumachen. Sie sind zwar nach Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) an das Gesetz gebunden, aber nicht im Sinne einer Bindung an den Buchstaben des Gesetzes, sondern im Sinne einer Bindung an den Gesetzessinn, wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und dem Sinnzusammenhang des Gesetzes und dabei auch aus der Gesetzessystematik ergibt. Insofern haben sie einen widerspruchsfreien Sinnzusammenhang zwischen den einzelnen Rechtsnormen und Rechtsbegriffen zu ermitteln, wobei sie auch logisch-systematische Kriterien anwenden können (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Tz. 262, 272 m. w. N.).

Die Regelung in § 146 Abs. 2 Satz 2 BewG steht unter dem Verständnis der "Sollmiete" in einem widerspruchsfreien Sinnzusammenhang mit den ergänzenden Regeln in § 146 Abs. 2 Satz 4 BewG und in § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG. Für den Fall, dass das Grundstück nicht "vermietet" bzw. nicht "genutzt" worden ist, soll die tatsächlich vereinnahmte Miete ("Istmiete") nicht maßgebend sein. Die insofern erforderliche Korrektur wird nach Auffassung des Senats zum einen dadurch hergestellt, dass der Mietermittlungszeitraum verkürzt wird (§ 146 Abs. 2 Satz 4 BewG), und zum anderen dadurch, dass statt der vereinbarten Miete die übliche Miete angesetzt wird (§ 146 Abs. 3 Satz 1 BewG). Dabei ergibt sich hier ein sinnvoller Zusammenhang zwischen den vorgenannten Regelungen wohl nur dann, wenn man § 146 Abs. 2 Satz 4 BewG auf den Fall der Nichtvermietung des ganzen Grundstücks und § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG auf den Fall der Nichtnutzung bzw. Nichtvermietung von Teilen des Grundstücks bezieht.

Die vorstehenden Erwägungen zur Systematik des Gesetzes werden durch die weitere Rechtsentwicklung bestätigt. So ist die Regelung in § 146 Abs. 2 BewG durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl. I 2006, 2878) in der Weise geändert worden, dass die maßgebende Jahresmiete nicht mehr aus dem Durchschnitt der in den letzten drei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt "erzielten" Jahresmiete abgeleitet, sondern dass der Grundbesitzwert künftig (bis zu der verfassungsrechtlich gebotenen Neuregelung) nur aus der im Besteuerungszeitpunkt "vereinbarten" Jahresmiete ermittelt wird. Mit dieser Änderung sollten die bisherigen Anwendungsprobleme beseitigt werden (vgl. Rößler/Troll, Bewertungsgesetz, § 146 Rdnr. 3 m. w. N. zur Gesetzesbegründung; Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 12 Rdnr. 74 zu den praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung des bisher geltenden Rechts).

Mit den vorstehenden Grundsätzen sind die hier einschlägigen Anwendungsvorschriften der Finanzverwaltung in den Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR, u. a. Nachfolgeregelungen zu den gleichlautenden Ländererlassen vom 28.05.1997, BStBl I 1997, 592) im Wesentlichen zu vereinbaren. In R 167 ErbStR ist u. a. bestimmt: Bei der Jahresmiete handelt es sich um eine Sollmiete (Satz 5). Maßgeblich ist die Miete, die vertraglich vereinbart worden ist (Satz 6). Auf die tatsächlich gezahlte Miete kommt es nicht an (Satz 7). Bei Mietausfällen ist somit trotz des geringen Ertrags eine Bewertung auf der Grundlage der vereinbarten Miete vorzunehmen (Satz 8). Weiter ist in R 170 Abs. 3 Satz 1 EStR bestimmt: Ist das Grundstück oder ein Teil davon innerhalb des dreijährigen Mietermittlungszeitraums nicht vermietet (z. B. Leerstand bei Mieterwechsel oder wegen Modernisierung), ist für diesen Zeitraum die übliche Miete anzusetzen.

Anknüpfend an die Bestimmung in R 170 Abs. 3 Satz 1 ErbStR will die Finanzverwaltung die Vorschrift des § 146 Abs. 2 Satz 4 BewG nur für den Fall anwenden, dass das auf dem Grundstück stehende Gebäude innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt bezugsfertig geworden oder vom Erblasser bzw. Schenker erworben worden ist (R 170 Abs. 4 ErbStR). Ob diese Handhabung der (oben beschriebenen) Systematik des Gesetzes entspricht, braucht der Senat für den Streitfall nicht zu entscheiden. Denn hier geht es nur darum, dass Teile des zu bewertenden Grundstücks während des o. g. Dreijahreszeitraums zeitweise nicht vermietet bzw. nicht genutzt worden sind. Ob also bei der Nichtvermietung bzw. Nichtnutzung des ganzen Grundstücks die übliche Miete anzusetzen ist (vgl. R 170 Abs. 3 ErbStR), kann offen bleiben.

Der überwiegende Teil der (hier noch einschlägigen) Kommentarliteratur hält die vorgenannten Bestimmungen der ErbStR für zutreffend (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz/Erbschaftsteuergesetz, § 146 Anm. 189; Viskorf/Glier/Knobel, Bewertungsgesetz, § 146 Rdnr. 16; Kreuzberg/Lindberg/Schaffner, Bewertungsgesetz, § 146 Rdnr. 17; Christoffel/Goeckle/Pahlke, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz mit Grundstücksbewertung, § 12 Rdnr. 391 f.). Im sonstigen Schrifttum wird teilweise allerdings geltend gemacht, der (regelmäßig erzwungene) Leerstand stelle bei vermieteten Wohnungen bzw. Grundstücken keine teilweise bzw. zeitweilige "Nichtnutzung" im Sinne des § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG dar; eine "Nichtnutzung" könne allenfalls dann vorliegen, wenn der Eigentümer die Wohnung bzw. das Gebäude bewusst leer stehen lasse; nach den Grundregeln eines Ertragswertverfahrens dürften Leerstandszeiten wegen der darin liegenden Minderung des Ertragspotentials nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Salzmann, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1999, 345; unklar insoweit: Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz, § 12 Rdnr. 634, sowie Ottersbach, DStR 1998, 518).

Die Klägerin bezieht sich in ihrer Klagebegründung ganz offenkundig auf die letztgenannte Auffassung. Diese ist jedoch mit den systematischen Grundlagen der hier betroffenen Vorschriften (Ermittlung des Grundbesitzwerts nach der sog. Sollmiete) nicht zu vereinbaren. Sie ist auch nicht mit dem Hinweis auf die Grundregeln eines Ertragswertverfahrens zu rechtfertigen. Denn die Bewertungsregeln des § 146 Abs. 2 bis 6 BewG sind, wie der Wortlaut des § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG deutlich macht, nicht Ausdruck der Grundregel des § 9 BewG, sondern beruhen auf einem typisierenden Verfahren. Insofern können sie auch nicht mit den allgemeinen Regeln der Grundstücksbewertung, insbesondere nach der Wertermittlungsverordnung, in Zusammenhang gebracht werden. Die sich aus der Typisierung ergebenden Unzulänglichkeiten sind aufgrund der oben erwähnten Entscheidung des BVerfG für eine Übergangszeit hinzunehmen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen. Ein Zulassungsgrund ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hätte (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). An der grundsätzlichen Bedeutung fehlt es im Regelfall, wenn die betroffene Rechtsfrage - wie oben unter Abschn. 1 dargelegt - ausgelaufenes Recht betrifft. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rechtsfrage noch für eine Vielzahl anhängiger Fälle entscheidungserheblich ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 35). Für einen solchen Ausnahmefall ist hier nichts erkennbar.

Ende der Entscheidung

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