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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 04.06.2009
Aktenzeichen: 3 K 1664/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 64 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 K 1664/06

In dem Rechtsstreit

Wegen Kindergeld für die Monate November 2003 bis Oktober 2004

hat Richter am Hessischen Finanzgericht als Einzelrichter nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 4. Juni 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld vom 09.03.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2006 wird insoweit aufgehoben, als der Zeitraum von November 2003 bis Oktober 2004 betroffen ist.

Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Sie haften jeweils für die Hälfte der Verfahrenskosten.

Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte und die Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Im Streitfall wendet sich der Kläger dagegen, dass die Beklagte (die Familienkasse) von der Annahme ausgeht, er habe seinen Sohn X während des (bisher) streitigen Zeitraums (November 2003 bis Februar 2005) nicht in seinen Haushalt aufgenommen gehabt. Hierbei geht es im Wesentlichen um folgenden Sachverhalt:

Unter dem Datum vom 18.10.2002 stellte der Kläger bei der Familienkasse einen Antrag auf Kindergeld, und zwar u. a. für seinen Sohn X (geboren am 09.01.1985). Die damalige Ehefrau des Klägers und Mutter des Sohnes X, Frau Y, erklärte sich in diesem Antrag damit einverstanden, dass das Kindergeld dem Kläger gezahlt werden sollte. Die Familienkasse zahlte sodann das Kindergeld antragsgemäß an den Kläger aus (Kassenverfügung vom 05.11.2002).

Unter dem Datum vom 05.10.2004 stellte Frau Y bei der Familienkasse einen Antrag auf Kindergeld für ihren Sohn X. In der entsprechenden Rubrik des Antragsvordrucks gab sie an, der Kläger habe bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kindergeld für den Sohn X beantragt. Auf eine entsprechende Anfrage teilte sie der Familienkasse mit, sie lebe seit dem Oktober 2003 von dem Kläger getrennt und seit dieser Zeit befinde sich Ihr Sohn X in ihrem Haushalt (Erklärung vom 08.03.2005).

Der Kläger teilte auf eine an ihn gerichtete Anfrage durch Erklärung vom 17.03.2005 der Familienkasse wörtlich folgendes mit: "Das Kind X lebt in meinem Haushalt zusammen mit meiner Ehefrau, von der ich jedoch getrennt lebe. Ich habe nichts dagegen, dass das Kindergeld an meine Ehefrau ausgezahlt wird."

Aufgrund weiterer Ermittlungen stellte die Familienkasse fest, dass sowohl der Kläger als auch Frau Y sowie der gemeinsame Sohn X weiterhin unter der bisherigen Adresse (A) gemeldet waren. In diesem Zusammenhang gaben sowohl Frau Y als auch ihr Sohn X unter dem Datum vom 19.11.2005 weitere Erklärungen gegenüber der Familienkasse ab. Dabei wiederholte Frau Y ihre bisherige Aussage, Ihr Sohn X lebe in ihrem Haushalt. Weiter gab sie an, "ab und zu" habe ihr Sohn mit dem Kläger gegessen. Der Sohn erklärte wörtlich folgendes:

"Von November 2003 bis heute lebe ich im Haushalt meiner Mutter. ...

An einzelnen Tagen hat (mein Vater) das Essen mit mir geteilt." Zuvor hatte der Kläger gegenüber der Familienkasse auf eine nochmalige Anfrage erklärt, es treffe nicht zu, dass der Sohn X bei seiner Mutter lebe, er, der Kläger, sei nicht ausgezogen, deshalb lebe der Sohn weiterhin mit ihm und der Mutter unter einem Dach (Schreiben vom 02.06.2005).

Unter dem Datum vom 09.03.2006 erließ die Familienkasse gegenüber dem Kläger einen Bescheid, in dem sie die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn X mit Wirkung ab dem Monat November 2003 aufhob und das für den Zeitraum von November 2003 bis Februar 2005 gezahlte Kindergeld zurückforderte.

Zur Begründung gab sie an, Frau Y habe den Sohn X in ihren Haushalt aufgenommen und deshalb den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld. Sodann zahlte sie an Frau Y betreffend den Sohn X Kindergeld für die Monate November 2003 bis Februar 2005 aus (Kassenverfügung vom 16.05.2006). Der Kläger legte gegen den Bescheid vom 09.03.2006 Einspruch ein. Diesen Einspruch wies die Familienkasse als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus: Der Sohn X habe angegeben, er habe ab dem Monat November 2003 durchgehend im Haushalt seiner Mutter gelebt. Deshalb habe davon ausgegangen werden müssen, dass der Sohn ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Haushalt des Klägers aufgenommen gewesen sei (Einspruchsentscheidung vom 13.05.2006).

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Zur Begründung hat er zunächst im Wesentlichen folgendes vorgetragen: Die Behauptung seiner früheren Ehefrau, sie habe den Sohn X in ihren Haushalt aufgenommen sei falsch. Seine frühere Ehefrau habe während des fraglichen Zeitraums keinen "separaten" Haushalt gehabt. Bis zum Monat September 2005 hätten seine frühere Ehefrau, sein Sohn und er im selben Haus gewohnt. Seine frühere Ehefrau habe "rein formell" die Trennung eingeleitet, indem sie die Lohnsteuerklasse II beantragt habe. Diese Familiensituation (de-fakto- Trennung der Eheleute bei gemeinsamer Erziehung der Kinder) habe sich bis zum September 2005 im Grundsatz nicht geändert. Eine Ausnahme gelte nur hinsichtlich der Tatsache, dass seine frühere Ehefrau immer häufiger und regelmäßiger abwesend gewesen sei, und zwar zwei bis drei Tage in der Woche.

Demgegenüber hat die Familienkasse im vorbereitenden Verfahren vorgetragen:

Der vom Kläger mitgeteilte Sachverhalt entspreche ihrem Kenntnisstand. Allerdings habe der Sohn X angegeben, er habe während der streitgegenständlichen Zeit im Haushalt seiner Mutter gelebt und lebe auch weiterhin dort. Es bestehe kein Anlass, diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Maßgebend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Sohn sich zum Haushalt der Mutter zugehörig fühle. Insofern gehe es hier um eine Aussage darüber, von welchem Elternteil der Sohn die persönliche Zuwendung und Fürsorge erfahre.

Die Familienkasse hat beantragt, Frau Y als Kindesmutter zum Verfahren beizuladen.

Diesem Antrag hat das Gericht mit Beschluss vom 10.09.2008 entsprochen. Hierbei hat es darauf hingewiesen, dass die Beiladung auf der Grundlage des § 174 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) erfolgt. Aufgrund des Beschlusses vom 10.09.2008 hat Frau Y als Beigeladene sich zu der Frage geäußert, ob während des fraglichen Zeitraums (1) die Beteiligten einen oder mehrere Haushalte geführt haben und (2) der Sohn X zu dem einen oder dem anderen Haushalt oder zu beiden Haushalten gehört hat. Hierzu hat sie im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Der Kläger und sie, die Beigeladene, hätten zwei eigenständige Haushalte geführt. Die räumliche Trennung in der Liegenschaft A habe sich in der Weise vollzogen, dass der Kläger und sie, die Beigeladene, für ihren Unterhalt, für ihr Essen und für ihre Wäsche selbst gesorgt hätten. Der Kläger habe in der Liegenschaft im ersten Obergeschoss zwei Zimmer bewohnt. Darüber hinaus habe ihm ein Bad zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestanden. Die übrigen Räume hätten sie, die Beigeladene, und der Sohn X gemeinsam genutzt. Sie habe für ihren Sohn gekocht, gebügelt und gewaschen. Ihr Sohn habe insofern ausschließlich zu ihrem Haushalt gehört.

Der erkennende Einzelrichter hat in der mündlichen Verhandlung den streitigen Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Diese haben daraufhin erklärt, dass sie insoweit an ihrem bisherigen Vorbringen festhalten.

In der mündlichen Verhandlung hat der erkennende Einzelrichter den Beteiligten zudem folgenden sachdienlichen Hinweis gegeben: Aufgrund der bisherigen Sachdarstellung durch die Beteiligten liege die Annahme nahe, nach der "formellen" Trennung im November 2003 hätten der Kläger und die Beigeladene "unter einem Dach" zwei selbstständige Haushalte geführt und der Sohn X habe gleichwertig zu beiden Haushalten gehört. Unter diesen Umständen sei die Berechtigtenbestimmung, die der Kläger und die Beigeladene in dem Kindergeldantrag vom 18.10.2002 getroffen hätten, nach einer wohl herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung weiterhin wirksam geblieben. Allerdings sei der Kindergeldantrag, den die Beigeladene später unter dem Datum vom 05.10.2004 gestellt habe, möglicherweise als Widerruf der vorgenannten Berechtigtenbestimmung zu sehen. Dies könne zur Folge haben, dass dem Kläger - unabhängig von der Frage der Haushaltsaufnahme - ein Kindergeldanspruch für die Zeit ab dem Monat November 2004 nicht mehr zustehe.

Der Kläger hat aufgrund des vorstehenden Hinweises erklärt, er schränke seine Klage entsprechend ein. Das Gericht hat diese Erklärung als Rücknahme für einen Teil der Klage gewertet. Demzufolge hat es das Verfahren getrennt hinsichtlich der Zeiträume November 2003 bis Oktober 2004 einerseits und November 2004 bis Februar 2005 andererseits. Gleichzeitig hat es das Verfahren betreffend den Zeitraum November 2004 bis Februar 2005 eingestellt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

den Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld vom 09.03.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2006 insoweit aufzuheben, als der Zeitraum vom November 2003 bis Oktober 2004 betroffen ist.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Die Familienkasse hat sowohl betreffend den Kläger als auch betreffend die Beigeladene die entsprechenden Kindergeldakten vorgelegt. Diese Akten waren Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

1. Nach Überzeugung des Gerichts ist die Familienkasse zu Unrecht von der Annahme ausgegangen, der Kläger habe während des zuletzt noch streitigen Zeitraums (November 2003 bis Oktober 2004) den Sohn X nicht in seinen Haushalt aufgenommen gehabt. Insoweit hat die Familienkasse gegenüber dem Kläger zu Unrecht die Kindergeldfestsetzung aufgehoben und die betreffenden Kindergeldbeträge zurückgefordert.

Nach § 62, § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben beide Elternteile grundsätzlich einen Anspruch auf Kindergeld für ihre leiblichen Kinder. Allerdings wird nach § 64 Abs. 1 EStG für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Für den Fall, dass beide Elternteile als Berechtigte einen Anspruch auf Kindergeld haben, enthält die Vorschrift des § 64 Abs. 2 EStG mehrere, in sich gestufte Regelungen. Zunächst wird das Kindergeld an denjenigen Berechtigten gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (Satz 1). Ist das Kind - wie im Regelfall - in den gemeinsamen Haushalt von Eltern aufgenommen worden, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten (Satz 2). Wird eine Bestimmung nach der vorgenannten Regelung nicht getroffen, so bestimmt das Vormundschaftsgericht auf Antrag den Berechtigten (Satz 3). Aufgrund dieses Regelungskonzepts kommt eine Aufteilung des Kindergeldanspruchs unter mehreren Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, nicht in Betracht (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.12.2001 VI B 214/00, BFH/NV 2002, 484). Haushaltsaufnahme im Sinne des § 64 Abs. 2 EStG bedeutet die Aufnahme in die Familiengemeinschaft in einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienhafter Art. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Danach gehört ein Kind dann zum Haushalt eines Elternteils, wenn es dort wohnt, versorgt und betreut wird, so dass es sich in der Obhut dieses Elternteils befindet (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 484 mit weiteren Nachweisen).

Derjenige Elternteil, der aufgrund einer Trennung bzw. einer Scheidung den bisher gemeinsamen Familienhaushalt verlässt, verliert damit gleichzeitig seinen Kindergeldanspruch. Denn ab diesem Zeitpunkt gehören die Kinder, die in dem Haushalt des anderen Elternteils verbleiben, nicht mehr zu seinem Haushalt.

Anders verhält es sich jedoch, wenn beide Elternteile "von Tisch und Bett getrennt" weiterhin in der bisher gemeinsam genutzten Wohnung leben. Unter solchen Umständen ist auf der einen Seite grundsätzlich davon auszugehen, dass jeder Elternteil für sich einen eigenständigen Haushalt führt. Dabei ist auf der anderen Seite regelmäßig nicht feststellbar, in welchem der beiden Haushalte das betreffende Kind vorrangig lebt. Denn in Bezug auf beide Elternteile besteht erfahrungsgemäß das in der früheren Familiengemeinschaft begründete Betreuung- und Erziehungsverhältnis weiterhin fort. Im Übrigen kann es nicht Sinn und Zweck der Regelung in § 64 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG sein, die Familienkassen bzw. die Finanzgerichte im Rahmen der Sachverhaltsklärung zu einem allzu tiefen Eindringen in die Privatsphäre der Familien zu zwingen (vgl. Urteil des Finanzgerichts Köln vom 05.06.2002 10 K 2363/98, EFG 2002, 1183 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH; s.a. Urteil des Finanzgerichts München vom 25.10.2006 10 K 483/05, EFG 2007, 423).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist bei der Frage, ob ein Kind bei Getrenntleben der Eltern gleichzeitig zu den beiden Haushalten gehört, auch das Alter des betreffenden Kindes zu berücksichtigen. Denn das Maß der Fürsorge und Betreuung (immaterielle Seite des sog. Obhutsprinzips) nimmt immer mehr ab, je älter das Kind wird.

Für den Fall, dass das Kind in gleichem Maße zu beiden (von den Eltern jeweils getrennt geführten) Haushalten gehört, bleibt die früher einmal getroffene Berechtigtenbestimmung (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG) solange wirksam, bis sie widerrufen wird. Sollte ein Elternteil der Auffassung sein, dass das Kind abweichend von den allgemeinen Regeln allein seinem Haushalt zuzuordnen ist, ist es seine Sache, die Auszahlung des Kindergeldes an sich selbst zu beantragen oder gemäß § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts herbeizuführen. Insofern hat jeder Elternteil die Möglichkeit, sich aus der früher getroffenen Berechtigtenbestimmung zu lösen und die Frage nach dem vorrangigen Anspruch auf Kindergeld nach den Regeln des § 64 Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 3 EStG zu klären (vgl. Urteil des Finanzgerichts Köln in EFG 2002, 1183; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 484; Seewald, Kindergeldrecht, § 64 EStG Rn. 29; jeweils mit weiteren Nachweisen).

a) Nach der Überzeugung des Gerichts waren im Streitfall die tatsächlichen Voraussetzungen dafür gegeben, dass nach den vorgenannten Grundsätzen der Kläger und die Beigeladene für den hier streitigen Zeitraum an die ursprünglich getroffene Berechtigtenbestimmung gebunden blieben. So führten der Kläger und die Beigeladene während der Zeit von November 2003 bis Oktober 2004 in der zuvor von ihnen gemeinsam genutzten Wohnung zwei getrennte Haushalte. Gleichzeitig hatten sie ihren Sohn X in etwa gleichwertig in ihren jeweiligen Haushalt aufgenommen. Dabei ergibt sich die Überzeugung des Gerichts aus dem Vorbringen der Beteiligten im vorbereitenden Verfahren sowie aus dem Verhalten, das der Kläger und die Beigeladene während der mündlichen Verhandlung gezeigt haben.

Zwar hat der Kläger in der Klagebegründung vorgetragen, die Beigeladene habe während des fraglichen Zeitraums keinen "separaten" Haushalt gehabt. Gleichzeitig hat er aber von einer "de-fakto-Trennung" der Ehegatten gesprochen. Die Beigeladene hat aufgrund des Beiladungsbeschlusses unmissverständlich dargelegt, sie und der Kläger hätten zwei eigenständige Haushalte geführt. Dabei hat sie ihre Aussage mit konkreten Tatsachenangaben belegt.

Der Kläger hat demgegenüber im Rahmen seines Tatsachenvortrags in der mündlichen Verhandlung lediglich auf sein bisheriges Vorbringen im vorbereitenden Verfahren verwiesen. Auch nachdem der erkennende Einzelrichter im Laufe der Verhandlung die Andeutung gemacht hatte, die Annahme von zwei selbstständigen Haushalten sei nahe liegend, hat er diesbezüglich keinen Widerspruch erhoben.

Die Beigeladene hat im vorbereitenden Verfahren vorgetragen, sie habe während der fraglichen Zeit für ihren Sohn gekocht, gebügelt und gewaschen.

Demgegenüber hat der Kläger in der Klagebegründung angegeben, die Beigeladene habe sich während der fraglichen Zeit immer häufiger außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufgehalten. Hierzu hat er - sinngemäß - geltend gemacht, an den Tagen, an denen die Beigeladene abwesend gewesen sei, habe er für den Sohn X gesorgt. Dieses Vorbringen deckt sich im Wesentlichen mit der Aussage, die der Sohn X gegenüber der Familienkasse bereits im außergerichtlichen Verfahren gemacht hatte. In der Erklärung vom 19.11.2005 hatte der Sohn X angegeben, an einzelnen Tagen habe der Kläger "das Essen mit (ihm) geteilt". In dem vorliegenden Zusammenhang hat der erkennende Einzelrichter während der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit angedeutet, dass der Sohn X gleichwertig zu beiden Haushalten gehört haben könnte. Die Beigeladene selbst hat sich zu dieser Sachverhaltsannahme überhaupt nicht geäußert.

Sie hat lediglich durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, sie halte die Klage im Ergebnis nach wie vor für unbegründet.

b) Das Gericht vermag nicht der Auffassung der Familienkasse zu folgen, es komme maßgebend auf die Aussage an, die der Sohn X im außergerichtlichen Verfahren gemacht habe.

Der Sohn X hatte zu Beginn des hier fraglichen Zeitraums (November 2003) bereits das 18. Lebensjahr vollendet. Angesichts dieses Alters war er nicht mehr darauf angewiesen, dass er - wie etwa ein jüngeres Kind - ständig auf "die persönliche Zuwendung und Fürsorge" durch seine Mutter angewiesen gewesen wäre.

Entgegen der Auffassung der Familienkasse kann es nicht auf die Frage ankommen, ob der Sohn sich zum Haushalt der Beigeladenen "zugehörig gefühlt" hat. Denn maßgebend sind nicht die subjektiven Einschätzungen der Beteiligten, sondern die objektiven Gegebenheiten (vgl. § 38 AO, Tatbestandswirkung des Gesetzes).

c) Aufgrund der Gesamtumstände des Streitfalles sowie aufgrund allgemeiner Erwägungen war es dem Gericht nicht möglich, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Der Sohn X war zwar als Zeuge zur Beweisaufnahme durch das Gericht geladen. Er hat aber von dem ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht (vgl. zum Zeugnisverweigerungsrecht des betroffenen Kindes bei Rechtsstreitigkeiten über das Kindergeld: Urteil des Finanzgerichts Münster vom 16.03.2007 9 K 4803/05 Kg, EFG 2007, 1180; mit Anm. Wüllenkemper).

Im Übrigen ist für das Gericht nicht ersichtlich, auf welche Weise weitere Ermittlungen hätten angestellt werden können zu der Frage, ob der Sohn X mehr zum Haushalt der Beigeladenen oder mehr zum Haushalt des Klägers gehört hat. Insofern sieht es im Streitfall den allgemeinen Grundsatz bestätigt, dass im Rahmen der Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 2 EStG ein allzu tiefes Eindringen in die Privatsphäre der Familie nicht angezeigt ist.

d) Durch das vorstehend gefundene Ergebnis hat die Beigeladene zwar damit zu rechnen, dass sie gemäß § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 AO auf Rückzahlung des hier noch streitigen Kindergeldbetrages in Anspruch genommen wird. Sie ist jedoch insoweit nicht unangemessen benachteiligt. Sie hätte nämlich die vorgenannte Rechtsfolge vermeiden können. Hierfür hätten ihr zwei Möglichkeiten offen gestanden. Zum einen hätte sie schon zum Zeitpunkt der "formellen" Trennung einen Antrag auf Kindergeld stellen und sich damit von der Bindung aus der früheren Berechtigtenbestimmung lösen können. Zum anderen hätte sie im Zusammenhang mit dem tatsächlich gestellten Kindergeldantrag eine so genannten Weiterleitungsbestätigung abgeben und damit - aus ihrer Sicht - auf die Auszahlung von Kindergeld für die Vergangenheit verzichten können (vgl. zu den rechtlichen Grundlagen einer Weiterleitungsbestätigung:

Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 27.09.2001 3 V 483/01, EFG 2002, 104; mit Anm. Fumi). Immerhin hatte der Kläger gegenüber der Familienkasse erklärt, er sei damit einverstanden, dass das Kindergeld - wohlgemerkt für die Zukunft - an die Beigeladene ausgezahlt werden könne. Zudem war der Beigeladenen - ausweislich ihrer Angaben im Kindergeldantrag - bekannt, dass der Kläger während des hier noch streitigen Zeitraums das Kindergeld für den Sohn X bezogen hatte.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach haben sowohl die Familienkasse als auch die Beigeladene die Verfahrenskosten zu tragen. Sie sind nämlich beide mit ihrem jeweiligen Antrag auf Abweisung der Klage unterlegen geblieben. Dabei haften sie - mangels eines abweichenden Aufteilungsmaßstabes im Sinne des § 135 Abs. 5 Satz 2 FGO - nach Kopfteilen für jeweils die Hälfte der Verfahrenskosten.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 und § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Ende der Entscheidung

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