Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 08.05.2008
Aktenzeichen: 3 K 1844/07
Rechtsgebiete: GrStG, GG, WRV


Vorschriften:

GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1
GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 2
GG Art. 3
GG Art. 4
GG Art. 140
WRV Art. 137 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 K 1844/07

In dem Rechtsstreit

wegen Einheitswert auf den 01.01.2002

hat der 3. Senat des Hessischen Finanzgerichts mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 8. Mai 2008 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters am Hessischen Finanzgericht des Richters sowie des ehrenamtlichen Richters und des ehrenamtlichen Richters

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger, ein rechtsfähiger Verein mit Sitz in ... , ist ein bundesweit operierender islamischer Dachverband mit etwa ... Mitgliedern. Ihm angeschlossen sind etwa ... Gemeindeverbände. ... . Nach § 3 seiner Satzung bietet er den in Europa lebenden Menschen islamischen Glaubens soziale, kulturelle sowie religiöse Dienste zum Zwecke der Förderung der Erziehung, Bildung, Religion, Jugendfürsorge, Völkerverständigung und Integration. Nach § 5 Abs. 1 der Satzung soll diese Tätigkeit ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung dienen.

Der Kläger ist Eigentümer einer Vielzahl von bebauten Grundstücken, auf denen die einzelnen Gemeindeverbände entsprechend den Vorgaben der Satzung tätig sind. Hierzu gehört auch das Grundstück ... in ... . Für dieses Objekt war nach Umbauarbeiten zunächst mit Bescheid auf den 01.01.1999 vom 03.08.2000 ein Einheitswert von 42.400,-- DM (Grundstücksart: Gemischtgenutztes Grundstück mit überwiegend gewerblichem Anteil) und ein Grundsteuermessbetrag i.H.v. 148,40 DM festgestellt worden. Aufgrund eines Freistellungsbescheides des zuständigen Finanzamts ... wurde hierbei dem Kläger für zu gemeinnützigen Zwecken genutzte Räume eine Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3b Grundsteuergesetz (GrStG) gewährt.

Am 14.11.2006 erhielt das hier beteiligte Finanzamt von der Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts ... eine den Kläger betreffende Kontrollmitteilung (mit Datum vom 27.10.2006). Nach dieser Mitteilung war dem Kläger aufgrund der Ergebnisse einer Betriebsprüfung bzw. Fahndungsprüfung die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 aberkannt worden. Der entsprechende Körperschaftsteuerbescheid (für die Jahre 1997 bis 2004) vom 07.09.2006 war bestandskräftig geworden.

Aufgrund der vorgenannten Mitteilung stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 29.11.2006 den Einheitswert auf den 01.01.2002 mit 73.779,-- EUR (statt bisher 21.678,-- EUR) für das Grundstück fest. Dabei versagte das Finanzamt die bisher gewährte Grundsteuervergünstigung und erfasste im Rahmen einer Wertfortschreibung auch die bisher von der Grundsteuer freigestellten Flächen.

Gegen den Bescheid vom 29.11.2006 legte der Kläger Einspruch ein. Er machte geltend: Zwar komme eine Befreiung von der Grundsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG wegen der Aberkennung der Gemeinnützigkeit nicht mehr in Betracht. Er, der Kläger, sei aber als Religionsgesellschaft im Sinne der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG zu behandeln. Auf die Tatsache, dass er nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sei, komme es nicht an. Denn er sei im Wege der verfassungskonformen Auslegun- gen den jüdischen Kultusgemeinden gleichzustellen, die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG ohne den öffentlich-rechtlichen Status von der Grundsteuer befreit seien. Das Finanzamt wies den Rechtsbehelf mit Einspruchsentscheidung vom 01.06.2007 als unbegründet zurück. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG komme eine Grundsteuerbefreiung nur für Religionsgesellschaften mit dem Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in Betracht. Auch eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG sei ausgeschlossen.

Mit Schreiben vom 02.07.2007 hat der Kläger daraufhin Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor: Eine Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG dahin gehend, andere religiöse Vereinigungen wie ihn von der Grundsteuerbefreiung auszuschließen, sei verfassungswidrig.

Die grundsteuerliche Begünstigung ausschließlich von jüdischen Kultusgemeinden verstoße sowohl gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) als auch gegen das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG geregelte spezielle Gleichheitsrecht. Danach habe sich der Staat in Fragen des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses neutral zu verhalten.

Diese Neutralität untersage insbesondere die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Diskriminierung sei nicht möglich. Insbesondere sei kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass durch die Vorschrift Anhänger des jüdischen Glaubens begünstigt werden sollen. Zwar seien durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) den öffentlich- rechtlichen Glaubensgemeinschaften bestimmte Sonderrechte eingeräumt.

Die Rechtfertigung für diese Privilegierung sei jedoch stets streng zu prüfen und daher nur im Ausnahmefall gerechtfertigt. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG sei nach alledem verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass sämtliche Religionsgemeinschaften von der Grundsteuer befreit seien, die mit den im Gesetzeswortlaut explizit genannten jüdischen Kultusgemeinden vergleichbar seien.

Im Laufe des weiteren Verfahrens hat der Kläger sein Vorbringen ergänzt, nachdem das Finanzgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 28.06.2007 11 V 1910/07 A (BG), inzwischen veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1463, zu einem dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt den dortigen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte.

Der Kläger trägt nunmehr weiter vor: Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen jüdischen Kultusgemeinden, die (noch) nicht Körperschaft des öffentlichen Rechts seien, einerseits und nichtjüdischen Kultusgemeinden, die (noch) nicht Körperschaft des öffentlichen Rechts seien, andererseits. Diese Ungleichbehandlung sei insbesondere nicht mit den Grundsätzen zu vereinbaren, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zum Steuerrecht entwickelt habe. Die Absicht des historischen Gesetzgebers, die jüdischen Kultusgemeinden ohne öffentlichrechtlichen Status bei der Grundsteuer zu begünstigen, könne aus heutiger Sicht nicht mehr maßgebend sein. Die Begünstigung dieser Kultusgemeinden sei insbesondere nicht mehr erforderlich, weil ihre formelle Anerkennung als öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft noch nicht in allen Ländern erfolgt sei. Bis heute hätten neben dem Zentralrat der Juden in Deutschland und den 23 Landesverbänden der jüdischen Gemeinden lediglich neun von den insgesamt 102 jüdischen Gemeinden in Deutschland die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Damit sei der Großteil der jüdischen Gemeinden nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt und genieße mithin die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG. Der historische Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die jüdischen Kultusgemeinden irgendwann in Zukunft die formalen Voraussetzungen für die Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts erfüllen und entsprechende Anerkennungsanträge stellen würden. Die Grundsteuerbefreiung habe mithin nur für eine Übergangszeit gelten sollen. Genau diese Überlegungen träfen auch für andere als jüdische Kultusgemeinden zu. Er, der Kläger, habe die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts angestrebt. Dieses Vorhaben sei in der Vergangenheit nur deshalb ohne Erfolg geblieben, weil grundsätzliche politische Bedenken bestanden hätten. Diese Bedenken würden möglicherweise in absehbarer Zeit überwunden. Ähnlich wie die Zeugen Jehovas müsste er, der Kläger, die Voraussetzungen für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Regeln des Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV i. V. m. Art. 140 GG erfüllen. Dies ergebe sich zum einen aus der Zahl der Mitglieder und zum anderen aus dem Umfang des vorhandenen Anlagevermögens.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 29.11.2006 über den Einheitswert des Grundbesitzes auf den 01.01.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.06.2007 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es im Wesentlichen vor, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG, und zwar weder nach dem Satz 1 noch nach dem Satz 2 der Vorschrift. Eine darüber hinausgehende Grundsteuerbefreiung komme nicht in Betracht.

Die das streitige Grundstück betreffenden Einheitswertakten des Finanzamts waren Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Senat hat bereits in einem dieselbe Streitfrage betreffenden Parallelverfahren (3 V 1508/07, Beschluss vom 08.02.2008) entschieden, dass keine ernstlichen Zweifel in Bezug auf die Auffassung des Finanzamts bestehen, die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG sei nur entsprechend seinem Wortlaut auszulegen. Insofern sei auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass Satz 2 der Vorschrift im Wege der verfassungskonformen Auslegung in seinem Anwendungsbereich nicht erweitert werden könne. Ferner sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Vorschrift insgesamt verfassungsgemäß ist. An dieser im Verfahren 3 V 1508/07 begründeten Rechtsauffassung hält der Senat bei der Entscheidung über die vorliegende Klage fest:

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG ist Grundbesitz, der von einer Religionsgesellschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, von der Grundsteuer befreit (Satz 1 der Vorschrift). Dabei stehen den Religionsgesellschaften im Sinne des Satz 1 der Vorschrift die jüdischen Kultusgemeinden gleich, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (Satz 2).

Die Frage, ob § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG entsprechend dem Begehren des Klägers einer erweiternden Auslegung zugänglich ist, hat schon mehrere Finanzgerichte im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung beschäftigt. In jedem dieser Verfahren ist, wie sich ganz offenkundig aus dem jeweils wiedergegebenen Sachverhalt ergibt, ein dem Kläger gehörendes Grundstück betroffen, das - vergleichbar dem Streitfall - von dem jeweiligen Gemeindeverband ganz oder teilweise zu religiösen Zwecken genutzt wird. In allen bisher bekannt gewordenen Verfahren ist der jeweilige Antrag, die Vollziehung des Einheitswertbescheids auszusetzen, abgelehnt worden. Es handelt sich hierbei um den Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf in EFG 2007, 1463, den Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 05.09.2007 4 V 2092/07 (EFG 2007, 1981) sowie den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 04.09.2007 1 V 129/07 (EFG 2007, 1980).

Das Finanzgericht Düsseldorf hat u.a. ausgeführt, das Grundgesetz gebiete nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht, dass der Staat alle Religionsgesellschaften schematisch gleich behandle. Der Staat dürfe, der verfassungsrechtlichen Unterscheidung in Art. 137 Abs. 5 WRV folgend, steuerliche Privilegierungen auf die Religionsgesellschaften beschränken, die Körperschaften des öffentlichen Rechts seien. Diese Unterscheidung würde nur dann den Gleichheitssatz verletzen, wenn es anderen Religionsgesellschaften in unzumutbarer Weise erschwert würde, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen, obwohl sie die materiellen Voraussetzungen hierfür erfüllten. Anhaltspunkte dafür, dass es dem (dortigen) Antragsteller unzumutbar sei, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu beantragen, ergäben sich weder aus den Akten noch seien sie sonst bekannt. Auch nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sei es zulässig, dass der Staat bestimmte Religionsgesellschaften - wie hier die jüdischen Kultusgemeinden nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG - privilegiere, wenn dafür ein sachgerechter Grund bestehe. Ein solcher Grund sei im Falle der jüdischen Kultusgemeinden gegeben. Die altpreußischen jüdischen Synagogengemeinden hätten früher einmal die Stellung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gehabt, aber dann aufgrund nationalsozialistischen Unrechts verloren. Wegen dieser Vorgeschichte und wegen der Verfolgung und Ermordung der Juden im Dritten Reich sei der Gesetzgeber berechtigt, jüdische Kultusgemeinden vergleichbar der evangelischen und der katholischen Kirche ohne Anerkennungsverfahren einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gleichzustellen.

Das Finanzgericht Köln hat u. a. ausgeführt: Die Absicht des Gesetzgebers, die jüdischen Kultusgemeinden durch die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG wegen des den Juden im Nationalsozialismus zugefügten Unrechts zu begünstigen, ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zum Grundsteuergesetz 1951. An dieser Absicht habe der Gesetzgeber auch bei späteren Gesetzesänderungen festgehalten. Dies gelte insbesondere für das Änderungsgesetz vom 24.08.1965. An der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG bestünden keine ernstlichen Zweifel. Dies gelte sowohl im Hinblick auf den speziellen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG als auch im Hinblick auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG. Die sich insoweit ergebende Privilegierung der Religionsgesellschaften mit öffentlich-rechtlichem Status habe das BVerfG als zulässig erachtet. Die Frage, ob § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG verfassungsmäßig sei, habe im Streitfall keine entscheidungserhebliche Bedeutung. Denn der (dortige) Antragsteller habe für den betreffenden Zeitraum nicht die tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt, um - hypothetisch gesehen - als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden. Ihm habe das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Rechtstreue gefehlt. Dies ergebe sich aus den Umständen, die für den Kläger zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit geführt hätten.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat sich der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf angeschlossen (vgl. den Hinweis in dem veröffentlichten Leitsatz). Weiter hat es ausgeführt, die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG stelle zwar eine Durchbrechung des Prinzips der Folgerichtigkeit dar, sei jedoch als Versuch des Gesetzgebers zu sehen, das Unrecht, das den jüdischen Kultusgemeinden durch den nationalsozialistischen Staat angetan worden sei, zu beseitigen. Diese Absicht des Gesetzgebers sei als sachlicher Grund für die Differenzierung zu erachten, der auch heute noch Geltung habe.

Anknüpfend an die vorstehend dargelegten Ausführungen hält der Senat die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG ebenfalls nicht für zweifelhaft, und zwar sowohl im Hinblick auf Satz 1 der Vorschrift als auch im Hinblick auf Satz 2 der Vorschrift. Er folgt dabei in vollem Umfange der vom Finanzgericht Düsseldorf vertretenen Auffassung, die Vorschrift sei insgesamt verfassungsgemäß. Insofern kann er offen lassen, ob er der Auffassung des Finanzgerichts Köln, auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG komme es nicht entscheidungserheblich an, folgen würde. Demgegenüber hält er den vom Kläger zuletzt vorgebrachten Einwand nicht für zutreffend, die Absichten, die der historische Gesetzgeber mit der Grundsteuerbefreiung für jüdische Kultusgemeinden ursprünglich verfolgt habe, seien aus heutiger Sicht nicht mehr maßgebend, weil die Regelung nur für eine Übergangszeit gelten sollte.

Der Regelungsinhalt eines Gesetzes kann auch anhand seiner Entstehungsgeschichte bestimmt werden (sog. historische Auslegung). Erkenntnisquellen für die Regelungsabsicht bzw. die Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers sind dabei insbesondere die Gesetzesmaterialien. Allerdings verlieren die subjektiven Vorstellungen des Gesetzgebers mit zunehmendem Alter einer Regelung an Gewicht. Daher kommt der Entstehungsgeschichte für die Auslegung eines Gesetzes nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach anderen Methoden ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt (Pahlke in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 4 Rdnr. 97 m. w. N. zur Rspr. des BVerfG).

Wie das Finanzgericht Köln in seinem o. g. Beschluss dargelegt hat, ist der Gesetzgeber bei der Einführung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG im Jahre 1951 davon ausgegangen, "die Erwähnung der jüdischen Kultusgemeinden (sei) zur Beseitigung des ihnen angetanen Unrechts erforderlich, solange ihre formelle Anerkennung als öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft noch nicht in allen Ländern wieder erfolgt (sei)". Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesbegründung wäre es durchaus vertretbar, die Vorschrift als Übergangsregelung zu sehen. Angesichts des langen Zeitablaufs ist diese Sichtweise zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht mehr gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift nämlich seither unverändert bestehen gelassen. Auch das Änderungsgesetz vom 24.08.1965 hat er nicht zum Anlass genommen, die Grundsteuerbefreiung für jüdische Kultusgemeinden von der Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaften abhängig zu machen. So hat er, wie das Finanzgericht Köln in seinem o. g. Beschluss weiter darlegt, in der Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass die für das GrStG 1951 maßgebende Regelungsabsicht (Beseitigung des nationalsozialistischen Unrechts) weiter Bestand haben soll.

An dem vorstehenden Ergebnis ändert sich nichts durch den Einwand des Klägers, der Großteil der jüdischen Gemeinden in Deutschland sei derzeit nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, insofern passten die Überlegungen des historischen Gesetzgebers nicht mehr auf die heute gegebenen Verhältnisse.

Wäre dies richtig, dann hätte für den Gesetzgeber Anlass bestanden, die Steuerbefreiungsvorschrift dahin gehend zu ändern, dass die jüdischen Kultusgemeinden bis zu irgendeinem Zeitpunkt gezwungen gewesen wären, ihre Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaften anzustreben. Allein aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber eine solche Maßnahme bisher unterlassen hat, lässt sich die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung nicht herleiten.

Denn die Regeln der historischen Auslegung können, wie dargelegt, allenfalls dazu herangezogen werden, ein bereits gefundenes Auslegungsergebnis zu bestätigen. An einem solchen Auslegungsergebnis im Sinne des Klägers fehlt es jedoch hier im Streitfall.

Nicht gehört werden kann der Kläger mit dem weiteren Einwand, er selbst habe die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bereits zu einem früheren Zeitpunkt angestrebt, das Vorhaben sei jedoch wegen politischer Bedenken ohne Erfolg geblieben; in absehbarer Zeit könnten diese Bedenken möglicherweise überwunden werden. Nach den oben dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen kommt es darauf an, ob es einer Religionsgesellschaft ohne öffentlich-rechtlichen Status in unzumutbarer Weise erschwert wird, die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erreichen. Anhaltspunkte für derartige Erschwernisse sind dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück