Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 09.04.2009
Aktenzeichen: 3 K 1718/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 K 1718/05

In dem Rechtsstreit

wegen Einkommensteuer 2003

hat Richter am Hessischen Finanzgericht als Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 79a Abs. 3 (4) der Finanzgerichtsordnung

am 9. April 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Vorliegend war über die Frage zu entscheiden, ob Aufwendungen, die einer Steuerpflichtigen durch Therapiemaßnahmen einer Heilpraktikerin entstanden sind, auch dann als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden können, wenn sich die Steuerpflichtige weigert, die medizinische Notwendigkeit der Aufwendungen durch die Vorlage eines (ggf. nachträglich erstellten) amtsärztlichen Attestes nachzuweisen. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin erzielte während des Streitjahres 2003 Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie sonstige Einkünfte (Einnahmen aus zwei Rentenversicherungen).

Mit diesen Einkünften wurde sie vom Beklagten (dem Finanzamt) zur Einkommensteuer veranlagt.

In ihrer Erklärung zur Einkommensteuer 2003 machte die Klägerin Aufwendungen in Höhe von ... € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Für einen Teilbetrag von diesen Aufwendungen, nämlich ein Betrag von ... €, legte sie eine Quittung vor, die von der Naturheilpraxis ... (Heilpraktikerin), ... ausgestellt war. Auf Anforderung des Finanzamts reichte sie eine von derselben Praxis erstellte Liquidation nach. Diese enthält u.a. folgende Angaben: "Diagnose: Zustand nach zweifacher Mamma-Ca-links-OP, Zustand nach Chemo- und Strahlentherapie, Immunsystemregulierung", -- "Therapien: Infusionstherapie, Sauerstofftherapie, Frischzellentherapie, Massagen, Chiropraktik, Baunschatieren, Schröpfmassage, Fußreflexzonenmassage, Colon-Hydro-Therapien, Hypnose".

Das Finanzamt ließ die von der Naturheilpraxis in Rechnung gestellten Aufwendungen bei der Einkommensteuerfestsetzung unberücksichtigt. In dem entsprechenden Bescheid vom 28.10.2004 führte es zur Begründung aus, die Aufwendungen könnten nur bei Vorlage eines amtsärztlichen Attestes berücksichtigt werden.

Gegen den vorgenannten Bescheid legte die Klägerin, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, Einspruch ein. Hierzu führte sie aus: Von den genannten Aufwendungen sei ein Teilbetrag von ... € für die Sauerstofftherapie und die Frischzellentherapie angefallen. Dieser Teilbetrag werde nicht mehr geltend gemacht. Der Restbetrag in Höhe von ... € soll jedoch im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen anerkannt werden.

Das Finanzamt wies den Einspruch durch Entscheidung vom 17.05.2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus: Die streitigen Aufwendungen seien für alternative Behandlungsmethoden angefallen. Solche Aufwendungen könnten zwar auch Krankheitskosten darstellen, die als außergewöhnliche Belastungen abziehbar seien. Ob sie im Sinne der einschlägigen Rechtsprechungsgrundsätze zur Heilung oder Linderung einer Krankheit objektiv geeignet und damit zwangsläufig im Sinne der gesetzlichen Regelung seien, könne regelmäßig nur durch den Amtsarzt festgestellt werden.

Gegen die Einspruchsentscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Zu deren Begründung hat sie zunächst ein Schreiben der Heilpraktikerin ... vorgelegt, in dem unter dem Datum vom 21.04.2005 u.a. Folgendes dargelegt ist: Die Klägerin habe eine zweifache Mamma-Ca-Operation hinter sich. Die Tumormarker sowie der gesamte Allgemeinzustand hätten sich nach ihren Therapien gebessert. Während des ganzen Therapiezeitraums habe die Klägerin keine ärztlich verordneten Medikamente gebraucht. Da ein Rezidiv von fünf Jahren nach Durchführung einer Mamma-Ca-Operation nicht völlig ausgeschlossen sei, müsse die Krankheit von den genannten Therapien begleitet werden. Die Klägerin fühle sich aufgrund der Therapien besser als nach der vorhergehenden Behandlung mit starken Medikamenten.

Auf die Klageerwiderung des Finanzamts hat die Klägerin ein weiteres Schreiben vorgelegt, in dem die Heilpraktikerin ... (ohne Datumsangabe) ergänzend Folgendes darlegt: Die Klägerin sei nach einer Brust-Ca-Operation und einer darauf folgenden Chemotherapie in ihre Praxis gekommen. Ihr Immunsystem habe sich damals in einem sehr schlechten Zustand befunden. Sie habe große Defekte an der Mundschleimhaut gehabt. Zudem habe sie über eine große Müdigkeit geklagt. Die Therapie habe sich zwar über einen langen Zeitraum erstreckt, dann aber große Erfolge gezeigt. Die Klägerin habe wieder Lebensfreude entwickelt und fühle sich mittlerweile sehr wohl.

Gleichzeitig hat sich die Klägerin in einem von ihr selbst verfassten und sehr persönlich gehaltenen Schreiben (mit Datum vom 10.12.2005) an das Finanzamt gewandt, in dem sie sich dagegen wendet, dass bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Folgejahr 2004 weitere, von der Naturheilpraxis in Rechnung gestellte Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Darin bringt sie sinngemäß zum Ausdruck, dass die Anforderung eines amtsärztlichen Attestes von ihr als "behördliche Willkür" empfunden wird. Eine Kopie dieses Schreibens hat sie über die Prozessbevollmächtigte dem Gericht vorgelegt.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat die Klägerin bei Gericht mehrere (ihre verschiedenen Erkrankungen betreffende) Arztberichte vorgelegt. Darunter befindet sich ein Bericht, den das Klinikum ... unter dem Datum vom 23.05.2003 an Herrn Dr. med. ... , gerichtet hat. Dort ist u.a. ausgeführt: Die Klägerin sei beschwerdefrei. Sie befinde sich bei guter körperlicher Belastbarkeit und habe sehr guten Appetit. Nach ihrer Aussage befinde sie sich derzeit (zum Zwecke der Entgiftung und Entsäuerung) in der Behandlung durch eine Naturheilpraxis, mit der sie sehr zufrieden sei. Die Verabreichung des Medikaments " ... " habe sie (wegen "übersteigerter Ängste" vor Nebenwirkungen) abgelehnt. Die weitere Nachsorge solle jetzt in die Hände des betreuenden ...( Arztes ) Dr. ... gelegt werden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über Einkommensteuer 2003 vom 28.10.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.05.2005 dahingehend zu ändern, dass bei den außergewöhnlichen Belastungen weitere Aufwendungen in Höhe von ... € berücksichtigt werden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hierzu trägt es u.a. vor: Die von der Heilpraktikerin ... verfassten Bestätigungsschreiben genügten nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung für die steuerliche Abziehbarkeit von Behandlungskosten im Bereich der alternativen Medizin stelle. Danach sei es erforderlich, dass der betreffende Steuerpflichtige ein amtsärztliches Attest vorlege, das vor Beginn der von ihm gewählten Heilbehandlung erstellt worden sei.

In der Verfügung vom 20.02.2006 hat der erkennende Einzelrichter (als damaliger Berichterstatter des Senats) gegenüber dem Finanzamt die Auffassung vertreten, in Anbetracht der Besonderheiten des Streitfalles müsste es möglich sein, dass die Klägerin die medizinische Notwendigkeit der hier streitigen Heilbehandlung auch durch die Vorlage eines Gutachtens, das durch den Amtsarzt nachträglich erstellt worden sei, nachweisen könne. Dem hat das Finanzamt -- mit gewissen Bedenken -- zugestimmt. Daraufhin hat der Einzelrichter die Prozessbevollmächtigte der Klägerin gebeten, sich zu der Frage zu äußern, ob der geforderte Nachweis durch die Vorlage eines nachträglich erstellten amtsärztlichen Gutachtens geführt werden kann. Diese Anordnung ist jedoch für längere Zeit unbeantwortet geblieben. Erst auf eine telefonische Anfrage durch den Einzelrichter hat der zuständige Vertreter der Prozessbevollmächtigten am 06.04.2009 die Gründe für das vorgenannte Verhalten erläutert. Hierzu hat er ausgeführt: Die Klägerin lehne es aus grundsätzlichen Erwägungen ab, sich für eine Begutachtung durch den Amtsarzt zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen habe sie darauf vertraut, dass das Finanzamt an der für die Vorjahre geübten Praxis festhalten werde, Aufwendungen für eine Heilbehandlung im Naturheilverfahren ohne weiteres als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Die den Streitfall betreffenden Akten des Finanzamts waren Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

1. Das Finanzamt hat es zu Recht abgelehnt, die Aufwendungen, die der Klägerin von der Naturheilpraxis ... in Rechnung gestellt worden sind, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dabei geht es zutreffend davon aus, dass das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für Behandlungskosten im Bereich der alternativen Medizin nur dann nachgewiesen ist, wenn die medizinische Indikation solcher Behandlungsmaßnahmen durch ein amtsärztliches Gutachten bestätigt wird. Für die Entscheidung des Streitfalls braucht allerdings nicht die Frage geklärt zu werden, ob das Gutachten des Amtsarztes vor Beginn der betreffenden Heilbehandlung hätte eingeholt werden müssen (so die grundsätzliche Auffassung des Finanzamts, vgl. die Ausführungen in der Klageerwiderung vom 12.07.2005) oder ob eine gutachterliche Überprüfung der Heilbehandlung durch den Amtsarzt hier -- ausnahmsweise -- nachträglich hätte erfolgen können (so die vorläufige Rechtsauffassung des erkennenden Einzelrichters, vgl. die Ausführungen in der gerichtlichen Verfügung vom 20.02.2006). Denn die Klägerin lehnt es nach wie vor ab, sich dem Amtsarzt für eine derartige Überprüfung vorzustellen.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen erwachsen nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ergibt sich bei Krankheitskosten die Zwangsläufigkeit im Sinne der vorgenannten Bestimmung in grundsätzlich aus tatsächlichen Gründen. Dabei wird im Regelfall aufgrund einer typisierenden Betrachtung die Zwangsläufigkeit der Kosten für die eigentliche Heilbehandlung nicht im Einzelnen überprüft. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. So ist durch die Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass beispielsweise Ausgaben für eine Kurreise nur dann als Krankheitskosten angesehen werden können, wenn diese Reise zur Heilung oder Linderung nachweislich notwendig ist und eine andere Behandlung nicht oder kaum Erfolg versprechend erscheint. Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit ist es regelmäßig erforderlich, dass der Steuerpflichtige ein vor Beginn der Kurreise ausgestelltes amtsärztliches Attest vorlegt, aus dem sich die jeweilige Indikation zweifelsfrei entnehmen lässt (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.1995 III R 52/93, BStBl II 1995, 614). Eine typisierende Betrachtung im Sinne des vorgenannten Regelfalles ist nach der Rechtsprechung des BFH darüber hinaus dann nicht gerechtfertigt, wenn es um die Kosten für Heilbehandlungen mit Hilfe wissenschaftlich umstrittener Methoden geht, wie etwa bei Frischzellenbehandlungen.

Auch in solchen Fällen ist der Nachweis der medizinischen Indikation durch die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes zu führen, das vor Beginn der Behandlung erstellt worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 17.07.1981 VI R 77/78, BStBl II 1981, 711, und vom 11.01.1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386). Eine besondere Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit ist nach der Rechtsprechung des BFH schließlich auch für Aufwendungen geboten, die durch eine so genannte Ayur-Veda-Behandlung entstanden sind (vgl. Urteil vom 01.02.2001 III R 22/00, BStBl II 2001, 543).

Das Erfordernis eines besonderen Nachweises der Zwangsläufigkeit im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG hat der BFH bei Aufwendungen für alternative Behandlungsmethoden im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar könnten Aufwendungen für alternative Behandlungsmethoden, ebenso wie die Aufwendungen für Kuren, im Sinne der allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze Krankheitskosten darstellen. Dies gelte aber nur dann, wenn sie nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt seien und vorgenommen würden. Aufwendungen für Maßnahmen, denen die objektive Eignung zur Heilung oder Linderung der Krankheit mangele, seien nicht notwendig und damit auch nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG. Gleiches gelte für Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienten, so z.B. Aufwendungen für Erholungsreisen und Aufwendungen zur Gesundheitsvorsorge. Aufwendungen der vorgenannten Art gehörten zur persönlichen Lebensgestaltung des betreffenden Steuerpflichtigen und unterfielen damit dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG. Die Abgrenzung zwischen dem Bereich der außergewöhnlichen Belastungen einerseits und dem Bereich der persönlichen Lebensgestaltung andererseits sei anhand von objektiven Maßstäben und nicht nach der subjektiven Einschätzung des Steuerpflichtigen zu treffen.

Ob Krankheitskosten im Sinne der oben genannten Grundsätze vorlägen, sei, insbesondere in Zweifelsfällen, nicht durch das Finanzamt und auch nicht durch das Finanzgericht, sondern nur durch den rechtzeitig eingeschalteten Amtsarzt oder etwa durch den medizinischen Dienst einer gesetzlichen Krankenversicherung festzustellen. Denn nur diese Stellen hätten die entsprechende Sachkunde und zugleich die notwendige Neutralität, um die medizinische Indikation von allgemein gesundheitsfördernden Maßnahmen objektiv beurteilen zu können, ohne dass das zwischen dem Patienten und dem behandelnden Arzt bestehende Vertrauensverhältnis gestört werde. Diese Art des qualifizierten Nachweises sei unverzichtbar, um die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile, etwa durch die Erstellung eines Gefälligkeitsgutachtens durch den behandelnden Arzt, zu verhindern (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2001, 543; BFH-Urteil vom 15.03.2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841; jeweils mit weiteren Nachweisen zur früheren Rechtsprechung).

Das erkennende Gericht schließt sich den vorstehend dargelegten Rechtsgrundsätzen an. Es sieht auch keinen Anlass, für den Streitfall hiervon abzuweichen.

Vielmehr ist es der Überzeugung, dass die Erwägungen, mit denen der BFH seine (ständige) Rechtsprechung begründet, gerade für den hier zu beurteilenden Sachverhalt zutreffen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Die von der Heilpraktikerin ... durchgeführten Therapiemaßnahmen sind den alternativen Behandlungsmethoden im Sinne der oben genannten Rechtsprechungsgrundsätze zuzurechnen. Hierfür sprechen zum ersten die Ausführungen des Klinikums ... in dem ärztlichen Bericht vom 23.05.2003. Bezeichnend sind dabei auch die Bemerkungen zu dem Umstand, dass die Klägerin eine Behandlung mit dem Medikament " ... " (mit Hinweis auf die Nebenwirkungen) von Anfang an abgelehnt hat.

Dort heißt es nämlich: "Sicher hätte der Nutzen die Risiken dieses Medikaments überstiegen." Zum zweiten hat die Klägerin durch ihr eigenes Verhalten zu erkennen gegeben, dass hier, zumindest zum Teil, alternative Behandlungsmethoden vorliegen. So hat sie -- wohl auf Anraten der Prozessbevollmächtigten -- die Kosten für die Sauerstofftherapie und die Frischzellentherapie (... €) nicht mehr bei den außergewöhnlichen Belastungen geltend gemacht. Damit hat sie sich offenkundig an dem oben zitierten BFH-Urteil zur Nichtabziehbarkeit von Kosten einer Frischzellenbehandlung orientiert. Zum dritten ist davon auszugehen, dass die Therapien, die die Heilpraktikerin ... bei der Klägerin durchgeführt hat, von der zuständigen Krankenversicherung als nicht abrechenbar eingestuft werden. Ansonsten hätte für die Klägerin kein Grund bestanden, die in Rechnung gestellten Aufwendungen steuerlich geltend zu machen.

- Von den hier in Rede stehenden Therapiemaßnahmen berühren zumindest einzelne den Bereich der allgemeinen Gesundheitsvorsorge. Dies gilt ganz offenkundig für die Massagen und die Fußreflexzonenmassage.

Auch vor diesem Hintergrund war es erforderlich, die medizinische Indikation der einzelnen Therapiemaßnahmen festzustellen.

- Die Heilpraktikerin ... hat in den beiden dem Gericht vorgelegten Schreiben hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine amtsärztliche Überprüfung der von ihr praktizierten Heilmaßnahmen ablehnt, dabei aber für sich die Befugnis in Anspruch nimmt, deren medizinische Notwendigkeit mit allgemein verbindlicher Wirkung zu beurteilen.

Ein objektiver Beurteilungsmaßstab kann diesen Äußerungen nicht entnommen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Heilpraktikerin aus subjektiv motivierten Erwägungen heraus "Widerspruch" gegen die Auffassung des Finanzamts erhoben hat. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch der Umstand, dass zwischen der Heilpraktikerin und dem behandelnden ... ( Arzt ) ein offenkundiges Näheverhältnis besteht.

Das Gericht hat durchaus Verständnis dafür, dass die Klägerin zur Behandlung ihrer Krankheit mehr auf die Naturheilmedizin (im Sinne der oben genannten alternativen Methoden) vertraut hat als auf die Therapien der so genannten Schulmedizin. Weiter hat es Verständnis dafür, dass die Klägerin sich aufgrund ihrer Überzeugung nicht für eine Begutachtung durch den Amtsarzt zur Verfügung stellen will. Gleichwohl kann es nicht den Grundsatz außer Acht lassen, dass die steuerrechtliche Beurteilung eines Lebenssachverhalts nur nach objektiven Maßstäben erfolgen darf und insofern subjektive Einschätzungen, sei es durch den Steuerpflichtigen selbst, sei es durch andere persönlich betroffenen Personen, grundsätzlich unberücksichtigt bleiben müssen. Wenn die Klägerin demgegenüber (aus den vorgenannten Gründen) eine andere Auffassung vertritt, muss sie in steuerlicher Hinsicht auch die Nachteile tragen. Hieran vermag das Gericht nichts zu ändern.

2. Das Finanzamt war nicht verpflichtet, in Bezug auf die hier in Rede stehenden Behandlungskosten an einer Rechtsauffassung, die es möglicherweise zu Gunsten der Klägerin für vorangegangene Veranlagungszeiträume vertreten hatte, auch für das Streitjahr aufrecht zu erhalten. Sollte es auf Seiten des Finanzamts, wie von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber dem erkennenden Einzelrichter fernmündlich dargelegt, tatsächlich eine sich widersprechende Verwaltungspraxis gegeben haben, so wäre darin kein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben zu sehen.

Grundsätzlich ist das Finanzamt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer an einer Rechtsauffassung, die es bei vorhergehenden Veranlagungen vertreten hat, nicht gebunden, und zwar selbst dann nicht, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (vgl. BFH-Urteil vom 05.08.1992 X R 165/88, BStBl II 1992, 1048, 1050 mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung des BFH). An diesem Grundsatz ist auch für den Streitfall festzuhalten.

Anhaltspunkte dafür, dass hier eine Ausnahme geboten wäre, sind nicht zu erkennen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Ende der Entscheidung

Zurück