Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hessen
Urteil verkündet am 29.10.2007
Aktenzeichen: 3 K 523/05
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 122 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HESSISCHES FINANZGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

Geschäftsnummer: 3 K 523/05

In dem Rechtsstreit

wegen Kindergeld

hat Richter am Hessischen Finanzgericht als Einzelrichter mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 29. Oktober 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid vom 19.08.2004 hinsichtlich der Ablehnung einer Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum von Juni 2003 bis Januar 2004 sowie die Einspruchsentscheidung vom 20.01.2005 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, hinsichtlich des Zeitraums von Juni 2003 bis Januar 2004 über den Kindergeldantrag des Klägers vom 19.07.2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheiden.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ein Bescheid zugegangen ist, durch den die Beklagte (die Familienkasse) die Festsetzung von Kindergeld abgelehnt hat, und ob insoweit wegen der Bindungswirkung dieses Ablehnungsbescheids für den davon betroffenen Zeitraum eine spätere Kindergeldfestsetzung ausgeschlossen ist.

Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger hatte in der Vergangenheit für seinen Sohn E ... von der Familienkasse Kindergeld erhalten. Nach seinen Angaben war die Zahlung zu einem jetzt nicht mehr bekannten Zeitpunkt eingestellt worden.

Am 23.06.2003 stellte der Kläger für seinen Sohn E wiederum einen Kindergeldantrag.

Die Familienkasse forderte ihn daraufhin mit Schreiben vom 25.06.2003 auf, bestimmte Unterlagen einzureichen. Weil sie hierzu keine Antwort erhielt, erinnerte sie mit Schreiben vom 17.09.2003 an die Erledigung des Schreibens. Sodann erließ sie unter dem Datum vom 07.01.2004 einen Bescheid, mit dem sie den Antrag vom 23.06.2003 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, die angeforderten Unterlagen seien nicht eingereicht worden. Der Bescheid sowie die beiden vorangegangenen Schreiben waren an die vom Kläger in seinem Antrag angegebene Adresse "Y-Straße 2 , 12345 X - Stadt" gerichtet.

Unter dem Datum vom 23.03.2004 richtete der Prozessbevollmächtigte im Namen des Klägers ein Schreiben an die Familienkasse, in dem er u. a. vortrug: "Seit einiger Zeit" erhielte der Kläger kein Kindergeld mehr, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen bei dem Sohn E vorlägen. Es werde beantragt, das Kindergeld weiterzuzahlen.

Auf einen entsprechenden Hinweis durch die Familienkasse stellte der Kläger über den Prozessbevollmächtigten am 19.07.2004 erneut einen Kindergeldantrag. Die von der Familienkasse geforderten Nachweise legte er in der Folgezeit vor. Sodann setzte die Familienkasse mit Bescheid vom 19.08.2004 Kindergeld für die Zeit ab Februar 2004 fest. Dabei lehnte sie jedoch für den vorangegangenen Zeitraum die Kindergeldfestsetzung ab. Zur Begründung führte sie - sinngemäß - aus: Der frühere Kindergeldantrag sei mit Bescheid vom 07.01.2004 abgelehnt worden. Dies schließe eine Festsetzung aus.

Gegen den vorgenannten Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte im Namen des Klägers Einspruch ein. Hierzu trug er u. a. vor: "Aus bisher unbekannten Gründen" habe die Familienkasse "eines Tages" die Kindergeldzahlung eingestellt. Eine Mitteilung hierüber habe sie dem Kläger nicht gemacht. Da die Zahlungen auf ein Konto des Kindes gegangen seien, habe der Kläger die Zahlungseinstellung "erst Jahre später" bemerkt. Daraufhin habe er am 23.06.2002 einen neuen Kindergeldantrag gestellt. Auf diesen Antrag habe er sodann längere Zeit nichts gehört. Das Schreiben vom 25.06.2003 sowie den Bescheid vom 07.01.2004 habe er nicht erhalten. Erst durch den Hinweis der Familienkasse in dem Schreiben vom 29.03.2004 habe er von dem Sachverhalt erfahren. Es sei schon des Öfteren vorgekommen, dass der Kläger Postsendungen nicht erhalten habe. Erklärungen für diese Vorkommnisse seien bisher nicht zu finden gewesen. Die Familienkasse wies den Einspruch - ohne eine inhaltliche Begründung - zurück (Einspruchsentscheidung vom 20.01.2005).

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen im Einspruchsverfahren.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 19.08.2004 hinsichtlich der Ablehnung einer Kindergeldfestsetzung sowie die Einspruchsentscheidung vom 20.01.2005 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für den Zeitraum von Juni 2003 bis Januar 2004 Kindergeld betreffend das Kind E festzusetzen.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf einen entsprechenden Hinweis durch den erkennenden Einzelrichter trägt sie zur Begründung - sinngemäß - nunmehr vor: Sowohl die Schreiben vom 25.06.2003 und vom 17.09.2003 als auch der Bescheid vom 07.01.2004 seien an den Kläger unter der zutreffenden Adresse abgesandt worden. Ein Rücklauf sei nicht erfolgt. Es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass drei Poststücke, die innerhalb von sechs Monaten an dieselbe Adresse versandt worden seien, dort nicht zugegangen sein sollen.

Dass ein Poststück durch menschliches oder technisches Versagen seinen Empfänger nicht erreiche, mag in Einzelfällen vorkommen. Dass aber gleich drei Poststücke desselben Absenders nicht ankämen, sei "mehr als unwahrscheinlich" (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10.02.1999 V 297/98, nicht veröffentlicht).

Der Kläger habe zwar Probleme mit der Postzustellung in den Raum gestellt.

Substantiierte Tatsachenangaben hierzu habe er jedoch nicht gemacht. Insofern bestünden keine Zweifel an der wirksamen Bekanntgabe des hier streitigen Bescheides.

Die den Streitfall betreffenden Akten waren Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid war hinsichtlich des Teils, durch den die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld für die Zeit vor dem Monat Februar 2004 abgelehnt hat, aufzuheben. Des Weiteren war die Familienkasse zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Festsetzung von Kindergeld für die Monate Juni 2003 bis Januar 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

1. Die Familienkasse hat ihrer ablehnenden Entscheidung zu Unrecht die Annahme zugrunde gelegt, der Bescheid vom 07.01.2004 sei dem Kläger tatsächlich zugegangen.

Nach § 122 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt (Bescheid), der durch die Post im Inland übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Bescheid nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann der Nachweis des Zugangs im Sinne der genannten Vorschrift nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises (prima-facie-Beweis) geführt werden. Es gelten vielmehr die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere der Indizienbeweis (vgl. Urteil vom 14.03.1989 VII R 75/85, BStBl II 1989, 534).

Wie der BFH in dem vorgenannten Urteil im Einzelnen dargelegt hat, beruht der Beweis des ersten Anscheins auf allgemeinen Lebenserfahrungen, und zwar in der Art, dass wesensgleiche Ereignisse serienmäßig typisch gleich verlaufen müssen. Diese Erfahrungssätze werden unter dem Schlagwort vom "typischen Geschehensablauf" zusammengefasst. Typische und daher dem Anscheinsbeweis zugängliche Geschehensabläufe sind dabei nur solche, die vom menschlichen Willen unabhängig sind, die also gleichsam mechanisch "abrollen". Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob ein als einfacher Brief aufgegebenes Schriftstück tatsächlich zugegangen ist, dem Nachweis durch Anscheinsbeweis nicht zugänglich. Im Übrigen kommt es unter normalen Postverhältnissen immer wieder vor, dass abgesandte Briefe den Empfänger nicht erreichen.

Gerade angesichts des Gesetzeswortlauts kann von dem (potentiellen) Empfänger nicht verlangt werden, einen anderen als den (angeblich) typischen Geschehensablauf darzulegen.

Wie der BFH in dem vorgenannten Urteil weiter ausgeführt hat, können allerdings bestimmte Verhaltensweisen, die der Empfänger längere Zeit nach Absendung des Bescheids an den Tag gelegt hat, im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Falles berücksichtigt werden. In diese Gesamtwürdigung ist dann auch die allgemeine Lebenserfahrung einzubeziehen, dass ein nachweislich abgesandtes Schriftstück den Empfänger mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich erreicht. Aufgrund der verschiedenen Indizien muss das Gericht gemäß § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Tatsache des Zugangs mit so hoher Wahrscheinlichkeit als festgestellt ansehen, dass kein vernünftiger Mensch mehr zweifelt (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 96 Tz. 66).

Als gewichtiges Indiz für die Annahme des Zugangs hat der BFH die Tatsache gewertet, dass der als Empfänger benannte Beteiligte sich mit seiner Behauptung, der betreffende Bescheid sei ihm nicht zugegangen, im Widerspruch zu früheren Äußerungen gesetzt hat. So hatte in dem Fall des BFH-Urteils vom 14.01.1992 VII R 112/89 (BFH/NV 1992, 365) der dortige Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten zunächst vortragen lassen, bei der Bekanntgabe des streitigen Haftungsbescheids sei die Zustellungsvollmacht nicht beachtet worden; erst zu einem späteren Zeitpunkt hatte er geltend gemacht, der Haftungsbescheid sei ihm überhaupt nicht zugegangen. In dem Fall des BFH-Urteils vom 03.03.1993 II R 11/90 (BFH/NV 1994, 141) hatte der dortige Kläger sich mit dem Einspruch gegen einen Einkommensteuerbescheid gewandt, in dem die damals gültige Vergünstigung für sog. Zweifamilienhäuser abgelehnt worden war; dazu hatte er zunächst geltend gemacht, in dem maßgebenden Einheitswertbescheid sei zu Unrecht die Grundstücksart "Einfamilienhaus" festgestellt worden; erst später hatte er behauptet, der genannte Einheitswertbescheid sei ihm nicht zugegangen. Demgegenüber hat der BFH es abgelehnt, ein rein passives Verhalten des betroffenen Beteiligten als geeignetes Indiz für den von der Behörde geltend gemachten Zugang anzusehen. So hat er beispielsweise in dem Urteil in BStBl II 1989, 534 ausgeführt, es reiche nicht aus, dass der Steuerpflichtige über den Zeitraum von fünf Jahren mehrfach die Gelegenheit gehabt habe, den Nichtzugang des betreffenden Steuerbescheids geltend zu machen. Des Weiteren hat es der BFH abgelehnt, zugunsten der Behörde irgendwelche Beweiserleichterungen zuzulassen für den Fall, dass (etwa aufgrund des Verhaltens des Steuerpflichtigen) der Zugang eines behördlichen Schriftstücks bei normalem Postlauf nicht gewährleistet ist. Hierzu hat er in dem Urteil vom 15.09.1994 XI R 31/94 (BStBl II 1995, 41) dargelegt, mit dem Wortlaut des § 122 Abs. 2 AO sei es nicht vereinbar, wenn verlangt werde, dass der (potentielle) Empfänger substantiierte Angaben über die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs mache.

Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen vermag sich das Gericht nicht die nach § 96 FGO erforderliche Überzeugung zu verschaffen, der Bescheid vom 07.01.2004 sei dem Kläger tatsächlich zugegangen. Dabei hält es insbesondere die Tatsachen, auf die Familienkasse ihre Rechtsauffassung stützt, nicht für ausreichend.

Die Familienkasse macht geltend, innerhalb eines Zeitraums von wenigen Monaten seien insgesamt drei Poststücke (zwei Schreiben sowie der hier betroffene Bescheid) an den Kläger abgesandt worden, es sei "mehr als unwahrscheinlich", dass alle diese Sendungen nicht angekommen seien. Damit beruft sie sich im Ergebnis auf einen allgemeinen Erfahrungssatz und damit auf die Regeln des Anscheinsbeweises. Eine solche Beweisführung ist jedoch nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BStBl II 1989, 534 nicht zulässig.

Des Weiteren trägt die Familienkasse vor, der Kläger habe Probleme mit der Postzustellung in den Raum gestellt, jedoch hierzu keine substantiierten Tatsachenangaben gemacht. Damit verstößt sie gegen den vom BFH in dem Urteil in BStBl II 1995, 41 dargelegten Grundsatz, dass in Bezug auf den streitigen Zugang von dem (potentiellen) Empfänger keine substantiierten Angaben über die Möglichkeiten eines atypischen Geschehensablaufs verlangt werden können.

Schließlich beruft sich die Familienkasse für ihre Auffassung zu Unrecht auf das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10.02.1999 V 297/98. Denn die Gesamtwürdigung, die das Finanzgericht Nürnberg in dem dortigen Fall vorgenommen hat, beruht u. a. auf Indizien, für die es im Streitfall keine Entsprechung gibt. Das Finanzgericht Nürnberg hat zwar einerseits ausgeführt, es widerspreche "jeder Wahrscheinlichkeit", dass mehrere Postsendungen einer Behörde in derselben Angelegenheit und in unmittelbarer Folge den Adressaten nicht erreichten. Es hat aber andererseits in dem vorstehenden Zusammenhang auf Widersprüche hingewiesen, die sich aus dem Verhalten des Klägers in einem früheren Zeitraum eine andere Kindergeldsache betreffend ergeben haben. Hierzu hat es dargelegt, der dortige Kläger habe zunächst angegeben, einen Rückforderungsbescheid sowie andere dazugehörigen Vorgänge nicht verstanden zu haben, später habe er dann vortragen lassen, dass er keinen Rückforderungsbescheid erhalten habe. Im Streitfall ist in Bezug auf das Verhalten des Klägers eine derart offenkundige Widersprüchlichkeit nicht festzustellen. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kann der Zugangsnachweis weder im vorgenannten Urteilsfall noch im hier vorliegenden Streitfall auf die Erwägung gestützt werden, das Vorbringen, dass mehrere Postsendungen, die von derselben Behörde in derselben Angelegenheit und in unmittelbarer zeitlicher Folge an denselben Adressaten gerichtet gewesen seien, diesen nicht erreicht hätten, widerspreche "jeder Wahrscheinlichkeit".

Das Gericht hat nicht außer Acht gelassen, dass der im Streitfall zu beurteilende Sachverhalt - außer dem Vorbringen des Klägers, die Schreiben vom 25.06.2003 und vom 17.09.2003 sowie der Bescheid vom 07.01.2004 seien ihm nicht zugegangen - eine Reihe weiterer Ungereimtheiten aufweist. So will der Kläger über längere Zeit nicht bemerkt haben, dass die Familienkasse zu irgendeinem Zeitpunkt vor 2003 die Kindergeldzahlung eingestellt hat. Des Weiteren will er erst nach einem Zeitraum von über einem Jahr zu der Erkenntnis gekommen sein, dass der Kindergeldantrag, den er am 23.06.2003 gestellt hatte, noch nicht beschieden sein könnte. All diese Ungereimtheiten sind jedoch nicht mit den Verhaltensweisen zu vergleichen, in denen der BFH und auch das Finanzgericht Nürnberg einen offenkundigen Widerspruch zu der Behauptung gesehen haben, der betreffende Bescheid sei nicht zugegangen. Vielmehr sind die vorgenannten Umstände im Sinne eines passiven Verhaltens zu würdigen, bei dem es der BFH abgelehnt hat, die Regeln des Indizienbeweises anzuwenden. Allein aus der Tatsache, dass angesichts der Gesamtumstände des Streitfalles nicht unerhebliche Zweifel an dem Vorbringen des Klägers bestehen, kann der hier erforderliche Zugangsnachweis abgeleitet werden.

2. Das Gericht war aufgrund des vorliegenden Sachantrags nicht gehalten, die Familienkasse zum Erlass einer bestimmten Entscheidung zu verpflichten. Denn die Sache ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht spruchreif.

Ist - wie im vorliegenden Fall - die Ablehnung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und dadurch der Kläger in seinen Rechten verletzt, hat das Gericht nach § 101 Satz 1 FGO die Finanzbehörde zu verpflichten, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Ansonsten spricht es nach Satz 2 der Vorschrift die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der BFH hat die vorstehenden Verfahrensregeln in seinem Urteil vom 02.06.2005 III R 66/04 (BStBl II 2006, 184) auf den Fall angewandt, dass ein Kindergeldberechtigter mit der Klage das Begehren verfolgt, den die Zahlung von Kindergeld ablehnenden Bescheid der Familienkasse aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld auf unbestimmte Zeit zu zahlen. Hierzu hat er ausgeführt: Bei dem vorgenannten Rechtsschutzbegehren handele es sich um eine Verpflichtungsklage, für die nicht die Regeln des § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO (Betragsfestsetzung bei Anfechtungsklage), sondern die Regeln des § 101 FGO (Sachentscheidung bei Verpflichtungsklage) einschlägig seien. Zwar sei es Pflicht des Gerichts, den Sachverhalt bis zur Entscheidungsreife aufzuklären. Dies gelte jedoch nicht, wenn die Verwaltung den maßgebenden Sachverhalt für ihre ablehnende Entscheidung nur in einem bestimmten Punkt ermittelt, für die positive Feststellung eines Kindergeldanspruchs jedoch keine weitere Sachverhaltsprüfung vorgenommen habe.

Ebenso verhält es sich im Streitfall. Die Familienkasse hätte für eine der Klägerin günstige Entscheidung u. a. die Feststellung treffen müssen, dass der Sohn des Klägers während des hier streitigen Zeitraums eine der in § 32 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Voraussetzungen erfüllt hat. Nach den dem Gericht vorliegenden Akten ist dies offenkundig nicht geschehen.

Die Familienkasse wird im Rahmen der von ihr erneut zu treffenden Entscheidung den Sachverhalt in den noch offenen Punkten weiter zu prüfen haben. Eine entsprechende Sachverhaltsermittlung im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich. Denn es ist nicht Sache des Gerichts, die der Familienkasse obliegenden Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen.

3. Die Entscheidungen über die Kosten des Verfahrens folgen aus § 135 Abs. 1 FGO.

Danach hat die Familienkasse als unterlegene Beteiligte die Kosten zu tragen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 und § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordndung (ZPO).



Ende der Entscheidung

Zurück