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Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 06.09.2005
Aktenzeichen: 3 K 1340/02
Rechtsgebiete: ErbStG, BewG, WertV, BBauG


Vorschriften:

ErbStG § 10
BewG § 146 Abs. 7
BewG § 145 Abs. 3
BewG § 9 Abs. 2
BBauG § 194
BBauG § 199
WertV § 6 Abs. 1
WertV § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Kläger bilden eine Erbengemeinschaft. Zu dem auf sie übergegangenen Nachlass gehört ein landwirtschaftlicher Besitz, der unter dem Namen " H. " bekannt ist. Zwischen den Beteiligten ist der Grundbesitzwert für die zu H. gehörende Gebäude- und Freifläche ..., streitig. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Kläger haben H. als Nacherben geerbt. Vorerbin war die Erblasserin .

1990 hat die Erblasserin in einem notariell beurkundeten Vertrag auch den restlichen Grundbesitz des H. an D. verpachtet. Die Dauer des Pachtvertrages wurde auf...Jahre vereinbart . Eine vorzeitige Kündigung des Pachtvertrages war nur bei einem Pachtrückstand von mehr als zwei Jahren möglich . Die Höhe der jährlichen Pacht wurde mit ...,-- DM vereinbart; die Pacht war an den Lebenshaltungskostenindex eines Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushalts gebunden . Den Erhaltungsaufwand für die bereits vorhandenen, zum Teil unter Denkmalschutz stehenden Gebäude, hat die Verpächterin übernommen. Zum weiteren Inhalt wird Bezug genommen auf den Wortlaut des Pachtvertrages (Bl. 55 ff. Bew-A).

Nachdem das Finanzamt von der zuständigen Erbschaftsteuerstelle aufgefordert worden war, den Grundbesitzwert für H. festzustellen, haben die Kläger einen Grundbesitzwert von 0 DM erklärt, den sie mit der langfristigen Ertraglosigkeit des Grundstücks und mit den ungünstigen Pachtbedingungen begründet haben. Das Finanzamt hat sich dieser Begründung nicht angeschlossen, sondern den Grundbesitzwert für das im Außenbereich liegende Grundstück, für das keine Bodenrichtwerte vorlagen, als Mindestwert nach § 146 Abs. 6 Bewertungsgesetz (BewG) ermittelt. Zu diesem Zweck hat es in Abstimmung mit dem zuständigen Gutachterausschuss das Grundstück in zwei Teilflächen aufgeteilt. Auf einer Teilfläche hat es Baulandqualität mit einem Wert von 200,-- DM/qm angenommen und für die Restfläche einen Wert von 8,-- DM/qm angesetzt. Auf dieser Grundlage hat das Finanzamt den Grundbesitzwert mit Bescheid vom 23.07.1999 auf ...,-- DM festgestellt und zu gleichen Teilen auf die Miterben verteilt.

Gegen den Feststellungsbescheid haben die Kläger fristgerecht Einspruch eingelegt und zu dessen Begründung ein Wertgutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorgelegt. Auf dieses Gutachten, das der Gerichtsakte anliegt, wird Bezug genommen. Der Sachverständige hat den Bodenwert weitgehend mit den gleichen Wertansätzen wie das Finanzamt ermittelt. Als vorläufigen Ertragswert ohne Berücksichtigung des langfristigen Pachtvertrages hat der Sachverständige unter Einschluss des Bodenwerts zum Bewertungsstichtag einen Wert von ...,-- DM errechnet. Diesem Wert hat er die Auswirkungen des Pachtvertrages gegenübergestellt, indem er die Differenz zwischen einer für angemessen gehaltenen Jahrespacht von ...,-- DM und dem vereinbarten Pachtzins von höchstens ...,-- DM für die Restlaufzeit des Pachtvertrages kapitalisiert hat. Die so ermittelte Ertragswertminderung von ...,-- DM führt nach Auffassung des Gutachters zum Bewertungsstichtag zu einem negativen Ertragswert und damit zu einem Verkehrswert des Bewertungsobjekts von 0 DM.

Das Finanzamt hat sich den Ausführungen des Gutachtens im Ergebnis nicht angeschlossen und den Einspruch mit Entscheidung vom 19.03.2002 abgewiesen. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.

Zur Begründung nehmen die Kläger im Wesentlichen Bezug auf das Verkehrswertgutachten des Sachverständigen und weisen ergänzend darauf hin, dass die 1990 vereinbarte Pacht nicht kostendeckend sei, zumal für die zum Teil unter Denkmalschutz stehenden Gebäude ein erhöhter Erhaltungsaufwand zu leisten sei. Die Verpachtung des Grundstücks werde aus diesem Grund von dem Finanzamt ertragsteuerlich als Liebhaberei behandelt. Zu den im Streitfall zu berücksichtigenden wertbeeinflussenden Faktoren gehöre gemäß § 5 Abs. 2 der Wertermittlungsverordnung (WertV) der ungünstige Pachtvertrag, an den die Erben auch dann gebunden seien, wenn zwischen der vereinbarten und der am Markt erzielbaren Pacht ein offensichtliches Missverhältnis bestehe.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid über die Feststellung des Grundsbesitzwertes zum 26.01.1997 vom 23.07.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19.03.2002 zu ändern und den Grundbesitzwert auf 0 DM/EUR festzustellen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung vom 19.03.2002 der Auffassung, dass der von dem Steuerpflichtigen gemäß § 146 Abs. 7 BewG nachzuweisende geringere Verkehrswert nicht unter dem nach § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG anzusetzenden niedrigeren Verkehrswert des Bewertungsobjekts in unbebautem Zustand liegen dürfe. Insoweit habe der Gutachter aber nicht zur Überzeugung des Finanzamts dargetan, dass dem Bewertungsobjekt zum Bewertungsstichtag kein Verkehrswert zuzurechnen sei. Das Finanzamt ist der Auffassung, dass der auch für die Kläger ungünstige Pachtvertrag die Vermutung nahe lege, dass die Höhe der vereinbarten Pacht durch ungewöhnliche oder besondere persönliche Verhältnisse beeinflusst sei und aus diesem Grund bei der Ermittlung des Verkehrswertes nicht wertmindernd berücksichtigt werden könne. Insoweit sei das Gutachten fehlerhaft und zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nicht geeignet.

In der mündlichen Verhandlung hat der L. auf Befragen des Gerichts erklärt, er könne über die Umstände, die im Jahr 1990 zu den ungünstigen Bedingungen des Pachtvertrages geführt hätten, keine Angaben machen. Nach dem Eigentumsübergang sei versucht worden, in Verhandlungen mit D. bessere Pachtbedingungen auszuhandeln. Diese Versuche seien aber gescheitert, weil der Pächter sich auf seine starke Vertragsposition berufen habe. Die Kläger hätten lediglich eine Anpassung der Pacht unter Berufung auf die Indexklausel des Vertrages vorgenommen; die Pacht würde allerdings nicht immer pünktlich gezahlt. In den vergangenen Jahren hätten sich die Kläger mit den Instandhaltungsarbeiten an den Gebäuden und Wegen des Bewertungsobjekts zurückgehalten. In diesem Zeitraum sei die vereinbarte Pacht daher weitgehend kostendeckend gewesen. Es sei aber ein Reparaturstau aufgelaufen, der in der nächsten Zeit zu erhöhten Aufwendungen führen werde. Insgesamt sei absehbar, dass die Pachtzahlungen nicht die Kosten des laufenden Unterhalts für das Bewertungsobjekt während der langen Dauer des Pachtvertrages decken würden. Der Sachverständige hat auf Befragen des Gerichts erklärt, er habe die Bewertung des Objekts in zwei Schritten vorgenommen. Zunächst habe er den Verkehrswert der wirtschaftlichen Einheit zum Bewertungsstichtag im Ertragswertverfahren ermittelt. Das Ertragswertverfahren sei anzuwenden, weil ...höfe generell als Renditeobjekte bewertet würden. Die Wertansätze, die er in seinem Gutachten verwendet habe, beruhten auf Erfahrungswerten, die er als Gutachter bei der Bewertung mehrerer ...höfe gewonnen habe, und stellten daher eine auf die Verhältnisse des Bewertungsobjekts bezogene übliche Pacht dar. Unter diesen Voraussetzungen könne er sich auch nicht vorstellen, dass der im Jahr 1990 vereinbarte Pachtvertrag zu damals geltenden Marktbedingungen abgeschlossen worden sei. Der Gutachter hat dann erläutert, dass er in einem zweiten gedanklichen Schritt die Belastung des Bewertungsobjekts durch den langfristig abgeschlossenen ungünstigen Pachtvertrag bewertet habe und dass diese Bewertung selbst dann zu einem negativen Ertragswert führe, wenn man die von ihm zuvor angesetzte Jahrespacht niedrigerer ansetzen würde. Er halte es auch nicht für vertretbar, für den Grund und Boden des Bewertungsobjekts, der keinem Substanzwertverlust unterliege, einen gesonderten Wert anzusetzen. Theoretisch könnten in dem Grund und Boden zwar besondere Wertentwicklungschancen liegen. Diese hätten sich aber zum Stichtag in keiner Weise abgezeichnet. Damit hielten sich Chancen und Risiken für diesen Teilbereich die Waage.

Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung eine Grundbesitzwertakte für das Bewertungsobjekt vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Senat ist der Auffassung, dass die Kläger einen im Vergleich zum gesetzlich ermittelten Grundbesitzwert niedrigeren gemeinen Wert für das Bewertungsobjekt durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen haben.

1. Der Grundbesitzwert eines bebauten Grundstücks ist für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 138 Abs. 3 in Verbindung mit § 146 BewG im Wege der Bedarfsbewertung mit einem typisierenden Wert unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt und der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1996 (§ 138 Abs. 1 Satz 2 BewG) zu ermitteln. Dabei sind bebaute Grundstücke zunächst unter Ansatz der im Durchschnitt der letzten drei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmiete, vervielfacht mit 12,5 zu bewerten. Dieser Wert ist gegebenenfalls um einen Alterungsabschlag für die Gebäude zu mindern und bei Ein- und Zweifamilienhäusern, die ausschließlich Wohnzwecken dienen, um 20 v.H. zu erhöhen, § 146 Abs. 2 bis 5 BewG. Liegt der so ermittelte Grundstückswert unter dem Wert eines vergleichbaren unbebauten Grundstücks, dann ist als Grundbesitzwert der Wert festzustellen, mit dem das Grundstück als unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG zu bewerten wäre (sogenannter Mindestwert), § 146 Abs. 6 BewG. Wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks (§ 9 Abs. 1 BewG) niedriger ist als der nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG ermittelte Wert, dann ist dieser niedrigere Wert als Grundbesitzwert festzustellen, § 146 Abs. 7 BewG.

2. Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (§ 9 Abs. 2 BewG) kann u.a. durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erbracht werden (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 8. Oktober 2003 II R 27/02, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 204, 306; Bundessteuerblatt -BStBl- II 2004, 179). Führt der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gemäß § 146 Abs. 7 BewG durch ein Sachverständigengutachten, dann handelt es sich um ein Privatgutachten und damit um urkundlich belegtes Parteivorbringen, das grundsätzlich der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 69/01, BFHE 207, 352; BStBl II 2005, 259).

3. Im Streitfall ist durch Vorlage des Sachverständigengutachtens zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der gemeine Wert des Bewertungsobjekts zum Bewertungsstichtag 0,-- DM betragen hat. Diese Überzeugung beruht auf den folgenden rechtlichen und tatsächlichen Umständen:

a) Die Definition des gemeinen Werts in § 9 Abs. 2 BewG ist, bezogen auf den Grundstücksmarkt, inhaltlich weitgehend identisch mit der Definition des Verkehrswerts in § 194 Baugesetzbuch (BauGB). Beide Begriffsbestimmungen bezeichnen den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis für ein Wirtschaftsgut als wertbestimmenden Maßstab und grenzen damit diese Frage von der weiteren Frage ab, nach welcher Methode dieser Wert zu ermitteln ist (Jakob: Rechtsgutachten zu Möglichkeiten einer Vereinfachung der Bewertung des Grundbesitzes, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen Heft 48 Seite 22). Während der gemeine Wert als Steuerwert für bestimmte Stichtage in einem Massenverfahren ermittelt wird, bezeichnet der Verkehrswert eine Wertfindung, in dem nicht nur ein Annäherungswert, sondern ein den individuellen Verhältnissen des Bewertungsobjekts Rechnung tragender Einzelwert ermittelt wird (Jakob: Rechtsgutachten Seite 52-54). Für die Verkehrswertermittlung von Grundstücken gelten insoweit über § 199 Abs. 1 BauGB die Regelungen der Wertermittlungsverordnung (WertV).

Da es in § 146 Abs. 7 BewG um die Ermittlung eines individuellen Einzelwerts unter marktüblichen Verhältnissen geht, ist der dort genannte Begriff des "gemeinen Werts" im Sinne einer Verkehrswertermittlung auszulegen.

b) Das von den Klägern gemäß § 146 Abs. 7 BewG zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts vorgelegte Gutachten des Sachverständigen entspricht den gesetzlichen Anforderungen, die an eine individuelle Verkehrswertermittlung gestellt werden. Der Gutachter hat sowohl in seinem Gutachten als auch in der mündlichen Verhandlung dargelegt, welche breiten beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten ihm die Kompetenz verleihen, auch ein aus dem üblichen Rahmen der Grundstücksbewertung fallendes Objekt wie das vorliegende sachgerecht zu bewerten. Das Gutachten beschränkt sich auf die Darstellung und Bewertung der objektiven Gegebenheiten und ist in allen Punkten nachvollziehbar und im Ergebnis auch überzeugend begründet.

aa) Der Senat folgt dem Sachverständigen zunächst in der Wahl der Bewertungsmethode, der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit im Ertragswertverfahren. Denn der Verkehrswert eines Grundstücks bestimmt sich, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, maßgeblich durch den Nutzen, den es einem Eigentümer zukünftig gewährt oder gewähren kann. Dies gilt nach allgemeiner Meinung insbesondere für bebaute Objekte, für deren Wertschätzung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr der nachhaltig erzielbare Ertrag im Vordergrund steht (Kleiber in Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken 4. Auflage Vorbemerkung zu §§ 15-20 WertV Rn. 2). Der Senat folgt daher der Einschätzung des Gutachtens, wonach das Bewertungsobjekt sich objektiv zu einer Nutzung als ...hof eignet, zumal dessen tatsächliche Nutzung dieser Vorgabe nahe kommt. Unter dieser Voraussetzung dürfte auch eine Jahrespacht zu erzielen sein, die deutlich über der tatsächlich vereinbarten Pacht liegt. Ob der von dem Gutachter als übliche Jahrespacht mit ...,-- DM angesetzte Wert tatsächlich der Marktsituation im Jahr 1997 entsprochen hat, kann der Senat aus eigener Sachkunde nicht beurteilen. Eine Klärung dieser Frage ist jedoch nicht erforderlich, da das Gutachten auch bei Ansatz einer geringeren Jahrespacht keinen über 0,-- DM liegenden Verkehrswert für das Bewertungsobjekt ausweisen würde. Auch darauf hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.

bb) Im Gegensatz zu dem Finanzamt folgt der Senat dem Gutachten auch in der Beurteilung, dass die Auswirkung des im Jahr 1990 geschlossenen langfristigen und wirtschaftlich belastenden Pachtvertrages einen wertmindernden Faktor bei der Ermittlung des Verkehrswerts des Bewertungsobjekts bildet. Eine Berücksichtigung des den Verkehrswert des Grundstücks negativ beeinflussenden Pachtvertrages ist nach § 19 Satz 1 WertV geboten. Denn der Pachtvertrag macht es den Klägern unmöglich, das Bewertungsobjekt wirtschaftlich so zu nutzen, wie es unter gewöhnlichen Marktbedingungen möglich wäre. Die ungünstige Gestaltung des Pachtvertrages führt wirtschaftlich dazu, dass bei der außerordentlich langen Laufzeit des Vertrages und den vom Grundstückseigentümer übernommenen umfangreichen Erhaltungsmaßnahmen für die Wege und Gebäude bei gleichzeitigem Ausschluss einer angemessenen Pachterhöhung mit dem Bewertungsobjekt nachhaltig kein positiver Ertrag zu erzielen sein wird. Zu dem gleichen Ergebnis ist auch die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts bei der ertragsteuerlichen Beurteilung des Pachtvertrages gekommen und hat den Verpachtungsvorgang als Liebhaberei behandelt. Danach ist mit dem Sachverständigen, dessen Beurteilung in der mündlichen Verhandlung auch von dem L. glaubhaft bestätigt worden ist, davon auszugehen, dass aus dem Bewertungsobjekt während der Laufzeit des Pachtvertrages kein positiver Ertrag erwirtschaftet werden kann, weil die laufenden Kosten auf Dauer nicht von den laufenden Einnahmen gedeckt werden.

Unter dieser Voraussetzung kommt es für die Beurteilung des Verkehrswertes auch nicht entscheidend darauf an, ob die im Gutachten ermittelte Jahrespacht möglicherweise zu hoch ist. Denn auch beim Ansatz einer niedrigeren Jahrespacht würde sich für das Bewertungsobjekt wegen der auf ihm lastenden hohen Belastungen kein stichtagsbezogener positiver Verkehrswert ergeben. Bei dieser Beurteilung hat der Senat auch berücksichtigt, dass bei Ende des Pachtvertrages der Grund und Boden noch mit einem gewissen Wert vorhanden sein wird. Dieser Wert lässt sich jedoch in keiner Weise prognostisch beurteilen und unterliegt damit stichtagsbezogen wegen der nicht Kosten deckenden Grundstücksaufwendungen insgesamt dem gleichen Wertverzehr wie alle übrigen Bestandteile des Bewertungsobjekts.

cc) Das Finanzamt macht gegen die wertmindernde Berücksichtigung des Pachtvertrages zu Unrecht geltend, dadurch würde der Verkehrswert des Bewertungsobjekts durch ungewöhnliche Verhältnisse beeinflusst, was nach der WertV unzulässig sei. Zwar dürfen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 WertV Kaufpreise und andere Daten, die durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse beeinflusst worden sind, bei der Wertermittlung eines Grundstücks nur eingeschränkt berücksichtigt werden. Bei den in dieser Vorschrift genannten Kaufpreisen und anderen Daten handelt es sich jedoch allein um rechnerische Größen, für die in Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift beispielhaft Mieten und andere Bewirtschaftungskosten genannt werden. Im Streitfall geht es jedoch um eine rechtliche Nutzungsbeschränkung des Bewertungsobjekts, auf die die Kläger nach den Erkenntnissen, die dem Gericht vorliegen, keinen Einfluss hatten. Vielmehr haben die Kläger als Gesamtrechtsnachfolger das Bewertungsobjekt mit den im Pachtvertrag vereinbarten Rechten und Pflichten übernommen. Dabei liegt die Besonderheit des Streitfalles darin, dass der Pachtvertrag mehrere Klauseln enthält, die den Grundstückseigentümer ganz ungewöhnlich belasten. Wegen dieser starken Belastungen würde das Bewertungsobjekt auf dem Grundstücksmarkt zum Stichtag kaum auf Kaufinteresse gestoßen sein. Insoweit liegen ungewöhnliche Verhältnisse vor, die einerseits den Verkehrswert des Grundstücks auf 0,-- DM mindern und die andererseits gemäß § 6 Abs. 1 WertV verhindern, dass dieser Wert bei anderen Wertermittlungen als Vergleichswert herangezogen werden kann.

dd) Danach ist der Senat der Auffassung, dass die Kläger durch ein Sachverständigengutachten einen niedrigeren gemeinen Wert des Bewertungsobjekts nachgewiesen haben und dass der Grundbesitzwert unter den besonderen Voraussetzungen des Streitfalles auf 0,-- DM festzustellen ist.

Mit der Anerkennung des durch das Sachverständigengutachten ermittelten niedrigeren gemeinen Werts setzt sich der Senat in Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 8. Oktober 2003 II R 27/02 (BStBl II 2004, 179).

a) In diesem Urteil hat sich der BFH zur Auslegung des § 146 Abs. 7 BewG im Zusammenhang mit einem Sachverhalt geäußert, der die Einräumung eines zeitlich befristeten unentgeltlichen Nutzungsrechts durch den Grundstückseigentümer und Erblasser zu Gunsten eines späteren Erben betraf. Der BFH hat die Auffassung vertreten, dass die Einräumung des unentgeltlichen Nutzungsrechts den Wert des Grundstücks zum Bewertungsstichtag nicht mindern dürfe, weil die steuerliche Berücksichtigung des Nutzungsrechts unter Beachtung der §§ 10, 12 und 25 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer, aber nicht bei der Bedarfsbewertung erfolge. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber in den Fällen des § 146 Abs. 7 BewG diese erbschaftsteuerrechtlichen Regeln habe außer Kraft setzen wollen. Der BFH ist daher der Auffassung, dass ein Sachverständigengutachten nur dann zur Feststellung eines niedrigeren Verkehrswertes führen könne, wenn das Gutachten einen Wert ausweise, der mit den Steuerwerten nach § 146 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 6BewG vergleichbar sei. Von einer solchen Vergleichbarkeit könne nur dann ausgegangen werden, wenn die Bewertungsmaßstäbe des Bewertungsgesetzes mit denen des Gutachtens insbesondere hinsichtlich der preis- und wertbildenden Faktoren übereinstimmten. An einer solchen Übereinstimmung fehle es, wenn bei der Feststellung "eines niedrigeren gemeinen Grundstückswerts" im Sinne des § 146 Abs. 7 BewG Faktoren wertmindernd berücksichtigt würden, die im Rahmen der Feststellung der Regelwerte nach den Absätzen 2 bis 6 dieser Vorschrift unberücksichtigt blieben.

b) Im Streitfall ist dem D. zwar kein unentgeltliches, dinglich gesichertes Nutzungsrecht für das Bewertungsobjekt eingeräumt worden. Er nutzt das Grundstück jedoch auf Grund eines obligatorischen Vertrages, der für die Kläger mehr finanziell belastende Pflichten als Rechte enthält. Die Beurteilung eines solchen Sachverhalts erfolgt bei der Ermittlung des Bedarfswerts im Rahmen des Bewertungsgesetzes nach anderen Grundsätzen als bei der Ermittlung eines die individuellen Verhältnisse berücksichtigenden Verkehrswertes. Diese in § 146 Abs. 7 BewG zusammentreffenden Wertungswidersprüche bei der Ermittlung eines abweichenden "gemeinen Werts" erfordern eine abgestimmte Lösung.

aa) Die auf Grund des Pachtvertrages von dem Grundstückseigentümer zu tragenden Belastungen werden nach dem Bewertungsgesetz durch die vereinbarte Pacht und durch die Regelung des Vervielfältigers abgegolten. Eine darüber hinausgehende Anerkennung weiterer wertmindernder Faktoren ist bei der Bedarfsbewertung nicht vorgesehen. Denn nach § 138 Abs. 3 BewG, der auch auf § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG verweist, gehören zum Grundvermögen neben dem Grund und Boden und den Gebäuden auch die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Zu den sonstigen Bestandteilen rechnen aber nur die subjektiv-dinglichen Rechte (Christoffel in Gürsching/Stenger: Kommentar zum BewG, § 146 Rn. 364). Nicht dazu gehören neben Nießbrauchs- und Wohnrechten auch obligatorische Belastungen des Grundstücks, die der Grundstückseigentümer unentgeltlich oder - wie im Streitfall - teilweise unentgeltlich übernommen hat. Eine nicht kostendeckend vereinbarte Pacht kann daher bei Grundstücken, für die der Ertragswert oder Mindestwert nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG ermittelt wird, grundsätzlich nicht wertmindernd berücksichtigt werden. Dieses Ergebnis ist eine Folge der Grundentscheidung des Gesetzgebers, wonach der Grundbesitzwert nur als typisierender Wert ermittelt wird.

bb) Anders liegen die Verhältnisse wenn für das Grundstück ein (niedrigerer) Verkehrswert ermittelt wird. Denn im Rahmen der Verkehrswertermittlung nach dem Ertragswertverfahren in Anlehnung an die §§ 194, 199 BauGB und die WertV sind langfristig bindende obligatorische Verträge je nach ihrer wirtschaftliche Auswirkung werterhöhend oder wertmindernd zu berücksichtigen (§ 19 WertV).

cc) Um diese Wertungswidersprüche in Einklang zu bringen, versagt der BFH in seinem Urteil vom 8. Oktober 2003 unter den geschilderten Umständen Verkehrswertgutachten die Anerkennung, auch wenn die in ihnen enthaltenen Verkehrswerte nach der WertV methodisch und sachlich zutreffend ermittelt worden sind. Diese Lösung erscheint dem erkennenden Senat nicht sachgerecht, weil sie unberücksichtigt lässt, dass dem Steuerpflichtigen über § 146 Abs. 7 BewG die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren Verkehrswertes unter Einbeziehung von Regelungen, die außerhalb des Bewertungsgesetzes liegen, ausdrücklich eingeräumt wird. Christoffel (in Gürsching/Stenger a.a.O.) empfiehlt in dieser Situation, der Grundstückseigentümer solle den Gutachter vor Abfassung des Gutachtens darauf hinweisen, dass er die Belastung mit dem Nutzungsrecht nicht wertmindernd berücksichtigen dürfe. Diese Auffassung setzt einen erheblichen bewertungsrechtlichen Sachverstand des Grundstückseigentümers voraus, den man nicht allgemein wird unterstellen können. Schließlich ist es nach Auffassung des Senats auch nicht akzeptabel, dass die Grundstücksbelastungen, die sich aus einem ungünstigen Pachtvertrag ergeben, doppelt berücksichtigt werden können: einerseits bei der Feststellung des Grundbesitzwertes, andererseits als Nachlassverbindlichkeit im Rahmen der Erbschaftsteuer. Insoweit wird schon von einem "Erbschaftsteuersparmodell" gesprochen (Höll: Der Betrieb 2002, 397).

dd) Bei Abwägung der zu dem geschilderten Problem vertretenen Auffassungen schließt sich der erkennende Senat der Auffassung an, die die Finanzverwaltung in Abschnitt H 177 der Erbschaftsteuerrichtlinien 2003 vertritt. Danach ist es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, gemäß § 146 Abs. 7 BewG einen niedrigeren Verkehrswert unter Anwendung der zu §§ 194 und 199 BauGB sowie der WertV anerkannten Grundsätze nachzuweisen. Sofern bei der Ermittlung des niedrigeren Verkehrswerts Grundstücksbelastungen wertmindernd berücksichtigt worden sind, dürfen diese nicht noch einmal bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden. Das folgt nach Auffassung des Senats aus einer analogen Anwendung des § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG. Durch diese analoge Anwendung wird eine gesetzgeberische Unterlassung berichtigt, die darin besteht, dass der Gesetzgeber es versäumt hat, die Wertermittlungsmethoden nach §§ 194, 199 BauGB und nach § 138 Abs. 3 BewG aufeinander abzustimmen. In entsprechenden Fällen wird daher die Bewertungsstelle des Belegenheitsfinanzamtes dem für die Feststellung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt mitteilen, dass und in welchem Umfang Grundstücksbelastungen im Rahmen der Feststellung des Grundbesitzwertes von ihm berücksichtigt worden sind. Auf diese Weise kann im Rahmen des § 146 Abs. 7 BewG ein niedrigerer Verkehrswert nach den dafür geltenden Vorschriften ermittelt werden, und gleichzeitig wird eine doppelte Berücksichtigung der Belastungen des Bewertungsobjekts vermieden.

Danach ist die Klage in vollem Umfang erfolgreich. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren ergeht gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 i. V. m. § 155 FGO und §§ 708 Nr. 10 (analog) und 711 Zivilprozessordnung. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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